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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 1038/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 1038/04

Entscheidung vom 22.12.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21.09.2004 - AZ: 1 Ca 1372/04 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

3. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Kündigung der Beklagten vom 04.05.2004 das Arbeitsverhältnis, welches seit 16.02.1989 besteht und in dessen Rahmen der Kläger zuletzt im Schichtbetrieb im Bau L 810, 5. OG beschäftigt war, aufgelöst hat.

Die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung ist seitens der Beklagten mit einem Vorfall in der Schicht am 26. April 2004 begründet worden, wobei der Kläger eine Dosierung nicht vorgenommen hat, obwohl er diese im Dosierbuch niedergeschrieben hatte, jedoch die ordnungsgemäße Beifügung nicht kontrollierte und darauf der Kesselinhalt koaguliert ist.

Der Kläger hat seine Klage, die am 19. Mai 2004 nach Zugang der Kündigung am 04. Mai 2004 eingegangen ist, im Wesentlichen damit begründet, dass er davon ausgegangen sei, als der Reaktor 301 einen Alarm ausgelöst habe, dass er die damit angezeigte Dosierung bereits vorgenommen habe, weswegen er den Alarm quittiert und andere zeitgebundene Arbeiten fortgesetzt habe. Ein Blick auf den Bildschirm habe ihm gezeigt, dass die Dosierung abgelaufen gewesen sei, wobei er sich dahingehend geirrt habe, dass er bei einer durchgeführten Dosierung nicht die Reset-Taste gedrückt habe und die Anzeige zu einem anderen Dosierungsvorgang gehörte. Er habe die Dosierung in das Dosierbuch eingetragen, weil er angenommen habe, dass er die Dosierung nach dem quittierten Alarm durchgeführt hätte. Die nicht vorgenommene Dosierung hätte ungefähr 6 Minuten Zeit in Anspruch genommen und man bis zu 10 Minuten später erst nach Ablauf der Dosierung feststellen könne, dass sich die Temperatur wie vorgesehen auch ändere.

Bei der zeitlichen Dichte der Dosierung seien zahlreiche Arbeitsvorgänge parallel auszuführen, was dazu führen könne, dass auch erfahrenen Mitarbeitern Fehler unterliefen. Nach dem Vorfall sei ein weiteres Kontrollbuch in der Messwarte eingeführt worden, was den Schluss zulasse, dass die Betriebsabläufe nicht optimiert seien.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die schriftliche fristlose Kündigung mit Datum vom 04.05.2004, zugegangen am 04.05.2004, beendet worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die schriftliche ordentliche Kündigung mit Datum vom 04.05.2004, zugegangen am 04.05.2004, beendet wird.

3. Für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen wird die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Vertragsbedingungen tatsächlich weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat diesen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger nach einem Vorfall am 25.06.2003, der ähnlichen Fehlergehalt aufgewiesen habe, am 26.04.2004 die Dosierung unterlassen habe, was er hätte unschwer erkennen können, weil der erfolgreiche Start der Extenderdosierung spätestens nach einer Minute am so genannten Fahrstreifen erkennbar sei. Der Kläger habe eine Arbeitsleistung vorgetäuscht, als er eine vorgeschriebene Kontrolle des Fahrstreifens an der Messtafel nicht durchgeführt und dies dennoch ebenso wie die unterlassene Dosierung als erfolgt in den betrieblichen Aufzeichnungen dokumentiert habe.

Das Arbeitsgericht hat durch das Urteil vom 21.09.2004 der Klage insoweit stattgegeben, als es die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam erklärt, der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung jedoch Wirksamkeit beigelegt hat.

Das Arbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung als sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG deshalb angesehen, weil der Kläger bei dem fraglichen Vorfall mehrere Unterlassungen begangen habe, die sich als schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten darstellten und zu einem erheblichen Schaden geführt hätten.

Gerade die vorgeschriebenen Kontrollen seien Arbeitsanweisungen von höchster Bedeutung, weil sie sicherstellen sollten, dass Abweichungen im Produktionsablauf zeitnah festgestellt werden könnten oder dann, wenn ein Fehler aufgetreten sei, die erforderlichen Gegenmaßnahmen ohne Verzug einleiten zu können.

