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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 563/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.08.2007 - 8 Ca 475/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten sich darüber, ob dem Kläger aufgrund eines vormals zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses noch Sonderzahlungen aus den Jahren 2004 bis 2006 zustehen. Der Kläger war seit 1989 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis wurden betriebsüblich die Tarifverträge der hessischen und rheinlandpfälzischen Textilindustrie angewandt. Nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlungen wurde regelmäßig ein Monatsgehalt im Jahr als Sonderzahlung gezahlt. Im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Pachtvertrages der Beklagten in O. und mit Überlegungen zu Standortverlagerungen schlossen die IG-Metall und die Beklagte einen Standortsicherungstarifvertrag, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 31 ff. der Akte Bezug genommen wird. Dieser sieht die Möglichkeit vor, durch freiwillige Betriebsvereinbarung die Sonderzahlung um 80 % auf verbleibende 20 % zu kürzen. § 4 dieses Tarifvertrages hat folgenden Wortlaut: "Ziff. 1 die Betriebsparteien können durch freiwillige Betriebsvereinbarung vereinbaren, dass die Jahressonderzahlung, gemäß dem Tarifvertrag über die Jahressonderzahlungen für die hessische und rheinlandpfälzische Textilindustrie" vom 15.08.1990 bis einschließlich im Jahr 2007 um 80 % gekürzt wird". In der Folgezeit sind entsprechende Betriebsvereinbarungen für den streitgegenständlichen Zeitraum jeweils abgeschlossen worden; hinsichtlich der Betriebsvereinbarung für 2005 wird auf Blatt 41 der Akte, hinsichtlich der für 2006 auf Blatt 43 der Akte Bezug genommen. Dies wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jeweils schriftlich bekannt gegeben; insoweit wird für 2004 auf Blatt 40, 2005 auf Blatt 42 der Akte und 2006 auf Blatt 44 der Akte Bezug genommen. Infolgedessen zahlte die Beklagte in den Jahren 2004 bis 2006 nur 20 % der Sonderzahlung aus. Hinsichtlich der Beträge im Einzelnen wird auf Seite 3 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 54 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger hat vorgetragen,

es sei treuwidrig, wenn sich die Beklagte auf die Betriebsvereinbarung berufe. Denn zum Einen habe sie trotz des im Sanierungstarifvertrag vorgesehenen Ausschlusses von Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen Kündigungen erklärt. Damit sei die Geschäftsgrundlage des Sanierungstarifvertrages weggefallen. Zudem könne der Betriebsrat nicht in arbeitsvertragliche Rechte des Arbeitnehmers eingreifen. Der ursprüngliche im Betrieb der Beklagten angewendete Tarifvertrag über Sonderzahlungen habe schließlich keine Öffnungsklausel, die dem Betriebsrat ein derartiges Recht einräume, vorgesehen. Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.005,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 bis zum 30.11.2005 aus 3.337,00 € in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 01.12.2005 bis zum 30.11.2006 zu zahlen und aus 5.005,50 € seit dem 01.12.2006 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen,

sie habe umfangreiche Verluste gehabt. Dies sei die Grundlage für den zitierten Sanierungstarifvertrag gewesen, der gerade die Möglichkeit von Betriebsvereinbarungen zur Kürzung der Sonderzahlungen vorsehe. Im Jahr 2004 habe der Verlust 821.000,00 €, im Jahre 2005 1.298.000,00 €, und im Jahre 2006 1.215.000,00 € betragen. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 01.08.2007 - 8 Ca 475/07 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 53 bis 57 der Akte Bezug genommen. Gegen das ihm am 14.08.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 22.08.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 12.09.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, im ursprünglich im Betrieb der Beklagten angewendeten Tarifvertrag sei keine Öffnungsklausel erhalten. Nur dieser Tarifvertrag könne aufgrund betrieblicher Übung Vertragsbestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien geworden sein. Der Kläger sei - was unstreitig ist - kein Gewerkschaftsmitglied. In seinem Arbeitsvertrag sei auch kein Bezug genommen auf die jeweils geltenden Tarifverträge. Im Arbeitsvertrag sei bereits individuell vereinbart worden, dass der Kläger eine Jahresleistung und ein zusätzliches Urlaubsgeld erhalte. Die Betriebsvereinbarung könne aber nicht in individuelle Rechte, die im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden seien, eingreifen. Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.09.2007 (Bl. 73, 74 d. A.) nebst Anlage (= Bl. 75, 76 d. A.) sowie seinen Schriftsatz vom 12.11.2007 (Bl. 90, 91 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.08.2007, Aktenzeichen: 8 Ca 475/07, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.505,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.668,50 € seit dem 01.12.2004 bis zum 30.11.2005, aus 3.337,00 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 30.11.2006 und aus 5.505,50 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, Betriebsvereinbarungen seien unmittelbar und zwingend anwendbar, also grundsätzlich auch für Arbeitnehmer, die nicht Gewerkschaftsmitglieder seien. Bedenken gegen die Wirksamkeit der jeweiligen Regelung bestünden nicht. Bei einem Nebeneinander von Verbands- und Haustarifvertrag sei im Übrigen davon auszugehen, dass nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz der Haustarifvertrag als der sachnähere regelmäßig den Vorrang habe. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.10.2007 (= Bl. 86 - 89 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger hat im Berufungsverfahren seinen schriftlichen Arbeitsvertrag von Januar 1990 vorgelegt, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 75, 76 der Akte Bezug genommen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.02.2008. Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage vorliegend in vollem Umfang unbegründet ist, weil eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren nicht gegeben ist. Der Arbeitsvertrag von Januar 1990 enthält hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungen keinerlei Regelung. Folglich kommt als Anspruchsgrundlage nur eine betriebliche Übung in Betracht, von der beide Parteien auch ausgehen. Diese bestand darin, dass die Beklagte insbesondere die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungen wie auch ansonsten mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichgestellt hat. Dementsprechend wurden über Jahre hinweg auch die Sonderzahlungen geleistet. Daraus folgt aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht eine Teilbetriebsübung hinsichtlich der Sonderzahlung, sondern eine allgemeine betriebliche Übung, nicht Gewerkschaftsmitglieder mit gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmern gleich zu behandeln. Das bedeutet für den Fall einer anwendbaren verschlechternden Tarifregelung, dass für den Kläger keine günstigere Regelung gelten kann, als für die Gewerkschaftsmitglieder. Insoweit hat sich der Inhalt der betrieblichen Übung durch den von der Beklagten mit der IG Metall abgeschlossenen Sanierungstarifvertrag hinsichtlich der Sonderzahlungen verändert; bei Tarifverträgen gilt zum einen, wie von der Beklagten zutreffend angenommen, das Prinzip der Tarifkonkurrenz, nachdem der später abgeschlossene Sanierungstarifvertrag als Haustarifvertrag als der speziellere zunächst stets angewandten Haustarifvertrag vorgeht. Die Zeitkollisionsregel bedeutet im Übrigen, dass Tarifverträge stets unter dem Vorbehalt späterer, auch verschlechternder Regelungen stehen. Dies ist vorliegend eingetreten und nicht zu beanstanden. Dies gilt erst recht für die im Sanierungsvertrag vorgesehene Öffnungsklausel, wonach die Betriebspartner die Möglichkeit haben, die hier streitgegenständlichen Zahlungen durch Betriebsvereinbarung zu reduzieren. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen dem nicht entgegen, denn zum Zeitpunkt der ersten Betriebsvereinbarung war der Sanierungstarifvertrag, der diese Möglichkeit vorsah, seit langem abgeschlossen und damit bekannt. Von daher ist die vorgenommene Kürzung auch gegenüber dem Kläger rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Es trifft nicht zu, dass mit dem Arbeitsvertrag individuell vereinbart worden sei, dass der Kläger eine Jahresleistung und ein zusätzliches Urlaubsgeld erhalte. Dies lässt sich dem schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag keinesfalls entnehmen. Vielmehr kommt lediglich die Annahme einer betrieblichen Übung, wie dargestellt, in Betracht, die die durchgeführte Kürzung nicht ausschließt. Der Anspruch lässt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten, denn die Beklagte hat ja gerade alle Arbeitnehmer insoweit gleich behandelt. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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