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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 103/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.09.2005 - Az: 10 Ca 4394/03 - wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.01.2004 aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 24.09.2003, 08.10.2003 endet. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens auch des Revisionsverfahrens haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien, in dessen Rahmen die Klägerin seit 1992 als examinierte Altenpflegerin beschäftigt war, durch die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2003, welche als außerordentliche und vorsorglich ordentliche Kündigung erklärt wurde, beendet worden ist.

Die Kündigung hat die Beklagte auf einen am 23.09.2003 entdeckten Diebstahls von Medikamenten gestützt, wobei die Klägerin insgesamt 17 Tabletten des Schlafmittels Adumbran unstreitig entnommen hat. Das Landesarbeitsgericht hat in dem Verfahren 6 Sa 844/05 am 05.01.2006 auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichtes Koblenz vom 13.09.2005 - Az: 10 Ca 4394/03 - dahingehend abgeändert, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.01.2004 aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung endet und hat der außerordentlich erklärten fristlosen Kündigung die Wirksamkeit versagt.

Die Beklagte hat ein Verfahren wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eingeleitet, woraufhin das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18.01.2007 der Beschwerde stattgegeben, das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen hat.

Im Wesentlichen ist dies damit begründet worden, dass der Vorsitzende im Prozesskostenhilfebeschluss vom 27.12.2005 für die Berufung der Klägerin keine Erfolgsaussicht sah, während das Berufungsgericht in voller Besetzung der außerordentlichen Kündigung ihre Wirksamkeit versagte. Hierauf hätte der Beschwerdeführer, die Beklagte, hingewiesen werden müssen, damit die Beklagte hätte zum Zusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und den arbeitsvertraglichen Aufgaben der Klägerin ergänzend Stellung nehmen können.

Die Klägerin führt weiter aus,

dass jeder der 76 Heimbewohner ein so genanntes Medikamenten-Kästchen habe, in denen jeweils ca. 20 Adumbran Schlaftabletten auf Vorrat gehalten würden. Aus diesem Grunde sei es, da sie die 17 Tabletten aus verschiedenen Kästchen der Heimbewohner unerlaubt an sich genommen habe, die Medikamentierung, die in der Ruhigstellung bestünde, nicht gefährdet gewesen, zumal insgesamt 500 bis 1.000 Schlaftabletten Adumbran vorhanden gewesen seien.

Das Alter, die Betriebszugehörigkeit und der Zeitpunkt der beanstandungsfreien Zeit der Klägerin bei der Beklagten würden dazu führen, den geringfügigen Verfehlungstatbestand nicht zu einem wichtigen Grund werden zu lassen.

Die Klägerin beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz zu Aktenzeichen 10 Ca 4394/03 vom 13.09.2005 aufgehoben und die Beklagte gemäß dem erstinstanzlichen Antrag zu 1 verurteilt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie führt ergänzend aus,

dass die Wegnahme der Medikamente durch die Klägerin den objektiven Tatbestand des Diebstahls verwirkliche und damit eine erhebliche Vertragsverletzung und damit einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstelle. Die Frage, ob bei der Klägerin ein schuldhaftes Verhalten vorgelegen habe, interessiere nicht, da es nicht auf die strafrechtliche Bewertung im engeren Sinne ankommen könne. Auch die Geringwertigkeit der Sache stehe der Annahme nicht entgegen, in der Entwendung einen wichtigen Grund zu sehen.

Das Landesarbeitsgericht hätte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht in der Interessensabwägung berücksichtigen dürfen, da der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Ausspruch der Kündigung sei.

Zudem sei eine Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens der Klägerin nicht zumutbar gewesen, zumal die Klägerin aufgrund ihres Aufgabenbereiches als Altenpflegerin in der von ihr eingenommenen Vertrauensstellung Zugang zu sämtlichen Medikamenten gehabt habe. Die Klägerin habe wissentlich und zielgerichtet aufs Gröbste ihre Fürsorgepflicht verletzt, als sie den betreuten Heimbewohnern die verordneten Medikamente vorenthalten und zu eigenen Zwecken entwendet habe.

Es sei nicht auszuschließen, dass es angesichts des Verhaltens der Klägerin für die zu betreuenden Heimbewohner zu erheblichen Gefahren für Leib und Leben hätte kommen können. Die Klägerin habe ihr Wohl über das der von ihr zu betreuenden Heimbewohner gestellt und dadurch eine Situation hervorgerufen, die eine Weiterbeschäftigung als nicht tragbar erscheinen lasse.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schreiben, die im neu eröffneten Verfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ebenso Bezug genommen, wie auf den Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 05.01.2006 und die Gründe I des Beschlusses BAG vom 18.01.2007 - Az: 2 AZN 581/06 -.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, da innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet. Sie hat auch teilweise Erfolg, als nämlich die außerordentliche Kündigung der Beklagten, erklärt mit Schreiben vom 24.09.2003; unwirksam ist.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Verhalten der Klägerin an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeben kann und legt dabei unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, dass ein Diebstahl oder auch eine Handlung, die sich als Wegnahme eines fremden Gegenstandes darstellt, ohne tatbestandlich ein Diebstahl zu sein, grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeben kann, auch wenn das Verschulden des Arbeitnehmers fehlen sollte.

Das Arbeitsgericht hebt auch zu Recht darauf ab, dass der Vorfall dann erschwerend zum Nachteil des Arbeitnehmers gewichtet werden muss, wenn er sich im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit darstellt, wie dies im vorliegenden Falle gewesen ist.

