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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 324/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 60
InsO § 60 Abs. 1 S. 1
BGB § 670
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 324/05

Entscheidung vom 17.11.2005

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28.01.2005 - AZ: 2 Ca 1437/04 - wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35,26 € netto zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, welche bei der Fa. Z. GmbH beschäftigt ist, fordert mit ihrer Klage vom 17. Mai 2004 vom Beklagten als dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. Z. GmbH die Vergütung für den Zeitraum August bis Oktober 2003 in der Höhe von insgesamt 6.600,22 € brutto nebst einer entsprechenden gesetzlichen Verzinsung und noch einen Betrag von 35,26 € netto und bringt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass der Beklage ab 01.02.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des bisherigen Arbeitgebers bestellt worden sei und die Klägerin ab dem 01.02.2003 weiterbeschäftigt habe. Die Klägerin und andere Mitarbeiter hätten den Beklagten mehrfach darüber informiert, dass im Betrieb Unregelmäßigkeiten von statten gingen und Ware ohne Rechnung und Wissen des Beklagten veräußert werde, was dazu geführt habe, dass etwa 100.000,-- € aus dem Vermögen der Fa. Z. GmbH gestohlen oder unterschlagen worden seien, was dazu geführt habe, dass der Beklagte mit Schreiben vom 01.09.2003 mitgeteilt habe, dass er die Löhne wegen einer Masseunzulänglichkeit nicht mehr begleichen könne.

Es stehe ihr zudem ein Nettobetrag über 35,26 € deshalb zu, weil der Beklagte in seiner Funktion als Insolvenzverwalter die Klägerin gebeten habe, den privaten AOL-Anschluss für die Zwecke der Z. GmbH vorübergehend zur Verfügung zu stellen, was auch so gehandhabt worden sei. Die Kostenübernahme sei nur bis zum Juli 2003 erfolgt, während die geforderte Nettosumme offen sei, die als Masseschuld anerkannt, jedoch nicht gezahlt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.600,22 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 6.600,22 € vom 01.09.2003 - 30.09.2003, aus 4.400,16 € vom 01.10.2003 - 31.11.2003 sowie 6.600,22 € seit dem 01.11.2003 zu bezahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 35,26 € netto zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine persönliche Inanspruchnahme seiner Person als Insolvenzverwalter nicht gegeben seien, weil es keine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflichten gebe. Im Übrigen sei auch keine Kausalität für einen etwaigen Schaden der Klägerin durch sein Verhalten gegeben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin nicht substantiiert dargetan habe, wann wer wen mit welchen Informationen versehen hätte, dass man auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten im Rahmen seiner Insolvenzverwaltung habe erkennen können.

Im Rahmen eines Strafverfahrens habe sich zudem ergeben, dass die Klägerin selbst die Wochenproduktionszettel auf Anweisung des Herrn Y., dem bisherigen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin in ihrem Schreibtisch verwahrt habe und diese erst im Rahmen der polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen Herrn A., einem Mitarbeiter des Beklagten, ausgehändigt habe. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten sei auf jeden Fall nicht zu erkennen, so dass auch der Leistungsantrag im Hinblick auf die ausstehenden Gehälter nicht begründet sei.

Auch ein Ersatzanspruch über den weiter geforderten Nettobetrag von 35,26 € sei nicht gegeben, da es sich hierbei um eine Masseverbindlichkeit handele, die gegenüber dem Beklagten nicht direkt und persönlich geltend gemacht werden könne.

Die Klägerin habe auch keinen substantiierten Tatsachenvortrag dazu gebracht, wann der Beklagte eine persönliche Haftung für die AOL-Anschlusskosten übernommen habe.

Nach Zustellung des Urteils am 17.03.2005 hat die Klägerin Berufung am 18.04.2005 (Montag) eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 13.06.2005 im Wesentlichen damit begründet, dass dem Beklagten regelmäßig und frühzeitig durch verschiedene Mitarbeiter Informationen darüber erteilt worden seien, dass der Geschäftsführer Y. Unregelmäßigkeiten zu Lasten der Firmenkasse begehe. Auch der Zeuge A., der für den Beklagten die Unterlagen im Betrieb abgeholt habe, sei darauf angesprochen worden, habe jedoch kein Interesse an der Information gezeigt.

Auf die Frage, wann Strafanzeige gegen den früheren Geschäftsführer Y. erstattet worden sei, könne es deshalb nicht ankommen, weil der Beklagte dann, wenn er seinen Verpflichtungen als Insolvenzverwalter rechtzeitig und umfassend nachgekommen wäre, der eingetretene Schaden hätte nicht entstehen können.

Bezüglich der Kosten für den privaten AOL-Anschluss habe der Beklagte der Klägerin persönlich die Übernahme der Kosten zugesagt, woraufhin die Kosten auch bis Juli 2003 erstattet worden seien.

Die Klägerin beantragt,

das am 28.01.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - AZ: 2 Ca 1437/04 - aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin 6600,22 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 2.200,06 € vom 01.09.03 bis zum 30.09.03, aus 4.400,16 € vom 01.10.03 bis zum 31.10.03 sowie aus 6.600,22 € seit dem 01.11.03, abzüglich gezahlter 1.563,50 € Lohnersatzleistungen zu bezahlen,

2. an die Klägerin 35,26 € netto zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis durch Einvernahme des Zeugen B. erhoben, wobei wegen dessen Bekundungen auf die Sitzungsniederschrift vom 17.11.2005 (Bl. 164-167 d. A.) verwiesen wird.

