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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.04.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 21/05
Rechtsgebiete: BAT, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BAT § 70
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 21/05

Entscheidung vom 25.04.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 11.11.2004 - 3 Ca 2142/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, wie der von der Beklagten an die Klägerin zu zahlende Aufstockungsbetrag in der Altersteilzeit zu berechnen ist.

Die Klägerin war bei dem beklagten Land als Angestellte in Teilzeit beim Finanzamt B-Stadt beschäftigt. Die Klägerin ist verheiratet, ihr Ehemann ist ebenfalls berufstätig.

Mit Wirkung ab 01.01.2002 wählte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann eine Versteuerung der jeweiligen Gehälter entsprechend Lohnsteuerklasse IV. In den Jahren zuvor war der Verdienst des Ehemannes gemäß Lohnsteuerklasse III sowie der Verdienst der Klägerin gemäß Lohnsteuerklasse V versteuert worden.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 18.01.2002 Altersteilzeit im Blockmodell ab 01.02.2002. Aufgrund dieses Antrages wurde unter Datum des 22.01.2002 zwischen dem C., vertreten durch den Vorsteher des Finanzamtes B-Stadt und der Klägerin ein Änderungsvertrag geschlossen, wonach die Klägerin im so genannten Blockmodell ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortführt, wobei die Arbeitsphase vom 01.02.2002 bis 31.07.2004 und die Freistellungsphase vom 01.08.2004 bis 31.01.2007 andauert.

Ab Februar 2002 bis Dezember 2003 zahlte die Beklagte das Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung des nach Lohnsteuerklasse IV berechneten Aufstockungsbetrages. Aufgrund eines Prüfungshinweises des Rechnungshofes vom 17.07.2003, der die mögliche Rechtsmissbräuchlichkeit des Steuerklassenwechsels aufgriff, wurde die Klägerin allerdings aufgefordert, die Beweggründe des Wechsels der Steuerklasse mitzuteilen.

Die insoweit von ihr vorgetragenen Gründe wurden von dem beklagten A nicht anerkannt, vielmehr ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 901,13 EUR gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Dieser Betrag wurde durch das beklagte C nach Hinweis der Klägerin auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist gemäß § 70 BAT auf einen Einbehalt in Höhe von 331,08 EUR abgesenkt.

Derzeit beläuft sich die monatliche Differenz zwischen dem Aufstockungsbetrag, berechnet nach Steuerklasse IV, sowie dem Aufstockungsbetrag nach Steuerklasse V ab 01.01.2004 auf monatlich 110,-- EUR. Im Hinblick auf sich verändernde Vorgaben kann der Differenzbetrag - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - betragsmäßig nicht festgeschrieben werden.

Das C. zahlt ab Januar 2004 an die Klägerin lediglich den gemäß Lohnsteuerklasse V errechneten Aufstockungsbetrag.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, zusammen mit ihrem Ehemann eine Versteuerung gemäß Lohnsteuerklassen IV bezüglich beider Arbeitsverdienste zu wählen. Die Finanzverwaltung weise auf diese Wahlmöglichkeit grundsätzlich mit Übersendung der entsprechenden Merkblätter hin. Es sei für sie nicht erkennbar, aufgrund welcher Tatsachen ihre Wahl der entsprechenden Steuerklassengestaltung rechtsmissbräuchlich gewesen sein solle.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, den zu Unrecht einbehaltenen Aufstockungsbetrag für die Monate Juli bis Dezember 2003 in Höhe von 331,08 EUR ihr zu erstatten.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den ab Januar 2004 zu niedrig festgesetzten Aufstockungsbetrag abzuändern auf einen unter Berücksichtigung der Steuerklasse IV jeweils noch festzusetzenden monatlichen Aufstockungsbetrag und diesen jeweils festzusetzenden Aufstockungsbetrag bis zum Ende der Altersteilzeit (31.01.2007) ansie auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund des Hinweises des Rechnungshofes vom 17.07.2003 sei die Klägerin aufgefordert worden, den von ihr zum 01.01.2002 vorgenommenen Steuerklassenwechsel zu begründen. Der Klägerin sei nach einer ersten Stellungnahme anheim gestellt worden, steuerlich vernünftige Gründe für die gewählte Kombination IV/IV darzulegen, da die vorgetragenen Privatgründe nicht ausreichten. Durch die Steuerwahl IV/IV sei eine monatliche Mehrbelastung von 357,86 EUR eingetreten. Diese sei im Hinblick auf die Jahressteuerbelastung zwar nicht von Belang, zeige aber, dass die Wahl der Steuerklassen ausschließlich erfolgt sei im Hinblick auf den höheren Ausgleichsbetrag, lege man eine Versteuerung gemäß Steuerklasse IV zu Grunde.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 11.11.2004 - 3 Ca 2142/04 - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 331,08 EUR zu zahlen und des weiteren festgestellt, dass das die Beklagte verpflichtet ist, ab Januar 2004 die Auszahlung des Aufstockungsbetrages auf der Grundlage der jeweiligen Steuerklasse der Klägerin, derzeit der Steuerklasse IV bezogen auf das Jahr 2004 vorzunehmen und die sich hiernach ergebenden Aufstockungsbeträge monatlich an die Klägerin bis zum Ende der Altersteilzeit (31.01.2007) auszubezahlen; die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen.

Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 67 bis 75 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 21.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 07.01.2005 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Es hat die Berufung durch am 17.02.2005 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, vorliegend sei ein Rechtsmissbrauch bei der Lohnsteuerklassenwahl gegeben, weil es für diese Wahl keinen sachlichen Grund gebe, außer der Absicht, den vom Arbeitgeber zu zahlenden Aufstockungsbetrag zu erhöhen. Diese Absicht allein sei kein sachlicher Grund. Etwas anderes könne sich auch nicht daraus ergeben, dass die Klägerin behaupte, aus Gründen der Unabhängigkeit und Gleichbehandlung gerade ab dem Zeitpunkt ihre Steuerklasse zu ihrem Nachteil verändert zu haben, ab dem sie Altersteilzeit beantragt habe. Das zeitliche Zusammenfallen des Antrages auf Altersteilzeit und die Änderung der Steuerklassen belege, dass es nicht darum gehe, eine angebliche Benachteiligung der Klägerin zu beenden, die steuerlich tatsächlich nicht vorgelegen habe, sondern das der alleinige Zweck der Steuerklassenänderung die Geltendmachung eines höheren Abrechnungsbetrages gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Ludwigshafen - 3 Ca 2142/04 - vom 11.11.2004 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor:

Hintergrund ihres Änderungswunsches bezüglich der Lohnsteuerklasse sei es gewesen, dass es in ihrer Ehe gekriselt habe. Denn sie habe zum damaligen Zeitpunkt beabsichtigt, aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung auszuziehen und sich von ihrem Ehegatten zu trennen. Von daher liege ein wichtiger und nachvollziehbarer Grund für die Änderung der Lohnsteuerklasse vor. Zudem sei die Klägerin bereits vor Beginn der Altersteilzeit nach der Lohnsteuerklasse IV versteuert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.04.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch zusteht und des weiteren festzustellen ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Januar 2004 die Auszahlung des Aufstockungsbetrages auf der Grundlage der jeweiligen Steuerklasse der Klägerin, derzeit Steuerklasse IV bezogen auf das Jahr 2004 vorzunehmen und die sich danach ergebenden Aufstockungsbeträge monatlich an die Klägerin bis zum 31.01.2007 auszubezahlen.

