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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.05.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 124/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, ArbZG, KSchG, MTV, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 139
ArbZG § 4
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1
MTV § 3
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 124/06

Entscheidung vom 23.05.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.11.2005 - 1 Ca 2484/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.364,86 € festgesetzt.

Tatbestand:

Im Anschluss an den (ursprünglichen) Arbeitsvertrag vom 14.04.1987 haben die Parteien den "Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte" vom 22.02./24.02.1988 (Bl. 7 f. d. A.) abgeschlossen. In § 2 dieses Vertrages heißt es u.a.:

"... der Arbeitgeber ist berechtigt, wenn es das Geschäftsinteresse erfordert, dem Angestellten eine andere angemessene Tätigkeit zuzuweisen; dies gilt auch im Falle von Arbeitsmangel ... ".

Nach näherer Maßgabe des jeweiligen - im einzelnen streitigen -Parteivorbringens wurde der Kläger im Rahmen des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 14.04.1987 vorübergehend auch an der Kasse des klassischen Spiels eingesetzt.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 30.11.2005 - 1 Ca 2484/05 - (dort Seite 3 ff. = Bl. 107 ff. d. A.). In dem vorbezeichneten Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.08.2005 nicht aufgelöst worden ist.

Gegen das ihr am 13.01.2006 zugestellte Urteil vom 30.11.2005 - 1 Ca 2484/05 - hat die Beklagte am 08.02.2006 Berufung eingelegt und diese am 27.03.2006 - innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 17.02.2006 - 5 Sa 124/06) - mit dem Schriftsatz vom 27.03.2006 (Bl. 145 ff. d. A.) begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 27.03.2006 verwiesen.

Nach näherer Maßgabe der dortigen Ausführungen ist die Beklagte der Auffassung, dass sie ihre unternehmerische Entscheidung hinreichend dargelegt habe. Zumindest hätte das Arbeitsgericht nach § 139 ZPO verfahren müssen. Auf den Seiten ab Seite 5 - unten - der Berufungsbegründung (= Bl. 149 ff. d. A.) trägt die Beklagte ergänzend zur unternehmerischen Entscheidung vor und führt dort u.a. (weiter) aus:

Mit der Änderung der Öffnungszeiten ab dem 01.10.2005 sei der Bereich der Wechselkasse des Automatenspiels der Kasse des klassischen Spiels zugeschlagen worden. Damit befinde sich grundsätzlich nur noch ein Mitarbeiter des Automatenspiels im Dienst. Diesem Mitarbeiter obliege seitdem lediglich noch die in der Berufungsbegründung bereits zuvor beschriebenen Tätigkeiten (Saaldienst bzw. Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Spielgeräten). Die Automatenabrechnung werde nur noch an zwei Tagen in der Woche durchgeführt. An diesen Tagen befinde sich dann auch der weiter im Automatenspiel beschäftigte zweite Mitarbeiter im Dienst. Dieser werde für vier Stunden im Bereich der Automatenabrechnung eingesetzt, - die restliche Arbeitszeit führe der Mitarbeiter mit Wartungs- und Reinigungsarbeiten an den Geräten oder als Pausengeber aus. Die erforderlichen Wechselvorgänge würden vom Mitarbeiter des klassischen Spiels an der Wechselkasse mit erledigt. Für den im Saaldienst eingesetzten Kassierer/Mechaniker ergebe sich nach der Änderung der Öffnungszeiten lediglich ein erweiterter Aufgabenbereich dahingehend, dass er an zwei Tagen mit die Automatenabrechnung durchführe. Dadurch trete jedoch keine überobligatorische Arbeitsbelastung ein. Soweit der Mitarbeiter der Kasse des klassischen Spiels die Wechselkasse des Automatenspiels mit übernehme, so trete auch dort eine Arbeitsverdichtung dergestalt nicht ein, dass dieser Mitarbeiter überobligatorisch belastet werde. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, die Öffnungszeiten zu reduzieren und die Tätigkeit der Wechselkasse des Automatenspiels auf die Kasse des klassischen Spiels zu übertragen, sei vernünftig und sachlich gewesen. Die zusätzlichen Tätigkeiten (der Mitarbeiter im Kassenbereich des klassischen Spiels) seien aufgrund der Anzahl der Gäste des Automatenspiels ohne nennenswerten Mehraufwand innerhalb der Arbeitszeit zu bewältigen. Die Änderung der Öffnungszeiten und die Übertragung der Wechselkasse auf die Mitarbeiter der Spielkassen führen dazu, dass die Beklagte für den Bereich des Automatenspiels z.B. für den Monat Oktober 2005 lediglich einen Stundenbetrag von 287,5 Stunden gehabt habe. Bei einer Öffnungszeit von 17.00 Uhr bis 1.30 Uhr und dem Fortführen der Wechselkasse im Bereich des Automatenspiels wären es im Vergleich hierzu 632,75 Stunden gewesen.

