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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: 4 Sa 1106/02
Rechtsgebiete: TzBfG, ZPO


Vorschriften:

TzBfG § 8 Abs. 1
TzBfG § 8 Abs. 4
TzBfG § 8 Abs. 4 Satz 1
TzBfG § 8 Abs. 4 Satz 2
TzBfG § 8 Abs. 6
TzBfG § 9
ZPO § 894
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 4 Sa 1106/02

Verkündet am: 30.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Stock als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Kü und Kl für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 04.09.2002 - 4 Ca 396/02 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Verringerung und Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit.

Der Kläger ist ausgebildeter Schreiner mit pädagogischer Zusatzausbildung. Er ist seit 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt in B -K eine Werkstatt für behinderte Menschen. Im Betrieb sind regelmäßig unabhängig von der Anzahl der Personen in der Berufsausbildung mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger ist eingesetzt als Gruppenleiter in Vollzeit im Bereich Metallbau. Sein Bruttomonatsgehalt beträgt durchschnittlich 2.812,- EUR.

Am 29.10.2001 hat der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Zustimmung zur Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 3/5 der tariflichen Arbeitszeit nebst Festlegung der Arbeitszeiten auf Montag, Dienstag und Mittwoch gestellt, wobei er ausweislich seines Antrages die Reduzierung ab 01.02.2001 wünschte. Die Parteien traten in Gespräche ein. Die Beklagte unterbreitete dem Kläger verschiedene abweichende Vorschläge. Eine Einigung kam nicht zustande. Mit am 22.02.2002 beim Arbeitsgericht Trier eingegangener Klage hat er die Zustimmung der Beklagten zur beantragten Arbeitszeitreduzierung nebst gewünschter Verteilung erhoben.

Nachdem die Beklagte schriftsätzlich mitteilte, sie betrachte den Antrag vom 29.10.2001 als formunwirksam, da eine rückwirkende Verringerung der Arbeitszeit nicht möglich sei, beruft sich der Kläger zuletzt nicht mehr auf diesen Antrag. Er beantragte vielmehr erneut am 12.03.2002 bei der Beklagten die gleiche Reduzierung seiner Arbeitszeit nebst entsprechender Verteilung jedoch beginnend ab 01.07.2002. Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers schriftlich mit Schreiben vom 28.05.2002, eingegangen bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31.05.2002 ab.

Der Kläger hat vorgetragen, es sei keinesfalls notwendig, dass ein Gruppenleiter im Bereich Metallbau den behinderten Menschen für 38,5 Stunden pro Woche zur Verfügung stehe. Von diesem Prozessstandpunkt weiche die Beklagte in ständiger Praxis ab, da sie eine Vielzahl von anderen Teilzeitkräften in Gruppenleiter/Gruppenhelfer-Positionen beschäftigte und er selbst auch aufgrund seines bisherigen Einsatzes seit seiner Versetzung in die Alu-Gruppe im Juli 2000 den Behinderten nicht ständig 38,5 Stunden zur Verfügung gestanden habe. Er sei häufig aus wirtschaftlichen Gründen in die Schreinerei abgeordnet worden.

Wegen der Einzelheiten seines Sachvortrages über die Tätigkeiten wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 04.09.2002, dort Seite 3.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, während seiner Abwesenheit sei seine Gruppe nur mit dem Gruppenhelfer L besetzt gewesen, den auch die Beklagte als sehr fähig bezeichne. Im Übrigen würden in anderen Gruppen ebenfalls Teilzeitkräfte beschäftigt. Im sozialen Dienst habe der Mitarbeiter M für einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren nachmittags frei gehabt, die Sozialarbeiterin H sei halbtags beschäftigt und auch die Sozialpädagogin T zunächst halbtags, seit kurzem zu 3/4. Im Berufsbildungsbereich arbeite die Erzieherin K halbtags und 4 Stunden und die Krankenschwester B ebenfalls. Auch in der Fördergruppe, in der Schwerstbehinderte wesentlich intensiver zu betreuen seien als in der Metallgruppe, lasse die Beklagte Teilzeitkräfte uneingeschränkt zu. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Sachvortrages wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Den behinderten Menschen sei der Umgang mit mehreren Betreuern nicht ungewohnt und in Zusammenarbeit mit dem engagierten Gruppenhelfer L sei die begehrte Teilzeitbeschäftigung kein Problem. Wegen der Betreuung seiner 82-jährigen Mutter habe er ein dringendes Interesse, dass sein Teilzeitanspruch anerkannt werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einer Änderung dahingehend zuzustimmen, dass sich seine Arbeitszeit auf 3/5 der tariflich vereinbarten Arbeitszeit reduziert und die Arbeitszeiten auf die Wochentage Montag, Dienstag und Mittwoch verteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger sei Gruppenleiter im Metallbau und für eine Gruppe von mindestens 6 Menschen verantwortlich. Er sei Bezugsperson für die behinderten Menschen und diese bedürften ihren Gruppenleiter von montags bis freitags einer Woche 38,5 Stunden lang, also deren Arbeitszeit. Die Reduzierung auf 3/5 der Arbeitszeit sei nicht möglich. Der Kläger sei nur in anderen Gruppen eingesetzt, wenn deren Leiter krank oder urlaubsabwesend sei.

