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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 884/04
Rechtsgebiete: RahmenMAVO, MAVO Trier, AVR
Vorschriften:
RahmenMAVO § 38 Abs. 3 Satz 1 | |
MAVO Trier § 42 Abs. 3 Satz 1 | |
AVR § 1 Abs. 1 der Anlage 5 | |
AVR § 2 a Allgemeiner Teil |
Aktenzeichen: 4 Sa 884/04
Entscheidung vom 03.03.2005
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.10.2004 - 4 Ca 836/04 - abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Entgeltansprüche der Klägerin und in diesem Zusammenhang um die Wirksamkeit einer Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung.
Die Klägerin ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.02.2001 seit 01.04.2001 beim Beklagten in dessen C-Krankenhaus in A-Stadt als Fachärztin beschäftigt. Sie bezieht Vergütung nach der Vergütungsgruppe 1 b Ziffer 7 der Anlage 2 zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen C-verbandes (nachfolgend AVR) welche vereinbarungsgemäß auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
Das C-Krankenhaus in A-Stadt ist Standort des Verbundkrankenhauses B-W., für dieses ist eine Mitarbeitervertretung gebildet.
Die Vergütungen orientieren sich an den Vergütungen des öffentlichen Dienstes. So war vorgesehen, dass im Jahr 2003 Mitarbeiter der unteren Vergütungsgruppen eine 2,4 %-ige Steigerung ab 01.07.2003, Mitarbeiter der höheren Vergütungsgruppen ab AVR 3 bzw. KR 12 aufwärts die Steigerung der Vergütung erst ab 01.10.2003 erhalten sollten. Am 02.10.2003 beschloss die arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen C-verbandes Öffnungsklauseln für die Vergütung 2003 bis 2005. Diese wurden Bestandteil der AVR als Anlage 1 II b. Die arbeitsrechtliche Kommission besteht gem. § 2 Abs. 1 der Ordnung der arbeitsrechtlichen Kommissionen des Deutschen C-verbandes aus jeweils 28 Vertretern, Dienstgebern und Mitarbeiter, aus dem Vorsitzenden und dem Geschäftsführer. Aufgabe der Kommission ist die Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen im Bereich des Deutschen C-verbandes.
Die bisherige Öffnungsklausel für Notsituationen (Anlage 1 XVI zu den AVR) und zur Tarifübernahme war Ende 2002 ausgelaufen. Diese sah im Wesentlichen zur Sicherung von Arbeitsverhältnissen Dienstvereinbarungen mit Stundungen von Gehältern vor.
Die nunmehr beschlossenen Öffnungsklauseln lauten auszugsweise wörtlich:
"A
1) Ist eine Einrichtung im Sinne der Mitarbeitervertretungsordnung in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, können zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen durch Dienstvereinbarung folgende Maßnahmen zur Reduzierung der Personalkosten vereinbart werden:
1. eine Absenkung des Urlaubsgeldes (§§ 6 bis 9 der Anlage 14 zu den AVR);
2. eine Absendung der Weihnachtszuwendung (Abschnitt XIV der Anlage a zu den AVR);
3. eine Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden (die veränderte Arbeitszeit gilt für die Dauer der Laufzeit der Dienstvereinbarung als regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 1 Abs. 1 der Anlage 5 zu den AVR);
4. eine Verkürzung der Vergütung (die herabgesetzte Arbeitszeit gilt für die Dauer der Laufzeit der Dienstvereinbarung als regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 1 Abs. 1 der Anlage 5 zu den AVR)."
Weiter enthalten die Öffnungsklauseln Regelungen über umfangreiche Vorlage- und Informationspflichten des Dienstgebers gegenüber der Mitarbeitervertretung, ohne deren Einhaltung die Dienstvereinbarung als nicht zulässig gilt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Öffnungsklausel (Bl. 41 ff. d. A.) verwiesen. Eine Dienstvereinbarung ist der arbeitsrechtlichen Kommission zur Prüfung vorzulegen. Im Einzelnen ist die Vorlage bestimmter Unterlagen vorgeschrieben. Die arbeitsrechtliche Kommission prüft, ob die Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, d. h. ob die Mitarbeitervertretung ausreichend informiert ist und der Dienstgeber die Anwendung der Öffnungsklausel und das Vorliegen einer wirtschaftlich schwierigen Situation begründet hat. Das Ergebnis der Prüfung teilt die arbeitsrechtliche Kommission den Parteien der Dienstvereinbarung mit. Öffnungsklauseln sind bis zum 31.01.2005 befristet, Dienstvereinbarungen beginnen frühestens ab 01.07.2003 und enden spätestens am 31.12.2005.