Soweit es um die Sozialauswahl geht, macht die Beklagte geltend, dass der Kläger nicht mit anderen Mitarbeitern der Beklagten außerhalb des Bereichs Automatenspiel vergleichbar sei. Eine Vergleichbarkeit zwischen den Arbeitnehmergruppen, die sich aus der Gruppeneinteilung des § 3 des Manteltarifvertrages ergebe, sei nicht gegeben (s. dazu im einzelnen die Anlagen B9 und B10 zur Berufungsbegründung = Bl. 173 ff. d. A. = Auszug aus dem MTV sowie Anlagen 1 bis 7 zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag).

Die Beklagte entnimmt dem Manteltarifvertrag und dem Tronc- und Gehaltstarifvertrag, dass die Tätigkeitsbeschreibungen zu den jeweiligen Tätigkeitshauptgruppen/Tätigkeitsuntergruppen eine Vergleichbarkeit nicht erkennen ließen. Die Tätigkeitshauptgruppen und Tätigkeitsuntergruppen seien seitens der Tarifvertragsparteien bewusst gebildet worden, da die dortigen Tätigkeitsbereiche nicht vergleichbar seien. Der Kläger sei weder mit den Mitarbeitern der Kasse vergleichbar, noch mit den Mitarbeitern der Rezeption. Hierbei handele es sich auch um Tätigkeitsbereiche aus einer anderen Betriebshierarchieebene. Der Kläger - so behauptet die Beklagte - verfüge auch nicht über eine fachliche Eignung dahingehend, eine Tätigkeit in der Kasse auszuüben. Die Kassenabrechnung im Bereich des klassischen Spiels sei auch nicht mit der des Automatenspiels vergleichbar. Die dortige Tätigkeit sei anders und auch nicht gleichwertig mit der eines Mitarbeiters des Automatenspiels, d.h. eines Kassierers/Mechanikers. (Zwar) sei der Kläger zum Anfang des Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Erprobung im Bereich der Kasse des klassischen Spiels eingesetzt gewesen, - den Anforderungen an die Tätigkeit dort sei er jedoch nicht gewachsen gewesen. Die Rezeptionisten seien ebenfalls von der der Betriebshierarchie nicht vergleichbar. Die Aufgaben des Rezeptionisten seien von der Wertigkeit niedriger einzuschätzen als die des Kassierers/Mechanikers im Automatenspiel. Die Einbeziehung der Rezeptionisten in die Sozialauswahl mit dem Kläger würde einen unzulässigen Verdrängungswettbewerb nach unten auslösen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.11.2005 - 1 Ca 2484/05 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 22.04.2006 (Bl. 208 ff. d. A.). Dort vermisst der Kläger u.a. Angaben der Beklagten zu den tatsächlichen Arbeitszeiten der im Automatenspiel verbliebenen beiden Kräfte. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten erscheine nach wie vor als sachwidrig und willkürlich. Der Kläger wirft die Frage auf, wie an den Tagen ohne die wöchentlich zweimalige Automatenabrechnung, d.h. bei Anwesenheit lediglich einer Arbeitskraft (- in Schichten, welche sich im Einzelfall von 17.00 Uhr nachmittags bis 2.00 Uhr morgens hinzögen -) die Pausenregelung gemäß § 4 ArbZG eingehalten werden könne, ohne dass zusätzliche Bedienstete während der vom Gesetz vorgeschriebenen 30-minütigen Pause zum Einsatz gelangten. Letzteres gelte erst recht für den ganz erheblichen zusätzlichen Personalbedarf, welcher sich naturgemäß durch ständige Ausfälle infolge Krankenstandes oder Urlaubsgewährung ergebe.

