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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.07.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 382/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 119 Abs. 1
BGB § 119 Abs. 1, 1. Fall
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 382/05

Entscheidung vom 28.07.2005

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier (2 Ca 1564/04) vom 25.01.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Aufhebungsvereinbarung. Seit 28.09.1998 war die Klägerin bei der Beklagten zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 1.549,22 Euro beschäftigt. Nachdem am 09.09.2004 die Klägerin und ihre Arbeitskollegin gegen 20.00 Uhr zum Geschäftsführer des Beklagten gingen und diesem mitteilten, sie würden nunmehr nach Hause gehen, obwohl die Arbeiten noch nicht fertig gestellt waren, entwickelte sich ein Gespräch zwischen den Parteien, welches im Einzelnen streitig ist. Am 10.09.2004 bestellte der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin telefonisch vormittags in den Betrieb, wonach sie eine Vereinbarung unterzeichnete, deren Inhalt im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben ist. Am Nachmittag unterzeichnete die Kollegin R.-M. eine gleichlautende Vereinbarung. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 16.09.2004 die Aufhebungsvereinbarung angefochten.

Sie hat vorgetragen, der Geschäftsführer sei offenbar verärgert gewesen darüber, dass sie und ihre Kollegin Feierabend hätte machen wollen und habe daher sie aufgefordert, ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen. Hierfür habe jedoch weder für sie selbst noch für die Zeugin R.-M. eine Veranlassung bestanden. Sie selbst habe sofort gesagt, dass dies schon wegen der drohenden Sperre durch das Arbeitsamt nicht in Betracht komme. Der Geschäftsführer der Beklagten habe erklärt, er werde sich etwas einfallen lassen, damit derartiges nicht geschehe. Am 10.09.2004 habe er auf ihre Frage, welche Konsequenzen eine Gegenzeichnung der Vereinbarung für sie habe, insbesondere, ob eine Sperrzeit drohe, versichert, dass nichts zu befürchten sei, da das Arbeitsverhältnis auf ihre, der Beklagten Veranlassung, gelöst werde, sodass letztlich eine Arbeitgeberkündigung vorliege. Arbeitslosengeld werde daher ohne weiteres gezahlt. Tatsächlich habe ihr die Bundesagentur für Arbeit die Verhängung einer Sperrzeit angekündigt, da ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden sei, der zudem die gesetzliche Kündigungsfrist nicht wahre. Der Geschäftsführer habe sie arglistig getäuscht, wobei es unerheblich sei, ob er positive Kenntnis von der unweigerlich eintretenden Sperrfrist gehabt habe oder die Zusage ins Blaue hinein abgegeben habe.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Vereinbarung vom 10.09.2004 zum 30.09.2004 beendet wurde, sondern unverändert fortbestehe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Geschäftsführer habe der Klägerin ausdrücklich bestätigt, dass er selbst nicht kündigen wolle und hierfür auch keinen Grund sehe. Die Klägerin habe gesagt, sie wolle keine Abfindung, sondern nur ihre Ruhe und gefragt, wie man das Arbeitsverhältnis beenden könne. Er habe versprochen, sich kundig zu machen, wie man einen Aufhebungsvertrag formuliere.

Die Klägerin habe den Aufhebungsvertrag erst nach sorgfältigem Durchlesen unterzeichnet. Am 10.09.2004 sei über eine Sperrzeit nicht gesprochen worden.

Über Nachteile bei der Bundesagentur für Arbeit hätte sie der Klägerin auch keine Auskunft geben können, da es sich hierbei um eine schwierige Rechtsfrage handele. Eine verbindliche Antwort hätte die Klägerin nur bei der Bundesagentur für Arbeit erhalten können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, eine arglistige Täuschung läge nicht vor. Die Beklagte habe der Klägerin keine falschen Tatsachen vorgespiegelt. Die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, die Klägerin von sich aus darauf hinzuweisen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu Nachteilen bei Bezug von Arbeitslosengeld führen könne. Erteile der Arbeitgeber allerdings Auskünfte, müssen diese richtig sein. Falsche oder irreführende Auskünfte könnten unter Umständen eine zur Anfechtung berechtigte arglistige Täuschung darstellen. Für die von der Beklagten bestrittene Behauptung, der Geschäftsführer habe ihr versichert, dass sie keine Sperrzeit zu befürchten habe, habe die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht. In der Äußerung des Geschäftsführers, er werde sich etwas einfallen lassen, damit es nicht zu einer Sperre komme, könne eine falsche Auskunft bezüglich der sozialrechtlichen Folgen nicht gesehen werden. Die wahrheitswidrige Zusicherung soll am 10.09.2004 erfolgt sein. Hierüber könne aus eigener Wahrnehmung die Zeugin R.-M. nichts bekunden. Eine widerrechtliche Drohung läge nicht vor. Die Klägerin habe sich in freiwilliger Weise für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorgezeichnete Entscheidung verwiesen.

