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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.03.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 679/07
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, BGB, GewO
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 5 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 b | |
BGB § 315 | |
BGB § 315 Abs. 1 | |
BGB § 315 Abs. 3 | |
GewO § 106 |
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 09.08.2007 - 2 Ca 631/07 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1958 geborene Kläger fordert mit seiner am 20.04.2007 zum Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobenen Klage seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen aufgrund einer von ihm für unwirksam gehaltenen Versetzung.
Er wird seit 04.04.1977 von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Z:, beschäftigt. Zuletzt war er seit 1994 in der Abteilung "Qualitäts-Management" tätig. Nach der Ende 2003 erfolgten Entscheidung, die Prüfmittelüberwachung und Verwaltung nicht mehr von der Z: durchführen zu lassen, wurde dem Kläger diese Aufgabe vom QM-Leiter übertragen. Er war zusätzlich QM-Prüfmittelbeauftragter für die Beklagte. Hierbei erledigte er zusätzlich folgende Tätigkeiten:
- Pflege des Gesamtprüfmittelbestandes
- Durchführung eines so genannten Messauftrages für jedes im Messraum gemessene (kalibrierte) Prüfmittel
- Erteilung einer Prüfplakette
- Einpflegen der geprüften Merkmale in das System (Nennmaß, Istmaß, Toleranzen)
- Beschriftung der Prüfmittel mit einem Graviergerät
- Verpackung und Wiegung der Prüfmittel zur externen Kalibrierung
- Durchführung und Teilnahme an Messmittelmeetings
Der Kläger absolvierte zahlreiche Lehrgänge bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität.
Er ist einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Unter dem 19.03.2007 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat darüber, dass der Kläger ab dem 01.04.2007 unter Beibehaltung der Entgeltgruppe E 7 als Mitarbeiter im Flexipool weiter beschäftigt werden soll. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 29.03.2007 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 03.03.2007 widersprach dieser der beabsichtigten Maßnahme und wies insbesondere daraufhin, dass ihm die Tätigkeit in der Produktion aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten,
die Versetzung sei vom Direktionsrecht nicht gedeckt. Nach den Feststellungen des werksärztlichen Dienstes vom 11.04.2007 seien folgende Einschränkungen festgelegt worden: 1. Nur leichte körperliche Tätigkeiten, 2. wechselnd sitzende und stehende Tätigkeiten, 3. keinen Einsatz im Lärmbereich über 80 dbA, 4. keine Wechselschicht, Einsatz nur in Tagschicht. Von 17 Mitarbeitern der Abteilung QM seien noch 12 Mitarbeiter verblieben. Er - der Kläger - sei mit am längsten im Betrieb, einer der ältesten und am längsten in der QM-Abteilung. Die Auswahl der Beklagten sei deshalb nicht nachvollziehbar.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 01.04.2007 hinaus als Mitarbeiter QM in der Abteilung 481 in Normalschicht Gleitzeit zu beschäftigen.
Die Beklagte hat,
Klageabweisung
beantragt und erwidert,
der Kläger sei in der Namensliste zu Betriebsvereinbarung Nr. 19/2006 aufgeführt. Einer Sozialauswahl habe es nicht bedurft. Im Bereich der Messmittelüberwachung habe eine Steigerung der bereichsinternen Effizienz durch schlankere Strukturen und effizientere Aufgabenverteilung erreicht werden sollen. In diesem Zusammenhang sei die Tätigkeit des Klägers mit der statistischen Auswertung der Doku-Karten zusammen gelegt worden. Diese Tätigkeiten würden nunmehr von dem Betriebsratsmitglied Rainer Y. durchgeführt. Wegen dessen Betriebsratstätigkeit sei es nicht möglich, diesen in den Flexipool zu versetzen. Auch die Beeinträchtigung des Klägers hinsichtlich des Einsatzes im Lärmbereich über 80 dbA sei ausreichend berücksichtigt worden. Eine leidensgerechte Gestaltung des neuen Arbeitsplatzes sei durch entsprechenden Gehörschutz möglich. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte durch Urteil vom 09.08.2007 - 2 Ca 631/07 - verurteilt, den Kläger über den 01.04.2007 hinaus als Mitarbeiter QM in der Abteilung 481 in Normalschicht mit Gleitzeit zu beschäftigen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, die Versetzung vom 01.04. habe nicht billigem Ermessen entsprochen. Bei der Auswahl der zu versetzenden Arbeitnehmer seien keine sozialen Gesichtspunkte berücksichtigt worden. Der Kläger habe unwidersprochen vorgetragen, einer der ältesten Mitarbeiter in der Abteilung QM zu sein. Auf die Betriebsvereinbarung und die möglicherweise beigefügte Namensliste könne sich die Beklagte nicht berufen; denn die in § 1 Abs. 5 KSchG geregelte Beschränkung der Auswahlentscheidung auf grobe Fehlerhaftigkeit gelte ausdrücklich nur für Kündigungen.