Der Kläger bezeichnet die von der Beklagten vorgenommene Beschränkung der Sozialauswahl als grob fehlerhaft. Er sei im Stande, sämtliche Tätigkeiten eines Kassierers des klassischen Spiels zu erfüllen, da im wesentlichen ebenfalls Wechselvorgänge und einhergehende einfache Buchhaltungsarbeiten in Rede stünden. Der Kläger verweist auf die insoweit absolvierte Ausbildung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ("im Frühjahr 1987"). Er, der Kläger, habe sich seinerzeit bewährt und die ihm zugewiesenen Aufgaben untadelig erledigt. Die Behauptung(en) der Beklagten, der Kläger habe während dieser Ausbildung versagt oder sogar einen erheblichen Kassenfehlbestand verursacht, seien offensichtlich an den Haaren herbeigezogen. Die von dem Kläger zu Vergleichszwecken herangezogenen Tätigkeiten an Rezeption und Kasse des großen Spiels seien, so führt der Kläger weiter aus, der gleichen Ebene der Betriebshierarchie zuzuordnen sowie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen verwandt. Die tarifliche Eingruppierung der Vergleichstätigkeiten sei hingegen zweitrangig und von lediglich indiziellem Wert. Es erscheine (auch) nicht angängig, die Sozialauswahl bei der Organisationsstruktur der Beklagten ausschließlich auf die Betriebsstätte C-Stadt zu beschränken. Der Kläger bewertet die Spielbanken in C-Stadt als einheitlichen Betrieb und führt dazu weiter aus. Schließlich hält der Kläger den Tatbestand einer Massenentlassung für gegeben.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

II.

Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat ihr zu recht stattgegeben.

1.

Die Kündigung erweist sich jedenfalls gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 1 - Halbsatz 1 - KSchG als rechtsunwirksam. Nach der letztgenannten Vorschrift ist die Kündigung - wenn einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt worden ist - "trotzdem sozial ungerechtfertigt", wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Da die Beklagte in diesem Sinne eine fehlerhafte Sozialauswahl getroffen hat, kann die Frage der Betriebsbedingtheit der Kündigung dahingestellt bleiben.

a)

Die Beklagte hat die Sozialauswahl ausschließlich auf den Kläger und die Arbeitnehmer B. und N. beschränkt. Diese Beschränkung beanstandet der Kläger zu recht. Der Rüge des Klägers entsprechend sind in die Sozialauswahl auch einzubeziehen, die vom Kläger namentlich benannten Arbeitnehmer:

- H. S., Kassiererin und Garderobiere/Garderobenfrau,

- L. M. , Kassierer und Rezeptionist und

- K. D., Kassierer.

Unstreitig hat die Beklagte diesen drei Arbeitnehmern, die in dem Betrieb bzw. in der Betriebsstätte in C-Stadt beschäftigt werden, nicht gekündigt.

Die im Rahmen der Sozialauswahl zu vergleichenden ("vergleichbaren") Arbeitnehmer sind nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Weise zu definieren, dass sie austauschbar sein müssen. Dabei kommt es - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht darauf an, ob H. S., L. M. und K. D. in der Lage sind, die (bisherige) Tätigkeit des Klägers als "Kassierer/Mechaniker" zu verrichten. Weil es in einem Fall der vorliegenden Art darauf ankommt, dass möglichst der sozial schutzbedürftigste Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden soll, - der sozial am wenigsten schutzwürdige Arbeitnehmer aber entlassen werden darf, braucht nur der sozial schutzbedürftigere Arbeitnehmer in der Lage zu sein, den sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer zu ersetzen. Ob auch dieser jenen ersetzen kann, ist vollkommen unerheblich, weil diese Variante gar nicht in Rede steht. Maßstab ist der arbeitsvertraglich determinierte Einsatzbereich des sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmers. In die Sozialauswahl einzubeziehen sind alle Arbeitnehmer, die im Betrieb Arbeitsplätze innehaben, die in den Einsatzbereich des sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmers - hier des Klägers - fallen (vgl. Berkowsky NZA 1996, 293; Kiel, 2. Auflage 2004 APS-KSchG § Rz 672: kann der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz übernehmen?). Auch das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 480/04 - dort unter B. I 4.a)aa) den Begriff "austauschbar" nicht mit dem Wort "gegenseitig" verknüpft. Auch im Urteil vom 21.07.2005 - 6 AZR 592/04 - ist diese Verknüpfung nicht enthalten. Für die Frage der Vergleichbarkeit/Austauschbarkeit kommt es in erster Linie auf arbeitsplatzbezogene Merkmale an, - also zunächst auf die ausgeübte Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Entscheidend sind vor allem die Aufgabenbereiche der Arbeitnehmer, ihre Stellung in der Betriebshierarchie und die arbeitsvertraglichen Grenzen für eine anderweitige Beschäftigung des zu kündigenden Arbeitnehmers. Der auswahlrelevante Personenkreis umfasst nicht Arbeitnehmer, die auf verschiedenen Ebenen der Betriebshierarchie tätig sind (- keine sogenannte vertikale Vergleichbarkeit -). Es gilt das Erfordernis der arbeitsvertraglichen und der qualifikationsmäßigen Austauschbarkeit.

