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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 4 Sa 618/04
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG


Vorschriften:

HGB § 74
HGB § 74 Abs. 2
HGB § 74 c
ArbGG § 72 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 618/04

Entscheidung vom 25.11.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.05.2004 - 3 Ca 1884/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung aufgrund Wettbewerbsverbots. Nachdem das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Eigenkündigung zum 31.10.2002 beendet war, der Kläger bei der Beklagten zuletzt einen Bruttogrundlohn von 2.725,19 € bezog, verlangt er die in § 10 des Arbeitsvertrags vereinbarte Karenzentschädigung für die Enthaltung des Wettbewerbs. In dieser Vereinbarung hatte sich die Beklagte für die Dauer des Wettbewerbsverbots von 2 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, eine Vergütung in Höhe des letzten monatlichen Grundgehaltes zu zahlen. Der Kläger arbeitet seit 01.11.2002 bei der Fa. I in E, Luxemburg. Im Gegensatz zum Bruttolohn liegt der Nettoverdienst, den der Kläger aus der Tätigkeit in Luxemburg erlangt je nach Monat 14 - 20 % über seiner früheren Vergütung bei der Beklagten. Der Kläger hatte bereits im Verfahren Arbeitsgericht Trier 1 Ca 462/03 Zahlung der Karenzentschädigung für die Monate November 2002 - Mai 2003 geltend gemacht. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.08.2003 wurde der Kläger weitestgehend entsprochen. Die Berufung der Beklagten wurde durch Urteil der Kammer vom 18.12.2003 kostenpflichtig zurückgewiesen, die Revision wurde nicht zugelassen. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Wettbewerbsentschädigung für die Monate Juni 2003 - März 2004 abzüglich des anrechenbaren anderweitigen Erwerbs geltend. Die von der Fa. I nach dessen Darstellung an den Kläger gezahlten Bruttolöhne sind auf Seite 3 ff. des Tatbestandes des angefochtenen Urteils wieder gegeben. Die vom Kläger zuletzt im Original vorgelegten Lohnabrechnungen der Monate Juni, Juli und Oktober wichen geringfügig von entsprechenden, zuvor vorgelegten Lohnabrechnungen für die Monate ab. Die Abweichungen beruhten darauf, dass in den Monaten Januar - Juli 2003 und Oktober 2003 von der Buchhaltung der Fa. I Berücksichtigung eines Bruttobetrages von jeweils 12,80 € für die Reinigung des Kittels vergessen worden war und dass in den Monaten Juni und Oktober 2003 Überstundenzuschläge von insgesamt 20,20 € fehlerhaft nicht berücksichtigt wurden, die dann den Monaten August und November nachgezahlt worden sind.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.227,20 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 692,41 € seit dem 01.07.2003, aus 660,41 € seit dem 01.08.2003, aus 830,33 € seit dem 01.09.2003, aus 754,55 € seit dem 01.10.2003, aus 627,08 € seit dem 01.11.2003, aus 737,36 € seit dem 01.12.2003, aus 560,03 € seit dem 01.01.2004, aus 754,55 € seit dem 01.02.2004, aus 957,31 € seit dem 01.03.2004 und aus 653,17 € seit dem 01.04.2004 zu zahlen;

2. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Antrag gestellt,

1. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche Einkünfte er durch Verwertung seiner Arbeitskraft in der Zeit vom 01.06.2003 bis 31.03.2004 erworben hat sowie entsprechende Nachweise hierüber im Original vorzulegen.

2. Den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben ggf. an Eides Statt zu versichern.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat wie im Vorverfahren die Auffassung vertreten, die Zahlung der Karenzentschädigung setze einen entsprechenden Schaden voraus, der beim Kläger nicht erkennbar sei. Es sei bei der Berechnung der Karenzentschädigung auch auf den jeweils monatlich erzielten Nettoverdienst abzustellen. Die Geltendmachung der Karenzentschädigung verstoße gegen Treu und Glauben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.05.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht Trier hat der Zahlungsklage entsprochen. Es hat dargelegt, die Auffassung der Beklagten, das Wettbewerbsverbot wahre weder die Form noch die inhaltliche Bestimmtheit des § 74 HGB werde vom Arbeitsgericht nicht geteilt. Unstreitig sei die Wettbewerbsabrede schriftlich erfolgt, auch hätten die Parteien eine Wettbewerbsentschädigung vereinbart. Welche sonstigen Erfordernisse fehlten habe die Beklagte nicht dargelegt. Der Höhe nach sei die Wettbewerbsentschädigung nicht zu beanstanden. Der Kläger habe durch Vorlage der Originallohnabrechnungen die Höhe der auf die Wettbewerbsentschädigung anzurechnenden Vergütung nachgewiesen. Die Abweichungen habe er nachvollziehbar mit Versäumnissen und Fehlern in der Buchhaltung begründet, was die Beklagte nicht bestritten habe.