Die Klägerin hat unbestritten 17 Tabletten der Marke Adumbran am 23.09.2003 aus dem Bestand bei der Beklagten entnommen, um sie für sich zu verwenden, wobei sie sich unbestritten dahingehend eingelassen hat, dass sie damit habe ein Selbstmord begehen wollen, weil sich ihre private Situation als nicht mehr erträglich dargestellt hat.

Die Berufungskammer sieht jedoch im Rahmen der Interessensabwägung, die auch bei außerordentlichen Kündigungen und schweren Vertragsverletzungen deshalb anzustellen ist, weil die Kündigung keine Sanktion für vergangene Taten allein darstellt, sondern auch, da die Beendigung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft gedacht ist, berücksichtigt werden muss, wie sich die Prognose für die Zukunft stellt (BAG, DB 97, 2.387) keine Interessen der Beklagten an einer fristlosen Beendigung als überwiegend gegenüber den Interessen der Klägerin an der Einhaltung der Frist. Ausgehend von dem Vortrag der Klägerin, ist zwar eine Pflichtverletzung auszumachen, die auch, sollte ein Verschulden nicht vorgelegen haben, grundsätzlich für eine Kündigung geeignet ist, was auch alle Beteiligten so sehen.

Im Hinblick auf die von der Beklagten behaupteten negativen Zukunftsprognose sind zwar Zweifel angebracht, weil eine derartige Notlage der Klägerin durch die einmalige Wegnahme der Medikamente bereits zu einer der von ihr ausersehenen Lösung geführt hätte, so dass eine Wiederholungsgefahr nicht sehr wahrscheinlich ist.

Die Berufungskammer sieht jedoch auch angesichts des Vortrags der Beklagten im Schreiben vom 18.04.2007 keinerlei Veranlassung, von der im aufgehobenen Urteil vom 05.01.2006 vorgenommenen Interessensabwägung abzurücken, auch dann, wenn man den Gesichtspunkt außer Acht lässt, dass die Klägerin im Anschluss an das Geschehen arbeitsunfähig erkrankt war, weil überwiegende Gesichtspunkte dafür sprechen, dass es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen ist, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten.

In der Kammerverhandlung vom 05.01.2006 hat sich ergeben, dass die Klägerin die 17 Schlaftabletten zwar aus verschiedenen Medikamenten-Kästchen der insgesamt 76 Heimbewohner entnommen hat, dadurch jedoch die vorgesehene Medikamentierung der Patienten nicht gefährdet war. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass in mehr als der Hälfte aller Medikamenten-Kästchen 20 Adumbran Schlaftabletten auf Vorrat gehalten worden seien und insgesamt 500 bis 1.000 Tabletten noch zusätzlich vorhanden gewesen sind. Bei einem derartigen Sachverhalt kann von einer groben Fürsorgepflichtverletzung der Klägerin gegen die Interessen der anvertrauten Patienten nicht ausgegangen werden, sondern muss der Vorwurf, der der Klägerin zu machen ist, auf das Vermögensdelikt begrenzt werden.

Die Beklagte betont zu sehr eine vermeintliche Vertrauensstellung der Klägerin, weil sie Zugang zu sämtlichen Medikamenten in ihrer Funktion als Altenpflegerin hatte. Aber gerade diese Vertrauensstellung, auch wenn sie in der Form bestanden haben sollte, führt nicht dazu, das Verhalten der Klägerin also groben Verstoß einzuschätzen, wie es die Beklagte tut, weil nämlich die Zuteilung der Medikamente durch das Verhalten der Klägerin gerade nicht gefährdet gewesen ist, weil nämlich im Hinblick auf das entnommene Medikament ausreichend Vorrat vorhanden gewesen ist. Zu der Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin im Betrieb der Beklagten, die im Zeitpunkt der Kündigung 10 Jahre betragen hat, tritt noch das Alter der Klägerin hinzu, die 56 Jahre alt ist. Die Klägerin hat auch in der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit keinerlei Gründe für eine Beanstandung bislang gegeben und die Möglichkeit, eine adäquate neue Beschäftigung zu finden, ist in ihrem Alter als sehr gering einzuschätzen.

Dem gegenüber steht das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, dass er von seinen Angestellten nicht bestohlen wird und dass die Altenpfleger ihre Aufgabe gegenüber den anvertrauen Heimbewohnern ernst nehmen und jede mögliche Gefährdung der pflegebedürftigen Menschen vermeiden.

Nach den obigen Ausführungen ist allein der einmalige Verstoß der Klägerin bei der Entnahme der 17 Schlaftabletten isoliert zu sehen, während die Interessen der anvertrauen Heimbewohner gerade nicht tangiert sind, weil im Hinblick auf die Medikamente ein ausreichender Vorrat vorhanden ist.

Nach dem Vorstehenden ist die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten nicht wirksam, während die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2004 beendet hat, wobei die Kammer auf die Ausführungen auf Seite 7 des Urteils vom 05.01.2006 - LAG Rheinland-Pfalz, Az: 6 Sa 844/05 - insoweit Bezug nimmt.

Die Kosten des Verfahrens haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen, was dem jeweiligen Unterliegen bzw. Obsiegen entspricht, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist deshalb nicht zugelassen, weil erkennbar die gesetzlichen Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden kann, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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