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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.12.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 202/03
Rechtsgebiete: TV 13. ME, RTV, ZPO, TVG, BGB


Vorschriften:

TV 13. ME §§ 1 ff
TV 13. ME § 3
TV 13. ME § 3 Nr. 2
TV 13. ME § 3 Nr. 4
TV 13. ME § 4
TV 13. ME § 6 Nr. 2
TV 13. ME § 6 Nr. 2 S. 2
TV 13. ME § 8
TV 13. ME § 9
TV 13. ME § 11
TV 13. ME § 14
RTV § 54 Ziffer 1
ZPO § 114
ZPO § 448
ZPO §§ 233 ff
TVG § 4 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 4
TVG § 5 Abs. 4
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 202/03

Verkündet am: 09.12.2003

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz -Ausw. Kammern Neuwied - vom 01.10.2002 - 5 Ca 645/02 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 760,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.03.2002 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5 zu tragen.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 929,87 festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist von April 2000 bis zum 31.08.2001 bei dem Beklagten als Dachdecker beschäftigt gewesen. In den Monaten von April 2000 bis September 2000 erzielte der Kläger die aus dem Erstattungsantrag vom 16.10./30.10.2000 (Bl. 9 d.A.) ersichtlichen Monats-Bruttolohnsummen.

Die von ihm in den Monaten von Januar 2001 bis August 2001 erzielten Bruttolöhne gibt der Kläger auf Seite 4 der Klageschrift an. Hierauf (s. Bl. 4 d.A.) wird verwiesen.

Der Kläger hat die auf den 30.10.2001 datierte Ausgleichsquittung unterzeichnet (s. Bl. 22 f d.A.).

Nach näherer Maßgabe der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertragswerkes für das Dachdeckerhandwerk vom 12.12.2000 (Bundesanzeiger Nr. 242 vom 23.12.2000) wurde der Tarifvertrag über die Gewährung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens für gewerbliche Arbeitnehmer des Dachdeckerhandwerks in der Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom 01.07.2000 für allgemeinverbindlich erklärt.

In diesem Tarifvertrag (- folgend: TV 13. ME -) heißt es u.a.

in § 3 - Vollanspruch -

"... 1. Jeder Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis im Dachdeckerhandwerk am 30.11. des laufenden Kalenderjahres 12 Monate ununterbrochen besteht, hat Anspruch auf Zahlung eines vollen Teiles eines 13. Monatseinkommens ...".

Hinsichtlich der Höhe des Anspruches regelt § 4 TV 13. ME, dass für die Leistungsperiode 2001 der Anspruch das 80-fache des effektiven Bruttodurchschnittsstundenlohnes gem. § 3 Nr. 4 des TV über das Verfahren für den Lohnausgleich, die Zusatzversorgung, die Gewährung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens und des Beitragseinzuges für die Berufsbildung im Dachdeckerhandwerk beträgt.

§ 6 TV 13. ME - Teilansprüche - lautet u.a. wie folgt:

"...

... Nr. 2. Dem ohne eigene Veranlassung nach mindestens dreimonatiger ununterbrochener Beschäftigung aus dem Dachdeckerhandwerk ausscheidenden Arbeitnehmer (... .) stehen so viele 1/12 des Vollanspruchs zu, wie er im Bemessungszeitraum im Betrieb beschäftigt war.

Der Teilanspruch ist beim Ausscheiden fällig ...".

Berechnungsbasis ist - wie in § 8 TV 13. ME näher geregelt - der Bruttolohn des Arbeitnehmers in den Monaten April bis September des laufenden Kalenderjahres. In verfahrensmäßiger Hinsicht regelt § 11 TV 13. ME, dass die Abwicklung des Anspruches durch die Lohnausgleichskasse des Dachdeckerhandwerks erfolgt. Abweichend von § 54 Ziffer 1 RTV Dachdeckerhandwerk verfallen Ansprüche der Arbeitnehmer, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht wurden.

