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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 990/04
Rechtsgebiete: TV ATZ, BGB


Vorschriften:

TV ATZ § 2
TV ATZ § 2 Abs. 1
TV ATZ § 2 Abs. 2
TV ATZ § 2 Abs. 3
TV ATZ § 5 Abs. 4
BGB § 315 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 990/04

Verkündet am: 03.03.2005

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.09.2004 - 3 Ca 831/04 - abgeändert:

Die Klage wird, auch in der geänderten Form, abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, geboren am 03.01.1949, ist seit 01.04.1963 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden der BAT und die ändernden, ergänzenden Tarifverträge Anwendung, so auch der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit.

Die Klägerin ist verheiratet. Ihr Ehemann wurde im Oktober 2004 60 Jahre alt, er erlitt vor 2 1/2 Jahren einen Herzinfarkt und ist daher nicht mehr arbeitsfähig.

Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 08.09.2003 bei der Beklagten den Antrag auf Altersteilzeit im Blockmodell gestellt, beginnend am 01.02.2004 bis zum 01.02.2014.

Mit Schreiben vom 12.01.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, für die Mitarbeiter im Alter zwischen 55 und 60 Jahren bestehe kein tarifrechtlicher Anspruch. Die Beklagte wies auf ihre schwierige finanzielle Situation hin und führte weiter aus, dass die Aufstockungsbeträge eine hohe finanzielle Mehrbelastung bedeuteten. Die Erstattungsmöglichkeiten der Arbeitsverwaltung könnten nur in wenigen Einzelfällen ausgeschöpft werden. Im konkreten Fall sei davon auszugehen, dass ab Beginn der Freizeitphase eine Nachbesetzung der Stelle erforderlich wäre, da eine weitere Arbeitsverdichtung auf den restlichen Arbeitsplätzen des B-amtes aus heutiger Sicht nicht mehr möglich sei. Der Altersteilzeitbewilligung stünden daher dienstliche Gründe entgegen. Dies entspreche auch den Beschlüssen des Stadtvorstandes, wonach aus finanziellen Erwägungen grundsätzlich ab dem 01.01.2004 für Mitarbeiter zwischen 55 und 60 Jahren der Abschluss von Altersteilzeit ausgeschlossen werde. Im Mitteilungsblatt für das Personal der Stadtverwaltung X. Nr. 23 vom 22.10.2003 hatte die Beklagte mitgeteilt, dass der Stadtvorstand mit Zustimmung des Steuerungsausschusses ab 01.01.2004 beschlossen habe, Haushaltsmittel zur Gewährung von Altersteilzeit an Beamtinnen und Beamte in der Haushaltssatzung nicht mehr bereitzustellen. Trotz dieses Beschlusses hatte der Stadtvorstand in dem Haushaltsplan beschlossen, dass die bewilligbaren Fälle von Altersteilzeit für Beamte in 2004 auf zwei Fälle festgesetzt wurden.

In der Vergangenheit hatte die Beklagte nach Inkrafttreten des Altersteilzeitgesetzes und des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit zunächst ihren Mitarbeitern bereits ab dem 55. Lebensjahr die Möglichkeit der Altersteilzeit eröffnet, dies jedoch analog der Förderleistung des Arbeitsamts für maximal 6 Jahre.

