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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 747/06
Rechtsgebiete: AEntG, SGB IV, VTV, SGB III
Vorschriften:
AEntG § 1 a | |
SGB IV § 211 Abs. 1 Satz 4 | |
VTV § 1 Abs. 2 | |
VTV § 1 Abs. 2 Abschnitt IV | |
SGB III § 211 Abs. 1 Satz 4 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - AZ: 4 Ca 86/04 - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden ebenso wie die des Revisionsverfahrens der Klägerin auferlegt.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, die C., streitet mit der Beklagten darüber, ob diese aufgrund ihrer Bürgenhaftung Urlaubskassenbeiträge für die Monate September 2001 bis Januar 2002 an den Kläger abführen muss. Die Beklagte handelt mit Baustählen und lässt diese von Subunternehmen verlegen und unter anderem auch von der Subunternehmerin (Bl. 175 R d. A.).
Die Subunternehmerin hat auf den Baustellen Theodor-Heuss-Allee in Frankfurt am Main und Frankfurter Straße Neu-Isenburg nach einer Gewerbeanmeldung vom 23. Oktober 2000, wonach sie Stahlarmierung durchführt, gearbeitet und dabei in der Gewerbeanmeldung als Anschrift der Betriebsstätte Talstraße 12 in Neunkirchen angegeben und die Anmeldung für eine unselbständige Zweigstelle abgegeben (Gewerbeanmeldung Bl. 16 d. A.).
Die Subunternehmerin hat sich bei der ULAK und der ZVK ordnungsgemäß angemeldet und für sie sind Beitragskonten errichtet worden.
Für die Monate September 2001 bis Januar 2002 hat die Subunternehmerin der ULAK beitragspfY.ige Bruttolöhne der auf den Baustellen eingesetzten aus der Türkei nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer, die zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen waren, in Höhe von 186.092,73 € gemeldet, was einem Urlaubskassenbeitrag von 26.535,31 € entspricht, auf den sie jedoch lediglich 7.555,66 € zahlte.
Nach Ende der Baustahlverlegearbeiten im Januar 2002 zahlte die Beklagte der Subunternehmerin den noch offenen Restbetrag und wurde dann mit Schreiben vom 14.05.2002 von der ULAK darüber unterrichtet, dass die Subunternehmerin die Urlaubskassenbeiträge nicht in voller Höhe entrichtet habe und die Beklagte nach § 1 a AEntG als selbstschuldnerische Bürgin in Anspruch genommen würde.
Die Klage, welche am 30.01.2004 beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Beklagte als Bürgin für die von der Subunternehmerin gemeldeten, aber nicht abgeführten Urlaubskassenbeiträge hafte.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 29.09.2004 - AZ: 4 Ca 86/04 - Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - der Klage in vollem Umfange entsprochen und die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung ist durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 03.03.2005 - AZ: 6 Sa 1014/04 - zurückgewiesen worden.
Die Beklagte ist in das zugelassene Rechtsmittel der Revision gegangen und das Bundesarbeitsgericht hat durch die Entscheidung vom 02.08.2006 - AZ: 10 AZR 348/05 - die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dies ist unter anderem damit begründet worden, dass nicht festgestellt worden sei, dass die Subunternehmerin den Unternehmensbegriff des § 1 a AEntG erfülle bzw. eine selbständige Betriebsabteilung i. S. d. Bautarifverträge vorliege.
Die Klägerin hat weiter vorgebracht, dass die Subunternehmerin eine selbständige Betriebsabteilung i. S. d. § 211 Abs. 1 Satz 4 SGB IV unterhalten habe, die auch selbständig gewesen sei, § 1 Abs. 2 Abschnitt IV VDV.
Die in Neunkirchen unterhaltene Betriebsabteilung sei deutlich räumlich und organisatorisch vom übrigen Betrieb mit Sitz in Ankara abgegrenzt, wofür bereits die räumliche Entfernung spreche. Die von der Türkei entsandten Arbeitnehmer seien für die Dauer des Einsatzes auf den Baustellen der Beklagten ausschließlich mit Bauarbeiten beschäftigt gewesen und damit einer gesonderten Betriebseinheit zugeordnet. Die Betriebsabteilung in Neunkirchen habe auch über eigene Betriebsmittel wie Fahrzeuge, Maschinen und dergleichen verfügt, was sich aus dem Schreiben der Subunternehmerin vom 03.11.2000 (Anlage 1 zum Schreiben vom 16.11.2006) ergebe.
