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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: 7 Sa 541/08
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 10
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 03.06.2008, Az.: 6 Ca 27/07 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors dieses Urteils wie folgt lautet: "Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht fristlos, sondern unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.03.2007 beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen." 2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Die am 13.07.1960 geborene, ledige Klägerin war seit dem 01.02.2003 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 31.01.2003 (vgl. Bl. 8 ff. d. A.) bei der Beklagten, die mit in der Regel mehreren hundert Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in B-Stadt ein Klinikum betreibt, als Oberärztin in der Abteilung Pädiatrie gegen Zahlung eines durchschnittlichen monatlichen Arbeitsentgeltes in Höhe von zuletzt 6.695,57 € beschäftigt. Am 25.03.2006 wies ein Notfallarzt das Mädchen I. K., das zuvor bereits eine Woche wegen Pneumonie bei der Beklagten stationär behandelt und am 23.03.2006 entlassen worden war, zur weiteren stationären Behandlung wieder ein. Für den Fall, dass ein Kind von einem Arzt eingewiesen wird, hatte Prof. Dr. Z die Anweisung gegeben, dieses grundsätzlich stationär aufzunehmen, um eine exakte Abklärung vornehmen zu können. Die am 25.03.2006 diensthabende Klägerin erklärte gegenüber der Mutter der Patientin I. K., eine stationäre Aufnahme sei nicht erforderlich. Die Mutter des Kindes protestierte daraufhin hiergegen und nahm anschließend das Kind wieder mit nach Hause. Eine Krankenschwester, die bei dem Gespräch der Klägerin mit der Mutter der Patientin dabei war, wies die Klägerin anschließend auf die Anordnung von Prof. Dr. Z hin. Im Jahr 2006 ordnete die Klägerin zur Behandlung eines fieberkranken Kindes gegenüber einer untergeordneten Ärztin an, das Fenster zu öffnen und das Kind nicht zuzudecken. Später bestritt sie in einem Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Z, ihrem Vorgesetzten, diese Anordnung erteilt zu haben, während eine Krankenschwester die Anordnung bestätigte. Daraufhin mahnte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17.05.2006 ab, weil sie die Krankenschwester durch ihre eigene unrichtige Sachdarstellung der Lüge bezichtigt habe. Die von der Klägerin daraufhin verfolgte Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist mit Urteil des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 29.08.2007 (7 Sa 325/07) rechtskräftig abgewiesen worden. Am 03.12.2006 wurde Y, ein am 09.02.2006 geborenes und an einem Medulloblastom (bösartiger Tumor im Kleinhirn) leidendes, querschnittgelähmtes Kind aus Russland in die Klinik der Beklagten aufgenommen. In Russland war bei dem Kind zuvor eine Chemotherapie sowie eine neurochirurgische inkomplette Resektion des Tumors durchgeführt worden. Die Behandlung des Kindes bei der Beklagten oblag den Ärzten der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Knochenmarktransplantation (im Folgenden: KMT); untergebracht war es in der Kinderabteilung, dort auf der Station 15 F, in welcher die Klägerin Dienst ableistete. Die für das Kind zuständigen Ärzte der KMT, Prof. Dr. X und Dr. W beabsichtigten, es mit drei Chemotherapieblöcken und zwei autologen Transplantationen (Übertragung körpereigenen Gewebes von einem Körperteil auf einen anderen) zu behandeln. Am 05.12.2006 führte die Klägerin mit den Eltern von Y ein ca. halbstündiges Gespräch. Der Aufforderung von Dr. V, dem leitenden Oberarzt der Kinderklinik, den Gesprächsinhalt zu dokumentieren, kam sie nicht nach. Am 05.12.2006 oder während der Chefarztvisite vom 06.12.2006 erklärte die Klägerin gegenüber Dr. W, dass die für die Patientin Y vorgesehene Therapie für sie unverständlich sei. Dr. W führte aus, das Kind habe eine 20 prozentige Heilungschance und die Querschnittslähmung sei reversibel. Die Schatten auf der Lunge des Kindes seien möglicherweise keine Lungenmetastasen, sondern Pilzinfektionen. Die Klägerin erwiderte, die Neurologie werde sich nicht bessern, da die Ausfallerscheinungen schon viel zu lange bestünden. Die als Pilzinfektion gedeuteten Lungenmetastasen sprächen eindeutig gegen eine Transplantation; bei Pilzinfektionen müssten diese erst einmal drei Wochen behandelt werden, bevor die Transplantation