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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 464/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BSHG, GemO, BAT


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 1 S. 2
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 2 S. 1
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
BSHG § 19 aF
GemO § 47 Abs. 1
GemO § 47 Abs. 2
BAT § 54 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 464/06

Entscheidung vom 14.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.04.2006 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - 7 Ca 139/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.483,17 € festgesetzt.

Tatbestand:

Mit der vorliegenden Klage wehrt sich die Klägerin gegen die fristlose Kündigung, die ihr die Beklagte mit dem Schreiben vom 10.01.2006 erklärt hat. Die Kündigung ist der Klägerin am 10.01.2006 zugegangen. Im Kündigungsschreiben (Bl. 9 d. A.) heißt es u. a.:

"...Aufgrund Ihres vertragswidrigen und möglicherweise auch strafbaren Verhaltens betrachten wir das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen als irreparabel zerstört. Vor diesem Hintergrund aber auch bereits wegen des bloßen Verdachtes des vertragswidrigen Verhaltens halten wir ihre Weiterbeschäftigung nicht für vertretbar und lösen somit ihr Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung ...".

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 27.04.2006 - 7 Ca 139/06 - dort S. 2 ff. = Bl. 120 ff. d. A.. Die Aussagen der vom Arbeitsgericht vernommenen Zeuginnen M. und H. sind festgehalten in der Sitzungsniederschrift vom 06.04.2006 - 7 Ca 139/06 - dort S. 2 ff. = Bl. 93 ff. d. A..

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen das am 19.05.2006 zugestellte Urteil vom 27.04.2006 - 7 Ca 139/06 - hat die Klägerin am 16.06.2006 Berufung eingelegt und diese am 19.07.2006 mit dem Schriftsatz vom 19.07.2006 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 19.07.2006 (Bl. 149 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin macht dort u. a. geltend, dass ihr der fragliche Lampenschirm von der Zeugin M. geschenkt worden sei. Die Klägerin habe bereits im Juli 2005 bei der Zeugin M. nachgefragt, ob diese ihr unabhängig vom Arbeitsverhältnis und außerhalb der Arbeitszeit gegen entsprechende Bezahlung einen Lampenschirm anfertigen könne. Nachdem die Zeugin dies abgelehnt habe, sei für die Klägerin das Thema "Lampenschirm" eigentlich erledigt gewesen. Einige Zeit später habe die Zeugin M. im "S'Lädsche" während der Arbeitszeit (dann) doch an einer Lampe gearbeitet. Auf Frage habe die Zeugin der Klägerin erklärt, es handele sich um eine "Überraschung". Exakt während dieser Zeit habe die Zeugin M. die Zeugin H. mindestens zwei- bis dreimal gefragt, wie man ein Geschenk nenne, das man gebe, wenn man gehe; die Zeugin H. habe der Zeugin M. jeweils den diesbezüglichen Begriff "Abschiedsgeschenk" genannt. Noch vor Urlaubsbeginn habe die Klägerin von der Zeugin M. den Lampenschirm ausdrücklich als "Abschiedsgeschenk" überreicht erhalten. Als die Zeugin M. den Lampenschirm der Klägerin geschenkt habe, sei die Zeugin H. zugegen gewesen. Die Zeugin H. habe auch während ihres Urlaubes zumindest bis Anfang September 2005 fast täglich für kürze(re) oder längere Zeit "S'Lädsche" aufgesucht.

Dies sei vor dem Hintergrund der persönlichen und sozialen Situation der Zeugin H. durchaus nachvollziehbar (gewesen). Der Umstand, dass sich die Zeugin H. nicht mehr präzise daran habe erinnern können, an welchem Tag genau und in welchem Raum genau die schenkweise Übergabe erfolgt sei, sei weder verwunderlich noch "äußerst merkwürdig". Stehe aber fest - so führt die Klägerin weiter aus -, dass sie den fraglichen Lampenschirm geschenkt erhalten habe, folge hieraus, dass die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe ungerechtfertigt und unbegründet seien. Es gebe dementsprechend auch keinerlei "Verdachtsmomente" gegen die Klägerin.

Die Klägerin meint, es sei nicht auszuschließen, ob die Aussage der Zeugin M. auch dadurch beeinflusst bzw. auch dadurch bestimmt worden sei, dass gegenüber der Zeugin für den Fall einer Schenkung des Lampenschirms an die Klägerin eigene nachteilige Konsequenzen in den Raum gestellt worden seien (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen auf S. 3 der Berufungsbegründung, dort unter Ziff. 2. = Bl. 161 d. A.).