Unter dem 04.11.2003 schloss der Beklagte und die Gesamtmitarbeitervertretung eine Dienstvereinbarung mit auszugsweise folgenden Regelungen:
" § 1
Für den Zeitraum vom 01.07.2003 bis zum 30.06.2003 wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 39,424 Stunden verlängert.
Für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 31.10.2004 wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 39,83 Stunden festgesetzt.
Für den Zeitraum vom 01.11.2004 bis zum 31.12.2005 wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 40,0 Stunden festgesetzt.
§ 2
Für den Zeitraum vom 01.07.2003 bis zum 30.06.2004 wird die wöchentliche Arbeitszeit um 2,3438 % mit entsprechender Herabsetzung der Vergütung verkürzt.
Für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 31.10.2004 wird die wöchentliche Arbeitszeit um 3,3149 % mit entsprechender Herabsetzung der Vergütung verkürzt.
Für den Zeitraum vom 01.11.2004 bis zum 31.12.2005 wird die wöchentliche Arbeitszeit um 3,75 % mit entsprechender Herabsetzung der Vergütung verkürzt.
§ 2 a
Für die Dauer der Laufzeit dieser Dienstvereinbarung beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 1 Abs. 1 der Anlage 5 zu den AVR 38,5 Wochenstunden.
...
§ 14
Die Dienstvereinbarung wird für die Zeit vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 abgeschlossen. ..."
Weiter ist für die Laufzeit der Dienstvereinbarung vereinbart, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind.
Dem Ausschuss Öffnungsklausel der arbeitsrechtlichen Kommission wurde die Dienstvereinbarung vorgelegt. Diese teilte mit Schreiben vom 05.01.2004 mit, es liege keine einrichtungsbezogene Dienstvereinbarung vor, da die einzelnen Einrichtungen, für die die Vereinbarung gelten sollte, nicht aus ihr hervor gingen. Im Übrigen wurde angeregt, die Dienstvereinbarung auch bezüglich des fehlenden Nachweises der Bevollmächtigung der Gesamtmitarbeitervertretung durch die einzelnen Mitarbeitervertretungen nachzubessern. Weiter gab der Ausschuss eine Empfehlung dahin gehend, die Regelung in § 3 d der Dienstvereinbarung zu entfernen, da diese von den inhaltlichen Vorgaben der Öffnungsklausel nicht gedeckt sei.
In der Folge wurde durch die Gesamtmitarbeitervertretung dem Ausschuss Öffnungsklausel der arbeitsrechtlichen Kommission eine Ergänzung der Dienstvereinbarung durch Beifügung einer Liste der betroffenen Einrichtungen vorgelegt, darunter auch des Verbundkrankenhauses B-W. Weiter erklärte die Gesamtmitarbeitervertretung, sie sei durch die einzelnen Mitarbeitervertretungen zum Abschluss der Dienstvereinbarung bevollmächtigt.