eingeleitet werden dürfe. Die von der Klägerin vorgeschlagene Einberufung einer Tumorkonferenz lehnte Dr. W ab. Die Klägerin nahm sodann telefonisch Kontakt mit Dr. U, dem Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer auf und schilderte diesem den Fall der Patientin Y. In einem Aktenvermerk vom 08.12.2006 (vgl. Bl. 90 d. A.) hielt die Klägerin fest, die Eltern des Kindes seien von russischen Kollegen darüber informiert worden, dass die Prognose infaust (Heilung nicht möglich, mit dem Ableben ist zu rechnen) sei und eine palliative Versorgung im Fordergrund stehe. Eine fachliche Diskussion über die Indikation zur Transplantation mit den Kollegen der KMT (Dr. W) sowie dem leitenden Oberarzt der Kinderklinik Dr. V werde strikt abgelehnt. Mit Schreiben vom 19.12.2006 hörte die Beklagte den bei ihr errichteten Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen und vorsorglich ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 21.12.2006 den beabsichtigten Kündigungen. Die Beklagte kündigte sodann mit Schreiben vom 21.12.2006 fristlos und vorsorglich auch fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Mit ihrer am 10.01.2007 beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - eingegangenen Klage hat die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der beiden Kündigungen geltend gemacht. Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 03.06.2008 (dort Seite 2 - 7 = Bl. 299 - 304 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 21.12.2006 nicht beendet wird, sondern ungekündigt fortbesteht. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist. Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat entsprechend seinen Beweisbeschlüssen vom 13.11.2007 (Bl. 208 ff. d. A.) und 22.01.2008 (Bl. 245 d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen T, S, R, S, P, O, N und des Zeugen Dr. V; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der arbeitsgerichtlichen Sitzungsprotokolle vom 22.01.2008 (Bl. 238 ff. d. A.) und 03.06.2008 (Bl. 294 ff. d. A.) verwiesen. Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 03.06.2008 (Bl. 298 ff. d. A.) festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor Ablauf des 31.01.2007 aufgelöst hat; die weitergehende Klage ist abgewiesen worden. Zur Begründung des klageabweisenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31.03.2007 beendet worden; soweit im Urteilstenor als Auflösungszeitpunkt der 31.01.2007 genannt sei, beruhe dies auf einem Versehen. Die ordentliche Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt, da die Klägerin, trotz Vorliegens verschiedener Abmahnungen, fortgesetzt gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe. Die Klägerin sei am 17.05.2006 wegen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen ärztlichem Dienst und Pflegedienst abgemahnt worden. Darüber hinaus wegen Verstoßes gegen ärztliche Pflichten (Anordnung des Öffnens des Fensters ohne Untersuchung eines Kindes bei einer tatsächlichen Körpertemperatur des Kindes von 40,1 Grad) mit Abmahnung vom 17.05.2006 und zudem wegen mangelhafter Diagnose eines komplexen Herzfehlers bei einem an Trisomie leidenden Kind mit Abmahnung vom 15.12.2006. Nach Durchführung der Beweisaufnahme stünden zur Überzeugung der Kammer folgende Pflichtverletzungen der Klägerin fest: Die Klägerin habe, trotz entgegenstehender ärztlicher Anordnung von Prof. Dr. Z, im März 2006 das von einem Arzt zur weiteren stationären Behandlung eingewiesene Kind I. K. wieder nach Hause geschickt. Gegenüber Schwester T habe sie darüber hinaus in diesem Zusammenhang geäußert, die entgegenstehende chefärztliche Anweisung gelte für Assistenzärzte, nicht aber für sie. Anlässlich der Anweisung durch Dr. V, den Verlauf des Gespräches mit den Eltern der Patientin Y zu dokumentieren, habe die Klägerin diesem in aggressivem Ton vorgeworfen, er kümmere sich nicht um die Kinder, die sich auf der Station befänden. Das Kind werde nur transplantiert, um damit Geld zu verdienen. Im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung des Kindes Y habe die Klägerin trotz fehlender Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für die Behandlung des Kindes, versucht, eigene ethische und medizinische Überzeugungen mit äußerstem Nachdruck durchzusetzen, ohne die gegebenen Verantwortlichkeiten in der Klinik auch nur annähernd zu respektieren. Dabei spiele es im Ergebnis keine Rolle, ob die medizinische Bewertung der Klägerin zutreffend gewesen