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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.09.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 341/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, GewO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
GewO § 106
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 341/04

Verkündet am: 13.09.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.03.2004 2 Ca 3377/03 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin im Wege des Direktionsrechts neue Arbeiten einseitig zuweisen kann.

Hinsichtlich der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses und der vertraglichen Vereinbarung(en) und hinsichtlich der Arbeitszeit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3 des Tatbestandes des angefochtenen Urteils (= Bl. 43 d. A.) 2 Ca 3377/03 Bezug genommen.

Davon abweichend arbeitet die Klägerin seit 1998 in einem Schichtsystem. Sie wird in der ersten und zweiten Woche vormittags zwischen 08:00 Uhr und 12:00 bzw. 12:30 Uhr und in der dritten Woche von 16:00 Uhr bis 20:00 Uhr eingesetzt.

Mehrarbeitsstunden werden entweder an einem beliebigen Tag durch Freizeitgewährung ausgeglichen, oder aber vergütet.

Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat am 24.07.2003 eine "Betriebsvereinbarung" über ein Drei-Schicht-System an der Kassenzone vereinbart, wonach ein rollierendes Drei-Schicht-System ab 24.07.2003 eingeführt wird. Hinsichtlich des Inhalts der Betriebsvereinbarung wird auf Blatt 36 der Akte Bezug genommen. Danach ändert sich die regelmäßige tägliche Arbeitszeit im wöchentlichen Rhythmus. In der ersten Woche ist von 8:00 Uhr bis 13:15 Uhr, in der zweiten Woche von 12:00 Uhr bis 17:15 Uhr und in der dritten Woche von 15:25 Uhr bis 20:15 Uhr zu arbeiten.

Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 18.09.2003 (Bl. 10 d. A.) mitgeteilt, dass sie zukünftig in das mit dem Betriebsrat vereinbarte Drei-Schicht-System eingebunden werde und nach ihrem Erholungsurlaub am 20.10.2003 von 13:00 Uhr bis 17:45 Uhr zu arbeiten habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit dem vorliegenden Rechtsstreit.

Die Klägerin hat vorgetragen, nach ihrer Auffassung sei die Anordnung der Beklagten vom Direktionsrecht nicht gedeckt. Die Betriebsvereinbarung vom 24.07.2003 könne die arbeitsvertragliche Regelung der Parteien nicht ändern. Der Arbeitsvertrag habe als günstigere Regelung Vorrang. Zwar sei sie seit 1998 abweichend von den schriftlichen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beschäftigt worden; sie habe jedoch zu keinem Zeitpunkt in eine Änderung ihres Arbeitsvertrages eingewilligt. Sie habe die seit 1998 geänderten Arbeitszeiten akzeptiert, ohne sich auf Dauer verpflichten zu wollen. Darüber hinaus verweise sie auf die Schriftformklausel der Ziffer 9 des Arbeitsvertrages.

Die Klägerin hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass die Anordnung der Beklagten vom 18.09.2003, wonach die Klägerin im Markt in H. im Drei-Schicht-System zu arbeiten hat, unwirksam ist.

2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 12.05.1995 regelmäßig in der Frühschicht weiterzubeschäftigen.

hilfsweise,

die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin im Wechsel zwischen zwei Frühschichten und einer Spätschicht entsprechend der von 1998 bis September 2003 geübten Praxis weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Arbeitsverträge der Parteien schränkten das Direktionsrecht der Beklagten nicht ein, da sie seit 1998 nicht mehr "gelebt" würden, sondern einvernehmlich abgeändert worden seien. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt einen fehlenden Rechtsbindungswillen erklärt. Eine vertragliche Festlegung auf die Tätigkeit am Vormittag oder maximal in jeder dritten Woche nachmittags existiere nicht.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 10.03.2004 2 Ca 3377/03 festgestellt, dass die Anordnung des Beklagten vom 18.09.2003, wonach die Klägerin im Drei-Schicht-System zu arbeiten hat, unwirksam ist und die Beklagte verurteilt, unter Abweisung der Klage im Übrigen, die Klägerin im Wechsel zwischen zwei Frühschichten und einer Spätschicht weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 43 bis 49 der Akte Bezug genommen. Gegen das ihr am 21.04.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 05.05.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 07.06.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es bestehe vorliegend kein Feststellungsinteresse der Klägerin mehr, denn die fragliche Anordnung sei zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht bereits zeitlich überholt gewesen. Im Übrigen seien die arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten konkludent geändert. Allerdings fehle es an einer Änderung dahingehend, dass die Klägerin seit 1998 nur noch entsprechend der seither geübten Praxis einen Arbeitseinsatz ausschließlich erste und zweite Woche früh und dritte Woche spät verlangen könne. Anerkennenswerte Interessen, die die Klägerin der auf der Grundlage der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung von der Beklagten angewiesenen Verteilung der Arbeitszeit entgegenhalten könne, gebe es nicht. Vielmehr fehle es ihr an Flexibilität.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.03.2004, Az.: 2 Ca 3377/03, wird abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Anordnung vom 18.09.2003 habe tatsächlich über die 46. Kalenderwoche hinaus gewirkt und werde bis zum heutigen Tage praktiziert. Zwar akzeptiere sie die angefochtene Entscheidung insoweit, als das Arbeitsgericht eine inhaltliche Änderung der Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag durch die Zeugenvereinbarungen der Parteien und deren praktische Durchführung angenommen habe; zur Anwendung der Betriebsvereinbarung führe dies jedoch nicht, da diese nunmehr geltende Regelung günstiger als die Verteilung der Arbeitszeiten in der Betriebsvereinbarung für sie sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Klage hinsichtlich des Hauptantrages sowie des weiteren Hilfsantrages hinsichtlich des Antrages 2) stattzugeben ist.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Anordnung der Beklagten vom 18.09.2003, wonach die Klägerin im Drei-Schicht-System zu arbeiten hat, unwirksam ist. Danach soll die Klägerin im Drei-Schicht-System im Wechsel zwischen Früh-, Mittel- und Spätschicht arbeiten. Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien stehen dieser Anordnung entgegen.

Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes des § 106 Gewerbeordnung, des Inhalts des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien und der Darstellung der Anordnung der Beklagten vom 18.09.2003 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6, 7 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 46, 47 d. A.) Bezug genommen.

Der zuletzt abgeschlossene schriftliche Arbeitsvertrag wurde bezüglich der Lage der täglichen Arbeitszeit seit 1998 geändert. Die Klägerin arbeitet seit 1998 zwei Wochen von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr bzw. 12:30 Uhr und in der dritten Woche von 16:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Die Parteien haben, auch darin folgt die Kammer ausdrücklich dem Arbeitsgericht, dadurch konkludent die Arbeitszeitregelung des Arbeitsvertrages ebenso wie das Schriftformerfordernis des § 9 des Arbeitsvertrages abgeändert. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 7 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 47 d. A.) Bezug genommen.

Mit dem Arbeitsgericht ist anzunehmen, dass die Anordnung der Beklagten vom 18.09.2003 dieser Arbeitszeitvereinbarung der Parteien widerspricht. Nach dem Schreiben vom 18.09.2003 soll die Klägerin rollierend im Drei-Schicht-System eingesetzt werden. Dazu ist sie jedoch arbeitsvertraglich nicht verpflichtet. Die von der Beklagten dargestellte Rechtsauffassung, wonach die Parteien in Folge der von den schriftlichen Vereinbarungen abweichenden Handhabungen der Arbeitszeiten seit 1998 die Arbeitszeitregelung des Arbeitsvertrages aufgehoben hätten, mit der Folge, dass überhaupt keine Arbeitszeitregelung bestehe, teilt die Kammer mit dem Arbeitsgericht ausdrücklich nicht. Die Parteien haben keine Vereinbarung getroffen, wonach es ausschließlich im Belieben der Beklagten stehen sollte, die Arbeitszeiten einseitig festzulegen. Dieser Wille ist der seit 1998 geübten Praxis der Parteien (entscheidend ist der Empfängerhorizont) schon objektiv nicht zu entnehmen. Die zuvor dargestellte Arbeitszeitvereinbarung der Parteien wurde durch die Betriebsvereinbarung vom 24.07.2003 nicht geändert. Abgesehen davon, dass die Betriebsvereinbarung vom 24.07.2003 teilweise andere Arbeitszeiten vorsieht, als die der Klägerin erteilte Anweisung vom 18.09.2003 (vgl. Bl. 36 einerseits, Bl. 10 andererseits), wirkt sich die Betriebsvereinbarung nicht auf den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien aus. Die Verschlechterung arbeitsvertraglich begründeter Arbeitsbedingungen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ist grundsätzlich nicht möglich. Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Einführung eines Drei-Schicht-Systems im wöchentlichen Wechsel ungünstiger ist als wöchentlich gleich bleibende und im vorhinein festgelegte Arbeitszeiten.

Damit muss die Beklagte die Klägerin entsprechend der seit 1998 geübten Praxis beschäftigen.

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

Soweit die Beklagte zunächst behauptet hat, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei die konkrete Arbeitszeitanordnung zeitlich überholt, ist dieser Hinweis für die Kammer unverständlich. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Anordnung nach wie vor praktiziert wird. Von daher besteht keinerlei Veranlassung, dass Feststellungsinteresse vorliegend in Frage zu stellen.

Entgegen der Beklagten haben die Parteien 1998, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, konkludent die Arbeitszeit verändert. Da das Berufungsvorbringen insoweit keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachen enthält, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst. Die Beklagte macht insoweit lediglich deutlich, dass sie die hier vertretene Auffassung nicht zu teilen vermag.

Auch Anhaltspunkte dafür, dass die aufgrund der Betriebsvereinbarungen vorgesehene Arbeitszeit zumindest gleichwertig im Sinne des Günstigkeitsprinzips sein könnte, lassen sich dem Berufungsvorbringen der Beklagten nicht entnehmen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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