Die Beklagte müsse sich darauf verlassen können, dass derartige wichtige Kontrollanweisungen ebenso befolgt werden, wie die Anweisung, die die Dosierung selbst betreffen würden.

Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass er überfordert gewesen sei, weil er die sechs vorzunehmenden Dosierungen bereits vorbereitet hatte und sie nur noch zu starten brauchte. Die weiteren Tätigkeiten des Klägers nach der von ihm nicht gestarteten Dosierung zeigten, dass er durchaus in der Lage sei, kurz hintereinander durchzuführende Dosierungen zu starten.

Auch die erforderliche Abmahnung, die man bei Kündigung wegen Störungen im Leistungsbereich fordere, sei in dem Vorfall vom 25.06.2003 zu erkennen, bei dem der Kläger eine Kontrolle nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise durchgeführt und dennoch in das Kontrollbuch als vorgenommen eingetragen habe. Auch bezüglich der Interessensabwägung sei zwar die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers und seine Unterhaltsverpflichtungen zu sehen, wobei der Kläger erst 42 Jahre alt sei und durchaus die Chance habe, eine andere Arbeit zu finden. Die Verstöße des Klägers im Zusammenhang mit der Durchführung von Kontrollen beträfen zudem den Vertrauensbereich und der Kläger habe einen hohen Schaden verursacht. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, den Kläger in eine Serviceagentur zu versetzen, um von dort aus eine neue Beschäftigung für den Kläger zu finden, weil nicht ersichtlich sei, dass für den Kläger ein geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden sei, wobei im Hinblick auf die Störung des Vertrauensverhältnisses ein Einsatz des Klägers auf Dauer auch nicht zuzumuten sei.

Das Verhalten des Klägers rechtfertige jedoch keine außerordentliche Kündigung, wobei zumindest in der auch hier vorzunehmenden Interessensabwägung die Kammer zur Auffassung gelangt ist, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung für die Dauer der Kündigungsfrist zugemutet werden könne, wenn man den Kläger bis dahin mit weniger verantwortungsvollen Aufgaben hätte betrauen können.

Nach Zustellung des Urteils am 02.12.2004 hat der Kläger am 23.12.2004 Berufung eingelegt, die er am 31.03.2005 innerhalb verlängerter Frist im Wesentlichen damit begründet wurde, dass dem Umstand, dass der Kläger in einer Nachtschicht vorwiegend alleine für gefahrgeneigte betriebliche Abläufe von größerer produktivem Ausmaß und Schadensrisiko verantwortlich sei, für ein Organisationsverschulden der Beklagten spreche, was auch aus der Stellungnahme des Betriebsrates entnommen werden könne. Aus der Bedienungsanweisung für Kesselfahrer ergebe sich zudem, dass der Kläger vorwiegend Kontrolltätigkeiten und Dosierung am PC-Bildschirm durchzuführen habe, was abwechslungsarme Beobachtungsaufgaben seien, die in eintöniger Umgebung zu später Stunde zu psychischen Ermüdungserscheinungen wie Monotonie und herabgesetzter Vigilanz führe. Hierdurch werde die Fehlerhäufigkeit und die Unfall- und Verletzungsgefahr gesteigert. Zudem habe der Kläger zahlreiche Arbeitsschritte parallel und in zeitlicher Dichte zu bewältigen, was zu Übermüdung und Stresssymptomen führen könne, weswegen die Beklagte die Pflicht habe, geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen.

Aus den Fehlleistungen des Klägers könne nicht auf eine generelle Unzuverlässigkeit für die Zukunft geschlossen werden, zumal dem Kläger nur eine leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Zudem könne von keinem hohen finanziellen Schaden ausgegangen werden, der vom Kläger verursacht worden sei und die vorausgegangene Abmahnung sei falsch gewichtet worden, weil der Kläger mit einer Betriebsbuße belegt worden sei, weswegen das Verhalten des Klägers am 25.06.2003 nur ein vermindertes Gewicht haben könne.

Der Umstand, dass der Kläger über 14 Jahre ohne Beanstandung gearbeitet habe, müsse eigentlich dazu führen, dass eine Kündigung insgesamt nicht die angemessene Reaktion auf das Verhalten des Klägers sei, sondern vielmehr hätte die Beklagte den Kläger auf einen Arbeitsplatz, der seinen individuellem Leistungsvermögen gerecht werde, umsetzen müssen.