Die Beklagte hat zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 09.09.2003 EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 7 = NZA 2005, 483 Leitsätze; BAG 09.12.2003 EzA § 242 BGB 2002 Rechtsmissbrauch Nr. 2 = NZA 2005, 376 Leitsätze; BAG 10.02.2004 ZTR 2004, 591; vgl. auch LAG Sachsen, 01.02.2002 NZA - RR 2003, 150) hingewiesen, wonach der Wechsel der Lohnsteuerklasse rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn die Änderung der Steuermerkmale ohne sachlichen Grund erfolgt, insbesondere, um den Arbeitgeber zu erhöhten Zahlungen zu verpflichten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die gewählte Steuerklassenkombination für den Arbeitnehmer und seine Ehefrau steuerrechtlich nachteilig ist. Ein Rechtsmissbrauch ist demgegenüber dann nicht gegeben, wenn die gewählte Steuerklassenkombination steuerlich vernünftig ist. Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt Rechtsmissbrauch nach der Rechtssprechung des BAG (09.09.2003 a.a.O.) dann vor, wenn ein Arbeitnehmer aus der Lohnsteuerklasse V mit Beginn der Altersteilzeit in die Lohnsteuerklasse III wechselt, obwohl sein Arbeitsentgelt nunmehr nur etwa die Hälfte des Arbeitsentgelts seines Ehegatten beträgt. Steuerrechtlich ist diese Wahl dann nicht nachvollziehbar. Nicht zu beanstanden ist demgegenüber (BAG 09.09.2003 a.a.O.), dass ein Arbeitnehmer, dessen Ehegatte seit vielen Jahren arbeitslos ist, im Zusammenhang mit der bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Kombination IV/IV in die steuerrechtlich angezeigte Kombination III/V wechselt. Denn dann war die bisherige Steuerklassenwahl steuerrechtlich ungünstig. Denn sie bietet sich nur bei etwa gleich hohen Monatseinkünften der Ehegatten an. Der Arbeitgeber wird zwar durch die geänderte Lohnsteuerklasse finanziell belastet, das ist aber nicht rechtsmissbräuchlich. Insgesamt ist davon auszugehen, dass wenn sich durch den Wechsel des monatlichen Nettoeinkommen der Eheleute verringert, die Wahl in der Regel "unvernünftig" ist (BAG 09.12.2003 a.a.O.).

Auch unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann nach Auffassung der Kammer vorliegend keine Rechtsmissbräuchlichkeit des von der Klägerin und ihrem Ehegatten vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsels angenommen werden.

Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin vorliegend durch den sie betreffenden Lohnsteuerklassenwechsel eine verringerte Lohnsteuerbelastung und damit ein höheres Nettoeinkommen unmittelbar ab dem 01.01.2002 erreicht hat. Auch wenn man berücksichtigt, dass sie nur Teilzeit beschäftigt ist/war und ihr Ehemann vollzeitbeschäftigt, mag das per saldo insgesamt für die Eheleute zu einem geringeren Nettoeinkommen führen, weil sich der Lohnsteuerklassenwechsel bezogen auf den Ehemann für diesen nachteilig auswirkt. Allerdings hat die Klägerin vorgetragen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel im Hinblick auf eine beabsichtigte Trennung der Eheleute erfolgt ist. Diesen Sachvortrag hat das beklagte Land nicht substantiiert bestritten, sondern es hat lediglich darauf hingewiesen, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Lohnsteuerklassenwechsel und der beantragten und bewilligten Altersteilzeit zeige, dass dieser Grund nur vorgeschoben sei. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Es kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Lohnsteuerklassenwechsel "unvernünftig" war.

Zum anderen kommt vorliegend hinzu, dass die Klägerin ihren Lohnsteuerklassenwechsel im noch vollständig im Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnis durchgeführt hat (zum 01.01.2002) und mit der auf der Lohnsteuerkarte vermerkten Lohnsteuerklasse IV im Januar 2004 die Altersteilzeit beim beklagten Land beantragt hat. Die Bewilligung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Wechsel in die Lohnsteuerklasse IV vollzogen war. Dementsprechend hat die Beklagte auch über einen langen Zeitraum (Februar 2002 bis Juni 2003) vorbehaltlos auf der Basis der Lohnsteuerklasse IV abgerechnet und die entsprechenden Beträge an die Klägerin auch tatsächlich ausgezahlt. Von daher liegt nach Auffassung der Kammer kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin vor. Vielmehr ist das Verhalten der Beklagten widersprüchlich, weil es in Kenntnis der Lohnsteuerklasse IV mit der Klägerin eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen hat, die über einen langen Zeitraum auch tatsächlich vollzogen wurde (§ 242 BGB). Denn an den maßgeblichen Tatsachen hat sich zwischenzeitlich nichts geändert.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgte aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 des ArbGG.

Ende der Entscheidung

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