Mit ihrer am 12.05.2004 beim Arbeitsgericht Trier eingegangener Klage hat die Klägerin zunächst verlangt, die Beklagte zu verurteilen, mit ihr ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis für die Zeit vom 01.02.2004 bis 31.01.2004 zu vereinbaren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten im Hinblick auf die Kannbestimmung des § 2 Abs. 1 TV ATZ berechtigt sei, aus finanziellen Gründen eine zukunftsorientierte Entscheidung dahin zu treffen, keine Altersteilzeitverträge mehr mit Arbeitnehmern unter 60 Jahren zu schließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 28.09.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat die Voraussetzungen des § 2 TV ATZ als erfüllt angesehen und die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nicht billiges Ermessen gewahrt. Sie habe sich ausschließlich auf finanzielle Gründe, nämlich ihre schlechte Finanzsituation bzw. ihre schwierige Haushaltssituation berufen und ohne nähere Konkretisierung vorgetragen, dass die Haushaltslage gespannt sei, dass für das Haushaltsjahr 2004/2005 von einem erheblichen Defizit ausgegangen werden müsse, dass der gesetzliche Haushaltsausgleich nicht mehr erreichbar sei und dass sie gezwungen sei Maßnahmen zu ergreifen, die zur Konsolidierung der städtischen Finanzen beitrügen. Hinsichtlich der Klägerin habe sie sich darauf berufen, dass durch die beantragte Altersteilzeit aufgrund der zu zahlenden Aufstockungsleistungen eine hohe finanzielle Mehrbelastung entstehe und dass die Arbeitsverwaltung im Falle der Wiederbesetzung der Stelle längstens Förderleistungen für 6 Jahre erstatten würde. Diese Begründung reiche nach Auffassung der Kammer nicht aus. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass ihr im Falle des Abschlusses eines Altersteilzeitvertrages mit der Klägerin in den nächsten 5 Jahren keine finanzielle Mehrbelastung entstehen würde, sondern dass sie zunächst finanziell entlastet würde. Sie könne sich auch daher nicht ohne weiteres auf die defizitäre Haushaltssituation berufen, die sie im Übrigen auch nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag konkretisiert habe. Es sei weder vorgetragen, noch könne dies als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass die Haushaltssituation in den Jahren 2009 und danach ebenfalls angespannt sei. Die Beklagte habe auch trotz des Defizits für zwei Beamte in 2004 Altersteilzeit bewilligt. Die Klägerin habe erhebliche Eigeninteressen an dem vorzeitigen Übergang in den Ruhestand. Sie habe dargelegt, dass ihr Ehemann vor 2 1/2 Jahren einen Herzinfarkt gehabt habe, dienstunfähig sei und nicht mehr arbeiten gehen könne. Das sei ein berechtigter sachlicher Grund für den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages. Angesichts der Erkrankung des Ehemanns müsse unter Umständen von einer verkürzten Lebenserwartung ausgegangen werden, die dem Wunsch nach dem vorzeitigen Übergang in den Ruhestand rechtfertige.

Gegen das der Beklagten am 18.11.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.12.2004 eingelegte Berufung. Die Beklagte hat ihre Berufung mit am 14.01.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie greift die Feststellung des Arbeitsgerichts an, die Beklagte hätte ihre finanzielle Situation nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag konkretisiert. Bereits die Etatentwürfe 2004/2005 ließen die schwierige finanzielle Situation zweifelsfrei erkennen. Sie gehöre zu den Kommunen, die der gesetzlichen Verpflichtung einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen nicht nachkommen könne. Der am 31.03.2004 beschlossene Haushalt beinhalte einen laufenden Fehlbedarf in Höhe von 28,914 Millionen Euro und für 2005 in Höhe von 35,212 Millionen Euro. Bis 2007 sei eine Steigerung des gesamten Fehlbedarfs auf insgesamt 237,220 Millionen Euro prognostiziert. Es sei unrealistisch, dass das Arbeitsgericht in seiner Einschätzung davon ausgehe, es könne nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass die Haushaltssituation in den Jahren 2009 ebenso angespannt sei. Angesichts der eindeutig erkennbaren stetigen negativen Entwicklung könne bei realistischer Betrachtung auch über den Finanzplanungszeitraum hinaus nur eine weitere Verschlechterung der Haushaltsdaten erwartet werden. Sie müsse daher alle Möglichkeiten der Einnahmeerhöhung bzw. Ausgabenminderung ausschöpfen.