Der Klägerin wurden mit der Gehaltsabrechnung November insgesamt 393,07 € als Teilbetrag Interessenausgleich für die Monate Juni, Juli, August und September 2003 abgezogen. Weiter erhielt sie nicht die Vergütungserhöhung von 2,4 % ab 01.10.2003. Mit der vorliegenden Klage macht sie die Auszahlung der in rechnerischer Höhe unstreitigen Vergütungsbestandteile geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, die Dienstvereinbarung sei nicht wirksam zu Stande gekommen, Sie beinhalte eine unzulässige Rückwirkung, und entspreche nicht den Vorgaben der Öffnungsklauseln der AVR, weil in diesen eine kumulative Verknüpfung von Anhebung der Arbeitszeit bei gleich bleibender Vergütung und Herabsetzung der angehobenen Arbeitszeit auf das bisherige Niveau bei herabgesetzter Vergütung nicht vorgesehen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.105,95 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (19.05.2004) zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Klägerin habe ein Schlichtungsverfahren gem. 22 AVR durchzuführen. Die formellen Voraussetzungen der Dienstvereinbarungen lägen wie von der arbeitsrechtlichen Kommission bestätigt, vor, es läge keine unzulässige Rückwirkung vor. Auch sei eine Kumulation der Einzelmaßnahmen Nr. 3 und 4 des Abschnittes A Abs. a zulässig. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die arbeitsrechtliche Kommission die Regelung nicht beanstandet habe. Dem stehe nicht entgegen, dass das mit der Dienstvereinbarung erreichte Ziel, nämlich Nichtweitergabe von Tariferhöhungen bzw. kurzfristige Absenkung der Vergütung bei gleich bleibender Arbeitszeit in den für die alten Bundesländer geltenden Öffnungsklausel nicht enthalten sei. Die Aufnahme für die neuen Bundesländer sei deswegen erfolgt, weil über eine Kombination der beiden Maßnahmen dieses Ziel nicht erreicht werden könne, dort betrage die regelmäßige Arbeitszeit bereits 40 Stunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 06.10.2004 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Im Wesentlichen hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe ein Schlichtungsverfahren nicht vor Erhebung der Klage einleiten müssen. Die Dienstvereinbarung greife nicht mit unzulässiger Rückwirkung wegen Verletzung des Vertrauensschutzes in bereits erdiente Vergütungsansprüche ein. Allerdings sei die Dienstvereinbarung insofern unwirksam, als die vorgenommene Kombination der Nummern 3 und 4 der Öffnungsklausel nicht zulässig sei. Insofern sei die Dienstvereinbarung gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 RahmenMAVO, § 42 Abs. 3 Satz 1 MAVO Trier unwirksam. Hierzu hat das Arbeitsgericht im Einzelnen ausführlich Wortlaut und der wirkliche Wille der "Tarifvertragspartien" einer Auslegung zugeführt.
Wegen der Urteilsbegründung im Einzelnen wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.
Gegen das dem Beklagten am 06.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.10.2004 eingelegte Berufung, welche der Beklagte am 22.10.2004 begründet hat.
Der Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insofern an, als es eine Verknüpfung der Maßnahmen Nummern 3 und 4 nicht für zulässig hält. Hierzu bringt er im Wesentlichen vor, der erklärte Zweck der Öffnungskosten sei es, durch Dienstvereinbarungen Maßnahmen zur Reduzierung der Personalkosten zu ermöglichen, wenn gleichzeitig Arbeitsplätze gesichert werden. Aus der Systematik ergebe sich nicht, dass eine Verknüpfung der beiden Maßnahmen nicht möglich sein soll. Die Absenkung der Dienstbezüge um bis zu 5 % sei als zusätzliche 5. Maßnahme für die neuen Bundesländer deshalb aufgenommen worden, weil durch die Kombination der Maßnahmen 3 und 4 in diesen Bundesländern keine Vergütungsabsenkung hätte erreicht werden können, da dort die 40 Stundenwoche noch die Regelarbeitszeit sei. Die kombinierte Anwendung der Maßnahme Nr. 3 und 4 sei auch in den gängigen Kommentierungen durchgängig bejaht. Die arbeitsrechtliche Kommission habe schließlich sämtliche Bestimmungen der Dienstvereinbarung untersucht und durch ihre letztendlich auch mit Schreiben vom 18.10.2004 gemachte Mitteilung, dass nunmehr sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen, bestätigt, dass hinsichtlich der fraglichen Maßnahme keinerlei Bedenken bestünden. Unabhängig davon hätte die Mitarbeitervertretung von der Möglichkeit Gebrauch machen können, die Dienstvereinbarung zu kündigen, wäre sie der Auffassung, dass diese gegen die Öffnungsklausel verstöße.
Der Beklagte beantragt,
auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.10.2004 - 4 Ca 836/04 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Hinweis auf die Bestimmungen der Öffnungsklauseln ihre Rechtsauffassung, dass eine Kombination der Maßnahmen Nummern 3 und 4 nicht ermöglicht werde und eine reine Vergütungssenkung bei gleich bleibender Arbeitszeit nur für die neuen Bundesländer in die Öffnungsklauseln aufgenommen worden sei.