Daneben wird zur Darstellung des Tatbestandes und des weiteren Vorbringens auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Darüber hinaus wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 98-99 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die zulässige Berufung ist jedoch nur im Hinblick auf den geltend gemachten Erstattungsbetrag für den von der Klägerin für die Nutzung der Fa. Z. H--GmbH zur erledigenden Geschäfte vorgehaltenen AOL-Anschluss in der geltend gemachten Höhe, die unstreitig 35,26 € netto beträgt, begründet.

Der Klägerin steht der mit Ziffer 1 der Klage geltend gemachte Betrag als Schadenersatz dafür nicht zu, dass der Beklagte als Insolvenzverwalter die Monate August bis Oktober 2003 trotz Arbeitsleistung der Klägerin und unter Berücksichtigung der Leistung der Arbeitsverwaltung nicht erfüllen kann.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung, die den Beklagten als Insolvenzverwalter zum Schadenersatz verpflichten würde, nicht erkannt werden kann.

Die allein in Betracht kommende Vorschrift des § 60 InsO setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter der Klägerin gegenüber schuldhaft Pflichten verletzt, die sich aus der Insolvenzordnung ergeben, § 60 Abs. 1 S. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter hat dabei die dem Schuldner als Arbeitgeber obliegenden Pflichten zu erfüllen, wobei es sich aber um schuldrechtliche Vertragspflichten handelt und nicht etwa um insolvenzspezifische Pflichten, so dass für die Nichterfüllung der Arbeitgeberpflichten, wie der Lohnzahlung, regelmäßig nur die Insolvenzmasse haftet. Der Insolvenzverwalter tritt insoweit nur in die Rechtstellung des Schuldner-Arbeitgebers ein, was auch für die Erfüllung von Arbeitsentgeltansprüchen als Masseverbindlichkeiten gilt.

Wird eine Masseverbindlichkeit vom Insolvenzverwalter nicht rechtzeitig erfüllt, so stellt sich der daraus ergebende Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens wiederum als Masseverbindlichkeit dar, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, für die der Insolvenzverwalter nicht persönlich haftet. Der Vorwurf der Klägerin, der bei ihr eingetretene Schaden, der sich dahingehend darstellt, dass die Löhne für den Zeitraum August bis Oktober 2003, soweit sie die Leistung der Arbeitsverwaltung überschreiten, sei darauf zurückzuführen, dass sich der Beklagte nicht um die Pflichten gekümmert habe, die ihn als Insolvenzverwalter treffen, ist nicht berechtigt.

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat nämlich ergeben, dass der Zeuge B. mit Herrn E. allenfalls ein Gespräch kurz nach Eröffnung der Insolvenz geführt hat, woraufhin die Arbeit wieder aufgenommen wurde. Dies ist zeitlich nach dem 01.02.2003 gewesen, weil dann nach Ablauf des Insolvenzgeldzeitraumes der Betrieb unstreitig vom Beklagten weitergeführt worden ist. Ein weiteres Gespräch hat der Zeuge auf den Mai oder Juni 2003 datiert, in dem er mit Herrn E. gesprochen hat, wobei es um die verzögerte Gehaltszahlung gegangen ist. Die übrigen Informationen, so der Zeuge B., habe er einer Sekretärin im Büro E. gegenüber gemacht und erwähnt, dass Produktionen erfolgten, die nicht auf Lager gingen, wobei er auch die Heizölkäufe, die nicht mit der Betriebsproduktion in Einklang gestanden hätten, der Sekretärin mitgeteilt habe. Herrn A. der im Auftrag des Beklagten die betrieblichen Unterlagen am Sitz der Insolvenzschuldnerin holte, habe er nicht informiert.

Aus dieser Aussage kann die Berufungskammer nicht entnehmen, dass der Beklagte in seiner Funktion als Insolvenzverwalter so informiert wurde, dass er hätte näher untersuchen müssen, welche Vorgänge im Betrieb der Fa. Z. GmbH vor sich gehen und sich nachträglich auf das Geschäftsergebnis auswirken können. Nimmt man noch hinzu, dass Herr Y. mit den Mitarbeitern, die betriebsfremd gewesen sind, nicht während der regulären Betriebszeiten der Produktion nachgegangen ist, so können auch die betrieblichen Unterlagen, die der Zeuge B. geführt hat, nicht unbedingt schlüssig Auskunft darüber geben, welche Nebentätigkeiten Herr Y. zum Nachteil der Masse entfaltete und die vom Beklagten hätten in seiner Funktion als Insolvenzverwalter unterbunden werden müssen.

Eine schuldhafte Verletzung der Pflichten in Form eines groben Vernachlässigen der ihn als ordentlichen Kaufmann treffenden Überwachungspflichten kann jedenfalls nicht ausgemacht werden, so dass auch ein Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten persönlich nicht gegeben ist.

Das arbeitsgerichtliche Urteil ist insoweit abzuändern, als der Beklagte an die Klägerin 35,26 € netto dafür zu zahlen hat, dass die Klägerin im betrieblichen Interesse ihren AOL-Anschluss gehalten hat, § 670 BGB. Unbestritten hat die Klägerin auch in der Vorzeit den privaten Internetanschluss für betriebliche Zwecke zur Verfügung gestellt und ihr sind hierfür unstreitig bis Juli 2003 auch die anfallenden Kosten vom Beklagten erstattet worden. Der Beklagte wendet sich in seiner Berufungsbeantwortung auch nicht ausdrücklich gegen diese Verpflichtung, so dass die Berufungskammer davon ausgeht, dass der Anspruch der Klägerin begründet ist.

Die Berufung der Klägerin ist überwiegend unbegründet und deshalb zurückzuweisen, weswegen ihr die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen sind, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist deshalb nicht zugelassen, weil erkennbar die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

Die Parteien werden auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anfechten zu können hingewiesen, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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