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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 3/04
Rechtsgebiete: ZPO, TzBfG, KSchG, BGB, GKG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
TzBfG § 15 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
BGB § 119
BGB § 123
BGB § 133
BGB § 140
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 157
GKG § 25 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 12 Abs. 7 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 3/04

Verkündet am: 16.03.2004

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des ArbG Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau - vom 25.11.2003 - 6 Ca 1652/03 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 24.10.2003 erst zum 07.11.2003 aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 2.150,00 festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist im Anschluss an das mit dem (jetzigen) Geschäftsführer geführte Einstellungsgespräch und die Unterzeichnung des - auf den 29.04.2003 datierten - Arbeitsvertrages (Bl. 5 f d.A.) seit dem 01.05.2003 als Kraftfahrer für die Beklagte tätig gewesen. Mit dem Schreiben vom 24.10.2003 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31.10.2003.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils vom 25.11.2003 - 6 Ca 1652/03 - (dort Seite 3 ff = Bl. 32 ff d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen das ihm am 04.12.2003 zugestellte Urteil vom 25.11.2003 - 6 Ca 1652/03 - hat der Kläger am 02.01.2004 Berufung eingelegt und diese am 29.01.2004 - mit dem Schriftsatz vom 28.01.2004 - begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 28.01.2004 (Bl. 50 ff d.A.) verwiesen.

Der Kläger trägt dort u.a. vor, dass er am 29.04.2003 vor der Unterzeichnung des Vertrages dem gesagt habe, dass er das Arbeitsverhältnis nicht antreten werde, wenn dieses innerhalb der 6-Monats-Frist gekündigt werde, - es sei denn, es lägen verhaltensbedingte Kündigungsgründe für eine fristlose Kündigung vor. X. habe dem Kläger versichert, dass eine Kündigung innerhalb der Probezeit nicht in Betracht komme. Der Kläger könne den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag ruhig unterschreiben.

Vor Eingehung des Arbeitsverhältnisses habe er, der Kläger, X. umfassend informiert (Hauskauf; Kreditverbindlichkeiten). Er - so macht der Kläger weiter geltend - sei des Lesens der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig. Er verstehe zwar die deutsche Sprache, - könne diese aber nur unzureichend lesen. Er habe den zugrunde liegenden Arbeitsvertrag zwar gelesen, - aber nicht vollständig verstanden. Der Kläger habe den Erklärungen von X. geglaubt. Ansonsten hätte er eine Übersetzung in türkischer Sprache verlangt. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass X. ihm die Konditionen ausführlich und umfassend erklärt habe. Da X. die dargelegte Zusicherung abgegeben habe, sei die Beklagte an diese gebunden; die Beklagte hätte das Arbeitsverhältnis nicht innerhalb der Probezeit kündigen dürfen. Das Arbeitsgericht hätte nicht dahingestellt bleiben lassen dürfen, ob X. dem Kläger im Vorstellungsgespräch in Aussicht gestellt habe, ihn auch über die Probezeit hinaus bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht hätte weiter nicht darauf abstellen dürfen - so meint der Kläger -, dass im Anschluss an das Vorstellungsgespräch ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vereinbart worden sei. Zwar gehe an sich das "Sprachrisiko" zu Lasten des (ausländischen) Arbeitnehmers. Dies könne aber dann nicht gelten, wenn der Betriebsleiter, der mit dem ausländischen Arbeitnehmer diesen Vertrag schließe, anders lautende mündliche Zusicherungen abgebe. Hier gelte dann der Vertrauensschutz. Die im Vertrag enthaltene Schriftformklausel stehe der Wirksamkeit der mündlichen Zusicherung von X. nicht entgegen. Das Arbeitsgericht hätte über die Behauptungen des Klägers Beweis erheben müssen. Der Kläger hält die Kündigung aus den von ihm (weiter) angeführten Gründen für sittenwidrig und damit für nichtig. Der Kläger weist darauf hin, dass die Hauptspeditionssaison (Ende Oktober 2003) vorüber gewesen sei; im Winterhalbjahr sei der Kläger offensichtlich von der Beklagten nicht benötigt worden, - weshalb dann die Kündigung ausgesprochen worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des ArbG Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- vom 25.11.2003 - 6 Ca 1652/03 - aufzuheben und festzustellen, dass die am 24.10.2003 zum 31.10.2003 ausgesprochene Kündigung nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 02.03.2004 (Bl. 63 ff d.A.), auf deren Inhalt verwiesen wird.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als nur teilweise begründet.

II.

1. Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Auslegung des Klagebegehrens, das sich auf ein Rechtsverhältnis der in § 256 Abs. 1 ZPO bezeichneten Art (= Arbeitsverhältnis) bezieht, ergibt, dass es sich um eine derartige Klage handelt. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO weiter erforderliche Feststellungsinteresse ist - unter den gegebenen Umständen - ebenfalls zu bejahen.

2. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 24.10.2003 mit Ablauf des 07.11.2003 beendet worden. Folglich erweist sich die Klage weitgehend als unbegründet.

a) Nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften besteht für den Arbeitgeber während der ersten 6 Monate eines Arbeitsverhältnisses (relative) Kündigungsfreiheit. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer - innerhalb der von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtssprechung gezogenen Grenzen - insbesondere unter Beachtung der dem Arbeitnehmer zustehenden Kündigungsfrist ordentlich kündigen.

Dieses Recht zur ordentlichen Kündigung war vorliegend weder eingeschränkt, noch gar völlig ausgeschlossen.

b) aa) Die vom Kläger diesbezüglich behauptete mündliche Zusicherung des (jetzigen) Geschäftsführers X. ist nicht Vertragsbestandteil geworden. Dies ergibt die Auslegung des seinerzeitigen - rechtsgeschäftlich relevanten - Verhaltens der am Vertragsschluss beteiligten Personen (§§ 133 und 157 BGB). Zwar mag der Kläger - zunächst - der Beklagten - was in tatsächlicher Hinsicht zu Gunsten des Klägers unterstellt werden kann - ein Vertragsangebot dahingehend unterbreitet haben, dass das Arbeitsverhältnis in den ersten 6 Monaten nicht ordentlich kündbar sein sollte. Ein derartiges Angebot des Klägers hat die Beklagte jedoch nicht angenommen. Sie hat dem Kläger vielmehr - welche Erklärung X. zuvor auch mündlich abgegeben haben mag - vielmehr ein davon abweichendes Vertragsangebot unterbreitet, - ein Tatbestand, der nach § 150 Abs. 2 BGB zu beurteilen ist. Die Beklagte hat dem Kläger ein Vertragsangebot mit dem Inhalt unterbreitet, der sich aus dem Arbeitsvertragsformular (Bl. 5 ff d.A.) ergibt. Dieses Vertragsangebot sollte die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien vollständig und richtig regeln. "Besondere Vereinbarungen" sollten - wie die Ziffer 16. des Vertrages - "Besondere Vereinbarungen" - belegt schriftlich im Vertrag selbst geregelt werden. (Auch) Vertragsänderungen bedurften nach näherer Maßgabe der Ziffer 17. des Vertrages der Schriftform. Wie sich eindeutig aus den Ziffern 6. und 14. S. 1 und 2 des Vertrages ergibt, sollte das Arbeitsverhältnis von Anfang an - also auch während der ersten sechs Monate - der ordentlichen Kündigung unterliegen. Eine derartige Vereinbarung ist zulässig (vgl. § 15 Abs. 3 TzBfG). Es ist anerkanntes Recht, dass dann, wenn die Vertragspartner über einen Vertrag eine schriftliche Vertragsurkunde - wie hier den Arbeitsvertrag vom 29.04.2003 - aufsetzen und unterzeichnen, vermutet wird, dass darin die rechtlich relevanten Willenserklärungen der Parteien vollständig und richtig verkörpert werden. Dem Kläger ist es vorliegend nicht gelungen diese - durch die Ziffern 6, 14., 16. und 17. verstärkte - Vermutung zu widerlegen. Der Kläger hat die ihm insoweit obliegende Darlegungslast nicht erfüllt.

bb) Der Kläger hat dadurch, dass er den schriftlichen Arbeitsvertrag, nachdem er ihn gelesen hatte, unterzeichnet hat, das Vertragsangebot der Beklagten, - das keine Begrenzung oder gar einen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Arbeitgebers vorsah, uneingeschränkt angenommen. Damit ist zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag mit dem Inhalt zustande gekommen, wie er sich aus der Vertragsurkunde (Bl. 5 ff d.A.) ergibt.