Im Übrigen könne nicht von einer übereinstimmenden Auslegung sämtlicher Mitglieder der arbeitsrechtlichen Kommission ausgegangen werden, wie sich aus vorgelegtem Schriftwechsel ergibt. Eine Beweisaufnahme über die Auslegung der Kombinationsmöglichkeiten durch die Öffnungsklauseln würde ein non liquet ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 03.03.2005.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
II.
Der Klägerin stehen die begehrten Vergütungsansprüche nicht zu.
Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Klägerin eine Bruttozahlung in Höhe von 1.105,95 € begehrt.
Der Beklagte war berechtigt, die streitgegenständlichen Vergütungsanteile für 01.07. bis 30.09.2003 in Höhe von 393,07 € von dem Gehalt November 2003 in Anrechnung zu bringen. Sie ist darüber hinaus nicht verpflichtet, der Klägerin monatlich weitere Vergütung in Höhe von 101,84 € zu zahlen. Mithin besteht kein Nachforderungsanspruch der Klägerin für die Zeit von Oktober 2003 bis einschließlich April 2004.
Der Beklagte war berechtigt, aufgrund der Dienstvereinbarung vom 04.11.2003 die Vergütung so zu berechnen, als habe es eine 2,4 %-ige Erhöhung nicht gegeben.
Die Frage, ob der Beklagte berechtigt ist, die Nummern 3 und 4 des Maßnahmenkatalogs des Abschnitts A Abs. a der Öffnungsklauseln in der Dienstvereinbarung vom 04.11.2003 in der geschehenen Weise miteinander zu verknüpfen, ist durch Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zu klären. Bei den AVR handelt es sich um Arbeitsvertragsrichtlinien. Diese entfalten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung. Sie finden nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme, die hier vorliegt, auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Auslegung der AVR erfolgt aber nach den gleichen Grundsätzen, die für die Tarifauslegung gelten (vgl. BAG vom 18.05.2000 - 6 AZR 53/99, v. 19.10.2000 - 6 AZR 425/99 -).
Nach diesen Grundsätzen ist vom Wortlaut der AVR auszugehen und dabei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und damit der von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften der AVR seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den systematischen Zusammenhang der AVR ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie praktische Anwendung der AVR und deren Entstehungsgeschichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt.
Nach Auslegung der einschlägigen Bestimmungen ist die kumulative Anwendung der Nummern 3 und 4 des Abschnittes A der Öffnungsklauseln auf ein Arbeitsverhältnis, wie sie der Beklagte mit der Gesamtmitarbeitervertretung in der Dienstvereinbarung vom 04.11.2003 geregelt hat, zulässig. Schon der Wortlaut spricht von mehreren Maßnahmen. In einer Einrichtung im Sinne der Mitarbeitervertretung können in einer wirtschaftlich schwierigen Situation zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen durch Dienstvereinbarungen die in den Öffnungsklauseln bezeichneten Maßnahmen zur Reduzierung der Personalkosten vereinbart werden. Dabei ist zwischen den Parteien zunächst nicht streitig, dass eine Absenkung des Urlaubsgeldes und eine Absenkung der Weihnachtszuwendung miteinander verknüpft werden können, ebenso eine Absenkung dieser Sonderleistungen mit einer Maßnahme nach Nummern 3 oder 4.
Aus dem Wortlaut ergibt sich nicht, dass die Maßnahme Nummer 3 mit Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden (bei gleich bleibender Vergütung) und die Maßnahme Nummer 4, nämlich eine Verkürzung der Arbeitszeit um bis zu 10 Prozent mit einer entsprechenden Herabsetzung der Vergütung nur einzeln und nicht zusammen vereinbart werden können. Hierzu hätte es einer ausdrücklichen Klarstellung im Wortlaut bedurft. Es hätte entweder heißen müssen, dass eine der folgenden Maßnahmen vereinbart werden kann oder es hätte bei den einzelnen Maßnahmen klargestellt werden müssen, dass sie nur einzeln oder in Verbindung mit bestimmten anderen Maßnahmen des Katalogs vereinbart werden können. Dies ist nicht erfolgt.
