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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 20/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 247
BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 29.11.2006 - Az: 4 Ca 335/06 - wie folgt abgeändert:

2. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger 555,65 EUR brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 01.05.2006 zu zahlen,

b) an den Kläger weitere 50,89 EUR brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

c) an den Kläger weitere 234,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus 39,00 EUR vom 01.06. bis 30.06.2006, aus 78,00 EUR vom 01.07.2006 bis 31.07.2006, aus 117,00 EUR vom 01.08.2006 bis 31.08.2006, aus 156,00 EUR vom 01.09.2006 bis 30.09.2006, aus 195,00 EUR vom 01.10.2006 bis 31.10.2006 und aus 234,00 EUR seit dem 01.11.2006 zu zahlen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen,

4. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, welcher auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.05.1992 bei der Beklagten als Neuwagendisponent beschäftigt ist, fordert mit seiner Klage vom 23.05.2006 eine Gehaltsdifferenz, die sich daraus ergibt, dass die Beklagte ab Mai 2005 dazu übergegangen ist, den im Arbeitsvertrag vereinbarten Bruttogehalt nach K 5 der Gehaltstabelle zum Gehaltstarifvertrag des Pfälzischen Kfz-Gewerbes in der jeweiligen Fassung vereinbarten Bruttogehalt zu erhöhen und die im Zusatz zu Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vereinbarte freiwillige Zulage in gleichem Umfange zu kürzen. Daneben fordert der Kläger einen Differenzbetrag für das tarifliche Urlaubsgeld aus 2005, wobei die Geltung des für den Betrieb geltenden Manteltarifvertrages in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages vereinbart ist.

Der Kläger hat seine Klage im Wesentlichen damit begründet,

dass er die Beklagte ergebnislos mit Schreiben vom 19.04.2006 an die Nachzahlung der Differenz, die 39,00 EUR brutto pro Monat betrage, seit Juni 2005 aufgefordert habe. Die Differenz ergebe sich daraus, dass zum 01.06.2005 die Tarifgruppe K 5 der Gehaltstabelle für die Angestellten der Betriebe des Kraftfahrzeuggewerbes Pfalz sich auf 2.645,00 EUR brutto erhöht habe, die die Beklagte auch zahle. Die Beklagte sei jedoch dazu übergegangen, die arbeitsvertraglich vereinbarte freiwillige Zulage von ehedem 803,00 DM = 410,00 EUR brutto auf 371,00 EUR zu reduzieren. Die ausstehenden Monatsbeträge ab Juni 2005 bis Oktober 2006, 17 Monate x 39,00 EUR brutto, mache eine Gesamtforderung von 663,00 EUR brutto aus, die mit den gesetzlichen Zinsen versehen zu zahlen sei.

Daneben stünde ihm noch ein Differenzbetrag von 126,65 EUR brutto zu, der sich daraus ergebe, dass die Beklagte auf den Anspruch von 2.115,65 EUR (Monatsbrutto dividiert durch 21,66 EUR x 30 Prozent x 50 Prozent) nur 1.989,00 EUR brutto gezahlt habe.

Auch dieser Betrag müsse unter dem Gesichtspunkt des Verzuges verzinst werden.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung, dass die Bezeichnung der Zulage im Arbeitsvertrag als freiw., also freiwillig, mit tariflicher Lohnerhöhung verrechnet werden könnten, sei unzutreffend, da sich aus dem Wortlaut nur entnehmen lasse, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt so zu verstehen sei, dass sich die Beklagte zur Erbringung der Zusatzleistung verpflichten wolle, ohne hierzu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz verpflichtet zu sein. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Sinne einer Verrechnung sei nicht gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 555,65 EUR brutto zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2006 zu zahlen,

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn weitere 50,89 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn weitere 234,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 39,00 EUR vom 01.06.2006 bis 30.06.2006, aus 78,00 EUR vom 01.07.2006 bis 31.07.2006, aus 117,00 EUR vom 01.08.2006 bis 31.08.2006, aus 156,00 EUR vom 01.09.2006 bis 30.09.2006, aus 195,00 EUR vom 01.10.2006 bis 31.10.2006 und aus 234,00 EUR seit 01.11.2006 zuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt sich im Wesentlichen damit,

dass die Auslegung des Zusatzes im Hinblick auf die Arbeitsvergütung ergebe, dass die Beklagte sich nur dazu verpflichtet habe, eine freiwillige Zulage ohne Rechtsbindung zu zahlen. Der Kläger sei zudem am 02.01.2003 und jährlich danach in der Gehaltsmitteilung darauf hingewiesen worden, dass alle über das Gehalt hinausgehenden Zuwendungen freiwillige Leistungen seien, die die Firma zu einer wiederkehrenden Zahlung nicht verpflichteten bzw. jederzeit widerruflich seien und diese Zahlungen auf später eintretende Erhöhungen angerechnet werden können.

