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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 442/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 442/06

Entscheidung vom 07.09.2006

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.03.2006 - AZ: 2 Ca 1968/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger, welcher seit 04.12.1974 bei der Beklagten auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 04.12.1974 (Bl. 7-8 d. A.) als Weber überwiegend in der Nachtschicht beschäftigt ist, ab 01. Januar 2006 nach dem Schichtplan nur noch 50 % der Nachtschicht leisten und dies unter Abweichung vom Schichtplan ein halbes Jahr Dauernachtschicht und das andere halbe Jahr im Früh- und Spätschichtrhytmus (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 01.12.2005 nebst der Anlagen (Bl. 18-21 d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat seine Klage vom 23.12.2005 im Wesentlichen damit begründet,

dass dem Kläger nach Durchführung der Qualifizierung zugesagt worden sei, wieder in der Nachtschicht eingesetzt zu werden.

Der Kläger sei jedoch aufgrund der Einsätze in der Tag-Früh- bzw. Spätschicht in seinem allgemeinen Lebensrhytmus so stark gestört, dass er unter ernsthaften gesundheitlichen Problemen leide. Der Kläger hat ein ärztliches Attest vom 05.12.2005 (Bl. 22 d. A.) zur Akte gereicht.

Auch habe der Betriebsrat bei der Lage der täglichen Arbeitszeit des Klägers nicht mitgearbeitet, geschweige denn zugestimmt. Zudem seien schwerwiegende, nachvollziehbare Gründe dafür, dass der Kläger nicht wie bisher ausschließlich in der Nachtschicht einzusetzen, nicht erkennbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Weber - von Vertretungsfällen abgesehen - nur in der Nachtschicht einzusetzen;

2. hilfsweise festzustellen, dass der Kläger nur verpflichtet ist, in der Nachtschicht zu arbeiten, von Vertretungsfällen abgesehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgebracht, dass der Kläger keinen Anspruch darauf erheben könne, nur in der Nachtschicht eingesetzt zu werden, weil eine arbeitsvertragliche Festschreibung dieses Einsatzes nicht erfolgt sei. Der Arbeitsvertrag sehe vor, den Kläger als Weber mit der Versetzungsmöglichkeit in andere Abteilungen mit anderen Arbeiten zu beschäftigen.

Der Kläger sei auch in der Vergangenheit außerhalb der Nachtschicht eingesetzt worden. Zwar habe man dem Kläger zugesagt, sobald die Qualifizierung in der Tagschicht beendet sei, ihn wieder in der Nachtschicht einzusetzen und dabei aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass mittelfristig eine Herausnahme aus der Dauernachtschicht und eine Eingliederung in ein 3-Schichtsystem erfolgen werde.

Auch das vorgelegte Attest des Klägers, dessen Berechtigung man bestreiten müsse, ändere hieran nichts, weil betriebliche Erfordernisse dem entgegenstünden. Das Organisationskonzept Gruppenarbeit mache einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den einzelnen Schichten und dem Koordinator, der nur in Tagschicht beschäftigt werde, notwendig. Er könne aber nur alle Mitarbeiter erreichen, wenn alle Gruppenmitglieder über 3-Schichten rollierten. Lediglich in der Garnerzeugung im im Vollkkondibetreib seien Mitarbeiter noch in Dauernachtschicht beschäftigt, wobei der Kläger eine Beschäftigung in diesem Bereich Anfang November 2005 ausdrücklich abgelehnt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und diese im Wesentlichen damit begründet, weil die Beklagte ihr Direktionsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt habe. Die erheblichen gesundheitlichen Probleme des Klägers würden stärker wiegen als die Notwendigkeit, den Kläger im Wechselschichtsystem der Beklagten zu beschäftigten. Die Kammer hat dem vom Betriebsarzt der Beklagten ausgestellten Attest einen richtigen Inhalt entnommen und hat den Befund als richtig angesehen, während die erhobenen Einwände der Beklagten zu pauschal seien, zumal sich nicht nachvollziehen lasse, dass der erforderliche Informationsaustausch nicht im Wechselzeitpunkt zwischen Nachtschicht und Frühschicht oder zwischen Spät- und Nachtschicht stattfinden könne. Deshalb sei eine Beschäftigung des Klägers im 3-Schicht-System nicht zwingend erforderlich, zumal die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.12.2005 mitgeteilt habe, dass sie bereit sei, ihn ein halbes Jahr in Dauernachtschicht und das andere halbe Jahr im Früh-Spätschichtrhytmus zu beschäftigen, woraus sich ergebe, dass während der halbjährigen Nachtschicht keine Information ausgetauscht werden könne.