Die von der Klägerin begehrte Altersteilzeit über einen Zeitraum von 10 Jahren hätten nach überschlägiger Berechnung folgende finanzielle Auswirkungen. Während der Altersteilzeit werde das zustehende Entgelt halbiert und um die tariflichen Aufstockungsbeiträge erhöht. Hierdurch ergebe sich gegenüber dem ursprünglichen Entgelt zunächst eine Ersparnis von ca. 8.576,00 € pro Jahr, also insgesamt 85.760,00 €. Dem gegenüber entstünden während der Freistellungsphase durch erforderliche Neueinstellungen zusätzliche Personalkosten. Für einen Sachbearbeiter in Vergütungsgruppe VI b BAT wären ca. 36.000,00 € pro Jahr, also insgesamt 180.000,00 € während der 5 Jahre Freistellungsphase an Personalkosten zu veranschlagen. Die Altersteilzeit würde somit grob gerechnet eine Mehrbelastung von ca. 94.240,00 € verursachen. Im Hinblick auf die Zahl potenzieller Neufälle berge die Vereinbarung von Altersteilzeit für die Beklagte ein erhebliches finanzielles Risiko. Allein die möglichen Fälle von Angestellten und Arbeitern würden eine Mehrbelastung für den Städtischen Haushalt im Bereich der Personalkosten in Millionenhöhe bewirken. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Mehrbelastung im Durchschnitt über der des vorliegenden Falles liegen werde, da die älteren Mitarbeiter meist in höheren Vergütungsgruppen eingruppiert seien. Bei angenommen 180 Fällen mit 10-jähriger Altersteilzeit und einer Mehrbelastung von jeweils 94.000,00 € würden finanzielle Mehrkosten in Höhe von fast 17 Millionen Euro bedeuten. Die vom Arbeitsgericht aufgezeigte einseitige Betrachtung der Altersteilzeit allein unter Berücksichtigung des anfänglichen Einsparpotenzials sei nicht seriös und könne mit den Vorschriften zur Haushaltsführung nicht in Einklang gebracht werden.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf Altersteilzeitbewilligungen an Beamte berufen. Die gesetzlichen und tariflichen Ansprüche seien verschieden. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles seien durch die Verwaltung für das Jahr 2004 zwei Ausnahmefälle bewilligt worden. Die Beklagte nimmt Bezug auf die generelle Entscheidung. Nach ihrer Auffassung müsse der Arbeitgeber in eine weitergehende Prüfung erst dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer über die im Tarifvertrag genannte Anspruchsvoraussetzung hinaus auf seinen Fall bezogene Umstände darlege. Durchgreifende Umstände, die eine Altersteilzeit im Blockmodell über einen Zeitraum von 10 Jahren rechtfertigen würden, seien im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Klägerin habe ihren Antrag zunächst nicht näher begründet. Erstmals auf Fragen im Kammertermin am 28.09.2004 habe sie erklärt, dass der Ehemann den Herzinfarkt erlitten habe, er sei dienstunfähig, könne nicht mehr arbeiten und allenfalls leichte Hausarbeiten machen. Die Ausführungen müssten mit Nichtwissen bestritten werden. Auch könne die vom Arbeitsgericht unterstellte medizinisch nicht nachweisbare verkürzte Lebenserwartung des Ehemannes nicht als entscheidendes Argument im Rahmen der Ermessensabwägung hinsichtlich der Altersteilzeit der Klägerin berücksichtigt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Auswirkungen die von der Klägerin im Blockmodell beantragte Altersteilzeit im Hinblick auf die Krankheit des Ehegatten haben könne. Im Falle einer Hilfsbedürftigkeit eines Angehörigen seien andere tarifliche Ansprüche nahe liegend.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 28.09.2004 - 3 Ca 831/04 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten vom 06.12.2004 kostenpflichtig zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 08.09.2003 gerichtet auf die Vereinbarung von Altersteilzeit und Blockmodell und zwar beginnend am 01.02.2004 bis 31.01.2009 (Arbeitszeiten vom 01.02.2009 bis 31.01.2014) Freistellung anzunehmen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beklagte verkenne, dass sie ausweislich einer Vorlage zur Sitzung des Stadtvorstandes Nr. 430/2000 vom 18.10.2000 eine andere verwaltungsinterne Vorgehensweise vorgegeben habe. Das entsprechende Informationsschreiben sei vorgelegt worden. An diese Vorgabe müsse sich die Beklagte halten lassen. Die Klägerin habe noch im Jahre 2003 den streitgegenständlichen Antrag bei der Beklagten gestellt, wobei deren Entscheidung erst im Januar 2004 getroffen worden sei. Die Beklagte selbst habe vorgetragen, erst Ende des Jahres 2003 sei es zu den Konsolidierungsmaßnahmen im Haushalt gekommen mit Wirkung vom 01.01.2004. Gleichwohl seien noch im Jahr 2003 vier Altersteilzeitverträge mit Mitarbeitern abgeschlossen worden. Es stelle sich daher als rechtsmissbräuchlich dar, wenn die Beklagte eine Stichtagsregelung 01.01.2004 einführe. Die Klägerin bestreitet die Absicht der Beklagten, ihre Stelle wieder zu besetzen. Unterstellt die Stelle der Klägerin würde nicht mehr besetzt, bzw. zwar intern besetzt dafür jedoch eine andere Stelle in der Stadtverwaltung wegfallen, käme auf die Beklagte eine Einsparung in Höhe der dadurch wegfallenden Personalkosten zu. Die Rechtslage zwischen Arbeitern und Angestellten und Beamten sei vergleichbar, daher könne sich die Klägerin auf die Bewilligung von Altersteilzeit für zwei Beamte berufen.