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf das vorbezeichnete Urteil (Seite 4 bis 5 = Bl. 70, 71 d. A.) Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 26.09.2007 zugestellte Urteil richtet sich deren am 25.10.2007 eingelegte und am 13.12.2007 begründete Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
Die Beklagte bringt zweitinstanzlich weiter vor,
Hintergrund der Versetzungsmaßnahme sei die schlechte Ertragssituation. Ein Teil der in freier unternehmerischer Entscheidung getroffenen Rationalisierungsmaßnahmen sei die Zusammenfassung des Arbeitsgebiets des Klägers, mit dem Arbeitsplatz des Mitarbeiters Y., der statistischen Auswertung der sogenannten Doku-Karten. Durch eine veränderte Software könnten die Arbeiten von einem Mitarbeiter bewältigt werden. Der Arbeitsumfang würde in Mannjahren gemessen, wobei ein solcher von 1,0 Mannjahren dem Umfang einer Vollzeitstelle entspräche (Beweis: Zeugnis X.). Die Tätigkeit der statistischen Auswertung der Doku-Karten würde mit 0,5 Mannjahren bewertet und die Darstellung der Tätigkeit der sogenannten Messmittelüberwachung mit 0,3 Mannjahren. Die Pflege der sogenannten Mahnliste habe einen wesentlichen Teil der bisherigen Tätigkeit des Klägers ausgemacht, die aus dem Einpflegen der jeweiligen Daten der Prüfmittel in ein entsprechendes EDV-Programm bestanden habe. Das Abstellen auf das Alter der Mitarbeiter durch das Arbeitsgericht stelle eine unmittelbare Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer dar. Im Übrigen könne das Lebensalter nur von ganz untergeordneter Bedeutung bei der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte sein. Für eine Versetzung innerhalb des Qualitätsmanagements fehlten dem Kläger die nötigen Fachkenntnisse. Einen Einsatz im Bereich Feinmesstechnik habe dieser abgelehnt. Der Vorrang des Mitarbeiters Y. ergäbe sich aus dessen Funktion als Betriebsratsmitglied im Wirtschaftsausschuss, im Lohn- und Akkordausschuss und im Aus- sowie im Weiterbildungsausschuss. Der Mitarbeiter Y. verfüge nicht über die notwendige zeitliche Flexibilität aufgrund des erheblichen Umfangs seiner Betriebsratstätigkeit. Der Kläger sei aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit bereits gezwungen gewesen, sich in der Produktion für 1,5 bis 2 Stunden aufzuhalten. Er könne einen Gehörschutz tragen und sei nur in Tagschicht eingesetzt. Die Tätigkeiten seien auch gleichwertig, da sie leichte körperliche Arbeit umfasse. Dem Kläger obläge es, Prüfmittel zur Überwachung bereitzustellen. Er habe keinerlei finanzielle Einbuße. Der Betriebsrat habe der Versetzung zugestimmt.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 09.08.2007 - Az: 2 Ca 631/07 - zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
Zurückweisung der Berufung
und erwidert, die Beklagte habe ihr Weisungsrecht überschritten; es läge nur eine pauschale Begründung vor. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - fehle es an einem ausreichenden Sachvortrag der Beklagten. Die bisherige Tätigkeit des Klägers habe einen ganzen Arbeitsplatz ausgefüllt. Die Pflege der Mahnliste sei einer von vielen Bestandteilen der klägerischen Tätigkeit gewesen. Im Übrigen sei er - der Kläger - einer der ältesten. Zwei Mitarbeiter seien erst in den letzten drei bis fünf Jahren in die Abteilung gekommen. Warum das Betriebsratsmitglied Y. seine Tätigkeit nicht korrekt ausüben könne, werde nicht ausgeführt. Die Bevorzugung des Betriebsratsmitglieds gegenüber anderen Mitarbeitern wegen seiner Stellung verstieße gegen betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze und das Gebot der Gleichbehandlung. Durch den ausschließlichen Einsatz des Klägers im Tagschichtbetrieb unterlaufe die Beklagte ihr eigenes Effizienzkonzept. Der Einsatz in der bisherigen Abteilung sei nach den festgestellten ärztlichen Einschränkungen eindeutig leidensgerechter. Jetzt trage er - der Kläger - Prüfmittel von einem Ort zum anderen und führe monotone Fertigungstätigkeiten in einem Bereich von mehr als 80 dbA durch. Seine Tätigkeit könne binnen 15 Minuten von jedem anderen Mitarbeiter erlernt werden. Eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats sei trotz erhobener Rüge nicht ausreichend dargelegt. Die Versetzungsmitteilung an den Betriebsrat enthielte nicht den geringsten Hinweis auf die inhaltlichen Veränderungen des Arbeitsplatzes. Der neue Arbeitsplatz sei eindeutig geringwertiger.