Nach Zustellung des Urteils am 23.05.2006 hat die Beklagten am 08.06.2006 Berufung eingelegt, welche am 20.07.2006 im Wesentlichen damit begründet worden ist,

dass die Beklagte ihr Weisungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt habe, weil die Lage der Arbeitszeit des Klägers nicht vertraglich geregelt sei. Bei Ausübung des Direktionsrechtes mit Schreiben vom 01.12.2005 hätte das ärztliche Attest vom 05.12.2005 gar nicht einbezogen werden können, weil es erst am 12.12.2005 bei der Beklagten eingegangen sei. Die Beklagte habe die betrieblichen Belange berücksichtigt, dass das Organisationskonzept der Gruppenarbeit eine Koordination der Arbeitnehmer erfordere und deshalb eine ganzjährige Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Nachtschicht diesem entgegenstehe. Der Koordinator sei nur in Tagschicht tätig, so dass nur bei der Teilnahme im 3-Schicht-Betrieb mit Gruppenarbeit alle Mitarbeiter in diese Maßnahme einbezogen werden können.

Nur ein regelmäßiger Einsatz auch tagsüber über einen hinreichend lange bemessenen Zeitraum festigten die erworbenen Kenntnisse und ermöglichten das Kennen lernen der Fertigungsabläufe sowie der Umgang damit, was auch die auf einen Mindestniveau mühsam erworbenen fachlichen Fähigkeiten des Klägers, erworben in den Qualifizierungsmaßnahmen, betreffen würden. Das Erkennen eines Schulungsbedarfs einzelner Mitarbeiter oder die Erarbeitung gemeinsamer Problemlösungen in der Gruppe und nicht zwischen den Schichten müsste in die Betrachtung einbezogen werden. Alle anderen Einsatzmöglichkeiten, wie z. B. in der Garnerzeugung zu den dort gültigen Arbeitsbedingungen in Dauernachtschicht habe der Kläger abgelehnt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserlautern vom 30.03.2006 - AZ: 2 Ca 1968/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte und Berufungsklägerin zu tragen. Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit,

dass die Beklagte am 27.06.2006 eine Änderungskündigung erklärt habe, in dem dem Kläger der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages ab 01.10.2006 angeboten worden sei, dauerhaft in Nachtschicht tätig zu werden. Der Kläger habe diese Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen und Klage erhoben, woraufhin die Beklagte erklärt habe, dass sie aus der Änderungskündigung keine weiteren Rechte mehr herleiten werde.

Daraus ergebe sich allerdings, dass es der Beklagten durchaus möglich sei, den Kläger in Dauernachtschicht zu beschäftigen.

Es dürfte außer Zweifel stehen, dass bei einer mehr als 30-jährigen Tätigkeit in der Nachtschicht eine Umstellung auf einen anderen Arbeitszeitraum nicht ohne weiteres möglich sei, weswegen das Bestreiten der Beklagten wegen der aufgetretenen Gesundheitsprobleme nicht beachtlich sei.

Die Arbeitszeit, wie im vorliegenden Falle anzunehmen, durch betriebliche Übung festgelegt sei, gebe es keine Möglichkeit, hieran etwas durch Ausübung des Direktionsrechtes zu ändern.

Eine Notwendigkeit, den Kläger in Tag- oder Spät- oder Wechselschicht im 3-Schicht-Betrieb zu beschäftigen, sei dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, da lediglich behauptet werde, dass der Kläger die Qualifikation zur Durchführung seiner Arbeit nicht besitze und auch nicht angegeben werde, welche Qualifikation für welche Maschinen er noch erlernen müsse.

Der Kläger sei nach Beendigung der Nachtschicht immer noch im Betrieb anwesend und die Frühschicht sei ebenfalls schon erschienen, so dass ein Informationsaustausch ohne Probleme zu ermöglichen sei.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Recht entsprochen hat.

Zutreffend ist, dass die konkrete Lage der Arbeitszeit des Klägers nicht vertraglich vereinbart ist, weil Ziffer 4 des Arbeitsvertrages lediglich den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit berührt, nicht jedoch die tatsächliche Zuweisung konkreter täglicher Arbeitszeiten.

Die Berufungskammer lässt es offen, ob der Kläger sich auf eine betriebliche Übung bezüglich der nicht normierten Festlegung seiner Arbeitszeit berufen kann, weil zum einen Vertragsänderungen nach Ziffer 12 des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen und zum anderen der bloße Zeitablauf nicht ausreichend ist, um eine Konkretisierung der Tätigkeit auf die Nachtschicht anzunehmen. Allein daraus, dass eine betriebliche Regelung hinsichtlich der Zeit der Arbeitsleistung über einen längeren Zeitraum hinweg beibehalten wird, berechtigt den Arbeitnehmern nicht dazu, auf den Willen des Arbeitgebers schließen zu können, dass diese Regelung auch künftig unverändert beibehalten wird. Dies gilt umsomehr, weil der Kläger, was unstreitig ist, nicht ausschließlich in der Nachtarbeit eingesetzt worden ist, sondern auch aus betrieblichen Gründen in der Vergangenheit auch in anderen Arbeitszeiträumen. Damit fehlen auch besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Kläger nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, was jedoch als Umstandsmoment zur Annahme hinzutreten muss (BAG Urteils vom 29.09.2004 - AZ: 5 AZR 559/03 - m. w. N.).