Mit dem Beschluss, aufgrund der Haushaltslage jegliche Altersteilzeitvereinbarung ab dem 01.01.2004 nicht mehr zuzulassen verhalte sich die Beklagte im Übrigen tarifwidrig. § 2 TV ATZ sehe in jedem Einzelfall die Ausübung von Ermessen vor.

Die Klägerin legte des Weiteren durch Tatsachenvortrag dar, dass nach ihrer Auffassung durch das Freiwerden ihrer Arbeitskraft in der Freistellungsphase andere Personalkosten eingespart werden. Insbesondere deswegen weil aufgrund der Rahmenvorgaben für das Verfahren bei der Besetzung von Stellen innerhalb der Stadtverwaltung alle zur Besetzung freigegebenen Stellen innerhalb der Verwaltung auszuschreiben seien. Bei der Entscheidung sei vorrangig zu prüfen, ob auf vakanten Positionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwandt werden können, deren Stellen durch kw-Vermerke zur Disposition stehen. Damit stehe fest, dass intern freiwerdende Stellen vorrangig auch intern zu besetzen seien. Des Weiteren legt die Klägerin Stellenpläne vor, wonach im Stellenplan des B-amtes der Hinweis einer Kürzung des Stellenplans auf 20 Stunden wöchentlich schon seit 1998 vorgesehen sei und bis 2018 festgeschrieben werde. Es sei daher bei den anstehenden Konsolidierungsmaßnahmen geradezu zwingend erforderlich, die Altersteilzeitvereinbarung mit der Klägerin wie gewünscht abzuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 03.03.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache auch Erfolg.

II.

Zwar begegnen dem Klageantrag der Klägerin auf Abgabe einer Willenserklärung zur Annahme ihres Angebots zum Abschluss des Altersteilzeitvertrages wie er in der Berufungsinstanz gestellt wurde, keinen rechtlichen Bedenken mehr. Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Annahme ihres Angebotes ergibt sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts jedoch nicht aus § 2 Abs. 1 TV ATZ, der kraft Organisationszugehörigkeit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.

Nach § 2 Abs. 1 TV ATZ kann der Arbeitgeber mit vollbeschäftigten Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr und eine Beschäftigungszeit von 5 Jahren vollendet haben und in den letzten 5 Jahren an mindestens 1080 Kalendertagen mit der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt waren, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren.

Die Klägerin erfüllt zwar die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen. Sie hat das 55. Lebensjahr vollendet und ist während der letzten 5 Jahre an mindestens 1080 Kalendertagen sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Entscheidung der Beklagten, mit der Klägerin keine Altersteilzeitarbeit zu vereinbaren, ist jedoch nicht zu beanstanden.

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 TV AZT kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren. Mit der Formulierung "kann" wird regelmäßig ausgedrückt, dass dem Berechtigten die Entscheidung überlassen wird, ob er tätig wird oder nicht. Für die Auslegung dieser Tarifvorschrift gilt nichts anderes. Der Arbeitgeber ist demnach nicht verpflichtet, dem Antrag eines Arbeitnehmers auf Änderung des Arbeitsvertrages allein deshalb zu entsprechen, weil dieser die in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben die Entscheidung über die vom Arbeitnehmer verlangte Vertragsänderung vielmehr in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt (vgl. BAG vom 12.12.2000, 9 AZR 706/99, AP Nr. 1 zu § 3 ATG).

Allerdings ist die Beklagte nicht frei in der Ausübung ihres Ermessens. Ersichtlich haben die Tarifvertragsparteien nicht allein die Selbstverständlichkeit wiederholt, dass der Arbeitgeber Vertragsfreiheit genießt und daher mit den Arbeitnehmern auf Grundlage des Altersteilzeitgesetzes Verträge schließen kann. Ein Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen wahrt (§ 315 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu wahren.

Das Ermessen der Beklagten ist nicht an weitere Vorgaben gebunden. Die Beklagte war berechtigt, den Antrag auch aus anderen als den in § 2 Abs. 3 TV ATZ genannten dringenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen abzulehnen. Diese Vorschrift bezieht sich nämlich allein auf Arbeitnehmer i. S. v. § 2 Abs. 2 TV ATZ, also auf Arbeitnehmer ab Vollendung des 60. Lebensjahres (vgl. BAG a. a. O.).

Die Ermessensausübung des beklagten Landes hält entgegen der Auffassung der Klägerin den gesetzlichen Anforderungen stand. Diese Ermessensausübung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

In dem Tarifvertrag werden keine Umstände genannt, die die Beklagte bei der Entscheidung über den Antrag auf Altersteilzeit zu berücksichtigen hat. Ausreichend sind daher alle sachlichen Gründe, die von der Beklagten zur Rechtfertigung vorgebracht werden.