Die weiteren Einwendungen seien Gegenstand des vom Landesarbeitsgericht entschiedenen Berufungsverfahrens 4 Sa 1220/03. Insoweit werde auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Teil-Urteil entschieden.

Gegen das der Beklagten am 29.06.2004 zugestellte Teil-Urteil richtet sich die am 29.07.2004 eingelegte Berufung. Die Beklagte hat ihre Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis 30.09.2004 verlängert worden war, mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Erlass eines Teil-Urteils sei unzulässig, da das Arbeitsgericht nur über den Klageanspruch entschieden habe, die Widerklage jedoch unberücksichtigt gelassen habe. Klage und Widerklage stellten eine Einheit dar. Erst nach erteilter Auskunft könne die Wettbewerbsentschädigung des Klägers ermittelt werden. Dies gelte umso mehr, als sie nach wie vor davon ausgehe, dass der Kläger neben seinem Verdienst bei der Firma I weitere Einkünfte durch Verwertung seiner Arbeitskraft erziele. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte dies präzisiert und erklärt, der Kläger habe schon während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ungefragt Nebentätigkeiten ausgeübt. Diese Nebentätigkeit übe er vermutlich weiter aus.

Im Übrigen wiederholt die Beklagte ihre Rechtsauffassung, Sinn des § 74 Abs. 2 HGB sei es, dem Arbeitnehmer Einkommensverluste auszugleichen, die bei einer anderweitigen Verwertung seiner Arbeitskraft aufgrund der Einhaltung eines Wettbewerbsverbotes entstehen. Auch erziele der Kläger durch Abführung von Beiträgen in die Luxemburgische Rentenkasse später bei Eintritt in das Rentenalter eine höhere Rente als bei Zahlung entsprechender Beiträge in der Bundesrepublik. Der Kläger mache also nicht nur ein "Plus-Geschäft", in dem er einen höheren Nettoverdienst erziele, er erwirtschaftet darüber hinaus wesentlich höhere Rentenanwartschaften. Darüber hinaus verursache der Kläger den Niedergang eines einst blühenden mittelständischen Unternehmens bzw. dessen Wiederaufnahme.

Die Beklagte beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.05.2004 - 3 Ca 1884/03 - aufzuheben und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Trier zurückzuverweisen,

hilfsweise

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.05.2004 - 3 Ca 1884/03 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 25.11.2004.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch keinen Erfolg.

II.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend und in prozessual zulässiger Weise hat das Arbeitsgericht Trier durch das angefochtene Teil-Urteil der Zahlungsklage des Klägers entsprochen.

Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen.

Die Sach- und Rechtslage hat sich seit Erlass der Entscheidung der Kammer vom 18.12.2003 nicht verändert. Die Entscheidung ist den Parteien zugestellt und daher bekannt. Auf sie wird zur Vermeidung unnötiger Schreibarbeiten voll umfänglich verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung sämtliche mögliche Einwendungen der Beklagten gegen die Formwirksamkeit der Wettbewerbsabrede abgehandelt und diese nicht als durchgreifend erachtet.

Dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeiten in Luxemburg einen höheren Nettoverdienst erziele als bei der Beklagten, lasse den Anspruch auf Karenzentschädigung nicht entfallen. Dieser Anspruch setzt keinen Schaden auf Seiten des Arbeitgebers voraus, da die Karenzentschädigung gegen Leistung für die nachvertragliche Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers ist, nicht hingegen Schadenersatz.

Sämtliche Ausführungen der Beklagten zum Schaden und Minderverdienst sind daher nicht erheblich.

