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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.08.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 412/05
Rechtsgebiete: SGB IX, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

SGB IX § 132 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 4
BetrVG § 95
BetrVG § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 412/05

Entscheidung vom 04.08.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 23.03.2005 - 1 Ca 1715/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingt ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung.

Der Kläger ist am 22.09.1947 geboren und seit 01.03.1994 bei der Beklagten beschäftigt. Zunächst war eine Befristung vereinbart. Ab 01.03.1995 wurde ein unbefristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen, wonach der Kläger als "Arbeiter für alle anfallenden Arbeiten im Bereich Wertstoffsortierung der C." angestellt wurde. Der Kläger erzielte zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in unterschiedlicher Höhe zwischen ca. 1.700 € und 2.300 €. Dies hing damit zusammen, dass er zeitweise als Radladerfahrer eingesetzt wurde, so dass er in entsprechenden Einsatzzeiten eine Funktionszulage erhielt.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Integrationsunternehmen i. S. des § 132 Abs. 1 SGB IX.

Die Beklagte hat sich als Subunternehmerin gegenüber der Fa. A. GmbH vertraglich verpflichtet, die Sortierung von Leichtverpackungen mit Arbeitskräften der Abteilung Sortierung vorzunehmen. Diese Abteilung befindet sich auf dem Betriebsgelände der A.. GmbH am in T. Mit Schreiben vom 29.07.2004 kündigte die A.. GmbH den bestehenden Dienstleistungsvertrag über die Verarbeitung von Abfällen zur Verwertung zum 31.10.2004 im Hinblick auf die beabsichtigte Umrüstung der Sortieranlage. Vor dem Umbau der Sortieranlage waren durchschnittlich 6 Arbeitnehmer im Zwei- bzw. Dreischichtbetrieb beschäftigt. Nach dem Umbau entfällt eine manuelle Qualitätskontrolle aufgrund der besseren Sortierleistung der Anlage.

Mit Betriebsvereinbarung Nr. 43, überschrieben mit "Richtlinie über die personelle Auswahl von Arbeitnehmern bei betriebsbedingten Kündigungen" vom 06.09.2004 schloss die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung als Kündigungsrichtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen ab. Wegen des Inhaltes im Einzelnen wird auf die Anlage 16 zur Berufungserwiderung der Beklagten (Bl. 302 ff. d. A.) Bezug genommen. Auszugsweise lautet die Bestimmung wie folgt:

"§ 1 Nr. 3

Von der Richtlinie werden alle bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer erfasst.

4.

Nicht in die Sozialauswahl fallen Arbeitnehmer, deren Kündigung das Gesetz verbietet, es sei denn, die zuständige Behörde hat die Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt oder seine Zustimmung erteilt."

In den Auswahlkriterien in § 3 sind auch Punkte für Schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen aufgeführt.

Mit Schreiben vom 28.09.2004 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen. Hierbei nahm sie Bezug auf die Kündigung des bestehenden Dienstleistungsvertrages über die Verarbeitung von Abfällen zur Verwertung zum 31.10.2004, wodurch aufgrund fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderen gleichwertigen freien Arbeitsplätzen durch die Rationalisierungsmaßnahme sämtliche Arbeitsplätze der als Sortierkräfte beschäftigten Stammarbeitnehmer auf Dauer ersatzlos wegfielen. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer, deren Verträge nicht ordentlich kündbar seien, könnten nicht in die Sozialauswahl mit einbezogen werden. Die Beklagte teilte dem Betriebsrat mit, sie habe sich entschlossen eine Zustimmung zur Kündigung der ansonsten betroffenen schwerbehinderten und gleichgestellten Mitarbeiter, die als Sortierarbeitskräfte eingesetzt seien, nicht zu beantragen.