Unstreitig hat der Stadtvorstand der Beklagten beschlossen, mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zwar 55 aber noch keine 60 Jahre alt sind, keine Altersteilzeitverträge mehr abzuschließen. Dies ist ein ausreichender Ablehnungsgrund. Dem steht nicht entgegen, dass bei dieser Handhabung die nach der Präambel des TV ATZ verfolgten Ziele für die Altersgruppe der Klägerin nicht erreicht werden. Altersteilzeit eröffnet Beschäftigungsmöglichkeiten für Auszubildende und Arbeitslose nur, wenn freiwerdende Stellen wieder besetzt werden. Denn auch die Beschäftigung eines so genannten Wiederbesetzers führt bei der durch die Bundesanstalt für Arbeit geförderten Altersteilzeitregelung zu einer Mehrbelastung des Arbeitgebers, da die nach dem TV ATZ vorgesehene Leistungen von 83 % Mindestnettovergütung und die zusätzlich anfallenden Arbeitgeberanteile im Vergleich zu den Förderungsleistungen von 70 % (Mindestnettovergütung) diese übersteigen. Zudem hat der Arbeitgeber neben den von ihm zu tragenden Sozialversicherungsbeiträgen die nach § 5 Abs. 4 TV ATZ dem Arbeitnehmer zustehenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

Dabei ist es der Beklagten zuzugestehen, dass sie nicht allein auf den Antrag der Klägerin abhebt. Die Klägerin macht geltend, dass der Beschluss des Stadtvorstandes, ab 01.01.2004 keine Altersteilzeitverträge mit Arbeitnehmern der vorbezeichneten Altersgruppe abzuschließen, in ihrem Falle nicht zu einer Mehrbelastung der Beklagten führt. Dabei verkennt die Klägerin, dass sie nicht allein ihren Fall isoliert betrachtet sehen kann. Die Beklagte ist durchaus berechtigt, die Signalwirkung von Altersteilzeitverträgen auch für andere gleichaltrige Arbeitnehmer zu beachten. Sie hat unbestritten vorgetragen, dass vergleichbar 180 Mitarbeiter sind, die zum Teil noch in weit höheren Vergütungsgruppen als die Klägerin eingruppiert sind. Würde der Klägerin wegen grundsätzlicher Erwägungen der Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages zuerkannt, könnten auch andere Arbeitnehmer auf den Abschluss derartiger Verträge wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehen. Dass von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachte Rechenwerk machte also nur dann Sinn, wenn dieses vervielfältigt nicht nur auf ihre Stelle, sondern auf 180 Stellen bezogen betrachtet würde. Dass die Beklagte durch interne Wiederbesetzungen von freiwerdenden Stellen in der Freistellungsphase von Altersteilzeitkräften keinerlei weiteren externen Mitarbeiter mehr einstellen würde, ergibt sich aus dem Rechenwerk der Klägerin auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Haushaltspläne nicht.

Die Beklagte macht auch zu Recht geltend, dass die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur haushaltsrechtlichen Situation nicht überzeugend sind. Die Beklagte hat den Haushaltsfehlbestand für die Kalenderjahre 2004/2005 im Berufungsverfahren substantiiert dargelegt. Angesichts der gerichtsbekannten Haushaltslage der öffentlichen Kassen ist jedenfalls nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sich die Haushaltslage im Jahre 2009 oder später nachhaltig verbessern werden wird. Gerade das Gegenteil ist zu erwarten. Wenn unter diesen Voraussetzungen sich die Beklagte entschlossen hat, jede mögliche Konsolidierungsmaßnahme zu treffen, dazu gehört auch die Ablehnung von Altersteilzeitwünschen von Angestellten ab 55 Jahren, ist dies sachlich nicht zu beanstanden.

Die Klägerin macht auch ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe keine Einzelfallentscheidung getroffen. An dieser Erwägung ist zwar richtig, dass die Ermessensentscheidung regelmäßig eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles verlangt. Die Klägerin hat bis in der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht zum einen keine konkreten Umstände genannt, die ein gesteigertes Interesse an der Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages darstellen würden. Im Übrigen schließt die Ermessensentscheidung generell Vorentscheidungen des Arbeitgebers, wie er eine Tarifnorm in die Praxis umsetzt, nicht aus. Derartige Regelungen dienen zum einen der einheitlichen Anwendung der Tarifvorschriften. Sie tragen außerdem dem Bedürfnis nach Transparenz Rechnung. Der Arbeitnehmer weiß, welche Kriterien für die Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich sind. In eine weitergehende Prüfung der zu berücksichtigenden Belange muss der Arbeitgeber danach erst dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer über die im Tarifvertrag normierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus auf seinen Fall bezogene Umstände darlegt.

Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung die von der Klägerin dargestellten Umstände mit einbezogen. Sie sieht es mittlerweile als bestätigt an, dass ihr Ehemann aufgrund des Herzinfarktes schwer behindert ist und Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände lässt sich aber ein gesteigertes Interesse an der Vereinbarung einer Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell für 10 Jahre nicht rechtfertigen, dies insbesondere unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorrangig zu behandelnden finanziellen Erwägungen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass eine erhöhte Pflegebedürftigkeit ihres Ehemannes die Klägerin durch Inanspruchnahme sonstiger tariflicher Leistungen abfedern kann. Hierzu bedarf es nicht des Abschlusses eines Alterteilzeitvertrages. Im Übrigen würde eine finanzielle Belastung durch vermindertes Einkommen des Ehemanns infolge Erwerbsunfähigkeit nicht durch eine Altersteilzeitvereinbarung gemildert, sondern durch das ermäßigte Nettogehalt der Klägerin noch verstärkt.

Die Klägerin kann schließlich nicht mit Erfolg sich darauf berufen, die Beklagte sei infolge Bindung an frühere Entscheidungen hinsichtlich der Bewilligung von Altersteilzeit gebunden. Zwar mag zutreffend sein, dass ab dem Jahre 2000 eine andere verwaltungsinterne Vorgehensweise vorgegeben war. Diese verwaltungsinterne Vorgehensweise ist dabei unstreitig durch die Entschließung des Stadtvorstandes Ende des Jahres 2004 abgeändert worden.

Der Umstand, dass die Klägerin ihren Antrag bereits im September 2003 gestellt hatte, dieser Antrag aber erst im Januar 2004 abgelehnt wurde, zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beklagte war lediglich gehalten, den Antrag der Klägerin auf Abgabe einer Willenserklärung vor Beginn der gewünschten Altersteilzeit zu bescheiden. Dies war eben im Januar 2004. Im Übrigen durften sich die Sachbearbeiter daran orientieren, dass ab 01.01.2004 eine andere verwaltungsinterne Handhabung durch Beschluss des Stadtvorstandes vorgegeben war.

Letztendlich kann sich die Klägerin auch nicht auf Gleichbehandlung mit Beamten berufen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet ohnehin nicht im Verhältnis zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten Anwendung.

Im Übrigen sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte und die für Angestellte nach dem TV ATZ gänzlich verschieden. Anspruchsvoraussetzung für Altersteilzeit von Beamten, die ebenfalls nur im Rahmen einer verwaltungsgerichtlich überprüfbar Ermessensentscheidung getroffen werden kann, ist unter anderem, dass dringende dienstliche Belange dem Altersteilzeitwunsch nicht entgegenstehen (§ 80 b Abs. 1 Nr. 4 LBG). Gerade diese Voraussetzung des Entgegenstehens dringender dienstlicher Belange schon für Beamte ab dem 55. Lebensjahr zeigt, dass Beamten ab dem 55. Lebensjahr Altersteilzeit gewährt werden kann, wenn dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Dagegen müssen bei der Ablehnung eines Antrages eines Angestellten gerade dringende dienstliche Belange nicht notwendig dem Altersteilzeitwunsch entgegenstehen, es genügen wie dargestellt auch andere sachliche Gründe im Rahmen einer Ermessensentscheidung. Daher kam es auf den Umstand, dass im Jahre 2003 bereits Altersteilzeitverträge abgeschlossen wurden, dies allerdings unter Geltung anderer verwaltungsinterner Vorgaben und auf den Umstand, dass in 2004 zwei Beamten Altersteilzeit bewilligt wurde, entscheidungserheblich nicht an.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage der Klägerin auch in der geänderten Form des Berufungsantrages zurückzuweisen.

Mit dieser Entscheidung wird keine Aussage darüber getroffen, ob die Klägerin bei Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages hat.

Nach allem war auf die Berufung der Beklagten hin das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage der Klägerin, auch in der im Berufungsverfahren geänderten Form abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht. Die Entscheidung ist daher für die Klägerin mit der Revision nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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