Nach seinen Angaben (- im Schriftsatz vom 08.04.2002, Bl. 18 d.A. -) stellte der Beklagte "auf eine mündliche Unterredung Anfang Dezember 2001" einen das anteilige 13. Monatseinkommen des Klägers betreffenden Antrag bei der Lohnausgleichskasse. Die Lohnausgleichskasse antwortete mit dem Schreiben vom 25.01.2002 (Bl. 20 f d.A.). In dem Schreiben vom 25.01.2002 wird u.a. auf die Verfallfrist gem. § 9 des TV über das Sozialkassenverfahren hingewiesen, sowie darauf, dass den Betrieben alljährlich ein Merkblatt (der Lohnausgleichskasse) zur Verfügung gestellt wird, aus dem die Verfallfristen sowie die Verfahrensmodalitäten bei Ansprüchen im laufenden Kalenderjahr entnommen werden können.

Mit Anwaltsschreiben vom 08.02.2002 forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm das (anteilige) 13. Monatseinkommen bis spätestens 25.02.2002 auszuzahlen. Mit Schreiben vom 15.02.2002 (Bl. 6 d.A.) lehnte der Beklagte den Anspruch ab. Daraufhin erhob der Kläger die vorliegende Klage, die dem Beklagten am 28.02.2002 zugestellt wurde. Mit Urteil vom 01.10.2002 - 5 Ca 645/02 - hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und den Streitwert auf EUR 929,87 festgesetzt. Das Urteil vom 01.10.2002 - 5 Ca 645/02 - ist dem Kläger am 18.12.2002 zugestellt worden. Am 08.01.2003 ging der Schriftsatz des Klägers vom 06.01.2003 bei dem Berufungsgericht ein. Nach näherer Maßgabe der dortigen Ausführungen beantragte der Kläger,

1. ihm Prozesskostenhilfe für die Berufung unter RA-Beiordnung zu bewilligen und

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 929,87 (nebst Zinsen) zu zahlen.

Mit Beschluss vom 10.02.2003 - 5 SHa 46/03 - (Bl. 70 d.A.) wurde dem Kläger unter RA-Beiordnung für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

Der PKH-Beschluss vom 10.02.2003 - 5 SHa 46/03 - wurde dem Kläger am 13.02.2003 zugestellt (Empfangsbekenntnis Bl. 71 d.A.). Daraufhin ging am 14.02.2003 der Schriftsatz des Klägers vom 13.02.2003 (= Berufungsschrift und Wiedereinsetzungsantrag) bei dem Berufungsgericht ein. Dort begründete der Kläger den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung, - wobei er die Berufungsbegründung in dem Schriftsatz vom 03.03.2003 - Eingang bei dem Berufungsgericht am 04.03.2003 - ergänzte. Zuvor war die Frist zur (weiteren) Begründung der Berufung bis zum 10.03.2003 verlängert worden.

Zwecks Darstellung der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages und der Berufung wird auf die vorzitierten Schriftsätze und auf den Schriftsatz vom 03.02.2003 verwiesen (s. Bl. 57 ff, 69 und 81 ff d.A.).

Zur Berufungsbegründung trägt der Kläger insbesondere vor, dass die Parteien vereinbart hätten, dass der Beklagte für den Kläger einen entsprechenden Antrag auf Auszahlung des (anteiligen) 13. Monatseinkommens habe stellen sollen. Der Beklagte habe den Kläger - so macht dieser weiter geltend - in der Erwartung gelassen, dass dieser Antrag gestellt sei und dass mit einer Auszahlung zu rechnen sei. Der Beklagte hätte sich um Fristen und andere Formalitäten kümmern müssen und könne sich nicht - nachdem er dies verbummelt habe - auf die in einem anderen Zusammenhang gegebene Ausgleichsquittung berufen. Der Kläger bezieht sich (auch) auf sein erstinstanzliches Vorbringen. In der Klageschrift hatte er u.a. behauptet,