Aus dem Wortlaut der Öffnungsklauseln ergibt sich daher kein einziger Anhaltspunkt dafür, dass die Maßnahmen 1 - 4 nur einzeln oder nur in Kombination mit bestimmten anderen Maßnahmen vereinbart werden können. Der Wortlaut ist vielmehr dahin gehend eindeutig, dass die arbeitsrechtliche Kommission vier Maßnahmen vorgesehen hat, die es zur Reduzierung von Personalkosten alternativ oder kumulativ herangezogen werden können. Die Alternativen sind weder mit einem "und" noch mit einem "oder" miteinander verbunden oder durch sprachliche Fassung voneinander getrennt. Wenn demnach die Formulierung der Öffnungsklauseln nicht ausschließt, dass die verschiedenen Alternativen miteinander verbunden werden können und die Verbindung von Nummer 3 mit Nummer 4 zu einer Verringerung der Vergütung bei gleich bleibender Arbeitszeit führt, hat dies im Ergebnis eine Kürzung der Vergütung zur Folge, die somit zwar nicht ausdrücklich, jedenfalls hinsichtlich der Nummern 3 und 4, aber mittelbar in die Öffnungsklauseln mit eingeführt wurde.
Auch der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der damit von ihm beabsichtigte Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen. Durch die Übergangsklauseln soll es durch Dienstvereinbarung möglich sein, zur Meidung betriebsbedingter Kündigungen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen Personalkosten zu reduzieren. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Einleitungssatz. Die Absenkung des Urlaubsgeldes und die Absenkung der Weihnachtszuwendung in der dort vorgesehenen Höhe führt direkt zu einer Personalkostenreduzierung. Eine Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden bei gleichzeitiger Vergütung führt in den Einrichtungen zur Personalkostenreduzierung, in denen der bestehende Personalbedarf nicht ausreicht, die vorhandene Arbeitsmenge zu bewältigen, dabei durch Erhöhung der Arbeitszeit der Mitarbeiter bei gleich bleibender Vergütung entweder anderweitig Personal nicht eingestellt werden muss oder aber Mehrarbeit entfällt. Übersteigt also die Arbeitsmenge die Ressourcen des vorhandenen Personalbestandes, kann durch eine Vereinbarung gem. Nr. 3 der Öffnungsklauseln eine Personalkosteneinsparung erreicht werden. Anders verhält es sich in Einrichtungen, die personell überbesetzt sind, also in denen die Arbeitsmenge geringer ist als die planmäßig zu erwartende Arbeitsleistung der Arbeitnehmer. In diesen Fällen kann durch Reduzierung der Arbeitszeit bei entsprechender Verringerung der Arbeitsvergütung ebenfalls eine Reduzierung der Personalkosten eintreten.
Wäre nun die Auffassung der Klägerin zutreffend, dass eine Kombination von Nummer 3 und Nummer 4 durch die Öffnungsklausel nicht gedeckt wäre, könnten in Einrichtungen, in denen Personalbestand der Arbeitsmenge zu 100 Prozent entspricht, eine Personalkostensenkung nur über Absenkung des Urlaubsgeldes und des Weihnachtsgeldes erreicht werden. Dass die Personalkostenabsenkung in Einrichtungen, in denen die Arbeitsmenge dem Personal 100 %-ig entspricht auf Absenkung des Urlaubsgeldes und Absenkung der Weihnachtszuwendung beschränkt werden sollte, lässt sich den Richtlinien nicht entnehmen.
Diesem Ergebnis steht auch nicht der Umstand entgegen, dass für die neuen Bundesländer in den Überleitungsvorschriften F § 2 a Allgemeiner Teil AVR eine Maßnahme Nummer 5 eingeführt wird, damit eine Absenkung der Dienstbezüge um bis zu 5 % nach den jeweils geltenden Vergütungsbestimmungen.
Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in den neuen Bundesländern die 40-Stunden-Woche die Regelarbeitszeit ist, mit einer Kombination der Maßnahmen Nummer 3 und 4 somit nicht eine reine Vergütungskürzung bei gleich bleibender Arbeitszeit erreicht werden kann. Daraus lässt sich allerdings auch nicht herleiten, dass es der Richtliniengeber ausschließen wollte, die Maßnahmen Nummer 3 und 4 miteinander zu verknüpfen.