Der Kläger beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die schriftliche Kündigung vom 04.05.2005 zugegangen am 04.05.2005 beendet worden ist.

2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag wird die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, unter Einlegung einer Anschlussberufung,

die Berufung zurückzuweisen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte bringt vor,

der Kläger habe dem Reaktor R 301-2070 eine Dosierung um 00:46 Uhr zufügen sollen, was nicht erfolgt sei, ebenso wenig wie eine Kontrolle im Hinblick auf die erfolgte Dosierung am Fahrstreifen, wie in der Arbeitsanweisung vorgeschrieben. Dennoch habe der Kläger die Dosierung und deren Dauer in das Dosierbuch eingetragen.

Herr Z. habe bei seiner Rückkehr in die Messwarte gegen 01:10 Uhr sofort festgestellt, dass der Reaktor R 301 nicht den gewohnten Temperaturverlauf zeige. Der Kläger habe versichert, alles korrekt abgewickelt zu haben, wobei Herr Z. keinen Hinweis auf die erfolgte Dosierung fand, weswegen der Schichtführer zur weiteren Kontrolle gerufen worden sei, habe Herr Z. die Feuerwehr verständigt und die für die Situation vorgeschriebene Maßnahmen eingeleitet. Der Kesselinhalt sei koaguliert und der Reaktor habe ab 26.04. bis 20.05.2005 stillgestanden, um umfangreiche Reinigungsmaßnahmen durchführen zu können.

Der Kläger habe bereits am 23.07.2003 eine Entlassungsandrohung erhalten, da er falsche Eintragungen in das Kontrollbuch gemacht habe, weswegen die Beklagte sich nicht mehr in der Lage gesehen habe, den Kläger weiter zu beschäftigen, weswegen außerordentlich gekündigt worden sei. Diese Kündigung sei auch wirksam und deshalb sei das Urteil des Arbeitsgerichtes abzuändern, weil der Kläger in schwerem Maße wiederholt gegen das in ihn gesetzte Vertrauen und seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe.

Die Berufung des Klägers sei darüber hinaus auch deshalb unbegründet, weil zumindest die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe, dass weder eine psychische Sättigung noch die vom Kläger behauptete Monotonie bei der Tätigkeit das Verhalten des Klägers rechtfertigen oder in besserem Lichte erscheinen lassen könne.

Der Kläger trage schließlich vor, dass er zahlreiche Arbeitsschritte parallel in zeitlicher Dichte habe bewältigen müssen, so dass von Monotonie kaum die Rede sein könne und auch nicht erkennbar sei, dass der Kläger der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit fehle. Auch habe der Kläger eine Abmahnung für sein Verhalten am 25.06.2003 erhalten, die nicht durch die Verhängung einer Geldbuße abgeschwächt werde, weil die BV 3 ausdrücklich eine Abmahnung neben anderen Disziplinarmaßnahmen zulasse.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis durch Augenscheineinnahme am 01. September 2005 erhoben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und Anlagen, die die Parteien im Berufungsverfahren zur Akte gereicht haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 97-105 d. A.).

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 01.09.2005 (Bl. 192-193 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist ebenso wie die Anschlussberufung der Beklagten zulässig, weil innerhalb der gesetzlichen Fristen eingereicht und begründet.

Beiden Berufungen ist jedoch deshalb kein Erfolg beschieden, weil das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten mit dem 30.09.2004 seine Beendigung gefunden hat und die erklärte außerordentliche Kündigung unwirksam ist.

Die Berufung des Klägers:

Die Berufung des Klägers greift zu Unrecht die Entscheidung des Arbeitsgerichtes an, soweit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen Wirksamkeit beigelegt worden ist, weil ein verhaltensbedingten Kündigungsgrund i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG vom Arbeitsgericht bejaht ist.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger vorwerfbar in der Schicht vom 25. auf den 26.04.2004 mehrere Unterlassungen begangen hat, die zu der betrieblichen Störung geführt haben.

Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass es sich bei den Arbeitsanweisungen um wichtige Vorgaben von hoher Bedeutung handeln, weil, wie vorliegend bewiesen, jede Fehlleistung Wirkung von sehr großem Umfang nach sich ziehen.