dass bei der Unterzeichnung der Ausgleichsquittung zwischen den Parteien ausdrücklich festgelegt worden sei, dass davon die Zahlung des 13. Monatseinkommens nicht umfasst sei, - diese Zahlung werde noch beantragt und der Auszahlungsbetrag würde dann vom Beklagten an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des ArbG Koblenz -Ausw. Kammern Neuwied- abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 929,87 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf das Nettogehalt seit dem 01.03.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 07.04.2003 (Bl. 100 f d.A.), auf deren Inhalt verwiesen wird. Der Beklagte hält dort insbesondere einen etwaigen Anspruch des Klägers für verfristet gem. § 14 TV 13. ME. Ein Schadenersatzanspruch des Klägers sei nicht ersichtlich. Der Beklagte habe sich zu keinem Zeitpunkt die Lohnsteuerkarte des Klägers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aushändigen lassen. Schon gar nicht habe der Beklagte mit dem Kläger ein weiteres "Vertragsverhältnis" eingehen wollen, - wonach er sich angeblich verpflichtet habe, für die Auszahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens Sorge zu tragen und sogar hierfür zu haften. Der Beklagte hat sich im Berufungsverfahren weiter mit den Schriftsätzen vom 29.04.2003 (Bl. 118 f d.A.) und vom 06.10.2003 (Bl. 188 f d.A.) geäußert; auch hierauf wird verwiesen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Gemäß Beschluss vom 06.05./17.05.2003 - 5 Sa 202/03 - sollte über die dort bezeichneten Beweisthemen Beweis erhoben werden durch Parteivernehmung des Beklagten (s. Bl. 128 d.A.). Der Beklagte hat es im Termin vom 12.08.2003, zu dem er zum Zwecke der Parteivernehmung geladen worden war, abgelehnt, sich als Partei vernehmen zu lassen. Daraufhin wurde gem. Beweisbeschluss vom 12.08.2003 - 5 Sa 202/03 - (Bl. 147 ff d.A.) Beweis erhoben durch Parteivernehmung des Klägers. Die Aussage des im Wege der Rechtshilfe vernommenen Klägers ist festgehalten in der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts Emden vom 02.09.2003 - 2 AR 6/03 - (Bl. 154 ff d.A.); hierauf wird zwecks Darstellung der Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Zwar hat der Kläger die einmonatige Berufungseinlegungsfrist versäumt. Auf seinen zulässigen und begründeten Wiedereinsetzungsantrag gem. den §§ 233 ff ZPO hin war ihm insoweit jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es ist anerkanntes Recht, dass das durch Bedürftigkeit i. S. d. § 114 ZPO begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, kein Verschulden der Partei darstellt, wenn sie - wie vorliegend der Kläger - nur alles in ihren Kräften Stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Da der Kläger hiernach - wie sein begründeter PKH-Antrag belegt - ohne Verschulden verhindert war, die Berufungseinlegungsfrist zu wahren, erweist sich sein Wiedereinsetzungsgesuch als begründet.

Die hiernach zulässige Berufung ist teilweise begründet.

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger EUR 760,80 brutto (nebst Zinsen) zu zahlen (- als anteiligen Teil eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2001 -).

Diese Verpflichtung ergibt sich aus den §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 4 TVG i.V.m. den §§ 1 ff des TV 13. ME vom 12.06.1992 i.d.F. vom 28.06.2000.

1.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit eigener Veranlassung aus dem Dachdeckerhandwerk bzw. dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, haben sich im vorliegenden Verfahren nicht ergeben. Demgemäß ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne eigene Veranlassung ausgeschieden ist. Da er die in § 6 Nr. 2 TV 13. ME erforderliche mindestens 3-monatige ununterbrochene Beschäftigung aufweist, stehen dem Kläger so viele 1/12 des Vollanspruches zu, wie er im Bemessungszeitraum im Betrieb beschäftigt war. Bemessungszeitraum ist gem. § 3 Nr. 2 TV 13. ME die Zeit von Dezember des Vorjahres bis November des (laufenden) Kalenderjahres. Während des Bemessungszeitraumes war der Kläger 9 Monate im Betrieb des Beklagten beschäftigt (von Dezember 2000 bis August 2001 - jeweils einschließlich -). Die Höhe des Vollanspruches, von dem ausgehend sich der Teilanspruch des Klägers errechnet, ist wie folgt zu ermitteln: 80 x DM 24,80 brutto. Die Parteien haben nicht darüber gestritten (- vgl. § 138 Abs. 3 ZPO -), dass der Bruttodurchschnittslohn des Klägers im Referenzzeitraum - wie vom Kläger angegeben (vgl. S. 4 der Klageschrift) - DM 24,80 beträgt. Die Höhe des Vollanspruches hätte hiernach DM 24,80 x 80 = DM 1.984,00 brutto betragen. Dies ergibt sich aus den §§ 3 und 4 TV 13. ME.

