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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 320/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 320/06

Entscheidung vom 07.09.2006

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 09.12.2005 - AZ: 6 Ca 1549/05 - insoweit abgeändert als die Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 04.08.2005, zugegangen am 05.08.2005, nicht beendet worden ist.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 04.08.2005, dem Kläger unstreitig am 05.08.2005 zugegangen, deshalb erklärt hat, so das Kündigungsschreiben, weil sich der gegen den Kläger bestehende und geäußerte Verdacht durch die staatsanwaltlichen Ermittlungen bestätigt und gefestigt habe, wobei der Vorwurf dahin geht, dass im Zeitraum 29.01. bis 05.04.2005 auf Firmenkosten Superbenzin im Gesamtwert von 319,03 € unberechtigt getankt worden ist.

Der Kläger hat seine Klage, soweit noch von Interesse, im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Geschäftsführer der Beklagten am 14.04.2005 bei der Polizeistation R Strafanzeige gegen den Kläger gestellt habe, weswegen die einzuhaltende 2-Wochen-Frist verstrichen sei.

Darüber hinaus habe auch keine Anhörung stattgefunden, da die gemeinsame Besprechung mit allen Mitarbeitern am 05.04.2005 nicht als Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung gewertet werden könne.

Der Kläger habe einmal im Einverständnis mit dem Geschäftsführer der Beklagten Benzin getankt, was jedoch nicht Gegenstand der Vorwürfe sei, und ansonsten habe er nur Diesel für die dienstlichen Fahrzeuge gekauft.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 04.08.2005, zugegangen am 05.08.2005, nicht beendet worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 195,42 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die fristlose Kündigung vom 04.08 sowohl als Tat-als auch als Verdachtskündigung wirksam sei, zumal mittlerweile gegen den Kläger aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 2.000,-- € ergangen sei. Zudem habe der Tankwart der A-Tankstelle den Kläger eindeutig als Täter identifiziert.

Die Kündigung sei auch vom dringenden Tatverdacht getragen, weil Anfang April 2005 alle Mitarbeiter zu der Tat angehört worden seien und die Anhörung des Klägers sinnlos gewesen sei, da er habe in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen wollen.

Der Geschäftsführer habe erstmals am 04.08.2005 erfahren, dass die Ermittlungen gegen den Kläger abgeschlossen und ein Strafbefehl beantragt worden sei. Damit habe er eine hinreichende Kenntnis von der Täterschaft des Klägers gehabt.

Das Arbeitsgericht hat der Leistungsklage in Ziffer 1 entsprochen und den Kündigungsschutzantrag abgewiesen.

Dieses ist im Wesentlichen damit begründet worden,

dass die Kündigung als Verdachtskündigung gerechtfertigt sei, da objektive Tatsachen, die den dringenden Verdacht einer Straftat des Klägers zu Lasten der Beklagte begründeten, was aus der Ankündigung der Oberamtsanwältin H vom 04.08.2005 gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten, dass man einen Strafbefehl gegen den Kläger beantrage, entnommen werden könne.

Eine nochmalige Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung sei deshalb nicht erforderlich gewesen, weil dem Geschäftsführer der Beklagten im Gespräch mit der Oberamtsanwältin mitgeteilt worden sei, dass der Kläger die Tat nach wie vor bestreite.

Die Ausschlussfrist sei gewahrt, weil der Arbeitgeber die Kündigungserklärung vom Fortgang des Strafermittlungsverfahrens abhängig machen durfte. Selbst wenn die Beklagte bei Anzeigenerstattung am 14.04.2005 bereits einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger gehabt hatte, sei es ihr nicht verwehrt gewesen, zunächst den Fortgang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten.

Nach Zustellung des Urteils am 15.03.2006 hat der Kläger Berufung eingelegt, die am 18.04.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und zugleich begründet worden ist.

Der Kläger greift die klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen damit an,

dass die Kündigung vom 04.08.2005 ausdrücklich als Verdachtskündigung ausgesprochen worden sei und keine ausreichende Anhörung stattgefunden habe, was jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung sei. Die kollektive Anhörung genüge nicht den Anforderungen, die an eine Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung zu stellen sei.

Eine Tatkündigung habe die Beklagte nicht ausgesprochen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 09.12.2005 - AZ: 6 Ca 1549/05 - wird zu Ziffer 2) dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 04.08.2005, zugegangen am 05.08.2005, nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit,

dass die Kündigung sowohl nach dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung als auch unter dem der Tatkündigung wirksam sei und das Arbeitsverhältnis mit Zugang beendet habe.

Die Beklagte habe den Kläger vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß deshalb angehört, weil der Kläger bereits durch die durchgeführten kollektiven Informationen der Gesamtbelegschaft von den Straftaten informiert gewesen sei. Dass sich der Vorwurf gegen ihn richte, habe der Kläger bei seiner Vorladung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am 17.04.2005 erfahren. Da er seine Täterschaft bestritten habe, sei eine weitere Anhörung nicht erforderlich.