Einen Gruppenleiter mit sozialpädagogischer Ausbildung für zwei Arbeitstage in der Woche könne sie nicht einstellen, da der Markt solche Kräfte nicht hergebe, zum anderen fehle den behinderten Menschen damit die durchgängige Bezugsperson.

Die Schreinergruppe könne nur durch einen ausgebildeten Schreiner geleitet und der dortige Gruppenleiter bei Krankheit oder Urlaub nur durch einen anderen Schreiner vertreten werden. Dies sei zu den vom Kläger aufgeführten Zeiten der Fall gewesen, wobei es sich auch nur um wenige Arbeitstage gehandelt habe. Keinesfalls sei eine Abordnung erfolgt, um die Produktion zu steigern.

Bei der Gruppe D handelt es sich um eine Montagegruppe, die der Kläger während der krankheitsbedingten Abwesenheit von Herrn D geleitet habe. Er wiederum sei von Herrn L oder von einem anderen Gruppenleiter vertreten worden. Eine derartige Vertretung sei nur in Ausnahmefällen und bei Vorliegen zwingender Gründe möglich. Gesetzlich sei vorgeschrieben, dass ein Gruppenleiter eine handwerkliche Ausbildung habe und eine pädagogische Zusatzausbildung vorweisen müsse. Der Helfer L verfüge über eine derartige Ausbildung nicht.

Im sozialen Dienst würde keine Gruppentätigkeit verrichtet, sondern individuelle Betreuung, die gruppenübergreifend verrichtet würde. In der Einzelförderung könnten Teilzeitkräfte eingesetzt werden, weil wenn die Einzelförderung ausfalle, es in der Fördermaßnahme keine Vertretung gebe. Die Betreuung der Schwerstbehinderten könne durch die eingesetzten Kräfte gewährleistet werden und bei Teilzeitbeschäftigung werde die Differenz zur vollschichtigen Tätigkeit nicht ersetzt. Sämtliche aufgeführten Bereiche seien daher mit der Arbeit des Gruppenleiters nicht vereinbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des vorbezeichneten Urteils des Arbeitsgerichts Trier verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, zwar stelle die Entscheidung des Betreibers einer Behindertenwerkstatt, die Betreuung der behinderten Mitarbeiter ausschließlich durch Gruppenleiter in Vollzeit zu bewerkstelligen, eine freie Unternehmerentscheidung dar, welches als rationelles unternehmenspolitisches Konzept als betrieblicher Grund nach § 8 Abs. 4 Satz 1, 2 TzBfG einem Teilzeitwunsch entgegenstehe, allerdings habe die Beklagte nicht dargelegt, dass sie das behauptete Organisationskonzept auch tatsächlich im Betrieb umsetze. Dies zeige allein die Häufigkeit der Einsätze des Klägers in anderen Gruppen. Das Konzept werde auch in der Fördergruppe durch die Beklagte durchbrochen. Die Beklagte habe auch nicht erkennbar dargelegt, dass sie überhaupt den Versuch unternommen habe, eine geeignete Ersatzkraft für den Kläger zu finden. Dass beispielsweise eine Nachfrage beim Arbeitsamt getätigt oder eine inner- bzw. außerbetriebliche Stellenanzeige geschaltet worden wäre, sei nicht ersichtlich. Insgesamt habe die Beklagte damit nicht im ausreichenden Maß schlüssig vorgetragen, dass die vom Kläger begehrte Teilzeitbeschäftigung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Organisation oder des Arbeitsablaufs führen würde.

Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 25.09.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.10.2002 eingegangene Berufung.

Die Beklagte hat ihre Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis zum 09.12.2002 verlängert worden war, mit am 25.11.2002 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt ihren gesamten erstinstanzlichen Tatsachenvortrag. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 TzBfG lägen nicht vor. Im Einzelnen schildert die Beklagte die gesetzlichen Grundlagen der Werkstättenverordnung. Der Kläger sei Bezugsperson für behinderte Menschen seiner Gruppe. Er habe die behinderten Menschen in allen Dingen während der Arbeit, in der Produktionsgruppe zu betreuen. Deshalb sei ein besonderes Vertrauensverhältnis entstanden. Der Gruppenhelfer L sei zwar ausgebildeter Schreiner, verfüge jedoch nicht über die erforderliche sonderpädagogische Zusatzausbildung.

Zu der Aufstellung des Klägers über die Abordnung in anderen Abteilungen errechnet die Beklagte, dass insgesamt in 18 Monaten mit365 Arbeitstagen der Kläger an 41 Arbeitstagen in der Schreinerei eingesetzt war und dies auch nur, wenn der Gruppenleiter der Schreinerei wegen Krankheit oder Urlaub ausgefallen sei. In der Montagegruppe D sei er nach eigenen Angaben nur an 4 Arbeitstagen eingesetzt gewesen, in der Gruppe Mü nach eigenen Angaben auch lediglich an 4 Arbeitstagen von 365 Arbeitstagen. Wenn der Kläger lediglich montags bis mittwochs in einer Arbeitsgruppe tätig wäre, würde es an der notwendigen Übergabe, Mitteilung von technischen Einzelheiten des Auftrags, bestehenden Vorgaben, Absprachen mit dem Auftraggeber, Terminen usw. fehlen. Des Weiteren sei eine Teilzeitkraft zu 2/5 der Arbeitszeit mit einer handwerklichen Ausbildung mit mindestens 2-jähriger Berufserfahrung sowie einer sonderpädagogischen Zusatzausbildung nicht verfügbar.

Die organisatorische Gestaltung in dem begleitenden Dienst sei anders. In die dort tätigen Sozialpädagogen und Sozialarbeiter arbeiteten gruppenübergreifend und seien für die Belange aller bei der Beklagten untergebrachten behinderten Menschen zuständig. In den 2 Fördergruppen mit jeweils 12 Menschen seien Menschen mit besonders schweren Behinderungen untergebracht. Diese würden ebenfalls von den Gruppenleitern Ge und We mit einer Arbeitszeit von jeweils 38,5 Stunden wöchentlich geleitet. Zusätzlich zu den Gruppenleitern werde vom Kostenträger Land und Kommune weiteres Personal zur besseren Behinderung bewilligt. Diese Mitarbeiter würden zwar wie Gruppenleiter vergütet, füllten jedoch nicht deren Funktion aus. Die Einzelförderung schließlich werde von Mitarbeitern mit pädagogischer und sozialer Berufsqualifikation ohne handwerkliche Ausbildung gruppenübergreifend durchgeführt. Dabei lernten behinderte Menschen Essen und Trinken auch Lesen, Malen und Ähnliches. Die Aufgaben seien mit der Leitung einer Produktionsgruppe nicht vergleichbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 04.09.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 04.09.2002 - Az.: 4 Ca 396/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Auch im Berufungsverfahren habe die Beklagte keine einer Teilzeitbeschäftigung entgegenstehenden betrieblichen Gründe darlegen können. Das Arbeitsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass für das Gericht nicht erkennbar sei, wie die Beklagte ein Konzept verfolge, nachdem der vollzeitbeschäftigte Gruppenleiter ausschließlich Ansprechpartner für die Behinderten sei. Dabei verweise das Arbeitsgericht zu Recht darauf, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit in der Alu-Gruppe häufig auch in der Schreinerei sowie darüber hinaus in der Gruppe D und Mü eingesetzt war. Es treffe nicht zu, dass der Einsatz in der Schreinerei lediglich im Falle von Krankheit und Urlaub erfolgte. Grund für einen Einsatz des Klägers sei zum Teil auch, dass in dem Zeitraum in der Schreinerei besonders viele Aufträge durchgeführt werden mussten.