b)

Eine arbeitsvertragliche Grenze steht der Beschäftigung des Klägers im Bereich der Kasse des klassischen Spiels nicht entgegen. Der Beklagten ist ausweislich des Anstellungsvertrages (Bl. 7 d. A.; dort § 2) ausdrücklich das Recht eingeräumt, dem Kläger, wenn es das Geschäftsinteresse - wie vorliegend - erfordert, eine andere angemessene Tätigkeit zuzuweisen. Die Beklagte kann den Kläger aufgrund ihres Direktionsrechtes einseitig auf die Arbeitsplätze von S., M. und D. um- bzw. versetzen. Bei den dort anfallenden Tätigkeiten handelt es sich um "angemessene" Tätigkeiten im vorgenannten Sinne.

Jedenfalls die Arbeitnehmer S., M. und D. haben in der Betriebshierarchie der Beklagten jeweils keine Stellung inne, die - im Vergleich zum Kläger - auf einer anderen Ebene bzw. auf verschiedenen Ebenen angesiedelt wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Arbeitsplatz des Klägers auf einer - im Vergleich zu D. - niedrigeren Ebene oder einer - im Vergleich zu S. und M. - höheren Ebene befinden würde. Entsprechendes ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Beklagten, noch aus § 3 MTV, noch aus den von der Beklagten zitierten und vorgelegten Anlagen zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag. Für die Arbeitnehmer im Automatenspiel - Tätigkeitshauptgruppe E - (= Anlage 5 zum Tronc- und GehaltsTV) sind gemäß Ziff. 2. für Kassierer/Mechaniker wie den Kläger Grundvergütungspunkte von 35 bis 38 vorgesehen, wobei entsprechende Anfänger im ersten Tätigkeitsjahr und Vertretungen nach näherer Maßgabe der tariflichen Regelung auf 33 Punkte kommen. Der Kläger ist mit dem Kassierer D. vergleichbar.

Die Anlage 2 zum Tronc- und GehaltsTV sieht für Kassierer in der Tätigkeitshauptgruppe B - Arbeitnehmer an den Spielkassen - ab dem zweiten Tätigkeitsjahr 35 bis 41 Grundvergütungspunkte sowie für Kassierer-Anfänger und Kassierer-Vertretungen nach näherer Maßgabe der tariflichen Regelung jeweils 33 Punkte vor. Die genannten Zahlen heben die Kassierer an den Spielkassen (des klassischen Spiels) nicht derart von den Kassierern/Mechanikern im Automatenspiel ab, dass alleine deswegen festzustellen wäre, die jeweiligen Arbeitnehmer seien auf verschiedenen Ebenen der Betriebshierarchie tätig. Auch sonst sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die eine derartige Feststellung rechtfertigen könnten.

Entsprechendes gilt aber auch für den Vergleich der Kassierer/Mechaniker im Automatenspiel mit den Rezeptionisten der Tätigkeitshauptgruppe C - Arbeitnehmer am Empfang, - also für den Vergleich des Klägers mit dem Arbeitnehmer M., der außer seiner Kassierertätigkeit (Kassierer an den Spielkassen des klassischen Spiels) auch noch eine Rezeptionistentätigkeit ausübt. Mit Rücksicht auf das Tätigkeitselement "Arbeit im technischen Bereich/Mechaniker" ist der Kläger durchaus aber auch mit Arbeitnehmern vergleichbar, die, wie die Arbeitnehmerin S., als Kassiererin und Garderobenfrau/Garderobiere, eine (sonstige) Mischtätigkeit ausüben (Gesamttätigkeit, die sich aus Einzeltätigkeiten im Sinne der Tätigkeitshauptgruppe B - Arbeitnehmer an den Spielkassen - zum einen und zum anderen Einzeltätigkeiten gemäß Tätigkeitshauptgruppe F - Gewerbliche Arbeitnehmer - zusammensetzt).