Wegen der Einzelheiten der Betriebsratsanhörung wird auf Anlage 17 zur Berufungserwiderung (Bl. 305 ff. d. A.) verwiesen. Der Betriebsrat hat nach Erhalt der Mitteilung am 29.09.2004 in seiner Sitzung vom 29.09.2004 die Kündigung zur Kenntnis genommen und abschließend beraten. Er hat durch dem Arbeitgeber überreichtes Schreiben vom 29.09.2004 auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Wochenfrist verzichtet.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.09.2004 zum 31.01.2005. Hiergegen hat der Kläger mit am 07.10.2004 eingegangenem Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, er könne als Radladerfahrer weiterbeschäftigt werden. Als Radladerfahrer hab er die Befüllung des "G." vorgenommen, dies sei eine Füllstation, die die Aufgabe habe, die mit Sortiergut gefüllten Säcke zu öffnen und das angelieferte Material gleichmäßig auf das Transportband zu verteilen.

Die vorgenommene Sozialauswahl sei grob fehlerhaft, die Beklagte hätte auch die schwerbehinderten Arbeitnehmer und die befristet beschäftigten Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbeziehen müssen. Sie hätte auch die Sozialauswahl nicht auf Arbeitnehmer der Wertstoffsortierung beschränken dürfen. Zwar sei er nicht mit den anderen bei der Beklagten eingesetzten Fahrern vergleichbar, die Position eines Radladerfahrers sei jedoch nicht entfallen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.09.2004 zum 31.01.2005 aufgelöst wird.

2. Für den Fall des Obsiegens zu Ziffer 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.01.2005 hinaus tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, infolge der Kündigung des Dienstleistungsauftrages seien sechs Arbeitsplätze in der Sortieranlage weggefallen. Sie habe die Unternehmerentscheidung getroffen, künftig keine Sortierarbeitsplätze mehr vorzuhalten. Im Bereich der Sortieranlage seien sechs Arbeitnehmer beschäftigt, davon drei unbefristet. Die anderen Arbeitskräfte seien entweder schwerbehindert oder befristet beschäftigt. Bezüglich der schwerbehinderten Arbeitnehmer habe sie die Entscheidung getroffen, diesen nicht zu kündigen und insoweit auch nicht die Zustimmung zur Kündigung einzuholen, weil durch Kündigung die Quote schwer behinderter Beschäftigter von 25 Prozent unterschritten worden wäre. Bezüglich der befristet Beschäftigten hat die Beklagte vorgetragen, diese seien nach Ablauf der dreimonatigen Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar, so dass sie nicht an einer Sozialauswahl teilnehmen könnten.

Die Sozialauswahl habe sie nicht auf die Arbeitnehmer im Bereich Wertstoffsortierung beschränkt. In anderen Bereichen gäbe es jedoch keine Arbeiter, die für alle anfallenden Arbeiten eingestellt worden seien, die darüber hinaus einen unbefristeten Arbeitsvertrag hätten und nicht schwerbehindert seien. Der Kläger habe auch keine erfolgreiche Qualifizierung für andere Fahrzeuge durchlaufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 23.03.2005 verwiesen.

In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, durch die Kündigung des Dienstleistungsvertrages sei die Beklagte nicht mehr in der Lage Arbeitskräfte an der Sortieranlage, die auf einen vollautomatischen Ablauf umgerüstet worden sei, einzusetzen. Hiervon sei auch der Arbeitsplatz des Klägers betroffen. Die Unternehmerentscheidung, an der Sortieranlage keine Arbeitsplätze mehr vorzuhalten sei sachgerecht und betriebswirtschaftlich notwendig. Der Kläger könne nicht an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb weiterbeschäftigt werden. Zwar sei zwischen den Parteien unstreitig, dass er in den vergangenen Jahren auch als Radladerfahrer eingesetzt wurde. Für die Entscheidung des Rechtsstreits könne dahin gestellt bleiben, in welchem Umfang dies erfolge. Er habe nämlich unstreitig auch wieder als Arbeiter am Sortierband gearbeitet, zuletzt seit Juli 2004. Eine unbefristete Weiterbeschäftigung als Radladerfahrer scheide deshalb aus, weil nach Umrüstung der Sortieranlage die Beklagte die Unternehmerentscheidung getroffen habe, künftig nur noch Mitarbeiter, die den Umgang mit sämtlichen Fahrzeugen sicher beherrschten als Fahrer zu beschäftigen. Dementsprechend habe sie nur noch besonders qualifizierte Mitarbeiter eingestellt, die sämtliche Maschinen bedienen könnten. Infolge dessen sei die Tätigkeit, den Radlader im Rahmen der Nachtschicht neben weiteren Mitarbeitern zeitweise zu bedienen, entfallen. Dieses Unternehmerkonzept sei nur auf offenbar Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit oder Willkürlichkeit zu überprüfen.

Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt. Die Sozialauswahl sei auf alle Arbeitnehmer im gesamten Betrieb erstreckt worden. Der Kläger hätte konkret vortragen müssen, welche mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer es im Betrieb der Beklagten noch gäbe. Es sei auch unerheblich, dass die Beklagte schwerbehinderte Arbeitnehmer, die an den Sortierarbeitsplätzen beschäftigt waren, weiterbeschäftige. In die Sozialauswahl würden nämlich Arbeitnehmer nicht einbezogen, deren ordentliche Kündigung gesetzlich ausgeschlossen sei. Die Beklagte sei als Arbeitgeber nicht gehalten, die Zustimmung zur Kündigung einzuholen. Auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, da diese nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarung nur außerordentlich und nicht ordentlich gekündigt werden können. Im Übrigen habe die Beklagte auch klargestellt, dass die Arbeitsverhältnisse mit den befristet beschäftigten Arbeitnehmern beendet worden seien.

Gegen das dem Kläger am 25.04.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.05.2005 eingelegte Berufung. Der Kläger hat seine Berufung mit am 20.06.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht geltend, dem Sachvortrag der Beklagten lasse sich nicht entnehmen, ab welchem Zeitpunkt alle Arbeitsplätze der Sortierkräfte entfallen seien. Die A.. GmbH habe auf den Umbau der Sortieranlage hingewiesen. Ausweislich der Erklärung der Beklagten sei der Umbau am 19.10.2004 begonnen worden. Der Sachvortrag lasse jedoch vermissen, wann der Umbau abgeschlossen gewesen sei und ab wann welche Arbeitskräfte nicht mehr benötigt worden seien. Nachdem die Umbaumaßnahmen offensichtlich erst im Oktober 2004 in Angriff genommen worden seien, stelle sich die Kündigung als Kündigung zur Unzeit dar.

Die Beklagte habe nicht die Radladerfahrer sondern nur die Sortierarbeitskräfte in die Sozialauswahl einbezogen. Er selbst sei nach einer kurzen Arbeitszeit in der Lage, die an einen Fahrer gerichteten Anforderungen zu erfüllen. Dies habe er ja auch während der Nachtschichten mit dem Radlader unter Beweis gestellt. Die Beklagte habe zwei Mitarbeiter neu eingestellt und zwar mit Wirkung vom 01.01.2004 den Maschinisten D. F. und mit Wirkung vom 15.04.2005 den Fahrer und Maschinisten M. P. Der Mitarbeiter D. S. sei zunächst in der Wertstoffsortierung, solle jedoch ab 01.02.2003 eine höherwertige Arbeit an derselben Maschine ausgeübt haben. Die Beklagte müsse auch offensichtlich im Rahmen des Dienstvertrages mit der Fa. A. die Befüllung der Sortiermaßnahme vornehmen. Die Kündigung des Dienstleistungsvertrages habe diesen Bereich nicht betroffen.

Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte die gesetzliche Quote von 25 % unterschritten hätte, wenn es bei der durchzuführenden Sozialauswahl zu einer Kündigung eines Schwerbehinderten gekommen wäre. Im Zusammenhang mit der Herausnahme der Schwerbehinderten aus dem Bereich der vergleichbaren Arbeitnehmer gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass in die Sozialauswahl Arbeitnehmer nicht einbezogen würden, deren ordentliche Kündigung gesetzlich ausgeschlossen sei. Dies sei mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringen. Im Übrigen ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung, dass die Schwerbehinderung im Rahmen der Punktebewertung angemessen Berücksichtigung finden müsse, so dass eine Auswahl der Schwerbehinderten aufgrund der Betriebsvereinbarung ebenfalls nicht in Betracht käme. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 23.03.2005, zugestellt am 25.04.2005 abzuändern,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.09.2004 zum 31.01.2005 aufgelöst wird,