Wenn der Kläger während der Zeit seiner Tätigkeit in der Schreinerei eingesetzt war, sei er für die Alu-Gruppe nicht ansprechbar gewesen. Die Gruppe sei dann vom zuständigen Gruppenhelfer betreut worden. Während dieser Zeit seien keinerlei Weisungen an die Gruppe erteilt worden. Auch hieraus lasse sich ein Konzept der Beklagten nicht ableiten. Es treffe auch nicht zu, dass der Gruppenhelfer immer gruppenübergreifend eingesetzt werde. Vielmehr seien die Gruppenhelfer bestimmten Gruppen zugeordnet. Lediglich der Personalschlüssel sei hier anders als bei den Gruppenleitern. Auch sei der Gruppenleiter für die ordnungsgemäße und termingerechte Abarbeitung der Aufträge nicht allein verantwortlich und die Abwicklung der Aufträge sei nicht gefährdet, wenn der Gruppenleiter nicht in Vollzeit eingesetzt sei. In der Alu-Gruppe sei arbeitsteilig vereinbart worden, dass der Gruppenhelfer L die R-Aufträge während der Kläger die U-Aufträge bearbeite. Die Übergabe und Mitteilungen technischer Einzelheiten erfolgten bislang durch den technischen Leiter immer und ausschließlich an Herrn L.

Der Kläger weist weiter darauf hin, dass für den Bereich der Aluminiumbearbeitung bereits die Stelle eines Gruppenleiters oder einer Gruppenleiterin über 15,4 Stunden wöchentliche Arbeitszeit ausgeschrieben wurde. Unstreitig zwischen den Parteien datiert diese Stellenausschreibung vom 22.11.2002 also nach Erlass des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt B-K vom 20.01.2003 vorgelegt, woraus ersichtlich ist, dass zur Zeit keine geeigneten Arbeitskräfte zum Stellenangebot Gruppenleiter mit abgeschlossener sonderpädagogischer Zusatzausbildung und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15,4 Stunden vorhanden sind. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine diesbezügliche Stelle nicht zur Verfügung stehe. Hinsichtlich des einschlägigen Tatsachenvortrages hat er die Verspätungsrüge erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 30.01.2003.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Zwar erschöpft sich die Berufungsbegründung im Wesentlichen in der nochmaligen Darlegung von tatsächlichem Vortrag, dies in akribischer Einzelheit. Die Berufungsbegründung lässt aber insgesamt erkennen, dass die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil mit der Begründung angreifen will, dass die Feststellung des Arbeitsgerichts, ein unternehmerisches Konzept sei nicht durchgeführt worden, fehlerhaft sei. Insbesondere die Aufzeigung der verschiedenen organisatorischen Gestaltungen im Bereich der produzierenden Gruppen und der sonstigen Gruppen macht deutlich, dass die Beklagte dem Arbeitsgericht vorhält, es habe eine hineichende Unterscheidung der einzelnen Arbeitsabläufe nicht vorgenommen. Damit erweist sich die Begründung der Beklagten als insgesamt zulässig. Auf die Frage, ob die Einwendungen schlüssig sind, kam es in diesem Rahmen entscheidungserheblich nicht an.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

II.

Die Klage des Klägers ist zulässig, allerdings nicht begründet.

Der Klageantrag ist auf Abgabe einer Willenserklärung durch die Beklagte zur Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen gerichtet. Dieser ist als Leistungsklage zulässig. Der Klageantrag bedarf insbesondere nicht der Angabe des gewünschten Beginns der Arbeitszeitverringerung, da die Willenserklärung des Arbeitgebers erst mit Rechtskraft des. stattgebenden Urteils nach § 894 ZPO als erteilt gilt. Der Klageantrag, der eine Reduzierung auf 3/5 der tariflichen Arbeitszeit beinhaltet, ist hinreichend inhaltlich bestimmt. Der einschlägige Tarifvertrag für die Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes ist ermittelbar und der Klageantrag ist daher der Auslegung zugänglich.

Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zu der von ihm gewünschten Verringerung der Arbeitszeit auf 3/5 der bisherigen Arbeitszeit und Verteilung der Arbeitstage auf Montag bis Mittwoch.

Die allgemeinen Voraussetzungen eines Teilzeitanspruchs sind gegeben. Das Arbeitsverhältnis bestand länger als 6 Monate (§ 8 Abs. 1 TzBfG). Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden (§ 8 Abs. 7 TzBfG).

Die Sperre des § 8 Abs. 6 TzBfG tritt nicht ein. Der Kläger hat nicht eine erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von 2 Jahren verlangt, nachdem die Beklagte einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Antrag vom 29.10.2001 sei formunwirksam gewesen. Der Kläger hat sich nicht mehr auf diesen Antrag berufen. Beide Parteien haben damit zu erkennen gegeben, dass sie dem Antrag vom 29.10.2001 keine Bedeutung beimessen.

Der vom Kläger gewünschten Verringerung der Arbeitszeit stehen betriebliche Gründe i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen.

Diese betrieblichen Gründe werden in der vorbezeichneten Bestimmung nicht definiert. Es werden lediglich Beispiele betrieblicher Gründe aufgezählt, die jedoch nicht abschließend sind. Die gesetzgeberische Begründung geht davon aus, das rationale nachvollziehbare Gründe genügen und unzumutbare Anforderungen an die Ablehnung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen sein sollen (vgl. BT-Drucks. 14/4374, S. 17).

Im Gesetzgebungsverfahren sind die Anforderungen an die Ablehnungsgründe gesenkt worden, nachdem zunächst dringende betriebliche Gründe im Referentenentwurf als Voraussetzung genannt worden sind. Da an anderer Stelle des Gesetzes und in anderen Gesetzen von dringenden betrieblichen Gründen die Rede ist, lässt sich der unbestimmte Rechtsbegriff an Hand der Gesetzessystematik definieren. In § 9 TzBfG ist von dringenden betrieblichen Gründen die Rede, soweit es um die Verlängerung der Arbeitszeit geht. In dem im gleichen Zeitraum in Kraft getretenen Bundeserziehungsgeldgesetz in der Fassung vom 01.12.2000 ist in § 15 Abs. 4 ebenfalls von dringenden betrieblichen Gründen die Rede, wenn es um die Gewährung von Elternzeit geht. Hieraus ist ersichtlich, dass das Maß der betrieblichen Gründe geringer ist als das der dringenden betrieblichen Gründe und damit der Arbeitgeber jedenfalls nicht verpflichtet ist, jede Anstrengung zu unternehmen, um die Teilzeitarbeit zu ermöglichen.

