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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 5 TaBV 2/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 85 Abs. 2
ArbGG § 91
BetrVG § 42 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 80 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 TaBV 2/06

Entscheidung vom 25.04.2006

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 (=Arbeitgeberin) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2005 - 10 BVGa 13/05 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Der - sich auf den 01.12.2005 und auf den 02.12.2005 beziehende - Antrag des Betriebsrates auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat sich - einschließlich des Ordnungsgeldandrohungsantrages - erledigt.

2. Die weitergehende Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird - unter Abweisung des Hilfsantrages (= Feststellungsantrages) als unzulässig - zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. (folgend: Betriebsrat) begehrte nach näherer Maßgabe seines erstinstanzlichen Antrages, die Beteiligte zu 2 (folgend: Arbeitgeberin) zu verpflichten, den Zutritt von Rechtsanwalt P. zur Betriebsversammlung am 01.12.2005 und 02.12.2005 im Verlagsgebäude der Arbeitgeberin zu dulden.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des ArbG Koblenz vom 01.12.2005 - 10 BVGa 13/05 - (dort S. 3 f.= Bl. 24 f. d. A.). Das Arbeitsgericht hat - wie aus dem Beschlusstenor (Bl. 23 d. A.) ersichtlich - die einstweilige Verfügung gegen die Arbeitgeberin erlassen. Gegen den am 07.12.2005 zugestellten Beschluss vom 01.12.2005 - 10 BVGa 13/05 - hat die Arbeitgeberin mit dem Schriftsatz vom 04.01.2006 am 06.01.2006 Beschwerde eingelegt und diese am 20.02.2006 - innerhalb verlängerter Beschwerdebegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 03.02.2006, Bl. 71 d. A.) - mit dem Schriftsatz vom 20.02.2006 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 20.02.2006 (Bl. 74 ff. d. A.) verwiesen.

Die Arbeitgeberin macht dort insbesondere geltend, dass für ihre Anträge zu 1. und 2. der Beschwerdebegründung ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. In Zukunft sei mit ähnlichen Streitfällen im Betrieb zu rechnen. Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens beschränke sich nicht nur auf die Zulässigkeit der konkreten Teilnahme des Rechtsanwalts P. an der Betriebsversammlung vom 01.12.2005 und 02.12.2005, sondern betreffe eine typische, vom einzelnen Fall unabhängige Fallgestaltung, die sich jederzeit in ihrem Betrieb wiederholen könne und mit deren Wiederholung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei.

Die Beschwerde sei auch begründet, - die einstweilige Verfügung hätte nicht erlassen werden dürfen. Die Teilnahme des Rechtsanwalts P. an der Betriebsversammlung verstoße gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Rechtsanwalt P. habe als Sachverständiger und nicht als Referent an der Betriebsversammlung teilgenommen. Das Arbeitsgericht - so führt die Arbeitgeberin weiter aus - hätte die beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts P. zwangsläufig als Sachverständigentätigkeit i. S. d. § 80 Abs. 3 BetrVG einordnen müssen. Eine solche Sachverständigentätigkeit erlaube nicht eine Teilnahme an einer nicht öffentlichen Betriebsversammlung.

Mit dem Schriftsatz vom 12.04.2006 (Bl. 113 ff. d. A.), worauf verwiesen wird, trägt die Arbeitgeberin ergänzend vor und begründet dort insbesondere ihren Hilfsantrag.

Der Betriebsrat erklärt das Beschlussverfahren (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) für erledigt.

Die Arbeitgeberin schließt sich der Erledigterklärung nicht an.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2005 - 10 BVGa 13/05 - aufzuheben und

2. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Für den Fall der Zurückweisung dieser beiden Anträge beantragt die Arbeitgeberin hilfsweise

festzustellen,

dass der Antragssteller (Betriebsrat) verpflichtet ist, Herrn Rechtsanwalt P. den Zutritt zu Betriebsversammlungen im Verlagsgebäude der Beteiligten zu 2. zum Zweck einer beratenden Tätigkeit als Sachverständiger zu untersagen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen und den Hilfsantrag als unzulässig zu verwerfen.