Gegen das am 13. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Mai 2005 eingelegte Berufung, welche die Klägerin gleichzeitig begründet hat.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, es läge ein Irrtum über den Erklärungsinhalt gemäß § 119 Abs. 1, 1. Fall BGB vor. Ein Rechtsfolgeirrtum sei dann als Irrtum zu werten, wenn infolge der Verkennung einer rechtlichen Beurteilung ein Rechtsgeschäft erklärt worden sei, dass eine von der gewollten wesentlich verschiedene Rechtswirkungen erzeuge. So läge der Fall hier.

Sie könne sich auch auf das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung berufen. Der Beklagte habe erklärt, er werde sich etwas einfallen lassen, damit es nicht zu einer Sperre durch das Arbeitsamt komme. Mit der Vorlage der Aufhebungsvereinbarung konnte und musste die Klägerin die Dinge so verstehen, dass bei der Unterzeichnung der ihr nunmehr vorgelegten Erklärung eine Sperre nicht zu besorgen sei, zumal der Geschäftsführer ihr derartiges am 10.09.2004 nochmals versichert habe. Auch hätte das Arbeitsgericht Beweis darüber erheben müssen, dass der Geschäftsführer auch die Zeugin R.-M. getäuscht habe. Im Übrigen hätte das Arbeitsgericht die Klägerin als Partei vernehmen müssen. Spreche für die Richtigkeit ihres Vortrags eine gewisse Wahrscheinlichkeit, müsse das Gericht in nachprüfbarer Weise darlegen, weshalb es von der Parteivernehmung abgesehen habe.

Die Klägerin beantragt

das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Vereinbarung vom 10.09.2004 zum 30.09.2004 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Ein Irrtum über die aus dem Abschluss des Aufhebungsvertrages sich ergebenden Nachteile sei als bloßer Motiv- oder Rechtsirrtum unbeachtlich. Falls eine Aufklärungspflicht überhaupt bestanden hätte und die Beklagte dennoch nicht hierüber aufgeklärt hätte, würde dies nicht zur Anfechtbarkeit bzw. Unwirksamkeit des Auflösungsvertrages führen, sondern könnten allenfalls Schadenersatzansprüche begründet sein.

Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Frage der Sperrzeit selbst von der Klägerin thematisiert worden sei. Dann wäre es ihre Sache gewesen, vor der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sachkundigen Rat in Anspruch zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streistandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 28.07.2005.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verb. mit § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch keinen Erfolg.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin abgewiesen. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Tatsachen aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren sich darauf bezieht, die Erklärung zur Aufhebungsvereinbarung sei wegen eines Irrtums gem. § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar, vermag dem die Berufungskammer nicht zu folgen. Der Klägerin war bei Abschluss der Vereinbarung bewusst, dass sie mit dieser Vereinbarung das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis beenden würde. Damit lag ein Irrtum über die Rechtsfolgen gerade nicht vor. Sofern sich die Klägerin darüber geirrt haben sollte, dass mit dieser Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Nachteile bei der Arbeitslosenunterstützung nicht zu erwarten wären, betrifft dies nicht den Irrtum über die Rechtsfolgen der abgegebenen Erklärung, sondern einen Irrtum über die Motive, weshalb diese Erklärung abgegeben wurde. Die Erklärung selbst, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war von der Klägerin gewollt, die rechtliche Bedeutung des Rechtsgeschäfts war daraufhin gezielt, die vertraglichen Bindungen zu der Beklagten mit Ablauf der vereinbarten Zeit zu beenden. Ein etwaiger Irrtum der Klägerin über die aus dem Abschluss des Aufhebungsvertrages sich evtl. ergebenden Nachteile, wie den Eintritt einer Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld ist bloßer Motivirrtum und daher als Rechtsirrtum unbeachtlich.

Die Klägerin kann auch sich mit Erfolg nicht auf eine arglistige Täuschung der Beklagten berufen.