Auch seien die arbeitstechnischen Abwicklungen und Koordinierung von Werkverträgen in Deutschland erfolgt ebenso wie der Personaleinsatz. Für den Betriebsbegriff sei es ausreichend und damit auch für den der Betriebsabteilung, dass dort die tatsächliche Wahrnehmung von organisatorischen Leitungsaufgaben erfolge. Im Fragebogen zur Betriebserfassung habe die Subunternehmerin unter dem 13.11.2000 gegenüber der ZVK erklärt, dass aus der Hauptniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland zwei Angestellte und ein Geschäftsführer eingesetzt würden. In Entsendefällen stehe ohnehin die Vermutung, dass eine selbständige Betriebsabteilung bestehe. Die damit anzunehmende Betriebsabteilung der Subunternehmerin habe ausschließlich Baustahl-Verlegearbeiten erbracht, weswegen der betriebliche Geltungsbereich des VTV gegeben sei, weswegen nach § 1 AEntG die für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge im Urlaubskassenverfahren zur Anwendung komme.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.09.2004 - AZ: 4 Ca 86/04 - kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.09.2004 die Klage abzuweisen.
Sie begründet dies im Wesentlichen damit,
dass die Firma Z. keine selbständige Betriebsabteilung in Neunkirchen, Talstraße 12 geführt habe, weil es sich bei dem Anwesen um ein Wohngebäude handele, in dem neben einer Zahnarztpraxis Wohnungen von je 2 Räumen, 1 Küche und 1 Bad vorhanden seien, wobei eine dieser Wohnungen von der Firma Z. angemietet worden war. Dies sei offensichtlich nur dazu erfolgt, um eine deutsche Postanschrift zu erhalten und nicht dazu, in den Wohnräumlichkeiten einen Gewerbebetrieb auszuüben. Auch der von der Klägerin genannte Fragebogen enthalte lediglich die Angabe, dass die Subunternehmerin eine Zweigfiliale unterhalte, die jedoch keinen eigenen Arbeitnehmerstamm in der Bundesrepublik Deutschland habe. Auch sei nicht erkennbar, welche eigenen technischen Betriebsmittel das Subunternehmen besessen und eingesetzt habe, zumal Baustahl von Hand verlegt werde. Der angegebene Geschäftsführer sei Geschäftsführer der türkische Firma Z. LTD. und nicht nur Geschäftsführer des Gebildes in der T 12 in N. Auch sei von dort der Einsatz der Arbeitnehmer oder sonstige Maßnahmen nicht gesteuert worden, weil die Beklagte ihre Ansprechpartner und Kontaktstellen vielmehr auf den betroffenen Baustellen selbst gefunden habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die in dem Berufungsverfahren zur Akte gereicht und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, nebst deren Anlagen Bezug genommen sowie auf den Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 03.03.2005 (Bl. 150-156 d. A.) sowie auf den Tatbestand des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 02.08.2006 (Bl. 175 R bis 177 d. A.).
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - AZ: 4 Ca 86/04 - abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass eine selbständige Betriebsabteilung i. S. d. §§ 211 Abs. 1 Satz 4 SGB III, 1 Abs. 2 VTV vorliegt. Die Klägerin hat für ihre Behauptung, dass die Subunternehmerin in Neunkirchen eine Betriebsabteilung eingerichtet hat, die auch als selbständig zu bewerten ist, auf den geographischen Abstand zwischen Türkei und Deutschland abgehoben und ausgeführt, dass aufgrund dieser Entfernung eine Koordination und arbeitstechnische Abwicklung nur von Deutschland aus habe erfolgen können. Dies belege auch der Umstand, dass die Subunternehmerin im Fragebogen der ZVK angegeben habe, dass es einen Leiter der Betriebsabteilung gebe und zwei Angestellte als Stammpersonal.
Zudem sei es ausreichend, dass die tatsächliche Wahrnehmung organisatorischer Leitungsaufgaben vorgenommen werden, weswegen nicht auf die kaufmännische Seite abgehoben werden dürfe. Gerade wegen letzterem lässt die Berufungskammer den Umstand außer Ansatz, dass die Monatsmeldung, die als Anlage 2 a unter der Arbeitgebernummer der Subunternehmers eingereicht wurden, wobei einige dieser Meldungen z. B. für 10 aus 2001 den Statencode AT, gemeint ist wohl Österreich, tragen, und den Anspruch schon von daher nicht zwingend stützen können, weil diese Tätigkeiten, die von Neunkirchen aus verrichtet worden sind, gerade der kaufmännischen Seite zuzurechnen sind und nicht der arbeitsorganisatorischen.