Der Betriebsrat äußert sich im Beschwerdeverfahren mit den Schriftsätzen vom 25.01.2006 (Bl. 68 d. A.), vom 22.03.2006 (Bl. 100 f. d. A.) und vom 07.04.2006 (Bl. 106 d. A.), worauf jeweils verwiesen wird.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Arbeitgeberin steht auch das notwendige Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Die hiernach zulässige Beschwerde führt jedoch nicht zur Zurückweisung des Antrages des Betriebsrates auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Dessen Antrag hat sich vielmehr erledigt.

2.

Der Betriebsrat hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in zulässiger Weise für erledigt erklärt. Der Anwendungsbereich der für die Erledigungserklärung geltenden Rechtsgrundsätze erstreckt sich auch auf die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 916 ff. und 935 ff. ZPO), - also auch auf das Verfahrensrecht der einstweiligen Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG. Dies ist anerkanntes Recht (vgl. Zöller/Vollkommer 25. Aufl. ZPO § 91a Rz 7 und 58 sowie § 922 Rz 4).

Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren - auch im Beschwerdeverfahren - kommen ergänzend die in der Rechtsprechung des BAG entwickelten besonderen Grundsätze über die einseitige Erledigungserklärung zur Anwendung (s. dazu näher Schwab/Weth Kommentar ArbGG § 83a Rz 22 f.). Die Anwendung dieser besonderen Rechtsprechungsgrundsätze hat für den vorliegenden Fall folgende Auswirkungen: Widerspricht ein Beteiligter - wie hier die Arbeitgeberin - der Erledigungserklärung des Antragsstellers (- hier des Betriebsrates -), muss das Gericht prüfen, ob Erledigung eingetreten ist. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit des Antrages tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Auf die Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Antrages kommt es hingegen nicht mehr an (Schwab/Weth aaO). Aufgrund des Zeitablaufes hätte dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der sich auf die Betriebsversammlung vom 01.12./02.12.2005 bezog, im Anhörungstermin der Beschwerdekammer vom 25.04.2006 nicht mehr stattgegeben werden können. Damit liegt ein erledigendes Ereignis i. S. der - bei Schwab/Weth nachgewiesenen - BAG-Rechtsprechung vor.

Aus der von der Arbeitgeberin in der Beschwerdebegründung und im Schriftsatz vom 12.04.2006 zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz ergibt sich nichts anderes. Die zitierte Rechtssprechung bezieht sich erkennbar nicht auf das summarische Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Hiernach war aufgrund der einseitigen Erledigterklärung des Betriebsrates die Erledigung des Antrages des Betriebsrates auf Erlass einer einstweiligen Verfügung festzustellen, - wobei mit dieser Feststellung konkludent zugleich die Einstellung des Verfahrens verbunden ist.

3.

Der Hilfsantrag der Arbeitgeberin war als unzulässig abzuweisen.

Zwar kommen an sich auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes "Gegenanträge" oder "Wideranträge" in Betracht. Sie müssen jedoch jeweils auf die Geltendmachung eines Verfügungsanspruches abzielen und von einem Verfügungsgrund getragen sein (§§ 935 ff. ZPO). Der Hilfsantrag (Feststellungsantrag der Arbeitgeberin) erfüllt beide Voraussetzungen nicht. Mit dem Hilfsantrag strebt die Arbeitgeberin die endgültige Beilegung des Streites über die Teilnahme des Rechtsanwalts P. an Betriebsversammlungen im Betrieb der Arbeitgeberin an. Dies ist kein Begehren, das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in zulässiger Weise verfolgt werden kann. Der Sache nach strebt die Arbeitgeberin mit dem Hilfsantrag den Übergang vom (summarischen) Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in das Hauptsacheverfahren an. Ein derartiger Übergang vom Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in den Hauptsacheprozess ist unzulässig. (Auch) dies ist anerkanntes Recht (vgl. Musielak 4. Aufl. ZPO § 916 Rz 4; ebenso Zöller/Vollkommer 25. Aufl. ZPO § 916 Vorbemerkung Rz 3 - ganz aE - S. 2312).

Folglich musste (auch) dem Hilfsantrag der Arbeitgeberin der Erfolg versagt bleiben.

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war - auch unabhängig von § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG - nicht veranlasst.

In den Fällen des § 85 Abs. 2 ArbGG findet die Rechtsbeschwerde nicht statt. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht kann (nur) unter den Voraussetzungen der §§ 92a und 72a Abs. 2 bis 5 ArbGG und (nur) nach näherer Maßgabe dieser Vorschriften selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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