Das Arbeitsgericht hat im Urteil vom 29.11.2006 die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass die Zulage als freiwillig vereinbart worden sei, so dass der Kläger nicht damit rechnen konnte, dass er nicht frei widerrufbar sei oder auf Leistung verrechnet werden könne. Ein Arbeitnehmer könne ohne eine entsprechende Vereinbarung nicht auf die Weitergewährung einer übertariflichen Zulage vertrauen. Das Arbeitsgericht hat sich einer Entscheidung des LAG Köln im Zusammenhang mit einer betrieblichen Übung, die in jahrelanger vorbehaltloser Nichtanrechnung verfahren ist, angeschlossen (LAG Köln, LAGE TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 9).

Nach Zustellung des Urteils am 02.01.2007 hat der Kläger am 09.01.2007 Berufung eingelegt, welche innerhalb verlängerter Frist im Wesentlichen damit begründet worden ist,

dass für die Vergütungsansprüche des Klägers und die weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis die für den Betrieb der Beklagten geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung maßgeblich seien, wie es der Arbeitsvertrag beinhaltet.

Dem Kläger sei zusätzlich eine freiwillige Zulage in Höhe von ursprünglich 803,00 DM zugesagt worden, was auf einen Betrag von 410,00 EUR umgerechnet wurde und bis Mai 2005 ungeschmälert gezahlt worden sei.

Der Zusatz, die Leistung werde freiwillig erbracht, sei so zu verstehen, dass sich der Arbeitgeber zur Erbringung dieser Leistung verpflichte, ohne durch Tarifvertrag Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein. Ohne weitere Vereinbarung habe der Kläger aus dem Wort freiwillig den Schluss ziehen dürfen, dass sich die Beklagte vorbehaltlos zur Zahlung verpflichte, weil nicht erkennbar werde, dass der Arbeitgeber einen Freiwilligkeitsvorbehalt gemacht habe. Die Beklagte habe dies offensichtlich auch so gesehen, da sie dreizehn Jahre lang eine Anrechnung nicht vorgenommen habe.

Auch unter Zugrundelegung der neuen Regelungen des BGB, §§ 305 bis 310, müsse, wenn die Zusatzregelung bezüglich der Zulage unwirksam sei, davon ausgegangen werden, dass die entstandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei, die aufgrund der Zusammenhänge mit der Einstellung des Klägers nur dahin lauten könne, dem Kläger ein deutlich höheres Gehalt als dies in der Tarifgruppe K 5 vorgesehen war, zukommen zu lassen. Die Klageforderungen seien zudem der Höhe nach unstreitig, so dass der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.11.2006, zugestellt am 02.01.2007, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger 555,65 EUR brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 01.05.2006 zu zahlen,

b) an den Kläger weitere 50,89 EUR brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

c) an den Kläger weitere 234,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus 39,00 EUR vom 01.06. bis 30.06.2006, aus 78,00 EUR vom 01.07.2006 bis 31.07.2006, aus 117,00 EUR vom 01.08.2006 bis 31.08.2006, aus 156,00 EUR vom 01.09.2006 bis 30.09.2006, aus 195,00 EUR vom 01.10.2006 bis 31.10.2006 und aus 234,00 EUR seit dem 01.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Arbeitsgericht den Zusatz freiwillige Zulage richtig gedeutet habe, da der Kläger keinen Anspruch darauf habe, dass ihm diese Zulage künftig ungeschmälert gezahlt werde. Zudem sei der Kläger bei den Gehaltsmitteilungen ab dem Jahr 2002 darauf hingewiesen worden, dass eine Anrechnung stattfinden könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst der Anlagen, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ebenso Bezug genommen, wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 43 bis 45 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Auf die statthafte und zulässige Berufung des Klägers hin ist das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben, weil die Klage begründet ist.

Dem Kläger stehen die der Höhe nach unstreitigen Gehaltsbestandteile zu, § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 05.05.1992, der unstreitig dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegt.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den im Gehaltstarifvertrag vorgesehenen Bruttogehalt nach K 5 der Gehaltstabelle zum Gehaltstarifvertrag der Pfalz Kfz-Gewerbe in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen, was diese auch tut. Sie ist nicht berechtigt im Gegenzug in Höhe der Tariflohnerhöhung die freiwillige Zulage zu kürzen. Der Arbeitsvertrag gibt eine derartige Möglichkeit deshalb nicht ab, weil sich die Beklagte nicht den Widerruf übertariflicher Leistung durch Tariflohnerhöhung vorbehalten hat und auch keine Verrechnungsmöglichkeit sich aus der Regelung ergibt.