Daraus folgt zugleich, dass der Teilanspruch des Klägers 9/12 von DM 1.984,00 beträgt, also DM 1.488,00. Umgerechnet in Euro sind dies EUR 760,80 brutto. (Nur) in dieser Höhe ist der Anspruch des Klägers entstanden. Die darüber hinaus gehende Forderung ist vom Kläger nicht schlüssig begründet worden. Der Kläger übersieht bei seiner Berechnung, dass er im Berechnungszeitraum nur 9 Monate bei dem Beklagten beschäftigt war (und keine 11).

2.

Der Anspruch des Klägers ist nicht durch die Ausgleichsquittung vom 30.10.2001 beseitigt worden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Wirkungen des - für allgemeinverbindlich erklärten - TV 13. ME das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend beherrscht haben. Die sich aus den §§ 4 Abs. 3 und Abs. 4 TVG ergebenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit abweichender Abmachungen bzw. eines Verzichts lassen sich dem beiderseitigen Parteivorbringen nicht entnehmen.

3.

a) Der Anspruch des Klägers ist (auch) nicht gem. § 14 TV 13. ME erloschen. Zwar hat der Kläger die dort geregelte Verfallfrist von 3 Monaten nach Fälligkeit versäumt. Der Teilanspruch des Klägers war gem. § 6 Nr. 2 S. 2 TV 13. ME beim Ausscheiden, - d. h. mit dem 31.08.2001 fällig. Diese Frist hat der Kläger versäumt, denn er hat seinen Anspruch erstmals schriftlich mit dem Anwaltsschreiben vom 08.02.2002 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht.

b) Dem Ablauf der Verfallfrist begegnet hier jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Die Berufung des Beklagten auf die tarifliche Verfallfrist verstößt gegen Treu und Glauben. Der Kläger durfte aufgrund des Verhaltens des Beklagten darauf vertrauen, dass der Beklagte den Anspruch des Klägers auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen unabhängig vom Ablauf der tariflichen Verfallfrist erfüllen werde. Der Kläger hat den Anspruch im Rahmen des im November 2001 zwischen den Parteien geführten Gesprächs gegenüber dem Beklagten geltendgemacht.

Darauf, dass die Geltendmachung (zunächst) nur mündlich und nicht - wie an sich tariflich vorgesehen - schriftlich erfolgte, darf sich der Beklagte nach Treu und Glauben nicht berufen. Der Beklagte hat sich dem Kläger gegenüber so verhalten, dass dieser von einer wirksamen Geltendmachung und einer alsbaldigen Erfüllung seines Anspruches ausgehen durfte. Vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet stellt sich der objektive Erklärungswert des damaligen Verhaltens des Beklagten so dar, dass dieser auf die tariflichen Formalien (Form und Frist der Geltendmachung) keinen Wert legte.