Dafür, dass die Subunternehmerin ihre Mitarbeiter, die auf der Grundlage der Genehmigungen in Deutschland für die Verträge, die die Subunternehmerin mit der Beklagten abgeschlossen hatte zum Einsatz gekommen sind, eingesetzt und gesteuert wurden, keine tatsächlichen Vorgänge geschildert. Das Abheben allein, dass der Subunternehmer mit Schreiben vom 03.11.2000 (Anlage 1 zum Schreiben 16.11.2006) angibt, dass in Neunkirchen eine Niederlassung Deutschland bestehe, erscheint deshalb nicht ausreichend, von der Annahme einer Niederlassung auszugehen, wenn man betrachtet, dass die Klägerin selbst mit Schreiben vom 15.03.2007 ein Schreiben der Subunternehmerin vom 18.12.2001 vorlegt, woraus zu entnehmen ist, dass der Briefkopf geändert ist und an Stelle des Wortes Niederlassung Deutschland Betriebsstätte Deutschland steht und außerdem auf einen Widerspruch gegen die Monatsmeldung für November 2001 hingewiesen wird und dass eine rechtskräftige Entscheidung zur Teilnahme am Urlaubskassenverfahren wegen eines Widerspruches der Subunternehmerin noch aussteht. Bei einer derartigen Ausgangslage kann aus dem Briefkopf eines Geschäftsschreibens nichts abgeleitet werden, dass dieser den Hinweis zwingend enthält, dass tatsächlich eine Niederlassung im hier interessierenden Sinne gegeben ist.
Auch angesichts der hier zu verrichtenden Tätigkeit, nämlich Baustahlarmierung wozu lediglich einfachste Werkzeuge benötigt werden, kann nicht so sehr auf die Maschinen oder sonstigen Arbeitsmaterialien abgestellt werden, weil diese gar nicht von Nöten sind. Deshalb ist das Hauptaugenmerk darauf zu richten, wie die Arbeitseinsätze der Arbeitnehmer von der Subunternehmerin organisiert worden sind, will man die Frage beantworten, ob eine selbständige Niederlassung anzunehmen ist. Nimmt man dazu die Anzahl der Facharbeiter, die die Subunternehmerin auf den Baustellen einsetzte, wobei die Auflistung (K 3 Bl. 18, 19 d. A.) zugrunde gelegt wird, und die Art der Tätigkeit, so erscheint es nicht zwingend, dass eine arbeitsorganisatorische Einsatzplanung von Neunkirchen aus auf den Baustellen in Frankfurt bzw. Neu-Isenburg erfolgen muss. Da auch in Neunkirchen als Ansprechpartner immer nur Frau Y. auftritt und diese eine kaufmännische Angestellte der Subunternehmerin ist, kann nicht erkannt werden, wie die Einsatzplanung im organisatorischen Bereich durchgeführt werden soll. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es Sache der Klägerin ist, den Anwendungsbereich des in Frage kommenden Tarifvertrages durch Tatsachenvortrag zu belegen, was weder mit dem Schreiben vom 19.10.2006 noch mit dem 29.01.2007 vorgenommen worden ist.
Auch fehlen Ausführungen darüber, aufgrund welcher Umstände davon ausgegangen werden muss, dass es zur Ausführung der vertraglich übernommenen Stahlverlegearbeiten anderer betrieblicher Steuerungsmittel bedurfte und nicht ein Vorarbeiter auf der jeweiligen Baustelle ausreichend gewesen ist, um den Kontakt mit der Baustellenleitung bzw. der Beklagten abwickeln und aufrecht erhalten zu können.
Die Berufungskammer kann dem Vortrag der Klägerseite keine Tatsachen entnehmen, die auf das Vorliegen einer selbständigen Betriebsabteilung hinweisen, zumal auch die Gewerbeanmeldung vom 23.10.2000 die Neuerrichtung eines Betriebes in Form der unselbständigen Zweigstelle enthält. Insgesamt kann deshalb auf das, was auf Briefbögen und schriftlichen Erklärungen abgegeben ist, die allesamt im Zusammenhang damit zu sehen sind, dass die Subunternehmerin die erforderlichen Genehmigungen erhält, um die Aufträge, die seitens der Beklagten erteilt wurden, in Deutschland durchführen zu können.
Nach dem Vorstehenden ist das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, weswegen auch die Kostentragungslast so zu treffen ist, dass die Kosten des Berufungsverfahrens, wie auch die des Revisionsverfahrens der Beklagten aufzuerlegen sind, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO.
Die Kammer hat das Rechtsmittel der Revision für die Klägerseite nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen.
Ende der Entscheidung
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