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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 523/07
Rechtsgebiete: ArbGG, TzBfG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
TzBfG § 14 Abs. 1
ZPO §§ 512 ff.
KSchG § 2
BGB § 242
BGB § 315
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.05.2007, Az. 1 Ca 290/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um das Zustandekommen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.05.2007 (Seite 3 - 5 = Bl. 100 - 102 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen der Beklagten und ihr seit dem 01.06.2006 ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 23.05.2007 (Bl. 98 ff. d. A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe nach wie vor lediglich ein Teilzeitarbeitsverhältnis, da aus der mehrfachen Anordnung von Mehrarbeit, auch wenn dies in der Vergangenheit über Jahre hinweg erfolgt sei, ein Vollzeitarbeitsverhältnis nicht entstanden sei. Die Parteien hätten insbesondere nicht stillschweigend die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit der Klägerin verlängert. Die Beklagte habe nämlich durch die Ablehnung von insgesamt sechs Anträgen der Klägerin, das Arbeitsverhältnis auf Vollzeitbeschäftigung aufzustocken, zum Ausdruck gebracht, dass die Heranziehung zur Mehrarbeit gerade nicht Ausdruck der vertraglich geschuldeten Leistung sein solle. Darüber hinaus habe die Beklagte im Laufe der Jahre Mehrarbeit in unterschiedlichem Umfang angeordnet, so dass hieraus eine Vertragserklärung, welche eine Vollzeitbeschäftigung beinhalte, nicht abgeleitet werden könne. Schließlich habe die Beklagte zweimal befristete Vollzeitarbeitsverträge mit der Klägerin geschlossen; auch dies stehe der Vereinbarung eines unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses entgegen.

Aus dem Teilzeitbefristungsgesetz könne im vorliegenden Fall die Entstehung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht abgeleitet werden, da unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 1 TzBfG diese gesetzliche Regelung lediglich auf die Befristung von Arbeitsverträgen, nicht aber auf die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen anzuwenden sei. Allerdings bedürfe die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung - unabhängig von der Unanwendbarkeit des Teilzeitbefristungsgesetzes - eines rechtfertigenden Sachgrundes, wenn durch sie der gesetzliche Änderungskündigungsschutz objektiv umgangen werden könne. Eine dahingehende Vereinbarung sei aber zwischen den Parteien nicht getroffen worden, da die Mehrarbeit stets einseitig von der Beklagten angeordnet worden sei.

Soweit die Beklagte bei der Anordnung von Mehrarbeit die Grenzen des in diesem Zusammenhang gegebenen Direktionsrechtes überschritten habe, könne dahinstehen, zumal eine solche Überschreitung jedenfalls nicht die Entstehung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zur Rechtsfolge habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 5 ff. des Urteils vom 23.05.2007 (= Bl. 102 ff. d. A) verwiesen.

Die Klägerin hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung, welche ihr am 04.07.2007 zugestellt worden ist, am 03.08.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 18.09.2007 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 18.09.2007 verlängert worden war.

Die Klägerin macht geltend,

das Arbeitsgericht Koblenz habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 09.07.2003 - 5 AZR 610/01) das Abrufen und Leisten einer regelmäßig bestimmten erhöhten Arbeitszeit in der Regel Ausdruck der vertraglich geschuldeten Leistung sei.

Darüber hinaus fehle es für die ständig angeordnete Mehrarbeit an einem rechtfertigenden Sachgrund. Wenn schon die vereinbarte Befristung einer Inhalts- und Angemessenheitskontrolle unterliege, müsse dies erst recht für einseitig angeordnete Mehrarbeit gelten, da hier eine Einflussnahme des Arbeitnehmers ausscheide und er noch wesentlich schutzloser gestellt sei.