Die Klägerin macht (weiter) geltend, dass die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist versäumt habe. Die Klägerin bestreitet, dass der Leiter des Sozialreferats A. erst am 15.12.2005 von der Projektleiterin H.-S. und der Sozialarbeiterin W. über den gegen die Klägerin gerichteten Verdacht unterrichtet worden sei. Selbst wenn der Zeuge A. jedoch erst am 15.12.2005 unterrichtet worden sein sollte - so führt die Klägerin weiter aus - seien die Ermittlungen nicht in der gebotenen Eile in Angriff genommen und durchgeführt worden. Soweit die Beklagte den Umstand, dass die Klägerin erst am 28.12.2005 angehört worden ist, mit einer zuvor bestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zu rechtfertigen versuche, sei dies unbehelflich. Die Beklagte hätte der Klägerin durchaus auch während bestehender Arbeitsunfähigkeit - mündlich, fernmündlich oder schriftlich - Gelegenheit zur Stellungnahme geben können und müssen. Da die Anhörung der Klägerin nicht innerhalb der einzuhaltenden Ein-Wochen-Frist erfolgt sei, habe die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist versäumt. Die einwöchige Anhörungsfrist habe vorliegend auch nicht erst am 19.12.2005 zu laufen begonnen, sondern bereits am 15.12.2005. Der Umstand, dass die Beklagte am 19.12.2005 zur weiteren Aufklärung des maßgeblichen Sachverhaltes die Zeugin St. nochmals angehört habe, habe auf Beginn und Lauf der Frist, innerhalb derer die Klägerin selbst zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen anzuhören gewesen sei, keinen Einfluss. Dem Referatsleiter A. sei ja - insoweit unstreitig - bereits am 15.12.2005 das Protokoll der am 13.12.2005 von der Sozialarbeiterin W. durchgeführten Befragung vorgelegt worden. Dem Referatsleiter sei dementsprechend bereits am 15.12.2005 genauestens bekannt gewesen, was die Zeugin St. in dem fraglichen Zusammenhang aussagen könne.

Schließlich müsse aber auch die Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin ausfallen. Das Arbeitsgericht habe im Ergebnis das Vorliegen des wichtigen Grundes als ausreichend angesehen, um auch die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten ausfallen zu lassen. Fehlerhaft sei es auch, dass das Arbeitsgericht die tarifliche (ordentliche) Unkündbarkeit zum Nachteil der Klägerin berücksichtigt habe.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.04.2006 - 7 Ca 139/06 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 10.01.2006 außerordentlich-fristlos ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 21.082006 (Bl. 171 ff. d. A.), auf deren Inhalt zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird, das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Beklagte stellt dort insbesondere in das Wissen der Zeugen A. und H.-B., dass der Leiter des Referates Soziales (A.) und dessen Stellvertreter (H.-B.) am 15.12.2005 über die Verdachtsgründe gegenüber der Klägerin unterrichtet worden seien. Im Anschluss an das am 19.12.2005 mit der Zeugin St. (Mitarbeiterin) geführte Gespräch habe A. die Klägerin mit den Vorwürfen konfrontieren wollen. A. habe die zunächst unentschuldigt fehlende Klägerin an ihrem Arbeitsplatz antreffen wollen. Am 20.12.2005 habe A. erfolglos versucht, die Klägerin telefonisch zu erreichen. Auch Versuche von Sch. (Leiter des Referates Personalwirtschaft) am 21.12.2005 einen telefonischen Kontakt mit der Klägerin zu bekommen, seien erfolglos gewesen. Die Beklagte legt dar, weshalb die Anhörung der Klägerin dann für den 28.12.2005 terminiert worden sei. Nach Ansicht der Beklagten wurde weder die Anhörungsfrist noch die Kündigungserklärungsfrist versäumt.

