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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 27.06.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 81/08
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IV, AGG, TzBfG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
SGB IV § 84 Abs. 2
AGG § 20
TzBfG § 14 Abs. 1
TzBfG § 21
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 4.12.2007 - 6 Ca 1130/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner am 07. September 2007 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich der zuletzt als Site Manager für das Bewachungsobjekt B-Stadt tätige Kläger gegen die aufgrund einer auflösenden Bedingung hilfsweise ordentliche Kündigung eingetretene Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger nahm seine Tätigkeit bei der Beklagten, die ausschließlich Objekte der US-Armee bewacht, am 01.02.1999 auf.

§ 6 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages sieht eine Beendigung bei Wegfall der Einsatzgenehmigung der US-Streitkräfte mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist ohne Kündigung vor.

Ziffer 5 der von den Parteien unterzeichneten Anlage zum Arbeitsvertrag hat folgenden Inhalt:

"Körperlicher Leistungstest. Jeder unter diesem Bewachungsvertrag beschäftigte Arbeitnehmer muss sich jährlich einem körperlichen Leistungstest unterziehen, um so zu gewährleisten, dass das Wachpersonal physisch in der Lage ist, die übertragenen Aufgaben zu verrichten. Die entsprechenden Tests werden von den US-Streitkräften als Bestandteil des Bewachungsvertrages vorgeschrieben und müssen demgemäß von jedem Arbeitnehmer erbracht werden. Wird der körperliche Leistungstest nicht erfolgreich abgeleistet, ist eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich und das Beschäftigungsverhältnis endet nach Entzug des Einsatzgenehmigung durch die US-Streitkräfte durch auflösende Bedingung gemäß § 6 des Arbeitsvertrages".

Der Kläger bestand weder den Fitnesstest am 11.07.2007 noch den Wiederholungstest am 10.08.2007.

Mit Schreiben vom 10.08.2007 (Bl. 66 d. A.) widerrief das Department of the Army die Einsatzgenehmigung des Klägers und verlangte dessen Entfernung aus seinem Pflichtkreis.

Die Beklagte setzte den Kläger mit Schreiben vom 21.08.2007 (Bl. 15 ff d. A.) vom Widerruf der Einsatzgenehmigung in Kenntnis, teilte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2007 mit und kündigte hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Zeitpunkt.

Zum weiteren Sachstand und den erstinstanzlich gestellten Anträgen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 04.12.2007 - 6 Ca 1130/07 - Bezug genommen.

Im vorerwähnten Urteil wurde die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch auflösende Bedingung zum 30.11.2007 und durch die hilfsweise ordentliche Kündigung beendet worden ist, abgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Das Arbeitsverhältnis könne wirksam unter die auflösende Bedingung seiner Beendigung bei Widerruf der Einsatzgenehmigung gestellt werden. Die Beklagte habe keine Möglichkeit, den Entzug der Genehmigung gerichtlich überprüfen zu lassen; deshalb könne es nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts auch nicht auf die Gründe ankommen, aus denen dem Arbeitgeber die Einsatzgenehmigung entzogen wird.

Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit sei nicht ersichtlich. Sachgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit. Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei nicht gegeben. Das Anforderungsprofil würde nicht von der Beklagten festgelegt, sondern von der US-Armee. Wenn eine Diskriminierung vorläge, dann erfolge diese durch den Auftraggeber. Eine Beeinflussung von Seiten der Beklagten sei nicht möglich. Derartige Konstellationen würden vom AGG nicht erfasst.

Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils (Seite 5 bis 8 = Bl. 136 bis 139 d. A.)verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 24.01.2008 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 13.02.2008 eingelegt und am 09.04.2008 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Der Kläger trägt zweitinstanzlich insbesondere vor,

zu beachten sei, dass die Versagung der Einsatzmöglichkeit aus Gründen erfolgte, die aus seiner - des Klägers Sicht - schuldlos vorlägen. Unter Aspekten des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes sei es nicht hinnehmbar, dass jegliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berufung auf den Widerruf der Einsatzgenehmigung uneingreifbar würde. Es wäre Sache der Beklagten, bei den vertraglichen Gestaltungen mit dem Auftraggeber für einen Entscheidungsspielraum zu sorgen.

Es erscheine fraglich, ob die Tatsache, dass der Kläger 15 Sekunden mehr für die Absolvierung seines Prüfungslaufs gebraucht habe, dazu führe, dass dieser seine Tätigkeit nicht mehr in gleicher Weise ausführen könne.