3. für den Fall des Obsiegens zu Ziffer 2 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.01.2005 hinaus tatsächlich weiter zu beschäftigen,

4. die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, weist nochmals darauf hin, dass sie nicht mehr in der Lage war, Arbeitskräfte an der Sortieranlage zur manuellen Sortierung vorzuhalten und daher die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, zukünftig keine Arbeitsplätze mehr vorzuhalten. Die Kündigung der A.. GmbH sei bereits am 29.07.2004 zum 31.10.2004 erfolgt. Der Umbau sollte zunächst erst im November realisiert werden, sei aber dann bereits ab dem 19.10.2004 durchgeführt worden. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei der Dienstleistungsvertrag bereits längst gekündigt, damit habe festgestanden, dass die Arbeitsplätze in der Sortieranlage ersatzlos in Wegfall geraten seien. Aufgrund der Kündigung des Dienstleistungsvertrages habe keinerlei Beschäftigungsbedarf für Mitarbeiter in der Abteilung Sortierung mehr bestanden.

Der Kläger sei nicht mit beschäftigten Maschinisten bzw. Fahrern vergleichbar. Dies ergebe sich aus seinem Arbeitsvertrag. Die Maschinisten bzw. Fahrer hätten aufgrund Arbeitsvertrages andere Stellenbezeichnungen und einen vollständig anderen Aufgabenbereich sowie andere Arbeitsanweisungen. Hierzu legt sie vor Arbeitsverträge der als Fahrer beschäftigten Mitarbeiter F., G., S. und P. vor. Dem Kläger fehle unstreitig die Befähigung, sowohl das Multifunktionsfahrzeug der Beklagten als auch den Bagger der Beklagten zu führen, welches eine Voraussetzung für die Tätigkeit als Fahrer sei. Er habe selbst eine Qualifizierung für andere Fahrzeuge nicht erfolgreich abschließen können. Die Unterschiede hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs als Fahrer und Maschinisten ergäben sich auch aus der unterschiedlichen Vergütung. Wenn sie die Ermessensentscheidung getroffen habe, Schwerbehinderte aus der Sozialauswahl herauszunehmen, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden, im Übrigen auch durch die Sozialauswahlrichtlinie gedeckt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 04.08.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

II.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die Berufungskammer nimmt daher voll umfänglich Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils (§ 69 ArbGG).

Wegen der Angriffe im Berufungsverfahren gegen das arbeitsgerichtliche Urteil sei lediglich auf Folgendes hinzuweisen:

Soweit der Kläger geltend macht, die Kündigung sei zur Unzeit erfolgt, vermag dies seinem Klagebegehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung richtet sich nach dem Zeitpunkt des Zugangs der streitigen Kündigung. In diesem Zeitpunkt muss überprüft werden, ob voraussichtlich nach Ablauf der Kündigungsfrist für die Beschäftigung des Klägers kein Bedarf mehr vorhanden ist. Dabei spielt es also keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung des Dienstleistungsvertrages ausgesprochen wurde. Festzustellen ist lediglich, dass die Beklagte davon ausgehen dürfte, dass zum Ablauf der für den Kläger einzuhaltenden Kündigungsfrist für diesen ein Beschäftigungsbedürfnis nicht mehr bestand, weil zum Ablauf des 31.01.2005 sechs Arbeitsplätze in der Sortieranlage in Wegfall geraten sind, darunter ein Arbeitsplatz des Klägers. Zu welchem Zeitpunkt eine Umbaumaßnahme begonnen wurde, ist für die zu beurteilende Frage nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte musste mit der Kündigung gegenüber dem Kläger, die eine längere Kündigungsfrist zu beachten hatte, nicht warten, bis die organisatorischen Veränderungen derart abgeschlossen seien, dass eine Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich war und durfte dann erst die Kündigung aussprechen. Sie war vielmehr berechtigt, bereits zu dem Zeitpunkt, als absehbar war, dass nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr bestand, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen.

Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe offensichtlich nur die Sortierarbeitskräfte ihres Unternehmens in die Sozialauswahl miteinbezogen ist diesem Sachvortrag schon deswegen nicht näher nachzugehen, weil der Kläger dann Arbeitskräfte hätte benennen müssen, die wie er Arbeiter mit vergleichbaren Arbeitsbedingungen sind und nicht an der Sortieranlage beschäftigt, nicht in die Sozialauswahl einbezogen wurden. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie sämtliche Arbeitskräfte, die mit dem Kläger vergleichbar waren, in die Sozialauswahl einbezogen haben. Dies ergibt sich auch aus den vorgelegten Anhörungsschreiben an den Betriebsrat und entspricht der Sozialauswahlrichtlinie.

Sollte der Vortrag des Klägers dahin zu verstehen sein, dass er bemängelt, dass nicht Radladerfahrer in die Sozialauswahl einbezogen wurden, vermag dies seiner Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Kläger ist mit Radladerfahrern nicht vergleichbar. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass eine unmittelbare Austauschbarkeit des Klägers hinsichtlich der Arbeitsplätze eines Maschinisten/Fahrers nicht möglich ist. Der Kläger ist nicht als Fahrer eingestellt, sondern als Arbeiter "für alle" anfallenden Arbeiten im Bereich Wertstoffsortierung der C.. Die Fahrer/Maschinisten haben vom Inhalt des Arbeitsvertrages her andere Berufsbezeichnungen und Stellenbeschreibungen.

Die in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer müssen nach deren Arbeitsvertragsinhalt vergleichbar, d. h. austauschbar sein. Es handelt sich hierbei um die horizontale Vergleichbarkeit. Vergleichbar sind diejenigen, die kraft Direktionsrecht mit anderen Aufgaben beschäftigt werden können. Die Austauschbarkeit muss arbeitsplatzbezogen sein, sich anhand des konkreten Arbeitsvertragsinhalts ermitteln lassen. Es genügt für die Einbeziehung in die Sozialauswahl nicht, dass ihm auch die Tätigkeit des anderen nach seinen Fähigkeiten, die arbeitsvertraglich aber nicht gefordert sind, tatsächlich ausführen könnten. So kommt es auf die Gleichwertigkeit des Beschäftigungseinsatzes an. Im Falle zu den Fahrern/Maschinisten ist dies nicht der Fall. Weder können die Fahrer Maschinisten kraft Direktionsrecht auf den Arbeitsplatz des Klägers als Arbeiter für alle anfallenden Arbeiten im Bereich Wertstoffsortierung eingesetzt werden, noch kann der Kläger kraft Direktionsrechtes als Fahrer/Maschinist eingesetzt werden. Für beide Fallkonstellationen wäre eine Vertragsänderung erforderlich.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Entscheidung der Beklagten, künftig niemanden mehr aushilfsweise als Radladerfahrer einzusetzen, der nicht über die Befähigung verfügt, insgesamt sämtliche Fahrzeuge zu führen, sachgerecht und nachvollziehbar ist. Durch diese Entscheidung besteht für die Weiterbeschäftigung des Klägers keine Möglichkeit mehr.

Steht fest, dass im Bereich der Sortieranlage sechs volle Schichtarbeitsplätze in Wegfall geraten sind, sind die gegenüber drei Mitarbeitern ausgesprochenen Beendigungskündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, darunter auch die Kündigung gegenüber dem Kläger.

Erfolgreich kann der Kläger sich auch nicht auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen.

Insbesondere ist die Entscheidung der Beklagten, die in der Sortieranlage beschäftigten Schwerbehinderten unabhängig von den sonstigen Sozialdaten weiter zu beschäftigen und dem Kläger und weiteren zwei nicht schwer behinderten Mitarbeitern eine Kündigung auszusprechen, nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl rechtsunwirksam.

Ist einem anderen Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt worden, ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Nach § 1 Abs. 4 KSchG kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden, wenn in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des BetrVG festgelegt ist, welche sozialen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind und wie die Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander zu bewerten sind.

