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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 219/07
Rechtsgebiete: ArbGG, TVATZ, Knappschafts-Angestelltent-TV, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
TVATZ § 2 Abs. 1
TVATZ § 2 Abs. 2
TVATZ § 2 Abs. 3
TVATZ § 2 Ziff. 1
Knappschafts-Angestelltent-TV § 4 Abs. 2 Satz
ZPO §§ 512 ff.
BGB § 249
BGB § 280 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 219/07

Urteil vom 01.08.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25.01.2007, Az.: 11 Ca 1555/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25.01.2007 (dort S. 3 bis 5 = Bl. 46 bis 48 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersteilzeit gemäß dem Antrag vom 28.12.2004 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat mit Urteil vom 25.01.2007 (Bl. 44 ff. d. A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung dieser Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe weder nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit (im Folgenden: TVATZ) noch aufgrund einer einzelvertraglichen Zusage ein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages zu. Nach § 2 Abs.1 TVATZ könne der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr und eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren vollendet hätten sowie innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden hätten, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren. Die Entscheidung über eine vom Arbeitnehmer verlangte Vertragsänderung stehe mithin im Ermessen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer habe aber einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen wahre. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitgeber sachliche Gründe zur Rechtfertigung der Ablehnungsentscheidung vorbringe, wobei finanzielle Erwägungen nicht ausgeschlossen seien. Im vorliegenden Fall habe sich die Beklagte zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung auf einen sachlichen Grund berufen, da sie geltend gemacht habe, die Vereinbarung eines Altersteilzeitvertrages würde zu einem finanziellen Mehraufwand führen.

Es habe auch keine Verpflichtung der Beklagten bestanden, vorzeitig über den gestellten Antrag des Klägers zu entscheiden. Nach den Vorgaben des Bundesministeriums des Innern vom 18.11.2002 sei sie lediglich gehalten gewesen, nicht vor Ablauf eines Jahres vor Beginn der Altersteilzeit über den Antrag zu entscheiden.

Die Beklagte habe dem Kläger auch nicht eine einzelvertragliche Zusage über den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gegeben. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die vom Kläger behauptete Auskunft der X. in W-Stadt gegenüber Herrn V. zu einer rechtsverbindlichen Zusage ihm gegenüber geführt haben solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 6 ff. des Urteils vom 25.01.2007 (= Bl. 49 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 15.03.2007 zugestellt worden ist, hat am 10.04.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 11.05.2007 sein Rechtsmittel begründet.

Der Kläger macht geltend,

die Beklagte hätte ab dem 30.09.2005 über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersteilzeit, den dieser bereits am 28.12.2004 gestellt habe, entscheiden können. Da sie erst am 20.10.2005 eine Mitteilung der X. erhalten habe, wonach Altersteilzeit sowohl im Beamten- als auch im Arbeitnehmerbereich nicht mehr bewilligt werden solle, hätte sie jedenfalls bis dahin gegenüber dem Kläger eine positive Entscheidung treffen müssen.

Des Weiteren habe sich die Beklagte bei der Entscheidung über die Gewährung von Altersteilzeit selbst gebunden, da der Vorgesetzte des Klägers, Herr V., diesem kurz nach Zugang des Schreibens vom 20.10.2005 mitgeteilt habe, dass dem Kläger die Altersteilzeit noch bewilligt werde. Diese Erklärung des Herrn V. sei nach Rücksprache mit der Zentrale in C-Stadt erfolgt. Hierdurch habe sich das Ermessen der Beklagten bei der Entscheidung über Gewährung von Altersteilzeit auf Null reduziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 11.05.2007 (Bl. 75 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25.01.2007, Az. 11 Ca 1555/06 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Altersteilzeit gemäß dem Antrag vom 28.12.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

es habe für sie keine Pflicht bestanden, sofort oder nur sofort am 01.10.2005 zu entscheiden. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 18.11.2002 sei zunächst das Entgegenstehen dienstlicher bzw. betrieblicher Gründe zu prüfen gewesen; eine entsprechende Beurteilung sei erst nach Feststehen der jeweiligen haushalts- und personalwirtschaftlichen Rahmendaten möglich gewesen. Finanzielle Erwägungen, wie sie der Ablehnung des Altersteilzeitantrages des Klägers zugrunde lägen, seien ein anerkannter Ablehnungsgrund.

Der Vorgesetzte des Klägers, Herr V., habe gegenüber dem Kläger nach Rücksprache mit der Hauptverwaltung lediglich erklärt, dass diesem Alterszeit nicht mehr bewilligt werden könne. Gemäß Nr. 4 des Anhangs zur Geschäftsordnung der Geschäftsführung der X. könnten rechtsverbindliche Erklärungen nur schriftlich abgegeben werden. Außerdem seien Nebenabreden zum Arbeitsvertrag gemäß § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.08.1995 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Satz 1 des Knappschafts-Angestelltentarifvertrages nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart würden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 06.06.2007 (Bl. 92 ff.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Altersteilzeit gemäß seinem Antrag vom 28.12.2004. Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat zu Recht festgestellt, dass der Antrag des Klägers weder auf § 2 Ziffer 1 TVATZ noch auf eine einzelvertragliche Zusage der Beklagten gestützt werden kann. Das Berufungsgericht macht sich die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichts voll umfänglich zu eigen und verzichtet gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf eine nochmalige Darstellung.

Die mit der Berufung geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

1.