Er - der Kläger - habe seit 2003 keine Prüfung mehr abgelegt und sei dennoch ohne Weiteres eingesetzt worden.

Er leide chronisch an folgenden Erkrankungen:

1. Diabetes mell mit diabetischer Retinopathie

2. Hypertonie mit V. a. hypertensive Kardiomyopathie

3. Chron LWS Syndrom

4. PHS bds.

Diese Erkrankungen führten seit Jahren zusammengenommen zu einer deutlichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Bei auf Dauer gerichteten Krankheiten läge eine Behinderung vor. Im Übrigen würde er - der Kläger - auch wegen seines Alters diskriminiert. Außerdem stelle § 6 des Arbeitsvertrages einen Verstoß gegen das AGB-Recht dar. Die Bedingungen des Vertrages seien mit der Intension des § 84 Abs. 2 SGB IV nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

1. unter Abänderung des Urteils das Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 04.12.07 - AZ: 6 Ca 1130/07 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch auflösende Bedingung zum 30.11.2007 beendet wurde,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene Kündung vom 21.08.2007 beendet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Berufung

und erwidert, Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Überprüfung sei die Frage, ob die Parteien eine rechtlich statthafte Vertragsgestaltung objektiv funktionswidrig zu Lasten des Klägers verwendet hätten.

Der durch den Entzug der Einsatzgenehmigung eingetretene Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit sei ein ausreichender sachlicher Grund, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung vorzusehen.

Die Voraussetzungen des § 6 des Arbeitsvertrages lägen vor. Die Einsatzgenehmigung sei auch nicht ohne geringsten Grund entzogen worden.

Im Übrigen seien die Anforderungen an eine Überwachungskraft minimal und könnten von jeder untrainierten Kraft erbracht werden. Das AGG sei nicht verletzt. Eine Behinderung setze voraus, dass die Teilhabe am Berufsleben über einen längeren Zeitraum eingeschränkt sei.

Das sei vorliegend nicht der Fall. Es ginge um eine Erkrankung und nicht um eine Behinderung. Es läge auch keine Diskriminierung wegen Alters vor, weil der Leistungstest mit seinen geringen Anforderungen ohne Probleme bis zum Erreichen der Rentenbezugsberechtigung erbracht werden könne.

Nach § 20 AGG sei eine Benachteiligung nicht gegeben, wenn ein sachlicher Grund vorläge. Dieser sei nach Nr. 2 gegeben. Die Überwachung amerikanischer Militäreinrichtungen, welche aufgrund der terroristischen Bedrohungslage ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstelle, rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung.

Im Übrigen stünden nach der Rechtsprechung des EUGH einem Mitgliedsstaat der EU ein Ermessensspielraum zu, um das Ziel der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.

Diese Grundsätze dürften für die Vereinigten Staaten aufgrund des Nato-Truppenstatuts zutreffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 07.04.2008 (Bl. 158 bis 161 d. A.) und den weiteren Schriftsatz vom 20.05.2008 (Bl. 185 bis 193 d. A.) nebst den vorgelegten Unterlagen und zur Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.05.2008 (Bl. 172 bis 177 d. A.) sowie vom 13.06.2008 (Bl. 197 bis 198 d. A.) Bezug genommen und zugleich wird auf die Feststellung in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 27.06.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist statthaft.

Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf erkannt, dass das Begehren des Klägers wonach sein Arbeitsverhältnis nicht durch auflösende Bedingung zum 30.11.2007 und die hilfsweise ordentliche Kündigung beendet wurde, nicht begründet ist.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbG auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

III. Die Angriffe der Berufung und die Feststellungen in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer geben zu folgenden Ergänzungen Anlass:

1. Soweit die Berufung darauf abstellt, dass die Versagung der Einsatzgenehmigung aus Gründen erfolgt sei, die aus Sicht des Klägers schuldlos vorlägen und hierbei auf der Beklagten nicht bekannte chronische Erkrankungen, die tatbestandlich dargestellt wurden, abstellt, sowie schließlich auf eine nicht gegebene Vereinbarung der Bedingungen seines Arbeitsvertrages mit der Intension des § 84 Abs. 2 SGB IV, vermag dem die Berufungskammer aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.