Ein die über Jahre hinweg angeordnete Mitarbeit rechtfertigender Sachgrund ergebe sich nicht aus dem Einstellungsstopp, der für den Beschäftigungsbereich der Klägerin gelte. Dieser Einstellungsstopp stamme vom C.; mithin habe sich die Beklagte quasi selbst diesen Grund gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 18.09.2007 (Bl. 136 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.05.2007, Az. 1 Ca 290/07 abzuändern und festzustellen, dass zwischen der Beklagten und ihr seit dem 01.06.2006 ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

die Anordnung von Mehrarbeit stelle kein Angebot für den Abschluss eines Vollzeitarbeitsvertrages dar, sondern eine einseitige Anordnung. Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, was für die befristete Vereinbarung einer Arbeitzeitverlängerung gelte, nämlich die Notwendigkeit eines Sachgrundes, müsse erst recht für die Anordnung von Mehrarbeit gelten, sei dies unzutreffend. Dem Direktionsrecht des Arbeitgebers seien bei der Anordnung von Mehrarbeit von vornherein rechtliche Grenzen gesetzt, so dass es einer weitergehenden Kontrolle nicht bedürfe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.10.2007 (Bl. 150 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die zulässige Feststellungsklage zu Recht abgewiesen, da zwischen den Parteien ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis seit dem 01.06.2006 nicht zustande kam. Weder haben sie ein Vollzeitarbeitsverhältnis vereinbart (A.) noch ergibt sich ein solches aus den Rechtsgrundsätzen, die für die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen gelten (B.).

A.

Die Annahme einer dauerhaften Vertragsänderung mit einer erhöhten regelmäßigen Arbeitszeit setzt die Feststellung entsprechender Erklärungen der Parteien voraus. Dafür kann neben anderen Umständen von Bedeutung sein, um welche Art von Arbeit es sich handelt, wie sie in die betrieblichen Abläufe integriert ist und in welcher Weise die Arbeitszeit hinsichtlich Dauer und Lage geregelt bzw. ausgedehnt wird. In diesem Sinne hat der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichtes für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abgestellt (vgl. Urteil vom 21.11.2001 - 5 AZR 296/00 = BAGE 100, 25, 32 f.).

Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber - auch längere Zeit - unter deutlicher Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt wird, ergibt für sich genommen noch keine Vertragsänderung. Bei dem Arbeitseinsatz handelt es sich um ein tatsächliches Verhalten, dem nicht notwendig ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zukommt. Vielmehr ist auf die Absprachen abzustellen, die dem erhöhten Arbeitseinsatz zugrunde liegen (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2007 - 5 AZR 504/06 = AP Nr. 121 zu § 615 BGB). Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist zunächst einmal festzustellen, dass die zweitinstanzliche Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Hamm (Urteil vom 04.05.2006 - 8 Sa 2046/05 = NZA - RR 2006, 456) im Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 25.04.2007 aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen wurde. Dementsprechend kann im vorliegenden Fall der bloßen Tatsache, dass die Klägerin seit 1994 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung regelmäßig Mehrarbeit abgeleistet hat, nicht gefolgert werden, dass hierdurch eine einvernehmliche Abänderung der ursprünglich vereinbarten Teilzeit (50 % der Vollarbeitszeit) in ein Vollzeitarbeitsverhältnis erfolgte. Durch die Anordnung der Mehrarbeit hat die Beklagte, obwohl diese Anordnung über Jahre hinweg regelmäßig erfolgte, im konkreten Fall keine konkludente Annahme eines etwaigen Vertragsangebotes der Klägerin, die Arbeitszeit auf Vollzeit zu erhöhen, angenommen. Gegen eine solche Annahmeerklärung sprechen insbesondere folgende Umstände:

Bei der Anordnung der Mehrarbeit wies die Beklagte die Klägerin immer schriftlich ausdrücklich darauf hin, dass es sich um angeordnete Mehrarbeit handele. Allein dies ist bereits ein Indiz dafür, dass die Beklagte den ursprünglichen Arbeitsvertrag und die dort enthaltene Arbeitszeitregelung nicht verändern wollte.

Soweit die Beklagte eine Erhöhung der Teilzeit auf Vollzeitarbeit vereinbarte, handelte es sich in zwei Fällen um ausdrücklich befristete Verträge. Hieraus folgt ebenfalls, dass die Beklagte die Klägerin nicht auf Dauer als Vollzeitkraft beschäftigen will.