Das Arbeitsgericht hat auch richtig ausgeführt, dass Zeitnot für die Fehlleistung des Klägers nicht ausschlaggebend sein kann, da er ausreichend Zeit hatte, alle vorzunehmenden Dosierungen bereits vorab vorzubereiten, so dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Dosierung dann zu starten ist, lediglich noch ein Handgriff erforderlich ist.

Die durchgeführte Beweisaufnahme durch Einvernahme des Augenscheins durch den Vorsitzenden der Berufungskammer hat dies bestätigt, weil der Befüllvorgang bereits dadurch vorbereitet werden kann, dass die Menge des zuzugebenden Stoffes für den einzelnen Reaktor auf dem Schaubild eingegeben werden kann, was auch, da der Befüllvorgang später zu starten ist, rechtzeitig in Zeiten erfolgen kann, in denen andere Tätigkeiten nicht zu verrichten sind. Der Kläger hatte in der fraglichen Zeit von 00:00 Uhr bis 01:00 Uhr insgesamt sechs Dosierungen durchzuführen, wobei auf die Darstellung im Beklagtenschreiben vom 26.08.2004 auf Seite 3 Bezug genommen wird und woraus sich ergibt, dass von 00:00 Uhr bis 00:15 Uhr ein Zeitraum zur Verfügung gestanden hat, die verschiedenen Dosierungen vorzubereiten und auch zwischen 00:15 Uhr und 00:33 Uhr, so dass die um 00:44 Uhr, 00:46 Uhr, 00:48 Uhr und 00:50 Uhr zu startenden Dosierungen haben problemlos durchgeführt werden können, weil das Starten mit der so genannten Digimatic durch eine einfache Handbewegung am Tisch der Messwarte durchgeführt werden kann. Die Abfolge in der hier zur Beurteilung stehenden Stunde können zugleich auch den Einwand des Klägers widerlegen, dass er einer gewissen Monotonie unterworfen sei, die mit ursächlich für den Störfall sei. Wenn auch nicht verkannt werden kann, dass der Kläger in der Nachtschicht lange Zeiten allein in der Messwarte sitzt, die wie in Fabriken üblich schmucklos und nur mit technischen Geräten versehen sich darstellt, tritt doch bei Schichtarbeitern, die wie der Kläger dies jahrelang tun, eine Gewöhnung an die Arbeitsumgebung ein, worauf es jedoch für den fraglichen Zeitpunkt deshalb nicht ankommt, weil der Kläger selbst ausführt, dass er im fraglichen Zeitabschnitt unter erhöhtem Arbeitsdruck gestanden habe. Diese Ausführung verdrängt den Einwand, dass es sich um eine monotone Arbeitssituation handele.

Aber auch ein Zeitdruck ist deshalb nicht erkennbar, weil für eine erfahrenen Schichtarbeiter wie dem Kläger die Abläufe vertraut sind und ausreichend Vorbereitungszeit bestanden hat, wie auch die Vergangenheit belegt, um die Arbeitsschritte vorzubereiten und die Auslösung, wie oben ausgeführt, wenig Zeit für sich in Anspruch nimmt.

Da der Kläger auch nicht den Verlauf jeder Dosierung abwarten muss, bevor eine andere gestartet wird, ist das nacheinander Abarbeiten in den vorgegebenen Zeitabschnitten machbar.

Der betreffende Mitarbeiter wird auch durch ein rotes Umlicht und ein lautes Hupsignal darauf aufmerksam gemacht, dass ein Befüllvorgang einzuleiten ist. Um monotonen Geschehensabläufen entgegen zu wirken ist das Abschalten der Hupe nur dann durchführbar, wenn man an die gegenüberliegende Wand läuft, die etwa drei Meter Fußweg entfernt ist, während die rote Blinklampe üblicherweise in Funktion bleibt, bis die Dosierung beendet ist. Durch diese Vorkehrung wird dem Mitarbeiter sehr deutlich eine Signal gegeben, dass ihn aus einer desinteressierenden Haltung reißt, weil das Hupsignal, was die Augenscheinnahme ergab, sehr laut permanent zu vernehmen ist.