Der Ausspruch einer Verdachtskündigung schließe die Tatkündigung nicht aus. Vielmehr erweise sich, wenn die Täterschaft des Arbeitnehmers erwiesen sei, der Verdacht in seiner schärfsten Form.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 109-115 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, gerichtet gegen den klageabweisenden Ausspruch des arbeitsgerichtlichen Urteils in Ziffer 2, ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist auch deshalb erfolgreich, weil das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage des Klägers zu Unrecht abgewiesen hat.

Die Wirksamkeit der erklärten Kündigung scheitert daran, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB von der Beklagtenseite nicht beachtet worden ist.

Der Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 04.08.2005 bezieht sich auf eine Tatkündigung, weil die Beklagte schreibt, dass sich der gegen den Kläger bestehende und geäußerte Verdacht durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bestätigt und gefestigt hat. Damit bringt sie zum Ausdruck, dass gerade nicht der dringende Tatverdacht, der Kläger habe unberechtigter Weise auf Kosten der Firma Superkraftstoff getankt, der Grund für die Kündigung ist, sondern dass sich der bislang bestehende und auch geäußerte Verdacht mittlerweile bestätigt hat, dass also die Täterschaft des Klägers feststeht. Diese Kenntnis, dass der Kläger der Täter ist, hatte der Geschäftsführer der Beklagten aber bereits bei Anzeige bei der Polizeistation in R, welche er am 14.04.2005 erstattet hat. Ausweislich der Strafanzeige, die die Beklagtenseite mit Schreiben vom 09.09.2005 vorgelegt hat, hat der Geschäftsführer der Beklagten, Axel A eine Anzeige gegen den Kläger konkret erhoben und dies damit begründet, dass er bei seinen Nachforschungen deshalb auf den Kläger gestoßen sei, weil der Tankwart auf einer Fotocollage der Mitarbeiter der Beklagten den Kläger erkannt habe.

Damit ist belegt, dass der Geschäftsführer der Beklagten nicht nur von der Tat, sondern auch von dem Täter Kenntnis hatte, zumal auch der Ermittlungsbehörde keine weiteren Erkenntnisquellen zugänglich gewesen sind, als die Zeugen zu vernehmen, die in der Lage sind, den tankenden Täter zu benennen. Wenn aber der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung möglich machen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht, beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Nur dann, wenn es noch erforderlich erscheint, dass weitere Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, kann die Ausschlussfrist gehemmt werden. Davon ist im vorliegenden Falle nicht auszugehen, weil der Kläger von dem Tankwart auf Nachfrage des Geschäftsführers der Beklagten eindeutig identifiziert worden ist.

Die Beklagte kann die Wahrung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB auch nicht dadurch herbeiführen, dass sie nach Abschluss der Ermittlungen, die das Ergebnis, das der Geschäftsführer der Beklagten bereits erreicht hatte, bestätigen, nunmehr auf eine Verdachtskündigung rekurriert und erst den Zeitpunkt in dem von Seiten der Staatsanwaltschaft am 04.08.2005 das Ergebnis der Ermittlungen, dem Geschäftsführer bekannt gegeben worden ist, als Beginn der Frist zugrunde legt.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Verdacht nicht bestärkt worden, weil etwa neue Erkenntnismöglichkeiten sich aufgetan haben, sondern, was sich aus dem Schreiben vom 12.10.2005 ergibt, dass die Ermittlungen dazu geführt haben, dass der Tankwart den Kläger erkannt habe. Dies wusste der Geschäftsführer der Beklagten allerdings bereits bei Anzeigenerstattung am 14.04.2005.

Aus diesem Grunde kann die Frage offen bleiben, ob, wenn nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens tatsächlich eine Verdachtskündigung erklärt worden ist, die notwendige Anhörung stattgefunden hat, als der Geschäftsführer der Beklagten alle Mitarbeiter zusammengerufen hat und den unbekannten Täter aufforderte, sich zu erklären, da ansonsten eine Strafanzeige erstattet werde.

Genauso kann dahingestellt bleiben, ob bei Ausspruch einer Verdachtskündigung ein Zuwarten von Anzeigenerstattung am 14.04.2005 bis zu dem Gespräch bei der Oberamtsanwältin am 04.08.2005 der Zeitraum gewahrt ist, der demjenigen, der einen Verdacht hegt, eingeräumt wird, um weitere Nachforschungen anzustellen, zumal die Beklagtenseite nichts dazu vorgebracht hat, in welche Richtung von ihr aus weitere Nachforschungen angestellt sind, nachdem die Strafanzeige gegen den Kläger am 14.04.2005 erstattet war.

Nach dem Vorstehenden ist das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz abzuändern, wo es die Kündigungsschutzklage in Ziffer 2) des Tenors abgewiesen hat und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten am 04.08.2005 nicht beendet worden ist, was dazu führt, der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, § 97 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Angesichts der gesetzlichen Vorgaben in § 72 Abs. 2 ArbGG ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden kann, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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