Die Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht zutreffend vorgenommen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen, - insbesondere auch auf

- den Aktenvermerk des H.M. (Kassenprüfung) vom 16.12.2005 (Bl. 48 d. A.),

- die Niederschrift über die Anhörung der Mitarbeiterin N.St. vom 13.12.2005 (Bl. 49 ff. d. A.),

- den Aktenvermerk zum Personalgespräch mit der Klägerin vom 28.12.2005 (Bl. 51 ff. d. A.) und

- die Niederschrift der Erklärung der Zeugin M. vom 06.01.2006 (Bl. 55 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

1. a)

Im Rahmen der Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB (-ähnlich § 54 Abs. 1 BAT -) zunächst zu fragen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Soweit die entsprechenden Kündigungstatsachen nicht gem. § 626 Abs. 2 BGB (- ähnlich § 54 Abs. 2 BAT -) verfristet sind, kommt es für die dann weitere erforderliche Interessenabwägung gem. § 626 Abs. 1 BGB darauf an, ob der Kündigungssachverhalt dem Kündigenden auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hat. Ein Kündigungssachverhalt kann insbesondere dann gegeben sein, wenn durch das Verhalten des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt worden ist, dass es im Vertrauensbereich gestört wurde. Ein derartiger Sachverhalt kann auch dann gegeben sein, wenn - wie vom Arbeitsgericht bereits ausgeführt (= Urteil S. 6 f. = Bl. 124 f. d. A.) - auf dem Arbeitnehmer der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung - insbesondere eines Eigentums- oder Vermögensdeliktes zum Nachteil des Arbeitgebers - oder einer anderen ähnlich schweren Pflichtverletzung lastet.

b)

Soweit es um die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast geht, obliegt diese im Kündigungsrechtstreit zwar letztlich dem Arbeitgeber. Bei bestimmten - auch hier gegebenen - Kündigungssachverhalten ist jedoch die Darlegungs- und Einlassungslast gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO abgestuft verteilt. Dann, wenn sich der Arbeitnehmer auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe oder auf sonstige Umstände beruft, die sein Verhalten rechtfertigen oder entschuldigen bzw. in einem milderen Licht erscheinen lassen sollen, genügt eine pauschale Einlassung nicht. Vielmehr ist der Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit gehalten, sein diesbezügliches Vorbringen zu substantiieren. Erst wenn eine derart hinreichend substantiierte Einlassung des Arbeitnehmers vorliegt, ist der Arbeitgeber gehalten, diese Einlassung des Arbeitnehmers zu widerlegen und sein - des Arbeitgebers - Vorbringen zu beweisen.

2. a)

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend eine grob-vertragswidrige Verhaltensweise im Sinne eines schuldhaft-pflichtwidrigen Verhaltens der Klägerin festzustellen. Dieses Verhalten ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die arbeitsvertragliche Treue- oder Loyalitätspflicht (Interessenwahrnehmungspflicht gemäß § 241 Abs. 2 und § 242 BGB) gebietet es dem Arbeitnehmer, bei der Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen weder den Arbeitgeber selbst, noch Geschäftspartner oder Kunden des Arbeitgebers zu schädigen. Rechtsgüter, die - wie Eigentum und Vermögen - auch strafrechtlich geschützt sind , darf der Arbeitnehmer nicht verletzen. Hier hat die Klägerin vorsätzlich das Eigentum der Beklagten verletzt. Zumindest besteht insoweit ein entsprechender - durch Tatsachen erhärteter - Verdacht. Der Vorwurf der vorsätzlichen Eigentumsverletzung ist der Klägerin deswegen zu machen, weil sie unstreitig den - von der Zeugin M. gefertigten - Lampenschirm aus dem Betrieb mit nach Hause genommen hat, ohne diesen zu bezahlen.

b)

Dadurch hat sich die Klägerin eine "fremde (bewegliche) Sache" (i.S.d. §§ 242 und 246 StGB) rechtswidrig zugeeignet.

Soweit die Klägerin behaupten will, ihr Verhalten sei rechtmäßig gewesen, hat sie bereits die ihr - im Rahmen der hier abgestuft verteilten Darlegungs- und Einlassungslast - obliegende Erklärungslast nicht genügend erfüllt.