Ähnlich wie der Kläger (-, der als "Kassierer/Mechaniker" im Automatenspiel arbeitete, -) üben auch S. ("Kassiererin" und "Garderobiere") und M. ("Kassierer" und "Rezeptionist") gewissermaßen Mischtätigkeiten aus. Die Grundvergütungspunkte des Rezeptionisten betragen 35-40 Punkte (- ab 2. Tätigkeitsjahr -) bzw. 33 Punkte (- Rezeptionist-Anfänger -). Die Garderobenfrau/-herr-Vergütung beläuft sich auf 1.430,00 Euro (= tarifl. Vergütung ab 01.01.2003).

c)

Der Kläger hat (auch) die Darlegungslast insoweit erfüllt, als es um die Frage geht, ob er in der Lage ist, die Aufgabenbereiche der Arbeitnehmer S., M. und D. ordnungsgemäß auszufüllen. Soweit die Beklagte die entsprechenden Angaben des Klägers überhaupt bestreitet, ist ihr Bestreiten nicht genügend substantiiert. Einer Beweisaufnahme bedurfte es deswegen nicht. Insoweit ist zunächst unstreitig, dass der Kläger zu Beginn des Arbeitsverhältnisses im Bereich der Kasse des klassischen Spiels bereits tatsächlich eingesetzt gewesen ist. Soweit es um die entsprechenden Arbeitsanforderungen geht, kann der Kläger auf den - bei diesem vorübergehenden Einsatz - erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie auf der Kassierertätigkeit aufbauen, die er jahrelang im Bereich des Automatenspiels ausgeübt hat. Wenn die Beklagte Arbeitnehmer - wie unstreitig die Arbeitnehmer S. und M. - an der Kasse des klassischen Spiels einsetzt, die im übrigen als Garderobiere (Garderobenfrau) bzw. Rezeptionist beschäftigt werden, ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger aufgrund seiner beruflichen Qualifikation bzw. seines beruflichen Werdeganges den entsprechenden Anforderungen nicht gewachsen sein soll. Unter den gegebenen Umständen ist festzustellen, dass der Kläger die Tätigkeit eines Kassierers an den Spielkassen (des klassischen Spiels) zumindest nach einer kurzen Einarbeitungszeit ausführen kann. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist nicht genügend substantiiert. Die Beklagte hat jedenfalls die Behauptung des Klägers (auch) im Bereich der Kasse des klassischen Spieles stünden im wesentlichen ebenfalls Wechselvorgänge und (damit) einhergehende einfache Buchhaltungsarbeiten in Rede (S. 5 - unten - des Schriftsatzes vom 22.04.2006) mit der sich aus § 138 Abs. 3 ZPO ergebenden Folge nicht bestritten. Hinzu kommt, dass den Kassierern des klassischen Spiels nach der neuen Konzeption der Beklagten ab dem 01.10.2005 ja auch die Wechselkassentätigkeit obliegt, die der Kläger bislang als Kassierer/Mechaniker im Bereich des Automatenspiels (mit) zu erledigen hatte.

In ähnlicher Weise ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger nicht in der Lage sein sollte, die Teiltätigkeit eines Rezeptionisten (im Vergleich zum Arbeitnehmer M.) bzw. die eines Garderobenherrn (im Vergleich zur Arbeitnehmerin S.) neben der Kassierertätigkeit an der Kasse des klassischen Spiels zu erledigen. Zumindest nach einer kurzen Einarbeitungszeit kann der Kläger auch diese Teiltätigkeiten ausführen.

d)

Hiernach steht fest, dass die Beklagte den auswahlrelevanten Personenkreis nicht zutreffend bestimmt hat. In die Sozialauswahl hätte die Beklagte auch die Arbeitnehmer S., M. und D. einbeziehen müssen, da diese Arbeitnehmer jeweils mit dem Kläger vergleichbar sind. Der Kläger hat auch im übrigen die ihm im Rahmen der Sozialauswahl obliegende Darlegungslast ausreichend erfüllt. Dies gilt hier jedenfalls deswegen, weil sich aus der Einlassung der Beklagten ergibt, dass deren Auswahlverfahren - weil der Kreis des auswahlrelevanten Personenkreises zu eng gezogen wurde - objektiv nicht den gesetzlichen Anforderungen der Sozialauswahl entsprochen hat.

Die Beklagte hat aus ihrer Sicht die Sozialdaten des Klägers so bewertet, dass diesem 72 Punkte zugebilligt wurden (- und zwar nach dem Punkteschema, das die Beklagte auf Seite 4 - unten - des Schriftsatzes vom 25.10.2005, Bl. 36 d. A. erwähnt; 50 Punkte - für Lebensjahre - + 18 Punkte - für "Dienstjahre" - + 4 Punkte - für die Unterhaltsverpflichtung des Klägers - = 72 Punkte).

Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht, dass die Arbeitnehmer S., M. und D. auch nur annähernd diese Punktzahl des Klägers (72) erreichen. Insoweit ist es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geblieben, dass die genannten vergleichbaren Arbeitnehmer insbesondere weitaus geringere Zeiten der Betriebszugehörigkeit aufweisen als der Kläger. In einem Fall der vorliegenden Art spricht eine vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass seine Auswahlentscheidung objektiv fehlerhaft (- und damit die Kündigung sozialwidrig -) ist (vgl. KR 6. Auflage Etzel-KSchG § 1 Rz 687 S. 244 m.w.N.). Diese Vermutung hat die Beklagte nicht ausgeräumt. Deswegen ist festzustellen, dass der Kläger sozial deutlich bzw. erheblich schutzbedürftiger ist als die Arbeitnehmer S., M. und D.. Damit steht zugleich fest, dass die Beklagte die für den Kläger sprechenden Sozialdaten (Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtung) nicht ausreichend berücksichtigt hat und (jedenfalls) deswegen die Kündigung unwirksam ist.

2.

Da sich die Begründetheit der Klage somit bereits aus § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG ergibt, kann dahingestellt bleiben, ob die Kündigung auch noch aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam ist. Dahingestellt bleiben kann insbesondere, inwieweit das im vorliegenden Rechtstreit erfolgte, kündigungsbegründende Vorbringen der Beklagten einer - aus § 102 BetrVG ableitbaren - betriebsverfassungsrechtlichen Schranke unterliegt. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich gerügt, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Diese Rüge hat er im Berufungsverfahren aufrechterhalten (Berufungsbeantwortung S. 1 vor I. = Bl. 199 d. A.). Insoweit ist es anerkanntes Recht, dass sich der Arbeitgeber im Prozess nicht auf Kündigungsgründe oder - wie hier - auf für einen Kündigungssachverhalt wesentliche Umstände berufen kann, die er zuvor dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat. Vergleicht man das im Kündigungsschutzprozess - und hier insbesondere im Berufungsverfahren - erfolgte Vorbringen der Beklagten mit den Angaben zum Kündigungsgrund, wie sie im Anhörungsschreiben vom 01.08.2005 (Anlage B 7 = Bl. 65 f. d. A.) enthalten sind, so ergibt sich wohl, dass das prozessuale Vorbringen der Beklagten über die (bloße) Erläuterung und Ergänzung von dem Betriebsrat im Schreiben vom 01.08.2005 bereits mitgeteilter Tatsachen hinausgeht. Zwar ist dem Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die Erläuterung (= Substantiierung und/oder Konkretisierung) der - dem Betriebsrat mitgeteilten - Kündigungsgründe gestattet. Vorliegend spricht allerdings einiges dafür, dass es sich bei dem Vortrag der Beklagten im Prozess nicht um zulässige erläuternde oder ergänzende Angaben handelt, sondern um ein betriebsverfassungsrechtlich unzulässiges Nachschieben eines für den Kündigungsgrund wesentlichen Kündigungssachverhaltes. In einem Fall der vorliegenden Art gehört zum Kündigungssachverhalt die organisatorische Durchführbarkeit und die Nachhaltigkeit ("Dauer") der behaupteten unternehmerischen Entscheidung. Beides (Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit/Dauer) ist bereits gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG vom Arbeitgeber dem Betriebsrat mitzuteilen und (später) im Kündigungsprozess durch entsprechenden Sachvortrag (weiter) zu verdeutlichen.

Da bereits § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG die Zurückweisung der Berufung trägt, kommt es entscheidungserheblich auf die aufgeworfene Frage nicht an. Dahin gestellt bleiben kann also auch, ob die Beklagte hinreichend substantiiert vorgetragen hat, dem Betriebsrat seien bereits vor dem Kündigungsschreiben mündlich ausreichende Angaben gemacht worden.

III.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß §§ 42 Abs. 4 und 63 Abs. 2 GKG festsetzt. Die bereits vom Arbeitsgericht vorgenommene streitwertmäßige Bewertung der Bestandsstreitigkeit ist weder von den Parteien, noch von ihren Prozessbevollmächtigten beanstandet worden.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

Das vorliegende Berufungsurteil ist deswegen derzeit mit der Revision nicht anfechtbar. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von der Beklagten unter den Voraussetzungen des § 72a ArbGG und nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift selbständig durch Beschwerde, die beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 89084 Erfurt, einzulegen ist, angefochten werden. Hierauf wird die Beklagte hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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