Die Kammer lässt auch dahingestellt, ob die Maßnahme der Beklagten, enthalten im Schreiben vom 01.12.2005, weswegen der Einwand des Klägers, eine Ausübung des Direktionsrechts sei nicht erfolgt, was im Übrigen auch dazu führen würde, Zweifel am Rechtschutzbedürfnis der erhobenen Klage zu hegen, wegen Verstoßes nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unwirksam ist, weil zum Zeitpunkt der Ausübung am 01.12.2005 nicht erkennbar ist, inwieweit bezogen auf die Person des Klägers zumindest die Mitbestimmungsvorschrift seitens der Beklagten beachtet worden ist.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte das ihr zustehende Direktionsrecht im Rahmen billigen Ermessens nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Die beabsichtigte Umsetzung des Klägers in den 3-Schicht-Betrieb beruht zwar auf anzuerkennenden betrieblichen Bedürfnissen, weil es auf der Hand liegt, dass dann, wenn ein 3-Schicht rollierendes System eingeführt wird, alle Mitarbeiter in dieses System aufgenommen werden müssen, um einen ordnungsgemäßen kontinuierlichen Betrieb aufrecht zu erhalten. Die Herausnahme des Klägers aus diesem System und seine alleinige Beschäftigung in der Nachtschicht bringt nämlich die offen liegende Schwierigkeit mit sich, dass aus jeder anderen Gruppe in dem Betrieb, in dem die 3 Schichtgruppen arbeiten, ein Arbeitnehmer aus der jeweiligen Nachtschicht herausgenommen werden muss, weil der Kläger bereits vorhanden ist. Dieses Problem ist nur dadurch zu lösen, dass in jeder der rollierenden Gruppen ein Arbeitnehmer vorhanden ist, der ausschließlich oder alternierend jeweils in den beiden anderen Schichten permanent seine Arbeit versieht, worauf jedoch deshalb nicht abzuheben ist, weil entsprechender Vortrag fehlt.

Das vom Kläger vorgelegte Attest hätte die Beklagte noch berücksichtigen müssen, auch wenn es erst am 12.12.2005, also nach dem Versenden des Schreibens vom 01.12.2005 eingegangen ist, weil nämlich die beabsichtigte Maßnahme erst zum 01.01.2006 greifen sollte, also einer Korrektur des beabsichtigten Vorhabens noch möglich gewesen ist. Große gesundheitliche Probleme, die durch eine Jahrzehnte überwiegend ausgeübte Nachtschichtarbeit sich einstellen, sind naheliegend und können dem vom Kläger vorgelegten Attest des Betriebsarztes vom 05.12.2005 entnommen werden. Angesichts der detaillierten Angaben in diesem Attest hätte es die Beklagte nicht mit pauschalem Bestreiten belassen dürfen, das dahinging, dass der Inhalt der ärztlichen Bescheinigung nicht zutreffend ist. Anders als bei Arbeitsunfähigkeitszeiten, in denen lediglich eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ohne weitere Angaben attestiert wird, hat hier die Beklagte die Möglichkeit gehabt, bereits auf den festgestellten Sachverhalt konkret einzugehen.

Auch diesen Umstand kann die Berufungskammer deshalb offen lassen, weil die Beklagte noch im Laufe des Verfahrens durch die dem Kläger erteilte Änderungskündigung vom 27.06.2006 zu erkennen gegeben hat, dass eine Beschäftigung des Klägers in Nachtschicht möglich ist. Anders als bei Kündigungsschutzklagen ist bei der Frage, ob, wo und wann eine Tätigkeit zu erbringen ist, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, zumal der Kläger auch keine zeitliche Fixierung, ab wann diese Tätigkeit als Weber in der Nachtschicht erfolgen soll in seinen Klageantrag mit aufgenommen hat.

Da der Kläger auch nicht beantragt hat, dass er zu unveränderten Arbeitsbedingungen in der Nachtschicht weiterbeschäftigt werden will, ist die Berufung als nicht begründet zurückzuweisen, was zur Folge hat, der Beklagten die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO.

Die Kammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht deshalb nicht zugelassen, weil erkennbar die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

Die Beklagte wird auf die Möglichkeit hingewiesen, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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