Gegen die Annahme, der Lampenschirm sei der Klägerin von M. geschenkt worden, bestehen durchgreifende Bedenken. "Schenken" kann man einem Anderen nur einen Gegenstand, der einem auch gehört. Der fragliche Lampenschirm gehörte aber nicht der Zeugin M.. Nach unserer Rechtsordnung werden Arbeitnehmer regelmäßig nicht Eigentümer der von ihnen hergestellten Produkte. Entsprechendes gilt für Beschäftigte, die - wie die Zeugin M. - im Rahmen eines Jahresvertrages gemäß § 19 BSHG aF zum Einsatz kommen. Die von den Teilnehmern des so genannten Ökologieprogramms hergestellten "Tiffany"-Produkte standen in städtischem Eigentum, - also im Eigentum der Beklagten. Diese Produkte waren zum Verkauf bestimmt, - den die Klägerin abzuwickeln und zu überwachen hatte. Dass M. gleichwohl Eigentümerin gewesen sein könnte, als sie der Klägerin die Sachherrschaft über den Lampenschirm verschaffte, ist nicht ersichtlich. Diesbezügliche Feststellungen hat das Arbeitsgericht nicht getroffen. Solche Feststellungen lassen sich aufgrund des beiderseitigen Parteivorbringens auch nicht treffen. Allein auf den Umstand, dass die Teilnehmer, wenn sie (- bei Beendigung ihrer Re-integrations- bzw. Qualifizierungsmaßnahme im Rahmen des Ökologieprogramms -) das "Läd`sche" verlassen, sich etwas "als Abschiedsgeschenk" mitnehmen dürfen, lässt sich eine diesbezügliche Feststellung nicht stützen. Auch in diesem Fall bedarf es - allgemeinen Grundsätzen entsprechend (§§ 929 ff BGB) - einer irgendwie gearteten Eigentumsübertragung. Dass die Beklagte (bzw. die für sie handelnden Personen) der Zeugin M. - zumindest konkludent - das Eigentum an dem fraglichen Lampenschirm übertragen hätten, lässt sich weder dem Vortrag der Beklagten, noch dem der Klägerin entnehmen. Die Beschäftigung der Zeugin M. im Rahmen des Ökologieprogramms endete erst am 31.10.2005. Die Sachherrschaft über den Lampenschirm hat M. der Klägerin jedoch zeitlich bereits deutlich vor dem 31.10.2005 verschafft, - nämlich "noch vor Urlaubsbeginn" (s. S. 4 - unten - der Berufungsbegründung = Bl. 162 d. A.). Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb M. der Klägerin überhaupt ein Geschenk gemacht haben könnte. Ein Motiv, das M. dazu bewogen haben könnte, unter Verzicht auf ein eigenes Abschiedsgeschenk gerade der Klägerin ein solches Geschenk zu machen, lässt sich nicht feststellen. Auch aus den Umständen, die die Klägerin in das Wissen der Zeuginnen M. und H. stellt, erschließt sich ein derartiges Motiv nicht. Tatsächlich hat sich die Zeugin M. das "Abschiedsgeschenk" selbst gemacht: Sie hat für sich selbst eine Lampe hergestellt, die bei ihr zuhause hängt (s. Zeugenaussage M. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 06.04.2006 - 7 Ca 139/06 - = Bl. 94 d. A.).

Der Lampenschirm, den die Klägerin ohne Bezahlung mit nach Hause genommen hat, stand hiernach nicht im Eigentum der Zeugin M., sondern im Eigentum der Beklagten. M. konnte der Klägerin diesen Lampenschirm nicht schenken. Dies musste sich seinerzeit - aufgrund entsprechender Parallelwertung in der Laiensphäre - auch die Klägerin sagen. Unter den gegebenen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die entsprechenden ganz einfachen und nahe liegenden Überlegungen nicht angestellt hätte. Demgemäß ist festzustellen, dass sich die Klägerin den Lampenschirm vorsätzlich rechtswidrig zugeeignet hat.

c)