Die Dienstvereinbarung vom 04.11.2003 führt im Ergebnis zu einer Kürzung der Vergütung bei ansonsten gleich bleibenden Arbeitsbedingungen. Zwischen den Parteien ist rechnerisch unstreitig, dass die 2,4 %-ige Tariferhöhung des Jahres 2003 und die danach folgenden beschlossenen Tariferhöhungen nicht an die einzelnen Mitarbeiter weitergegeben wurden, diese quasi als Solidarbeitrag zur Sanierung entsprechende Gehaltsbestandteile leisteten.
Die Regelungen in § 1 und § 2 der Dienstvereinbarung haben letztendlich das Ergebnis, dass die bisherige Vergütung der Arbeitnehmer auf dem Stand vor dem 01.07.2003 verbleibt, andererseits ihre regelmäßige Arbeitszeit ebenso wie bisher mit 38,5 Wochenstunden festgelegt wird. Dieses Ergebnis ergibt sich aus der durch die Öffnungsklausel nicht verbotenen Verknüpfung der Maßnahmen Nummer 3 und 4 des Öffnungsklauselkataloges.
Im Übrigen ergeben sich auch nicht aus sonstigen Bestimmungen innerhalb der Öffnungsklausel, dass die Verknüpfung von Nummer 3 und Nummer 4 nicht zulässig wäre. Die Klägerin verweist zu Unrecht auf die Verpflichtung des Dienstgebers, bei Ablauf der Dienstvereinbarung entstandene Überschüsse bis zum Gesamtumfang der nach Abs. a Nr. 1 - 3 einbehaltenen Vergütungsbestandteile an die beteiligten Mitarbeiter auszuschütten. Zwar ist nicht zu verkennen, dass hier Nummer 4 nicht aufgeführt wird, andererseits ist diese Bestimmung klar dahin zu verstehen, dass die durch die Mitarbeiter aufgebrachten Personalkosteneinsparungen an diese bei Überschusserwirtschaftung wieder ausgekehrt. Bei strenger Anwandlung des Wortlautes ist auch nicht festzustellen, dass durch die Maßnahme der Nummer 3 Vergütungsbestandteile einbehalten werden. Einbehalte erfolgen lediglich bei Nummer 1, Absenkung des Urlaubsgeldes, Nummer 2, Absenkung der Weihnachtszuwendung oder Nummer 4, Verkürzung der Arbeitszeit mit entsprechender Absenkung der Vergütung. Gerade diese Bestimmung zeigt, dass durch eine Verknüpfung von Nummern 3 und 4 bei Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit mit einer logischen Sekunde später erfolgten Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit Vergütungsbestandteile eingespart werden können, diese in den Gesamtsanierungsbetrag einfließen und unter den Voraussetzungen, die in den Öffnungsklauseln A Abs. d genannt sind, an die Mitarbeiter wieder ausgeschüttet werden müssen.
Die von der Klägerin aufgezeigte Unsicherheit, was nunmehr die regelmäßige Arbeitszeit darstellt, erweist sich ebenfalls nicht als entscheidendes Auslegungshindernis. In den Öffnungsklauseln ist unter Nummer 3 geregelt, dass die veränderte Arbeitszeit für die Dauer der Laufzeit als regelmäßige Arbeitszeit gilt, weiter ist unter Nummer 4 eine gleichlautende Regelung getroffen. Wenn also die Parteien eine Dienstvereinbarung zunächst die Arbeitszeit verlängern und diese Arbeitszeit dann wiederum herabsetzen ergibt sich zwanglos als Rechtsfolge, dass die zuletzt festgelegte Arbeitszeit die regelmäßige Arbeitszeit i. S. des § 1 Abs. 1 der Anlage 5 zu den AVR ist. Eine unvernünftige nicht sachgerechte, nicht zweckorientiert und/oder nicht praktisch brauchbare Lösung ergibt sich hieraus nicht.
Diesbezüglich ist es auch nicht schädlich, dass die Beteiligten der Dienstvereinbarung in § 2 a die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nochmals deklaratorisch auf 38,5 Wochenstunden festgesetzt haben.