Er muss danach lediglich rationale nachvollziehbare Gründe darlegen, die dem Teilzeitwunsch entgegenstehen, wobei diese ein gewisses Gewicht haben müssen, wie sich aus den Beispielsfällen ergibt. Gerade der Vergleich mit dem Bundeserzie-hungsgeldgesetz macht deutlich, dass diese Unterscheidung zu treffen ist. Das Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit hat seine Grundlage in Art. 6 GG. Die Pflege und Erziehung der Kinder soll in den ersten Jahren insbesondere bei den Eltern liegen. Demgegenüber ist nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge keine gesonderte Begründung erforderlich, so dass das Motiv für die Teilzeitarbeit unterschiedlich sein kann und deswegen auch die Anforderungen insgesamt als geringer anzunehmen sind (vgl. LAG Niedersachsen, Urt. v. 02.08.2002, 16 Sa 166/02 in DB 2002, 2331). Ausreichend ist daher, dass der Arbeitgeber nachvollziehbar ein vernünftiges unternehmerisches Konzept darlegt, das der Verringerung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers widerspricht. Betriebliche Gründe i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG setzen voraus, dass der Arbeitgeber ein nachvollziehbares, mit betriebswirtschaftlichen unternehmenspolitischen und/oder betriebsorganisatorischen Gründen untermauertes und in sich schlüssiges Konzept darlegen kann. Die Zurückweisung des Teilzeitwunsches ist dem Arbeitgeber nicht nur dann einzuräumen, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung oder unverhältnismäßige Kosten zu besorgen wären. Dann würde das Verhältnis der Grundregel des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG, die lediglich entgegenstehende betriebliche Gründe fordert und den vier anschließenden beispielhaft genannten Versagungsgründen verkannt. Die Systematik des Gesetzes besagt nur, dass die Versagung jedenfalls auf einen der vier gesetzlichen Gründe gestützt werden kann. Vom Grundtatbestand des § 8 Abs. 4 TzBfG wird ein solches Gewicht der betrieblichen Gründe nicht verlangt. Es entspricht der Gesetzesbegründung, die jede rationale und nachvollziehbare Argumentation des Arbeitgebers als ausreichend ansieht. Der Teilzeitanspruch ist verfassungskonform zu interpretieren. Er muss sich in das arbeitgeberseitig vorgegebene Organisationskonzept einfügen. Dabei ist die in Art. 14 GG normierte Grundfreiheit der freien Unternehmerentscheidung zu beachten. Eine derartige Konzeption des Arbeitgebers kann vom Arbeitsgericht nicht auf seine Zweckmäßigkeit überprüft werden.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte auf die Entscheidung berufen, den Arbeitsplatz von Gruppenleitern in der Produktion mit Vollzeitkräften zu besetzen. Dieses stellt ein nachvollziehbares organisatorisches Konzept dar, das die Verkürzung der Arbeitszeit des Klägers, der Gruppenleiter in einer Produktionsgruppe ist entgegensteht. Betriebliche Gründe können auch aus pädagogischen Gesichtspunkten herrühren. Berufsspezifische Anforderungen an die Dauer der Präsenz am Arbeitsplatz und/oder die Zahl derjenigen Person, auf welche dieselbe Tätigkeiten aufgeteilt werden kann, können rationale und nachvollziehbare Gründe sein, die einer Verkürzung der Arbeitszeit entgegenstehen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Organisation der Betreuung der behinderten Menschen in der Produktion derart zu gestalten, dass jede dieser Gruppe in der wöchentlichen Arbeitszeit der behinderten Menschen von 38,5 Stunden von einem vollzeitbeschäftigten Gruppenleiter geführt wird. Dieser Gruppenleiter muss, dies ist zwischen den Parteien nicht streitig, über eine handwerkliche Ausbildung und über eine sonderpädagogische Zusatzausbildung verfügen. Diese hat der Kläger, nicht dagegen der Gruppenhelfer.

Das Konzept setzt dann damit voraus, dass der Kläger während der gesamten 38,5 Stunden, in denen im Betrieb der Beklagten produziert wird, anwesend ist.

Das unternehmerische Konzept ist nachvollziehbar. Gruppenleiter bauen zu den von ihnen betreuten Personen wichtige Beziehungen auf. Er ist verlässlich und ein pädagogisch geschulter Partner, der nicht beliebig zu ersetzen oder auszutauschen ist. Arbeit mit behinderten Menschen ist hauptsächlich Beziehungsarbeit. Es kann behinderten Menschen in der Produktion nicht zugemutet werden, sich für einige Stunden der Woche an fremde Personen zu wenden, zu denen sie noch kein Vertrauen haben.

Dieses Konzept ist von der Beklagten auch durchgängig verfolgt worden. Soweit der Kläger Teilzeitbeschäftigungen von anderen Gruppenleitern oder als solche vergüteten Mitarbeiter anführt, steht das dem unternehmerischen Konzept nicht entgegen. Der Kläger und ihm folgend das Arbeitsgericht verkennen, dass es sich hierbei um vollkommen unterschiedliche Betriebsabläufe handelt. Während die Beklagte in der Werkstatt für Behinderte gleichzeitig auch produziert, hat sie sich entschlossen, in den Produktionsgruppen vollzeitbeschäftigte Gruppenleiter einzusetzen und dieses Konzept auch durchgeführt. Das demgegenüber in anderen sonderpädagogischen Gruppen teilzeitbeschäftigte Gruppenleiter, sofern überhaupt, beschäftigt werden, steht dem Konzept einer Vollzeitbesetzung in der Produktion nicht entgegen. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren unwidersprochen darauf hingewiesen, dass eine reduzierte Arbeitszeit von Kräften im begleitenden Dienst bzw. der Fördergruppe dann aufgefangen wird, dass bei Nichtvorhandensein eben keine Förderung stattfindet.