Die Tatsachen, aus denen der Einwand des treuwidrigen Verhaltens bzw. des Rechtsmissbrauchs abzuleiten ist, sind von dem Beklagten zuletzt nicht mehr bestritten worden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Zumindest sind diese Tatsachen aufgrund der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme als bewiesen anzusehen.

c)aa) Insoweit hat der als Partei vernommene Kläger glaubhaft bekundet, dass er im November 2001 - also noch während des Laufs der tariflichen Verfallfrist - persönlich bei dem Beklagten gewesen sei und dem Beklagten mitgeteilt habe, dass ihm, dem Kläger, ein anteiliger Anspruch zustünde. Der Beklagte habe ihm dann erklärt, dass er sich um die anteilige Zahlung des 13. Monatseinkommens kümmern werde, - er werde einen entsprechenden Antrag stellen bzw. sich um die Sache kümmern. Weiter hat der Beklagte dem Kläger gesagt, dass der Kläger ihm die Lohnsteuerkarte geben solle. Der Kläger hat sich dann zum Arbeitsamt begeben, - hat sich die Lohnsteuerkarte aushändigen lassen und diese dem Beklagten zukommen lassen. Dies ist der wesentliche Inhalt der Aussage des Klägers vom 02.09.2003 vor dem Arbeitsgericht Emden (= Sitzungsniederschrift - 2 AR 6/03 -, Bl. 154 f d.A. -). Mit dieser Aussage sind die anspruchsbegründenden Behauptungen des Klägers bzw. die Tatsachen, aus denen sich der aus § 242 BGB abzuleitende Einwand ergibt, als bewiesen anzusehen. Aus diesem Grunde kann dahingestellt bleiben, ob allein schon aufgrund der Weigerung des Beklagten, sich als Partei vernehmen zu lassen, die Anspruchsbegründung des Klägers als bewiesen anzusehen ist. Die Richtigkeit der Darstellung des Klägers wird zusätzlich dadurch belegt, dass sich der Beklagte ja auch unstreitig tatsächlich mit einem entsprechenden Anliegen an die Lohnausgleichskasse gewandt hat. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Eingangsabsatz des Schreibens der Lohnausgleichskasse vom 25.01.2002 (Bl. 20 d.A., - vgl. dazu auch den vorletzten Satz im Schriftsatz des Beklagten vom 08.04.2002, dort S. 1 = Bl. 18 d.A. -). Mit Rücksicht auf die Zusicherungen, die der Beklagte dem Kläger in dem Gespräch von November 2001 gegeben hat, durfte der Kläger darauf vertrauen, dass der Beklagte den Anspruch auf Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens unabhängig von der tariflichen Verfallfrist erfüllen werde. Allerdings war der Kläger gehalten, nachdem er erkennen konnte, dass der Beklagte letztlich doch nicht gewillt war, den Anspruch zu erfüllen, die Forderung nunmehr formgerecht und zeitnah geltend zu machen. Dieser Obliegenheit ist der Kläger nachgekommen. Nachdem der Beklagte dem Kläger in dem Telefonat, das im Januar 2002 - wohl im Anschluss an das Schreiben der Lohnausgleichskasse vom 25.01.2002 - geführt wurde, sinngemäß mitgeteilt hatte ("Pech gehabt"), dass er den Anspruch nicht erfüllen werde, hat der Kläger die Forderung mit Anwaltsschreiben vom 08.02.2002 schriftlich gegenüber dem Beklagten geltend gemacht und dann mit der Klageschrift vom 20.02.2002, die dem Beklagten am 28.02.2002 zugestellt wurde, gerichtlich eingeklagt. Damit liegt insoweit eine rechtzeitige Geltendmachung vor.

bb) Nachdem es der Beklagte abgelehnt hatte, sich als Partei vernehmen zu lassen, bestand bereits (- vgl. § 446 ZPO -) eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen des Klägers. Da der Kläger somit schon "einigen Beweis" erbracht hatte, konnte nunmehr - wie dann auch geschehen - gem. § 448 ZPO seine Parteivernehmung angeordnet werden. Bei der Beweiswürdigung hat die Berufungskammer das eigene Interesse des Klägers am Prozessausgang (mit)berücksichtigt. Sie ist jedoch unter den hier gegebenen Umständen - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Weigerung des Beklagten , sich selbst als Partei vernehmen zu lassen, - von der Richtigkeit der vom Kläger glaubhaft bekundeten Tatsachen überzeugt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Zinsen waren dem Kläger gem. den §§ 288 und 291 BGB zuzusprechen. Der Streitwert wurde gem. § 25 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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