Sie selbst hat nicht die Behauptung aufgestellt, dass der Geschäftsführer der Beklagten positiv wusste, die Aufhebungsvereinbarung könne mit Sicherheit nicht dazu führen, dass die Klägerin ohne Gefahr für den Bezug von Arbeitslosenunterstützung abschließen könne. Eine Täuschung ist die Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen. Sie muss sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen. In der Äußerung einer Rechtsansicht kann die Vorspiegelung einer Tatsache liegen, wenn dadurch die materielle Rechtslage unrichtig dargestellt wird. Zugunsten der Klägerin wird argumentativ unterstellt, dass der Beklagte erklärt hat, er werde sich etwas einfallen lassen, damit derartiges nicht geschehe (Sperrzeit) und seinen Teil dazu beitragen und auch unmittelbar vor Abschluss der Vereinbarung nochmals versichert habe, sie habe insofern nichts zu befürchten. Das Arbeitsverhältnis werde auf Veranlassung der Beklagten gelöst. Zum einen steht nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht einmal fest, dass durch eine etwaige Ansicht einer Rechtsansicht die materielle Rechtslage unrichtig dargestellt wurde. Die Klägerin selbst hat bislang nur vorgetragen, eine endgültige Entscheidung der Arbeitsverwaltung über die Verhängung einer Sperrzeit bleibe vorbehalten, gleichzeitig aber erklärt, sie sei bis zum 05.01.2005 krank gewesen. Damit ist es bereits sehr zweifelhaft, ob überhaupt eine Sperrzeit, welche die Klägerin nachteiligbetrifft, verhängt wird.

Des Weiteren muss die Täuschung arglistig, d. h. vorsätzlich erfolgen. Arglist erfolgt einen Täuschungswillen. Der Handelnde muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen. Hierzu genügt bedingter Vorsatz. Dieser ist gegeben, wenn der Handelnde, obwohl er mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet, ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufstellt. Guter Glaube schließt in der Regel auch bei grober Fahrlässigkeit des Handelnden Arglist aus. Bei einer ins Blaue hinein abgegebenen objektiv unrichtigen Erklärung liegt aber trotz guten Glaubens Arglist vor, wenn der Täuschende das Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage nicht offen legt.

Angesichts dieser Kriterien kann auch im vorliegenden Fall nicht von einer vorsätzlichen Täuschung durch die Beklagte, bzw. deren Geschäftsführer ausgegangen werden. Die Klägerin hat in erster Instanz es ausdrücklich offen gelassen, zu behaupten, der Beklagte habe positiv gewusst, dass auch mit der Aufhebungsvereinbarung auf Veranlassung des Arbeitgebers eine Sperrzeit verhängt werden kann.

Zunächst ist von der Beklagten zutreffend darauf hingewiesen worden, dass die Beurteilung von Sperrzeit und Ruhenstabeständen äußerst diffizil ist. Der Umstand, dass die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde, führt nicht zu einer Sperrzeit, sondern allenfalls zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches, wenn mit der abgekürzten Kündigungsfrist eine Abfindungszahlung verbunden ist. Die Beurteilung der Rechtslage ist selbst für ausgebildete Spezialisten äußerst kompliziert und kann nicht mit gebotener Sicherheit vorhergesagt werden. Die Klägerin selbst war für das Thema wie aus ihrem eigenen Vorbringen ersichtlich, sensibilisiert. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich über die Folgen einer Aufhebungsvereinbarung vorher mit der Arbeitsverwaltung hätte abstimmen müssen. Wenn unter diesen Gesichtspunkten der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, er werde sich etwas überlegen und unwidersprochen in der Kammerverhandlung dargelegt hat, er habe sich beim Arbeitgeberverband informiert für die Formulierung, kann dies nicht dahin gewertet werden, dass er offenbar ins Blaue hinein eine Behauptung aufgestellt hat, also wohlwissend, dass keinerlei rechtliche Grundlagen zu einer Versicherung, mit der Arbeitsverwaltung werden keine Schwierigkeiten bestehen, vorhanden sind. Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer der Beklagten damit gerechnet hat, seine von der Klägerin behaupteten Angaben seien unrichtig und daher ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufgestellt hat, ergeben sich aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht.

Ob der Geschäftsführer der Beklagten mit der hinreichenden Sorgfalt ermittelt hat, ob er derartige Auskünfte hat geben können, berührt den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht. Eine vor Abschluss des Aufhebungsvertrages gegebene unrichtige Auskunft über mögliche Folgen hinsichtlich einer Sperrzeit begründet kein Anfechtungsrecht, allenfalls einen Schadensersatzanspruch der Klägerin. Dieser ist jedoch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.

Erweist sich damit das angefochtene Urteil als zutreffend, war die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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