Da die Gruppen der Produktion allerdings, was ebenfalls unstreitig ist, in der Woche mit behinderten Menschen 38,5 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage produzieren, bestehen hierbei zu dem sonderpädagogischen Dienst und den Fördergruppen gravierende Unterschiede, die eine Vergleichbarkeit nicht auslösen und somit nicht herangezogen werden können zur Argumentation, die Beklagte durchbreche ständig ein pädagogisches Prinzip. Die Beklagte hat sich, dies ist nochmals festzuhalten, entschieden, Gruppenleiter in Produktionsgruppen in Vollzeit zu beschäftigen, damit deren Anwesenheit während der gesamten Arbeitszeit der behinderten Menschen gewährleistet ist. Dieses organisatorische Konzept ist von der Beklagten nicht durchbrochen worden.

Auch soweit der Kläger dies durch Vorlage von Zeiten, in denen er nicht in der Alu-Gruppe tätig war in Zweifel zieht, vermag dem die Kammer entscheidungserhebliche Bedeutung nicht beizumessen. Zwar ist entgegen dem Sachvortrag der Beklagten davon auszugehen, dass der Kläger nicht nur während Zeiten von Krankheit und Urlaub der eigentlichen Gruppenleiter in den anderen Gruppen gearbeitet hat, sondern in den von ihm angegebenen Tagen auch Zeiten waren, in denen diese Gruppenleiter anwesend waren. Der Kläger hat aber in der mündlichen Verhandlung eine Erklärung dafür geliefert, dass nämlich dann es notwendig war, bestimmte komplizierte handwerkliche Aufgaben zu erledigen und er der Einzige war, der diese handwerklichen Aufgaben erledigen konnte. Unbestritten ist aber, dass der Kläger in dieser Zeit auch im Betrieb anwesend war. Die räumliche Entfernung zwischen der Alu-Gruppe und der Schreinerei beträgt auch nur 100 Meter, so dass jederzeit für auftauchende Fragen der Kläger auch für die Alu-Gruppe ansprechbar war. Die weiteren aushilfsweisen Tätigkeiten in anderen Gruppen sind marginal. Es handelt sich um Ausnahmefälle, die situationsbedingt hinzunehmen sind oder Beispiele, die das dargestellte Konzept nicht betreffen. Krankheitsfälle sind Ausnahmesituationen auch wenn der Kläger vorträgt, dass er während Krankheit oder Freistellung wegen Urlaubs nicht als Gruppenleiter tätig ist, steht dies dem organisatorischen Konzept nicht entgegen, weil jeder Arbeitgeber die regelmäßig auftretenden Ausfalltage kompensieren muss.

Somit steht das nachvollziehbare unternehmerische Konzept einer Verkürzung der Arbeitszeit des Klägers entgegen. Die Kammer konnte daher dahin gestellt sein lassen, ob es der Beklagten möglich war, eine mit gleicher fachlicher Qualifikation, also einer handwerklichen Ausbildung und der sonderpädagogischen Zusatzausbildung versehene Arbeitskraft auf dem freien Arbeitsmarkt zu den Bedingungen einer 2/5 Teilzeitwochenbeschäftigung zu gewinnen. Es kam auch nicht darauf an, ob die Beklagte vor Ablehnung des Teilzeitwunsches des Klägers durch inner- oder außerbetrieblicher Ausschreibungen versucht hat, Arbeitskräfte mit entsprechendem Anforderungsprofil zu den durch den Kläger frei zu machenden Arbeitsbedingungen zu gewinnen. Auf die Ausschreibung der Beklagten kann sich der Kläger zu seinen Gunsten nicht berufen. Diese ist ersichtlich erst nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil ergangen, in welchem das Arbeitsgericht der Beklagten vorgehalten hat, sie habe eine derartige Ausschreibung bislang nicht vorgenommen. Eine Durchbrechung des von der Beklagten schlüssig nachvollziehbar dargelegten unternehmerischen Konzeptes ist hieraus nicht zu entnehmen.

III.

Nach allem war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die auf eine Verringerung der Arbeitszeit mit entsprechender Verteilung gerichtete Klage des Klägers abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Frage, welche Anforderungen an die betrieblichen Gründe, die einem Teilzeitwunsch entgegenstehen, zu stellen sind, hat die Kammer die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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