Erweist sich somit die Dienstvereinbarung konform zu den Öffnungsklauseln der Arbeitsvertragsrichtlinien, kann die Klägerin somit nicht mit der behaupteten Unwirksamkeit der Dienstvereinbarung ihren Anspruch durchsetzen.
Die Kammer hatte letztendlich auch keine Veranlassung, den von den Parteien beantragten Vernehmungen zur Erforschung des wirklichen Willens der Richtliniengeber nachzugehen. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass eine Beweisaufnahme ein non liquet ergeben würde, dies bedeutet nichts anderes, als dass sie behauptet, dass hinsichtlich der Auslegung der AVR-Bestimmungen bei den Öffnungsklauseln unterschiedliche Auffassungen zwischen den Mitgliedern der Dienstgeber und der Dienstnehmerseite bestehen. Dies wird auch bestärkt durch den vorgelegten Schriftwechsel, in denen die Mitarbeiter Mitglieder der arbeitsrechtlichen Kommission eine Klarstellung dahin gehend wünschten, dass die Maßnahmen Nummer 3 und 4 nicht kumulativ sondern nur einzeln angewendet werden können, die Mitglieder der Dienstgeberseite sich aber hiergegen wendeten. Damit kann nicht festgestellt werden, dass ein übereinstimmender Wille der Richtliniengeber dahin gehend besteht, dass die einzelnen Maßnahmen nur alternativ angewendet werden können.
III.
Der Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus sonstigen Unwirksamkeitsgründen der Dienstvereinbarung. Das Arbeitsgericht hat hierzu zum einen zutreffend ausgeführt, dass die formalen Voraussetzungen gegeben sind. Der Beklagte hat vorgetragen, welche Informationen und Unterlagen den Mitarbeitervertretungen und auch dem Ausschuss Öffnungsklausel zugänglich gemacht wurden. Der Ausschuss hat in mehreren Stellungnahmen ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen des Abschnittes A Abs. b und i der Öffnungsklauseln eingehalten worden sind. Dem ist die Klägerin sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren nicht mehr substantiiert entgegen getreten, es ist ihre Aufgabe zumindest Tatsachen konkret zu benennen, die weiterhin ggf. mit Nichtwissen bestritten werden können.
Die Dienstvereinbarung ist auch vom zuständigen Gremium, zumindest mit Bevollmächtigung der einzelnen Mitarbeitervertretungen abgeschlossen worden. Auch ist dies durch die arbeitsrechtliche Kommission, spätestens im Schreiben vom 18.10.2004 aufgrund Sitzung vom 12.10.2004 festgestellt worden. Die Gesamtmitarbeitervertretung war von der Mitarbeitervertretung des Verbundkrankenhauses B-W. ausdrücklich bevollmächtigt. Die Einrichtung, in der die Klägerin tätig ist und auf die die Dienstvereinbarung Anwendung findet ist in dieser namentlich aufgeführt.
IV.
Die Klage der Klägerin ist auch nicht wenigstens zum Teil wegen nicht erlaubter Rückwirkung begründet. Die Dienstvereinbarung datiert vom 04.11.2003, wirkt aber auf den 01.07.2003 zurück. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Rückwirkung, auch wenn in bereits entstandene Vergütungsansprüche der Mitarbeiter eingegriffen wird. Die Dienstvereinbarung basiert auf den Öffnungsklauseln der Anlage 1 zu den AVR Abschnitt II b vom 02.10.2003, welche wiederum die Ende 2002 ausgelaufenen bisherigen Öffnungsklauseln abgelöst haben. Aufgrund des Auslaufens der bisherigen Öffnungsklauseln Ende 2002 mussten die betroffenen Mitarbeiter damit rechnen, dass neue Öffnungsklauseln verabschiedet werden, welche ggf. auch Vergütungsansprüche zum Gegenstand haben würden. Vor diesem Hintergrund ist vom Erwerb einer vor unzulässiger Rückwirkung geschützten Vertrauensposition der Mitarbeiter nicht auszugehen. Die Dienstvereinbarung konnte damit auch bereits entstandene Rechte ab dem 01.07.2003 umfassen.
V.
Nach allem erweist sich die Berufung der Beklagten als begründet. Der Klageanspruch der Klägerin besteht nicht, die Klage war insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat die Kammer Revision zugelassen.
Ende der Entscheidung
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