Hinsichtlich der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2007 (Bl. 121 bis 130 d. A.) und die vorgelegten Unterlagen, hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz des Klägers vom 17.01.2008 (Bl. 169 bis 183 d. A.) sowie alle vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet.
II. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und Teilen der Begründung zu Recht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger über den 01.04.2007 hinaus als Mitarbeiter QM in der Abteilung 481 in Normalschicht mit Gleichzeit zu beschäftigen.
Nach Auffassung der Berufungskammer ist der Kläger nicht zwingend darauf beschränkt lediglich eine Feststellung auf Unwirksamkeit der Versetzung zu beantragen. Insoweit hat der Arbeitnehmer auch dann den allgemeinen Beschäftigungsanspruch auf die bisherige - vertragsgemäße - Beschäftigung, wenn die Änderung des Inhalts der Arbeitsleistung durch Ausübung des Direktionsrechts oder eines sonstigen Leistungsbestimmungsrechts unwirksam ist (vgl. zutreffend LAG München Urteil vom 18.09.2002, 5 Sa 619/02).
Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB versetzt, muss bei der Billigkeitsprüfung der Versetzung gemäß § 315 Abs. 3 festgestellt werden, ob aus den vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründen eine Versetzung an sich und ob auch die konkrete Versetzung aus diesen Gründen der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht. Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 106 GewO für eine Versetzung. Dazu gehört nicht nur, dass er im einzelnen darlegt und ggf. beweist, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht, sondern auch, dass die Versetzung im Rahmen der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt ist (vgl. BAG Urteil vom 13.03.2007 - 9 AZR 433/06).
Die Begründung der Berufung zur schlechten Ertragssituation ist abstrakt und lässt ebenso wenig ausreichende zugunsten der Beklagten sprechenden Interessen feststellen, wie der Vortrag zur Bewertung mit Mannjahren, der zudem vom Kläger bestritten wird. Selbst wenn die Zusammenlegung der vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten mit denen eines weiteren Mitarbeiters gerechtfertigt wäre, bleiben ausreichende Gründe für die Privilegierung des Mitarbeiters Y. aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit undeutlich, weil es an nachvollziehbaren Gründen zur Unmöglichkeit der Durchführung der Betriebsratstätigkeit - würde man eine andere Organisation vornehmen - fehlt. Im Übrigen ist der Hinweis des Klägers auf eine Bevorzugung eines Betriebsratsmitglieds bzw. eines entsprechenden Verbotes nach betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen hierzu zu beachten. Die Grundsätze der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 sind auch deshalb nicht gewahrt, weil die Versetzung des Klägers aus seiner bisherigen QM-Abteilung in den Fleximittelpool als hierarchisch geringerwertige Tätigkeit zu werten ist, die selbst dann, wenn das gleiche Entgelt weiter gezahlt wird, zu keiner anderen Beurteilung führt (vgl. ErfK-Ascheid, a. a. O., 430, § 2 KSchG, Rz. 18). Es fehlt die Gleichwertigkeit der bisherigen mit der neuen Tätigkeit, da sich letztere nach dem Vortrag des Klägers auf den Transport von Prüfmitteln von einem Ort zum anderen und monotone Fertigungstätigkeiten erstreckt, die in binnen 15 Minuten gelernt werden können.
Ob auch noch weitere Gründe der Wirksamkeit der Versetzung entgegenstehen, wie die vom Kläger angeführten Zweifel an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats oder dessen nicht leidensgerechten Einsatz in einem Arbeitsbereich mit mehr als 80 dbA bedarf keiner weiteren Befassung durch das Berufungsgericht.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.
Ende der Entscheidung
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