Während der mündlichen Verhandlung hat der Kläger das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die ablehnende Entscheidung der Beklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 23.01.2007 (Az. 9 AZR 393/06) in Frage gestellt. Dabei hat er die Auffassung vertreten, der Hinweis auf finanzielle Erwägungen reiche für eine sachliche Rechtfertigung der Ablehnung eines Altersteilzeitantrages nach Auffassung Bundesarbeitsgerichtes nur aus, wenn die betroffenen Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt würden; die vorgetragenen Belange müssten also besonders gewichtig sein. Dies habe aber die Beklagte im vorliegenden Fall nicht vorgetragen.

Dieser Auffassung vermag sich die Berufungskammer nicht anzuschließen, da das vom Kläger behauptete Erfordernis des Vortrags finanzieller Erwägungen, die besonders gewichtig seien, vom Bundesarbeitsgericht ausschließlich im Zusammenhang mit § 2 Abs. 3 TVATZ in der Entscheidung vom 23.01.2007 erwähnt worden ist. Das Entgegenstehen dringender dienstlicher bzw. betrieblicher Gründe ist aber nur im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers auf Gewährung von Altersteilzeit zu prüfen, wobei ein solcher Rechtsanspruch nach § 2 Abs. 2 TVATZ nur entsteht, wenn der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet hat und die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind bei dem Antrag des Klägers nicht gegeben, da er sich darauf beruft, bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres in Altersteilzeit zu gehen. Dieser in § 2 Abs. 1 TVATZ geregelte Fall verlangt von dem Arbeitgeber nicht die Darlegung dringender dienstlicher bzw. betrieblicher Gründe bei Ablehnung eines Altersteilzeitantrages, sondern lediglich eine ermessenfehlerfreie Entscheidung. Ein sachlicher Grund, der eine ablehnende Entscheidung in diesem Zusammenhang rechtfertigt, kann sich aber - wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12.12.2000 - 9 AZR 706/99 - = AP Nr. 1 zu § 3 ATG) festgestellt hat - auch aus finanziellen Erwägungen des Arbeitgebers ergeben. Solche Erwägungen hat die Beklagte im vorliegenden Fall dargelegt, in dem sie darauf verwiesen hat, dass keine finanziellen Mittel zur Finanzierung eines Ersatzarbeitsplatzes zur Verfügung stünden, falls einem Arbeitnehmer Altersteilzeit gewährt werde.

2.

Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung darauf hinweist, die Beklagte habe über seinen Antrag bereits ab dem 30.09.2005 entscheiden müssen und hätte bei unverzüglichem Tätigwerden die Altersteilzeit bewilligt, da ihr erst am 20.10.2005 bekannt geworden sei, dass die eine Bewilligung von Altersteilzeit zukünftig ablehne, macht er letztlich einen Schadenersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB geltend. Rechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Altersteilzeit im Wege des Schadenersatzes ist aber, dass die Nichtgewährung auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Arbeitgebers beruht. Eine solche ist aber vorliegend nicht feststellbar, da für die Beklagte keine Rechtspflicht bestand, vor dem 20.10.2005 über den Antrag des Klägers zu entscheiden.

Das Bundesministerium des Innern hat mit Schreiben vom 18.11.2002 (Bl. 25 d. A.) unter anderem folgendes mitgeteilt:

"Des Weiteren ist das Entgegenstehen dienstlicher bzw. betrieblicher Gründe zu prüfen, die durch den Arbeitgeber bei der Bewilligung von Altersteilzeitarbeit berücksichtigt werden müssen. Dies kann grundsätzlich erst beurteilt werden, wenn die jeweiligen haushalts- und personalwirtschaftlichen Rahmendaten feststehen, was i. d. R. nicht vor Ablauf eines Jahres vor Beginn der Altersteilzeitarbeit möglich ist."

Diesem Schreiben ist aber lediglich der Hinweis zu entnehmen, im Hinblick auf die Prüfung von dienstlichen und betrieblichen Gründen, die einer Altersteilzeitbewilligung entgegenstehen könnten, über einen Antrag nicht in der Regel vor Ablauf eines Jahres vor Beginn der Altersteilzeit zu entscheiden. Hieraus lässt sich aber nicht folgern - wie dies der Kläger aber offenbar will -, über Altersteilzeit müsse spätestens ein Jahr vor Beginn der Altersteilzeit entschieden werden. Dass die Beklagte im vorliegenden Fall die empfohlene Prüfung entgegenstehender Gründe während der Zeit vom 01. bis 20.10.2005 zögerlich betrieben hat, wird vom Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen.

3.

Vor der ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte hat sie sich hinsichtlich des gemäß § 2 Abs. 1 TVATZ auszuübenden Ermessen nicht gebunden. Diese Feststellung ist selbst dann zu treffen, wenn die vom Kläger behauptete, aber streitige mündliche Zusage durch seinen Vorgesetzten, Herrn V., nach telefonischer Rücksprache mit der Zentrale der X. erfolgt wäre. Denn weder der beteiligte Mitarbeiter in der Zentrale noch Herr V. waren befugt, gegenüber dem Kläger rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben. Nach § 9 Ziffer 4 des Anhangs zur Geschäftsordnung der Geschäftsführung der X. waren rechtsverbindliche Erklärungen schriftlich abzugeben. Mithin waren die vom Kläger behaupteten mündlichen Erklärungen sowohl des Mitarbeiters der Zentrale wie auch des Herrn V. nicht rechtsverbindlich erfolgt und konnten den Ermessenspielraum der Beklagten nicht einengen.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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