Der Kläger selbst räumt ein, dass er diese beiden Signale wahrgenommen hat, aber davon ausgegangen ist, dass er diese Dosierung bereits vorgenommen hat. Dies ist für die Berufungskammer deshalb nicht nachvollziehbar, weil sich der Geschehensablauf gerade anders darstellt, weil nämlich die Hinweise durch Rotlicht und lautes Hupsignal gerade anzeigen sollen, dass eine Dosierung vorzunehmen ist. Der Kläger hatte um 00:44 Uhr Bittersalz für den Reaktor R 312 mit der Digimatic zu starten, wobei bei dieser Dosierung ebenfalls die gerade genannten Hinweissignale gegeben waren. Der Kläger hat diese Dosierung ordnungsgemäß durchgeführt und dann gab es zwei Minuten später erneut die Signale zur Dosierung und zwar für den Reaktor R 301. Selbst wenn man den Versuch der Erklärung seitens des Klägers folgen wolle, dass er glaubte, trotz seiner neu erscheinenden Hinweissignale, dass er bereits die Dosierung für den Reaktor R 301 gestartet hatte, hätte er im Anschluss daran bei der Kontrolle des Fahrstreifens erkennen können, weil dort der Kurvenverlauf sich nicht so dargestellt hat, wie er gewesen wäre, wenn eine Dosierung erfolgt wäre. Der Fahrstreifen, zu dem der Mitarbeiter sich hinbegeben muss, zeigt mit einer Zeitverzögerung von einer Minute die maßgeblichen Werte an. Auch diese Pflicht, eine Kontrolle anhand der Temperaturen nach durchgeführter Dosierung vorzunehmen, hat der Kläger nicht erfüllt, was eine weitere vertragliche Pflichtverletzung darstellt.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht auch das Vorliegen einer einschlägigen Abmahnung durch den Vorfall vom 25.06.2003 bejaht, als dem Kläger mit Schreiben vom 23.07.2003 das Ergebnis der Kommission O mitgeteilt und im letzten Absatz eine Abmahnung durch die Beklagte erteilt wurde.

Diese individual-rechtliche Abmahnung ist zulässig, obwohl eine Abmahnung auch im Maßnahmenkatalog der Kommission O, BV 3, enthalten ist.

Für die Berufungskammer besteht kein Anlass davon auszugehen, dass durch die Aufnahme der Maßnahme Abmahnung in den Katalog, der der Kommission O zur Ahndung von betrieblichen Vergehen zur Verfügung steht, ausgeschlossen ist. Neben der betriebsverfassungsrechtlichen Ahndungsebene besteht das Recht des Arbeitgebers, gestützt auf den individuellen Arbeitsvertrag, Rügen oder Abmahnungen zu erteilen, uneingeschränkt weiter.

Damit ist der Kläger einschlägig abgemahnt worden, hat eine zurechenbare Vertragsverletzung von erheblichem Umfange begangen, wobei es auf die konkrete Höhe des eingetretenen Schadens nicht ankommt, weil nämlich auch ein vom Kläger eingeräumter Produktionsausfall von 4-5 Tagen neben dem Produktionsausfall auch noch die Kosten für die Mitarbeiter zu Buche schlagen.

Nach alledem ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis zum Ablauf 30.09.2004 aufgelöst hat.

Die Anschlussberufung der Beklagten:

Die Anschlussberufung der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen, weil das Verhalten des Klägers keinen Grund für eine fristlose Kündigung abgibt, wobei die sich insbesondere im Rahmen der auch bei außerordentlichen Kündigungen anzustellenden Interessensabwägung, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist, ergibt.

Die Kammer schließt sich der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Interessensabwägung an, dass nämlich angesichts der Betriebszugehörigkeit des Klägers und der Tatsache, dass ein Vorsatz des Klägers nicht bejaht werden kann, da der Kläger sich dahingehend eingelassen hat, dass er, wenn auch irrigerweise, davon ausgegangen sei, die Dosierung gestartet zu haben, liegt in der Eintragung der Durchführung der Dosierung kein eigenständiger Vorwurf, sondern lediglich in der nicht durchgeführten Dosierkontrolle. Allein dieser Vorwurf rechtfertigt jedoch lediglich die für wirksam erachtete verhaltensbedingte ordentliche Kündigung der Beklagten.

Nach dem Vorstehenden sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger zu 2/3 und der Beklagten zu 1/3 aufzuerlegen, was dem Umfang des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens entspricht, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97, 92 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist deshalb nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG erkennbar nicht erfüllt sind.

Der Kläger und die Beklagte können die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angreifen, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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