Unabhängig davon ist die Einlassung der Klägerin, M. habe ihr den Lampenschirm geschenkt, jedenfalls aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme als widerlegt anzusehen. Es ist bewiesen, dass M. der Klägerin den Lampenschirm nicht geschenkt hat. Die Berufungskammer folgt insoweit - aufgrund entsprechender Überprüfung - der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Arbeitsgericht der Sache nach die Aussage der Zeugin M. für glaubhaft und die Zeugin M. für glaubwürdig erachtet. Ebenso zutreffend hat das Arbeitsgericht die Zeugin H. für unglaubwürdig und deren Aussage für unglaubhaft erachtet. Die erneute bzw. wiederholte Vernehmung der Zeuginnen M. und H. hat die Berufungskammer erwogen, - letztlich nach pflichtgemäßem Ermessen aber nicht für geboten erachtet (§ 398 ZPO). Einer der Ausnahmefälle, in denen das Berufungsgericht verpflichtet ist, erstinstanzlich bereits vernommene Zeugen erneut bzw. wiederholt zu vernehmen, ist vorliegend nicht gegeben. Auch bestand keine Notwendigkeit, die Vernehmung des Zeugen M. anzuordnen. Das Arbeitsgericht hat seine Überzeugung nicht auf die Niederschrift der Erklärungen gestützt, die die Zeugin M. am 06.01.2006 im Amt (Personalbüro) abgegeben hat, sondern auf die glaubhafte und widerspruchsfreie Aussage, die die Zeugin am 06.04.2006 vor Gericht und im Beisein einer Dolmetscherin gemacht hat.

d)

Ergänzend wird - soweit es um die hiernach zu bejahende Frage geht, ob das Verhalten der Klägerin "an sich" geeignet ist, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, - auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen (- Urteil unter Ziffer II. 1. bis 3., S. 9 bis 14 -; § 69 Abs. 2 ArbGG), die sich die Berufungskammer insoweit zu eigen macht.

3.

Die Beklagte hat die Kündigung binnen zwei Wochen seit Erlangung der Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erklärt.

a)

Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB hat die Beklagte gewahrt. "Kündigungsberechtigter" im Sinne des § 626 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Oberbürgermeister der Beklagten. Dies ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und Abs. 2 der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung (GemO GVBl 1994, 153). Der Oberbürgermeister ist unstreitig erst am 06.01.2006 über die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen informiert worden. Den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten (S. 17 - oben - des Schriftsatzes vom 01.03.2006 = Bl. 40 d.A.) hat die Klägerin weder erstinstanzlich, noch im Berufungsverfahren bestritten. Die Kenntnis Dritter muss sich der Kündigende nur ausnahmsweise zurechnen lassen, - nämlich nur nach näherer Maßgabe von Gesetz (§ 242 BGB) und höchstrichterlicher Rechtsprechung. Dabei genügt für eine entsprechende Zurechnung eine "arbeitgeberähnliche" Stellung des Dritten alleine noch nicht. Vielmehr müssen zwei Voraussetzungen, - selbständige Stellung des Dritten in Betrieb/Verwaltung und Verzögerung der Kenntniserlangung des Kündigungsberechtigten durch eine schuldhaft fehlerhafte Organisation -, kumulativ vorliegen (vgl. dazu das bereits vom Arbeitsgericht zitierte BAG-Urteil v. 05.05.1977 BAGE 29, 158). Vorliegend fehlt es jedenfalls an der (weiteren) Voraussetzung, nämlich einem Organisationsmangel, der es rechtfertigen würde, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT vor tatsächlicher Kenntniserlangung durch den Oberbürgermeister am 06.01.2006 beginnen zu lassen. Die Feststellung einer schuldhaft fehlerhaften Organisation (des Betriebes bzw.) der Verwaltung lässt sich auf das beiderseitige Parteivorbringen nicht stützen. Wie in einer Gemeinde die Zuständigkeiten in Personalangelegenheiten organisiert sind, beruht weitgehend auf gesetzlichen Vorgaben. Es kann einer Gemeinde nicht als schuldhafter Organisationsmangel angelastet werden, wenn sie die Zuständigkeiten in Personalangelegenheiten so verteilt hat, wie dies die einschlägige Gemeindeordnung als Regelfall vorsieht. (Auch) Anhaltspunkte für die Annahme, dem Leiter des Referates Personalwirtschaft (Sch.) und/oder dem Leiter des Referates Soziales sei rechtsgeschäftlich oder auf sonstiger Grundlage die Kündigungsberechtigung übertragen worden, ergeben sich aus dem beiderseitigen Parteivorbringen nicht.