Gegenteiliges lässt sich aus der Anrechnung anderweitigen Erwerbs gem. § 74 c HGB auch nicht herleiten. Der Sinn der Regelung liegt nicht darin, den sich aus der Wettbewerbsabrede konkret ergebenden Nachteil des Arbeitnehmers zu ermitteln, sondern aus Billigkeitsgründen einen Gewinn des Arbeitnehmers auf Kosten des Arbeitgebers zu vermeiden, damit der Karenzentschädigung nicht der Charakter einer Prämie für den Stellenwechsel zukommt. Der Nettoverdienst scheide als verlässliche Berechnungsgröße aus, weil er durch die persönliche Wahl der Steuerklasse beeinflusst werden kann. Einkommensvorteile, die in den persönlichen Umständen oder Entschließungen des Arbeitnehmers nach Vertragsende ihren Grund haben, sind zur Bemessung der Entschädigung nicht heranzuziehen. Daher bleibt es unbeachtlich, ob der Kläger sogar durch niedrigere Sozialversicherungsbeiträge höhere Rentenanwartschaften erwirtschaftet. Hierauf kommt es bei der vom Gesetz vorgesehenen Berechnung nicht an.

Die vom Kläger zuletzt unter Vorlage von Originallohnabrechnungen vorgelegten Angaben über die bei der Fa. I erzielten Bruttoeinkünfte sind für die Berechnung der Karenzentschädigung heranzuziehen. Sie sind vom Arbeitsgericht zutreffend ermittelt. Beachtliche Einwendungen hiergegen konnte die Beklagte nicht erheben. Ihr waren, nachdem die Originallohnabrechnungen Gegenstand der mündlichen Verhandlung in erster Instanz waren, die Daten bekannt. Konkrete Einwendungen gegen die Richtigkeit habe sie nicht erhoben.

Sie hat dem gegenüber im Berufungsverfahren klargestellt, dass sie hinsichtlich der Auskunft über erzielte Einkommen im Wesentlichen nicht auf die durch Lohnabrechnungen belegten Bezüge bei der Fa. I abstellte, sondern auf sonstige Einnahmen aus Nebentätigkeiten. Diese sonstigen Einnahmen aus Nebentätigkeiten berühren den Anspruch auf Karenzentschädigung nicht. Einnahmen aus einer Nebentätigkeit, die bereits während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde, sind nicht anzurechnen. Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Erwerb und dem Wettbewerbsverbot (vgl. BAG Urt. v. 16.05.1969 NJW 1970, 443). Demgemäß besteht auch kein Anspruch des Beklagten gegenüber dem Kläger, über diese Einkünfte, die die Beklagte vermutet, dass sie der Kläger erzielt, Auskunft zu erteilen.

Zwar ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber auf Erfordern über die Höhe des Erwerbs Auskunft zu geben (§ 74 c Abs. 2 HGB). Der Anspruch setzt voraus, dass eine Anrechnungsmöglichkeit eingetreten ist. Hierfür ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG Urt. v. 19.02.1997, 5 AZR 379/94).

Die Beklagte als Arbeitgeber hat ein Zurückbehaltungsrecht, bis der Arbeitnehmer die Auskunft erteilt hat (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 74 c HGB). Der Kläger hat nach den vorher dargelegten Grundsätzen vollständig Auskunft über die anzurechnenden Verdienste erteilt, die sind ausschließlich die anzurechnenden Verdienste aus der Tätigkeit bei der Fa. I. Er hat diese Auskünfte darüber hinaus durch Lohnabrechnungen belegt.

Zweifel daran, dass die Auskünfte über die erzielten Einnahmen bei der Fa. I unvollständig oder unwahr seien, bestehen nicht. Aus Treu und Glauben kann daher kein Anspruch der Beklagten hergeleitet werden, dass der Kläger, der zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft eidesstattlich versichert. Ein entsprechender Anspruch besteht nicht, daher auch kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten gegen die Zahlungsforderung.

Hat aber der Kläger seiner Auskunftspflicht Genüge getan und ist er nicht verpflichtet, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides statt zu versichern, hängt die Entscheidung über die Zahlungsklage nicht davon ab, ob und inwieweit die Widerklage der Beklagten begründet ist. Die Entscheidung über die Klageforderung des Klägers konnte ohne Berücksichtigung der in erster Instanz noch anhängigen Widerklage erfolgen. Die Entscheidungen hängen daher nicht untrennbar mit einander zusammen, so dass das Arbeitsgericht in prozessual zulässiger Weise ein Teil-Urteil erlassen hat.

Nach allem war die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Kammer hat auf Anregung der Beklagten nochmals eingehend die Zulassung der Revision beraten, sie hat gegenüber der Entscheidung vom 18.12.2003 keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage feststellen können, die nunmehr dafür sprächen, die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung einer Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG anzunehmen. Gründe für die Zulassung liegen nach wie vor nicht vor.

Ende der Entscheidung

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