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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 131/08
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, EFZG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
KSchG § 1 Abs. 2
EFZG § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.01.2008 - 10 Ca 1960/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung der Beklagten am 30.04.2007 sein Ende gefunden hat. Der 1959 geborene und verheiratete, drei Personen unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 25.05.1976 gegen ein zuletzt bezogenes Arbeitsentgelt von 3.000,00 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bei der Beklagten als Anlagenwärter beschäftigt. Hinsichtlich des Inhalts der Tätigkeit wird auf die Darstellung der Beklagten im Zwischenzeugnis vom 27.09.2006 (Bl. 158, 159 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger war im Geschäftsjahr der Beklagten 1998/1999 an 46 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, wobei für 49 Tage Entgeltfortzahlung in Höhe von 4.639,24 € angefallen ist. 1999/2000 waren es 48, mit Entgeltfortzahlung für 46 Arbeitstage in Höhe von 6.296,90 €. Im Geschäftsjahr 2000/2001 waren es 20 Arbeitstage mit Entgeltfortzahlung für 12 Tage in Höhe von 1.648,41 €. 2001/2002 wies der Kläger 20 Krankheitstage auf, mit Entgeltfortzahlungskosten von insgesamt 2929,28 €. Im Geschäftsjahr 2002/2003 waren es 174 Krankheitstage, wobei auf 32 Tage Lohnfortzahlung in Höhe von 4.715,12 € entfiel. Im Geschäftsjahr 2003/2004 war der Kläger an 52 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, wobei für alle 52 Tage Lohnfortzahlung in Höhe von 8.778,72 geleistet wurde. Im Geschäftsjahr 2004/2005 wies der Kläger 70 Krankheitstage mit Lohnfortzahlung auf, wofür 10.186,40 € geleistet worden sind. Die Krankheitstage im Geschäftsjahr 2005/2006 beliefen sich auf 125 Tage, davon 5 mit Lohnfortzahlung in Höhe von 1.193,76 €. Die Geschäftsjahre der Beklagten laufen immer vom 01.10. des Vorjahres bis zum 30.09. des Folgejahres. Diese krankheitsbedingten Fehltage beruhen auf einem Wirbelsäulenleiden des Klägers. Zur weiteren Darstellung des Krankheitsbildes, der arbeitsmedizinischen Begutachtung und durchgeführten Operationen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3, 4 in der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 218 - 219 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger hat vorgetragen,

die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Eine negative Gesundheitsprognose hinsichtlich der Krankheitszeiten könne nicht gestellt werden. Vielmehr gingen die behandelnden Ärzte, wie sich aus der radiologischen Untersuchung, dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik sowie der Einschätzung der Operateurin ergebe, von einem positiven Leistungs- und Entwicklungsbild des Klägers in Zukunft aus. Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.09.2006 nicht beendet wird. 2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und / oder zu 2. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Anlagenwärter weiter zu beschäftigen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen,

nach der werksärztlichen Einschätzung der Beklagten sei von einer negativen Gesundheitsprognose hinsichtlich des Klägers auszugehen. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Kläger im Zeitraum des Bestandes des Arbeitsverhältnisses seit 1999 immer wieder wegen desselben Rückenleidens (Bandscheibenvorfalls), an dem er - unstreitig - zwei mal operiert worden sei, arbeitsunfähig erkrankt sei und jeweils nach Wiedereingliederungsmaßnahmen (insgesamt hätten vier stattgefunden) wieder signifikante Krankheitszeiten aufweise, so insbesondere 31 Krankheitstage nach Durchführung der letzten Wiedereingliederungsmaßnahme im Juli und August 2006. Das Arbeitsgericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 20.04.2007, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 114, 115 der Akte Bezug genommen wird, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Dr. X.. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens vom 01.06.2007 wird auf Blatt 116 bis 137 der Akte Bezug genommen. In der mündlichen Kammerverhandlung vom 22.01.2007 wurde nach Stellungnahme der Parteien zum schriftlich eingereichten Gutachten beschlossen, den Gutachter erneut im Wege der schriftlichen Anhörung zur Erläuterung seines Gutachtens aufzufordern. Dies erfolgte zunächst durch schriftliche Stellungnahme des Gutachters, hinsichtlich deren Inhalts auf Blatt 165 - 169 der Akte Bezug genommen wird, sowie schließlich abschließend mündlich im Kammertermin vom 30.01.2008. Hinsichtlich des Inhalts der Erläuterung des Gutachters wird auf Blatt 211 bis 213 der Akte Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Mainz hat daraufhin durch Urteil vom 30.01.2008 - 10 (4) Ca 1960/06 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.09.2006 nicht beendet worden ist und des Weiteren die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Anlagenwärter weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 217 bis 226 der Akte Bezug genommen. Gegen das ihr am 13.02.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 10.03.2008 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 10.04.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, maßgeblich für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung müsse allein der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sein. Die negative Gesundheitsprognose ergebe sich aus der Stellungnahme der Werksärztin vom 01.09.2006. Sie werde durch das Sachverständigengutachten nicht erschüttert, denn aus dem Gutachten ergebe sich, dass dessen positives Ergebnis auf dem MRT aus August 2006, also vor Ausspruch der Kündigung, und der Begutachtung des Gutachters im Mai 2007 (also rund acht Monate nach Ausspruch der Kündigung) beruhe. Es setze sich also aus beiden Erkenntnisquellen zusammen. Dies sei nicht statthaft. Es müsse insgesamt bezweifelt werden, ob dem Gutachter überhaupt bewusst gewesen sei, auf welcher Tatsachengrundlage und ausgehend von welchem Zeitpunkt er seine Begutachtung zu treffen gehabt habe. Dieser Gesichtspunkt ergebe sich auch nicht aus dem Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz. Auch ergebe sich aus dem Gutachten nicht, warum die Einschätzung der Werksärztin nicht zutreffend sei. Maßgeblich müsse berücksichtigt werden, dass in der Vergangenheit bereits vier Wiedereingliederungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien. Gleichwohl seien in den Monaten Juli und August 2006 wiederum krankheitsbedingte Fehlzeiten in Höhe von mehr als 30 Arbeitstagen angefallen. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 10.04.2008 (Bl. 259 - 270 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30. Januar 2008 (Az.: 10 (4) Ca 1960/06) wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, mit dem Arbeitsgericht sei vorliegend davon auszugehen, dass sich die für die Wirksamkeit der Kündigung erforderlichen negativen Gesundheitsprognose nicht feststellen lasse. Dabei sei insbesondere auch der Zeitpunkt der Rekonvaleszenz nach der zweiten Bandscheibenoperation zu berücksichtigen, weil dieser noch vor Ausspruch der Kündigung liege. Bereits am 11.08.2006 sei die Rekonvaleszenz beendet gewesen; danach sei der Kläger wieder arbeitsfähig gewesen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass das Schreiben der Werksärztin vom 01.09.2006, auf dass sich die Beklagte stütze, keinerlei nachvollziehbare Begründung enthalte. Diese stelle vielmehr allein auf die bisherigen Fehlzeiten ab, die der Beklagten ohnehin bekannt gewesen seien. Die Werksärztin habe den Kläger nicht körperlich untersucht, sondern lediglich ein ca. zehnminütiges Gespräch mit ihm geführt. Zudem sei sie auch keine Fachärztin für Orthopädie. Dass der Gutachter den Kläger erst nach Ausspruch der Kündigung untersucht habe, lasse sich wegen des Zeitablaufs gar nicht vermeiden. Deshalb dürfe er sich nicht allein auf seine eigene Untersuchung stützen; dies habe er auch nicht getan, sondern seine eigene Untersuchung lediglich als Bestätigung der vorgelegten Unterlagen aus der Zeit des Ausspruchs der Kündigung gesehen. Soweit die wörtliche Fassung des Beweisbeschlusses beanstandet werde, sei zu berücksichtigen, dass es dann nahe gelegen hätte, bereits erstinstanzlich eine entsprechende Ergänzung des Beweisbeschlusses zu beantragen. Eine nähere Auseinandersetzung des Gutachters mit Einschätzung der Werksärztin sei im Übrigen gar nicht möglich gewesen, weil diese, wie dargelegt, keine nachvollziehbare Begründung enthalten habe. Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung sei, seien jedenfalls keine erheblichen betrieblichen Auswirkungen in der Zukunft zu erwarten; schließlich müsse eine Interessenabwägung im Hinblick auf die lange beanstandungsfreie Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses zugunsten des Klägers enden. Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.05.2008 (Bl. 275 - 281 d. A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 26.05.2008. Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht ist vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten sozial ungerechtfertigt ist und damit das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.04.2007 beendet hat. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. 14.01.1993 NZA 1994, 309; 29.07.1993 NZA 1994, 67; 12.12.1996 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 41; vgl. dazu Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage 2007 (Dörner) § 1 KSchG Rz. 138; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 7. Auflage 2008 D Rz. 1107 ff.) sozial gerechtfertigt, wenn - eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zukünftigen Arbeitnehmers ("fehlende Fähigkeit und Eignung") gegeben ist (negative Gesundheitsprognose); wenn des Weiteren

- die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen und schließlich

- im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billiger Weise nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen. Eine negative Gesundheitsprognose liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang (aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder aufgrund einer lang anhaltenden Erkrankung) fern bleiben wird. Für diese Prognose spielen die bisherigen, objektiv feststellbaren Krankheitszeiten keine unmittelbare, allerdings eine mittelbare Rolle. Insoweit können auch vergangenheitsbezogene Fehlzeiten eine negative Gesundheitsprognose begründen. Was erheblich in diesem Sinne ist, lässt sich nicht anhand einer bestimmten Fehlzeitenquote quantifizieren (BAG 25.11.1982 NJW 1983, 2897). Denn schematisierende Festlegungen sind letztlich willkürlich und mit den Grundwertungen des § 1 Abs. 2 KSchG nicht in Einklang zu bringen. Zu beachten ist insoweit, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Berücksichtigung der Zumutbarkeitsgrenze für die Entgeltfortzahlung, die der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 EFZG vorgesehen hat (6 Wochen), wonach dem Arbeitgeber dann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist, erst in der zweiten Stufe der Überprüfung (erhebliche betriebliche Auswirkungen) erfolgt. Für die erste Stufe - negative Gesundheitsprognose - können also auch durchaus geringere als prognostizierte 30 Arbeitstage pro Jahr für die Zukunft zunächst genügen. Dennoch ist das Arbeitsgericht letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegend zu entscheidenden Einzelfalles eine negative Gesundheitsprognose zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht gegeben war. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass Prüfungsmaßstab die zu beantwortende Frage ist, wie sich voraussichtlich das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Fehlzeiten im Rahmen des ansonsten im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung gegebenen weiteren Fortbestandes bis zu seiner "normalen" Beendigung mit dem 65. bzw. 67. Lebensjahr entwickeln wird. Vorliegend ist sowohl aufgrund der Fehlzeitenentwicklung als auch insbesondere aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens, ergänzt durch eine schriftliche und vor allem mündliche Erläuterung vor dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass mit erheblichen weiteren Fehlzeiten nach Zugang der Kündigung nicht zu rechnen ist. Zwar ist mit dem Arbeitsgericht zunächst davon auszugehen, dass aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers seit 1999 Indizien für eine negative Gesundheitsprognose gegeben waren. Aufgrund des sodann vom Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten nebst schriftlicher und mündlicher Erläuterung steht aber keineswegs zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass mit weiteren erheblichen Fehlzeiten im oben beschriebenen Sinne zu rechnen ist. Da die Beklagte aber für das Vorliegen der Kündigungsgründe die Darlegungs- und insbesondere die Beweislast trifft, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Zur zutreffenden Würdigung des schriftlichen Sachverständigengutachtens insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 8, 9 (= Bl. 223, 224 d. A.) der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Wesentlich gegen die Auffassung der Beklagten hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose spricht dann aber insbesondere die mündliche Erläuterung des Gutachters in der Kammerverhandlung vom 30.01.2008. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Deshalb wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 9 bis 11 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 224 - 226 d. A.) Bezug genommen. Entscheidend ist auch für die Kammer insoweit, dass er bekundet hat, dass jetzt davon auszugehen ist, dass der Heilungsverlauf im Hinblick auf die vormalige Operation positiv erfolgt ist. Aufgrund des zunehmenden Alters ist danach davon auszugehen, dass weitere Bandscheibenvorfälle nicht in Betracht kommen, da mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit von Bandscheibenvorfällen signifikant abnimmt. Dies folgt aus der Veränderung der Bandscheiben, die altersbedingt austrocknen, sich daher zusammenziehen und weniger dazu neigen, sich zu verschieben. Dass der Kläger im Juli/August 2006 nach der Wiedereingliederung nochmals arbeitsunfähig erkrankt war, ist danach als Folge der Rekonvaleszenz zu werten. Dies ist bei Bandscheibenvorfällen, vor allem wenn sie operiert worden sind, nicht ungewöhnlich, stellt jedoch keine Aussage hinsichtlich der zukünftig zu erwartenden Krankheitszeiten dar. Im Ergebnis ist der Gutachter davon ausgegangen, dass in Zukunft mit bandscheibenbedingten Krankheitszeiten des Klägers in erheblichem Maße nicht mehr zu rechnen ist. Danach ist der Kläger im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit durchaus geeignet, in Zukunft diese Arbeiten zu leisten. Die von den Parteien geschilderten Tätigkeiten sind als leichte bis mittelschwere Tätigkeiten einzustufen. Das gelegentliche Heben von Gewichten bis 20 kg ist dem Kläger auch bei seinem Gesundheitszustand zuzumuten, ohne dass dies krankheitsbedingte Folgen nach sich zieht. Die Kammer teilt die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass aufgrund dieser mündlichen Erläuterung des Gutachtens sowohl das Gutachten insgesamt, als auch die Ausführungen über den Zustand des Klägers verständlich sind. Es ist davon auszugehen, dass nach der zweiten Operation und der nunmehr abgelaufenen Rekonvaleszenzzeit in Zukunft mit Krankheitszeiten des Klägers in erheblichem Umfang nicht mehr zu rechnen. Somit spricht alles gegen eine negative Gesundheitsprognose; der Beweis einer negativen Gesundheitsprognose zur vollen Überzeugung der Kammer ist der Beklagten jedenfalls nicht gelungen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Soweit zunächst beanstandet wird, dass das Arbeitsgericht nicht nur auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abstelle, sondern die Rekonvaleszenzzeit einbeziehe, ist dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu beanstanden. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die Rekonvaleszenzzeit nach der zweiten Operation deutlich vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung gelegen hat, so dass es schon von daher im Ansatz nicht zu beanstanden ist, sondern zutreffend erfolgte, dass sie berücksichtigt wurde. Gleiches gilt für die Auffassung der Beklagten, auch der Gutachter begründe sein positives Ergebnis aus Erkenntnissen aus August 2006 und seiner Begutachtung im Mai 2007, also acht Monate nach Ausspruch der Kündigung. Insoweit hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass eine andere Vorgehensweise eines medizinischen Gutachters in einem derartigen Verfahren objektiv unmöglich ist. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird der Gutachter aufgrund eines entsprechenden Beweisbeschlusses immer erst nach Ablauf einer gewissen Frist nach Zugang der Kündigung denknotwendig tätig. Von daher ist er gehalten, alle ihm vorliegenden Befunde aus der Zeit vor dem Zugang der Kündigung zu verwerten und mit den Ergebnissen einer eigenen - zugegebenermaßen nachträglichen - Untersuchung abzugleichen. Nichts anderes ist hier nach dem vorliegenden schriftlichen Sachverständigengutachten und der schriftlichen und mündlichen Erläuterung durch den Gutachter erfolgt. Darauf hat der Kläger zu Recht hingewiesen. Der Gutachter hat gerade deutlich gemacht, dass seine Befunde die zuletzt vor dem Zugang der Kündigung gegebenen Befunde ausdrücklich bestätigen. Daran vermag weder die vermeintlich missverständliche Formulierung des Beweisbeschlusses, hinsichtlich dessen Inhalts die Frage zu stellen wäre, warum dann im erstinstanzlichen Verfahren keine entsprechende Ergänzung beantragt wurde, noch die Einschätzung der Werksärztin der Beklagten, die zu einem anderen Ergebnis gelangt war, etwas zu ändern. Der Kläger hat insoweit zunächst - von der Beklagten nicht bestritten - darauf hingewiesen, dass diese ihn überhaupt nicht untersucht hat, sondern lediglich ein zehnminütiges Gespräch mit ihm führte. Schon von daher ist nicht nachvollziehbar, wie die Werksärztin überhaupt zu einem rechtlich relevanten Ergebnis gelangt sein könnte. Zum anderen ist ihre Stellungnahme inhaltlich derart unsubstantiiert und ohne Angabe einer weiteren Begründung nicht nachvollziehbar, so dass eine Verwertung vorliegend ausgeschlossen ist. Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Beklagten aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens nebst Erläuterungen nicht der Nachweis einer negativen Gesundheitsprognose gelungen ist. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, wären jedenfalls die geforderten erheblichen betrieblichen Auswirkungen für die Zukunft nicht gegeben. Denn insoweit ist maßgeblich davon auszugehen, dass aufgrund der gesetzlichen Wertung des EFZG der Arbeitgeber die Kosten für 30 krankheitsbedingte Arbeitstage pro Jahr hinzunehmen hat. Dass hier in Zukunft mit derartigen erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist, lässt sich nach dem eingeholten Sachverständigengutachten keinesfalls begründen. Bereits die Zeit ab 1999 war nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien keineswegs durchweg mit Fehlzeiten von mehr als 30 Arbeitstagen belastet. Dies gilt nur für die Geschäftsjahre 1988/1989, 1999/2000, 2002/2003, 2003/2004 und 2004/2005 sowie 2005/2006. Nach dem Sachverständigengutachten steht aber fest, dass aufgrund der 2006 durchgeführten zweiten Operation mit derartigen erheblichen Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft nicht zu rechnen ist. Daran ändern auch die 2006 nach einer weiteren Wiedereingliederungsmaßnahme nochmals angefallenen krankheitsbedingten Fehlzeiten nichts. Denn der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, dass dies eine nicht ungewöhnliche Folge einer derartigen Operation ist, dass dies aber mit zunehmender zeitlicher Entfernung von der Operation und mit zunehmendem Alter des Arbeitnehmers deutlich zurückgeht. Schließlich würde auch eine Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfallen. Denn selbst wenn mit erheblichen betrieblichen Auswirkungen zu rechnen wäre, wäre aufgrund des sehr langen nach dem Sachvortrag der Parteien fehlzeitenfreien Bestand des Arbeitsverhältnisses von 1976 bis 1998 und der positiven Beurteilung durch den Gutachter trotz einer dann gegebenen betrieblichen Beeinträchtigung unter weiterer Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen des Klägers und seines Lebensalters davon auszugehen, dass sein Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - jedenfalls einstweilen - überwiegt. Wie dies dann zu beurteilen wäre, wenn sich die Prognose des Gutachters als falsch erweist, bedarf vorliegend im Hinblick auf den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens keiner Entscheidung. Im Übrigen hält die Kammer die Kündigung auch für unverhältnismäßig. Denn selbst wenn eine negative Gesundheitsprognose gegeben wäre und mit erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen gerechnet werden müsste, wäre es im Hinblick auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens und die dort gegebene Prognose sowie die lange zunächst ungestörte Bestandsdauer einem verständigen Arbeitgeber zuzumuten gewesen, zunächst die weitere Entwicklung des Arbeitsverhältnisses abzuwarten. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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