Eine arbeitgeberähnliche Funktion im Sinne von BAGE 29, 158 kommt im Übrigen allenfalls dem Leiter des Referates Personalwirtschaft zu. Sollte - entgegen dem eben Ausgeführten - auf dessen Kenntniserlangung abzustellen sein, ergibt sich ebenfalls, dass die Beklagte die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist gewahrt hat. Von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat der Leiter des Personalreferats Sch. am 21.12.2005 Kenntnis erlangt. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten auf Seite 15 des Schriftsatzes vom 01.03.2006 ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geblieben. Nach dessen Kenntniserlangung fand binnen einer Woche, nämlich am 28.12.2005, unstreitig die Anhörung der Klägerin statt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Anschluss daran am 06.01.2006 noch die Zeugin M. angehört hat. Insoweit hat die Beklagte die erforderliche Sachverhaltsaufklärung mit der gebotenen Eile jeweils betrieben.

b)

Auf die Kenntnis des Leiters des Sozialreferats kann nicht abgestellt werden. Zwar hat das Arbeitsgericht dies angenommen. Konkrete tatsächliche Feststellungen zu einem etwaigen Organisationsmangel und dazu, ob eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar wäre, hat das Arbeitsgericht jedoch nicht getroffen. Aufgrund des beiderseitigen Parteivorbringens lassen sich derartige Feststellungen auch nicht treffen. Aus diesem Grunde kann dahin gestellt bleiben, wann der Referatsleiter A. erstmals Kenntnis erlangt hat und inwieweit dieser die notwendige Sachverhaltsaufklärung mit der gebotenen Eile betrieben hat.

4.

Die gebotene Interessenabwägung führt letztlich zu keinem für die Klägerin günstigen Ergebnis. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in einem Fall, in dem die ordentliche Kündbarkeit - wie hier - tariflich ausgeschlossen ist, bei der Unzumutbarkeitsprüfung auf die längst mögliche "fiktive" ordentliche Kündigungsfrist abzustellen ist oder aber ob auf die zu erwartende Zeitspanne der künftigen Vertragsdauer bzw. "auf die tatsächliche künftige Vertragsbindung" des ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnisses abzustellen ist (vgl. BAG v. 14.11.1984, AP Nr. 83 zu § 626 BGB). In beiden Fällen ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar im Sinne von Gesetz und Tarifvertrag (§ 626 BGB, § 54 BAT). Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile konnte es der Beklagten bei Kündigungsausspruch nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin noch bis zum 30.09.2006 fortzusetzen (- die längstmögliche Frist für eine ordentliche Kündigung hätte gemäß § 53 Abs. 2 - letzte Alternative - BAT sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres betragen; ebenso § 34 Abs. 1 S. 2 - letzte Alternative - TVöD). Erst recht ergibt sich diese Unzumutbarkeit dann, wenn man auf die zu erwartende Zeitspanne der künftigen Vertragsdauer abstellt.

Nach dem oben Ausgeführten liegt ein an sich zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt vor. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt unter den gegebenen Umständen das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortsetzungsinteresse der Klägerin. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensgrundlage irreparabel zerstört. Es ist unstreitig, dass zu dem Aufgabenkreis der Klägerin die Abwicklung und Überwachung der Verkäufe der hergestellten "Tiffany"-Produkte gehörte. Im Hinblick auf diese arbeitsvertragliche Aufgabenstellung kommt dem - allgemein für Arbeitnehmer geltenden - Verbot, Eigentum oder Vermögen des Arbeitgebers nicht vorsätzlich zu schädigen, im Falle der Klägerin besondere Bedeutung zu. Zwar sprechen für die Klägerin im Rahmen der Interessenabwägung die lange Dauer der Betriebszugehörigkeit, ihr - für die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt - bereits ungünstiges Lebensalter und ihre Unterhaltsverpflichtungen. Gleichwohl ist das Interesse der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht höher einzuschätzen, - sondern niedriger als das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unter den gegebenen Umständen stand der Beklagten in zumutbarer Weise keine andere Möglichkeit - als die der außerordentlich-fristlosen Kündigung - zur Seite, um auf den Vertrauensbruch der Klägerin angemessen zu reagieren. Zwar ist auch bei Handlungsweisen des Arbeitsnehmers, die - wie hier - den Vertrauensbereich betreffen, eine Abmahnung nicht stets entbehrlich, sondern notwendig, wenn steuerbares Verhalten in Rede steht und es erwartet werden kann, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird. Diese Erwartung bestand vorliegend aber gerade nicht. Vorliegend geht es um eine schwere Pflichtverletzung - bzw. um den dringenden Verdacht einer solchen -, deren Rechtswidrigkeit für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar gewesen ist und bei der eine (sanktionslose) Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen gewesen ist.

II.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß den §§ 42 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 und 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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