Auf die vom Arbeitsgericht aufgeworfene Frage, ob in die Sozialauswahl von vornherein schwerbehinderte Mitarbeiter nicht miteinbezogen werden dürfen, weil keine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, die Zustimmung des Integrationsamtes zu beantragen, kam es entscheidungserheblich nicht an.

Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung i. S. des § 1 Abs. 4 KSchG getroffen, nämlich die im Tatbestand bezeichnete Betriebsvereinbarung Nr. 43 vom 06.09.2004. Aufgrund dieser Betriebsvereinbarung hat die Beklagte die Sozialauswahl hinsichtlich der streitbefangenen Kündigung vorgenommen. Die Betriebspartner haben sich darauf verständigt, dass alle bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zunächst erfasst werden, allerdings nicht in die Sozialauswahl fallen Arbeitnehmer, deren Kündigung das Gesetz verbietet, es sei denn, die zuständige Behörde hat die Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt oder die Zustimmung erteilt. Hierbei handelte es sich ersichtlich um besonders geschützte Mitarbeiter wie schwerbehinderte. Die Regelung wird verständlich angesichts der Präambel, dass die Arbeitgeberin als Integrationsunternehmen i. S. d. § 132 Abs. 1 SGB IX tätig ist und eine besondere Verpflichtung schwerbehinderter Menschen, deren Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsplatz auf besondere Schwierigkeiten stößt, trägt. Die Verpflichtung gegenüber dem Integrationsamt regelmäßig mindestens 25 % der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten bzw. gleichgestellten behinderten Menschen zu besetzen ist in der Präambel der Betriebsvereinbarung niedergeschrieben. Damit haben die Betriebspartner ein Sozialauswahlkriterium festgeschrieben, das die schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Mitarbeiter regelmäßig von der Sozialauswahl ausnimmt. Dem steht nicht entgegen, dass in den Auswahlkriterien zu § 3 auch die Schwerbehinderung nochmals ausdrücklich Erwähnung findet. Diese Regelung ist notwendig, weil Situationen vorkommen, dass eine betriebsbedingt notwendige Maßnahme auch die Kündigung von Schwerbehinderten mit Zustimmung des Integrationsamtes nach sich zieht, dann ist es notwendig in der Sozialauswahlrichtlinie festzulegen, mit welcher Gewichtung auch innerhalb der schwerbehinderten Mitarbeiter die Schwerbehinderteneigenschaften hinsichtlich des Grades der Behinderung Berücksichtigung findet. Eine abschließende Regelung der Schwerbehinderteneigenschaft in den Auswahlkriterien liegt daher nicht vor. Die Auswahlkriterien kommen nur dann zum Tragen, wenn die Kündigung schwerbehinderter Menschen ansteht.

Dass zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers noch befristet beschäftigte Mitarbeiter tätig waren, steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Die Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Bereich der Sortieranlage keine befristet beschäftigten Mitarbeiter mehr tätig sind, im Übrigen hat sie unwidersprochen darauf hingewiesen, dass zum Kündigungszeitpunkt keiner der befristet beschäftigten Mitarbeiter ordentlich kündbar war. Daher scheiden sie aus der Sozialauswahl aus. Auf eine Weiterbeschäftigung eines befristet beschäftigten Mitarbeiters kann sich der Kläger mit Erfolg nicht berufen.

Die Beklagte hat im Übrigen auf den Einwand des Klägers, der Betriebsrat sie nicht ordnungsgemäß angehört worden, durch Vorlage der schriftlichen Anhörung, durch Vorlage der Empfangsbestätigung und durch Vorlage des Betriebsratsbeschlusses dargelegt, dass die Anhörung des Betriebsrats formal ordnungsgemäß abgelaufen ist. Weitere Gesichtspunkte, die gegen die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung und damit die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG sprechen könnten, sind vom Kläger nach diesem substantiierten Sachvortrag nicht mehr vorgebracht worden.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts erweist sich nach allem als zutreffend, die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers musste erfolglos bleiben.

Sie war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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