Aus der Sicht eines (objektiven) Erklärungsempfängers - hier in der Situation des auf Seiten der Beklagten - hatte der Kläger den Eindruck erweckt, den Inhalt des Vertrages verstanden zu haben. Der Kläger trägt nämlich insoweit selbst vor, dass er den Vertrag vor Unterzeichnung gelesen habe. Da er den Vertrag dann ohne Vorbehalt unterschrieben hat, bestand der objektive Erklärungswert des Verhaltens des Klägers darin, dass er mit den Vertragsbedingungen, wie sie sich aus der Vertragsurkunde vom 29.04.2003 ergeben, uneingeschränkt einverstanden war. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger, - weil er nur unzureichend lesen kann -, subjektiv den Vertragsinhalt nicht vollständig verstanden hat.

cc) Dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit die vom Kläger behauptete mündliche Zusicherung des überhaupt erfolgt ist und im Rahmen eines Schadensersatzbegehrens (§§ 276, 278, 249 ff., 280 ff. BGB) oder eines etwaigen Anfechtungsrechtes (§§ 119 und 123 BGB) von Relevanz sein könnte. Um einen derartigen Streitgegenstand geht es vorliegend nicht. Eine etwaige Verletzung von Aufklärungs- bzw. Hinweispflichten im Rahmen des Anbahnungsverhältnisses mag u. U. ein Anfechtungsrecht oder einen Anspruch auf Schadensersatz begründen können. Unter den hier gegebenen Umständen hat eine derartige Pflichtverletzung - sollte deren Tatbestand überhaupt erfüllt sein - jedoch nicht die Nichtigkeit der Kündigung vom 24.10.2003 zur Folge.

c) Die Kündigung vom 24.10.2003 ist dem Kläger unstreitig am 24.10.2003 zugegangen. Diese Kündigung ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu überprüfen (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG). Auf das Vorliegen etwaiger Kündigungsgründe kommt es deswegen nicht an. Dass das Arbeitsverhältnis befristet abgeschlossen war, steht der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses gleichfalls nicht entgegen (vgl. Ziffer 14. S. 1 und 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 15 Abs. 3 TzBfG). Die Kündigung erweist sich auch nicht als sittenwidrig oder treuwidrig im Sinne der §§ 138 und 242 BGB. Die Beklagte hat lediglich von einem ihr nach Gesetz und Vertrag zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Ein sittenwidriges oder treuwidriges Verhalten der Beklagten hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger sieht den Kündigungsgrund darin, dass er im Winterhalbjahr von der Beklagten nicht benötigt worden sei. Folgt man dem, so ist die Kündigung keineswegs sittenwidrig oder treuwidrig. Selbst im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist es anerkanntes Recht, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, den er nicht benötigt, nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung betriebsbedingt kündigen kann. Dieses Recht steht dem Arbeitgeber erst recht dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutz gem. § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht unterliegt.

d) Die Kündigung erweist sich allerdings insoweit als rechtsunwirksam als sie bereits zum 31.10.2003 erklärt wurde. Diese Frist wahrt - da dem Kläger die Kündigung am 24.10.2003 zugegangen ist - die dem Kläger gem. § 622 Abs. 3 BGB zustehende Kündigungsfrist von 2 Wochen nicht. Die Kündigung ist deswegen gem. § 140 BGB in eine ordentliche Probezeit-Kündigung zum 07.11.2003 umzudeuten (§ 140 BGB). Auf die Möglichkeit der täglichen Kündigung (vgl. § 4 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter (Speditionen und Güternahverkehr in Rheinland-Pfalz)) kann sich die Beklagte nicht berufen. Das Recht zur täglichen Kündigung gilt nur für die ersten 4 Wochen nach der Einstellung (vgl. § 4 Abs. 1 MTV Arbeiter). Vorliegend ist auch nicht die Kündigungsfrist gem. § 24 Abs. 1 a) - erste Alternative - des MTV Arbeiter einschlägig (= 1 Woche zum Wochenschluss, - wobei Wochenschluss der jeweilige Samstag ist). Diese Kündigungsfrist gilt nur für ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossenes Arbeitsverhältnis (§ 24 Abs. 1 - Eingangssatz - MTV Arbeiter). Da die Parteien hier eine 6-monatige Probezeit vereinbart haben, steht dem Kläger eine Kündigungsfrist von 2 Wochen (ohne festen Kündigungstermin) zu. Dies bedeutet, dass die Klage mit der Maßgabe begründet ist, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 07.11.2003 endete. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

III.

Gemessen an dem beiderseitigen Maß des Obsiegens und Verlierens haben der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 der Kosten des Rechtsstreites zu tragen (§§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO). Bei der Streitwertfestsetzung, die gem. § 25 Abs. 2 GKG erfolgt, muss der Höchstwert des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG im Hinblick auf die nur kurze Dauer des ohnehin befristeten Arbeitsverhältnisses ganz deutlich unterschritten werden. Der erbetene Schriftsatzvorbehalt war dem Kläger nicht einzuräumen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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