Angesichts des gelebten Vertrages, wie er seit 1992 durchgeführt wurde, geht die Berufungskammer davon aus, dass neben dem Tarifvertraggehalt nach der Gruppe K 5 noch ein weiterer Gehaltsbestandteil, den die Parteien freiwillige Zulage nannten, gezahlt wird. Aus der von den Vertragsparteien gewählten Formulierung wird nicht deutlich, dass sich die Beklagte vorbehalten wollte, über den Tarifvertrag hinausgehende Leistungen durch Anrechnung oder Verrechnung kürzen zu können. Allein aus der Bezeichnung des Gehaltsbestandsteiles freiwillige Zulage ergibt sich diese Möglichkeit nicht, da die Vertragspartner auf die tarifvertragliche Vergütungsregelung abgehoben und diese zum Inhalt des Arbeitsvertrages gemacht haben und das Arbeitsverhältnis auch ansonsten unter die Bestimmung des Manteltarifvertrages stellt, dass die freiwillige Zulage auch nicht als so genannte übertarifliche Zulage gezahlt werden soll, sondern als eigenständiger Gehaltsbestandteil, der keine Veränderung unterworfen ist. Dies ergibt sich auch daraus, dass dem Kläger von Beginn an die freiwillige Zulage in unveränderter Höhe gezahlt worden ist, während der Gehalt sich nach den tariflichen Vorgaben verändert hat.

An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte beginnend mit dem Jahr 2002 dem Kläger in der Gehaltsmitteilung davon Kenntnis gab, dass freiwillige Leistungen jederzeit widerruflich sind oder mit später eintretender Erhöhung verrechnet werden können.

Diese Regelung stellt sich nämlich nach dem oben stehenden als inhaltliche Veränderung des Arbeitsvertrages dar und hätte, um Wirksamkeit zu erlangen, der Schriftform bedurft, Ziffer 7 des Arbeitsvertrages, wonach Änderungen des Vertrages zur Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Die Gehaltsmitteilungen erfüllen das Kriterium der Schriftform nicht, weswegen sie in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben können.

Auf Fragen, die mit einer betrieblichen Übung im Zusammenhang gebracht worden sind, können dahinstehen, weil immer dann, wenn eine vertragliche Regelung vorgenommen ist, der Gesichtspunkt der betrieblichen Übung keine Rolle mehr spielt.

Die Berufungskammer geht davon aus, dass sich die Beklagte bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages dem Kläger gegenüber rechtlich zur Erbringung der freiwilligen Leistung verpflichtet hat, wobei die Verwendung des Begriffes freiwillige Zulage so zu verstehen ist, dass sich der Arbeitgeber ohne sonst dazu verpflichtet zu sein, zu dieser Zusatzleistung verpflichtet. Wenn ein Arbeitgeber eine derartige vertragliche Bindung für die Zukunft verhindern will, muss er dies zweifelsfrei unmissverständlich im Vertragstext deutlich machen, was im vorliegenden Falle nicht auszumachen ist. Für die Richtigkeit der Annahme der Berufungskammer spricht auch der Vorfall aus dem Jahre 2004, den der Klägervertreter im Schreiben vom 15.05.2007 anführt, wo eine Tariflohnerhöhung nicht weiter gegeben worden ist und sich auf die Reklamation des Klägers hin die Beklagte nicht darauf berufen hat, dass eine Verrechnung mit der freiwilligen Zulage möglich und erfolgt sei, sondern die Differenz ohne weiteres nachgezahlt hat.

Nach dem Vorstehenden steht dem Kläger die geltend gemachte Forderung im Hinblick auf die Differenz von 39,00 EUR brutto zu ebenso wie die Ansprüche aus dem tariflichen Urlaubsgeld für die Jahre 2005 und 2006, deren Höhe ebenfalls unter den Parteien unstreitig ist.

Da das Urteil des Arbeitsgerichtes Kaiserslautern abzuändern und der Klage zu entsprechen ist, hat die Beklagte die Kosten des Verfahren zu tragen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO.

Die Berufungskammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht für die Beklagte deshalb zugelassen, weil sie eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sieht.

Ende der Entscheidung

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