Hinzu kommt, und dies ist aus Sicht er Berufungskammer entscheidend, dass die Klägerin während der Zeit von 1995 bis zum 17.01.2006 insgesamt sechsmal beantragte, sie als Vollzeitkraft zu beschäftigen; die Beklagte lehnte dies durchweg ab. Hierdurch hat die Beklagte klar und deutlich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, kein Vollzeitarbeitsverhältnis mit der Klägerin zu begründen. Durch die Ablehnung des Antrages vom 17.01.2006 liegt auch eine deutliche Verweigerung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn des Vollzeitarbeitsverhältnisses vor, den die Klägerin geltend macht (01.06.2006).

Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung noch einmal auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 09.07.2003 (Az. 5 AZR 610/01 n. v. = Juris) hinweist, wurde durch die weitere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 25.04.2007 (Az. 5 AZR 504/06 = AP Nr. 121 zu § 615 BGB) klargestellt, dass die Ausführungen in der erstgenannten Entscheidung nicht so zu verstehen sind, dass allein der bloße Umstand einer deutlichen Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit bereits eine Vertragsänderung ergibt. Dieser Auffassung schließt sich die Berufungskammer an, da allein durch ausdrückliche oder zumindest konkludente Willenserklärungen ein Änderungsvertrag zustande kommen kann.

B.

Aus den Rechtsgrundsätzen, die für die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen gelten, ergibt sich im vorliegenden Fall ebenfalls kein Vollzeitarbeitsverhältnis.

Diese Feststellung entspricht zunächst einmal der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Urteil vom 25.04.2007 (a. a. O.), zumal dort, ohne Prüfung der Rechtsgrundsätze zur Befristung von Arbeitsbedingungen, das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 04.05.2006 (a. a. O.) aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen wurde. Hätte das Bundesarbeitsgericht einen rechtlichen Ansatzpunkt für die Begründung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in den Rechtsgrundsätzen zur Befristung von Arbeitsvertragsbedingungen gesehen, wäre es hierauf mit Sicherheit eingegangen.

Das Argument der Klägerin in der Berufungsbegründung, wenn schon die vereinbarte Befristung von Arbeitsvertragsbedingungen einer Inhalts- und Angemessenheitskontrolle unterliege, müsse dies erst recht für die Anordnung von Mehrarbeit gelten, da der Arbeitnehmer dabei noch wesentlich schutzloser gestellt sei, greift nach Überzeugung der Berufungskammer nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bedarf die Befristung einer Vertragsbedingung eines Sachgrundes, wenn durch die Befristung der Inhaltsschutz aus § 2 KSchG umgangen werden kann. Auch nach dem Inkrafttreten des Teilzeitbefristungsgesetzes ist in diesen Fällen im Falle von Paritätsstörungen bei Vertragsschluss eine Inhalt- und Angemessenheitskontrolle gemäß §§ 242, 315 BGB durchzuführen (vgl. BAG, Urteil vom 14.01.2004 - 7 AZR 213/03 = AP Nr. 10 zu § 14 Teilzeitbefristungsgesetz). Im Fall der Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen will sich der Arbeitgeber aber von vornherein vertraglich binden und es ist lediglich fraglich, ob diese Bindung befristet oder unbefristet gilt. Bei der Anordnung von Überstunden handelt es sich aber von vornherein um eine einseitige Maßnahme, ohne Vertragsbindungswillen des Arbeitgebers. Daher kann, ohne ausdrückliche tarifliche oder gesetzliche Regelung, aus diesem Verhalten keine unbefristete Vereinbarung bestimmter Arbeitsbedingungen gefolgert werden. Ansonsten würde eine Vertragserklärung des Arbeitgebers, die tatsächlich nicht vorliegt, fingiert.

Darüber hinaus sind Arbeitnehmer auch nicht - wie dies aber die Berufungsführerin vertritt - im Falle der unzulässigen Anordnung von Überstunden schutzlos gestellt. Überschreitet der Arbeitgeber hierbei die Grenzen des Direktionsrechtes oder berücksichtigt er tarifliche Erfordernisse nicht, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, der Anordnung von Mehrarbeit Folge zu leisten. Er hat darüber hinaus einen Anspruch auf Unterlassung der rechtswidrigen Anordnung von Mehrarbeit. Derartige Rechte stehen ihm aber bei der vertraglichen Befristung einzelner Arbeitsbedingen nicht von vornherein zu; infolge dessen bedarf es allein dort einer Inhalts- und Angemessenheitskontrolle, nicht aber im Falle der Anordnung von Mehrarbeit.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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