Bei der in § 6 des Arbeitsvertrages vereinbarten Regelung handelt es sich um eine auflösende Bedingung, die nach § 21 TzBfG nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes i. s. d. § 14 Abs. 1 TzBfG zulässig ist. Nach dem aktuellen Stand der für zutreffend gehaltenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 19.03.2008 - 7 AZR 1033/06 -) ist in diesem Fall Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Kontrolle nicht die Rechtswirksamkeit einer Gestaltungserklärung des Arbeitgebers, sondern, ob die Parteien eine rechtlich statthafte Vertragsgestaltung zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung objektiv funktionswidrig zu Lasten des Arbeitnehmers verwendet haben (vgl. auch BAG, Urteil vom 25.08.1999 - 7 AZR 75/89 = EzA BGB, § 620 Bedingung Nr. 13).

Ob der Widerruf der Einsatzgenehmigung durch das Department of the Army (Bl. 66 d. A.), für sich gesehen, einen ausreichenden Sachgrund für die vereinbarte auflösende Bedingung darstellt, kann offenbleiben, denn maßgebend ist die sich aus dem Entzug der Einsatzgenehmigung des Arbeitnehmers ergebene fehlende Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitgebers, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung rechtfertigt (vgl. BAG vom 19.03.2008 a. a. O.).

Die Berufung stellt in ihrer umfassenden Argumentation ausschließlich auf die Rechtmäßigkeit der auflösenden Bedingung an sich ab. Hierauf kommt es nach dem Stand der Rechtsprechung jedoch nicht an; maßgeblich ist vielmehr, ob die arbeitsvertragliche Vereinbarung vom 05.06.2007 einschließlich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vorgelegten Anlage zum Arbeitsvertrag, auf die sich der Kläger eingelassen hat, einseitig zu Ungunsten des Klägers verwendet wurde. Dies jedoch ist nicht anzunehmen.

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Beklagte bei der Bewachung von militärischen Einrichtungen der US-Armee über das eingesetzte Personal nicht frei entscheiden, sondern nur solche Arbeitnehmer einsetzen kann, die über eine Einsatzgenehmigung des Auftraggebers verfügen. Auf deren Erteilung und Entzug hat die Beklagte keinen Einfluss.

Daher zählt die sich nach einem Entzug der Einsatzgenehmigung ergebende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auch nicht zum allgemeinen ausschließlich dem Arbeitgeber zuzurechnenden und damit nicht auf den Arbeitnehmer überwälzbaren Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers.

Besteht nach dem Entzug der Einsatzgenehmigung kein freier geeigneter Arbeitsplatz, wäre die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses wegen nicht mehr gegebener Beschäftigungsmöglichkeit sinnentleert.

Feststellungen zu einer solchen anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten sind nach dem Sachstand im Berufungsverfahren nicht möglich.

Angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes kommt es nicht darauf an, ob causa für den Wegfall der Einsatzgenehmigung auch vom Kläger beeinflussbare Faktoren waren, ob die wiederholte Nichterfüllung des Leistungstests schuldlos geschehen ist und überhaupt Gründe vorlagen, die einer Beeinflussbarkeit durch den Kläger entgegenstanden. Die Vertragsgestaltung war daher angesichts der besonderen Aufgabenstellung und des Geschäftsgegenstandes der Beklagten, der ausschließlich in der Bewachung von Objekten der US-Armee besteht, nach Meinung der Berufungskammer nicht objektiv funktionswidrig.

Aus vorgenannten Gründen erhellt, dass eine irgendwie geartete Diskriminierung der Beklagten nicht in Betracht kommt. Im Übrigen hat diese zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 20 AGG eine Benachteiligung nicht gegeben ist, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Dieser ist gegeben, weil die Überwachung amerikanischer Militäreinrichtungen aufgrund der nach wie vor gegebenen terroristischen Bedrohungslage einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis unterliegt, so dass im Normalfall bewältigbare Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers einen ausreichenden Sachgrund für eine unterschiedliche Behandlung abgeben.

Für die Beklagte besteht im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber - der US-Armee - kein Entscheidungsspielraum, wenn es zum Widerruf der Einsatzgenehmigung durch den Auftraggeber kommt.

2. Für die von der Berufung weiter geforderte Angemessenheitskontrolle des § 6 des Arbeitsvertrages nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 BGB ist nach dem Stand der ebenfalls für zutreffend gehaltenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Raum (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2006 - 1 AZR 983/05 -).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

V. Gründe die Revision zuzulassen liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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