sei oder diejenige der für die Behandlung des Kindes zuständigen Dr. W und Prof. Dr. X. Maßgebend sei allein, dass nach der Organisationsentscheidung der Beklagten die Verantwortung für die Behandlung des Kindes bei den beiden letztgenannten Ärzten gelegen habe. Angesichts des Organisationsinteresses der Beklagten an einem weitgehend reibungslosen, geordneten betrieblichen Ablauf sei dieser, angesichts der Häufigkeit der Pflichtverstöße der Klägerin und angesichts der bestehenden Wiederholungsgefahr ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht mehr zuzumuten gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 8 ff. des Urteils vom 03.06.2008 (vgl. Bl. 305 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin, der diese Entscheidung des Arbeitsgerichts am 05.09.2008 zugestellt worden ist, hat am 24.09.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 05.12.2008 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 05.12.2008 verlängert worden war. Die Klägerin macht geltend,

das erstinstanzliche Urteil sei zumindest hinsichtlich des im Urteilstenor festgestellten Beendigungszeitpunktes abzuändern. Darüber hinaus sei im Berufungsverfahren auch zu berücksichtigen, dass die Abmahnungen vom 17.05.2006 (Fieberkrampf - angebliche Fehlbehandlung des Patienten J.B.) und die Abmahnung vom 15.12.2006 (angebliches Übersehen eines "komplexen Herzfehlers") nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 02.07.2008 (Az.: 7 Sa 68/08) aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen gewesen seien. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht keine angemessene Abwägung der Beteiligteninteressen vorgenommen, da es sich nicht mit der Konfliktlage auseinandergesetzt habe, welche sich durch die Einbindung eines Arztes in einer Organisationsstruktur einerseits und dessen ethischer Verantwortung andererseits ergebe. Die medizinische Behandlung der Patientin Y sei ethisch nicht vertretbar gewesen, zumal sie mit erheblichen Belastungen der Patientin verbunden gewesen und aus rein wirtschaftlichen Interessen heraus begründet und durchgeführt worden sei. Bei der Bewertung des Schweregrades der Verfehlungen, welche der Klägerin vorgeworfen würden, dürfe nicht nur ein objektiver Maßstab angelegt werden, sondern es sei auch zu prüfen, inwieweit der Arbeitgeber sich im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern setze. Die Beklagte habe zahlreiche Misstände, die von der Klägerin im ausdrücklichen Auftrag der Beklagten - anlässlich der Überprüfung zahlreicher Todesfälle - zusammengetragen habe, weder zum Anlass genommen, arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die betroffenen Mitarbeiter zu ergreifen, noch irgendwelche organisatorischen Änderungen vorzunehmen. Angesichts dessen handele es sich bei den Vorwürfen, welche gegenüber der Klägerin erhoben würden, um "Lappalien". Dies gelte z. B. auch für die Nichtdokumentation eines Gespräches mit den Eltern der Patientin Y. In der Patientenakte dieses Kindes gebe es kein einziges dokumentiertes Gespräch; mithin hätten alle anderen Kollegen, die mit den Eltern zahlreiche Gespräche geführt hätten, offensichtlich keine Veranlassung geboten, eine Dokumentation anzuordnen. Unabhängig davon, dass die Klägerin gegenüber Dr. V nicht geäußert habe, "er kümmere sich nicht um die Kinder" sei dieser Vorwurf in einem übertragenen Sinne begründet, wenn man die Berichte der Klägerin zu aufgezeigten zahlreichen Fehlleistungen des Dr. V unter der Überschrift Verantwortung für seine eigenen Patienten würdige. Auch die der Klägerin in den Mund gelegte Erklärung, die Patientin Y "werde nur transplantiert, um damit Geld zu verdienen" sei in Anbetracht der festgestellten fehlenden ethischen und medizinischen Indikation berechtigt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 03.12.2008 (Bl. 352 ff. d. A.) verwiesen. Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts vom 03.06.2008 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 21.12.2006 nicht beendet worden ist, 2. die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung der Klägerin vom 03.12.2008 zurückzuweisen, 2. auf eine Anschlussberufung hin vorsorglich das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen. Die Beklagte führt aus,

aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin im März 2006 das Kind I.K., trotz vorliegender ärztlicher Einweisung, nicht stationär aufgenommen, sondern nach Hause geschickt habe. Auf den Hinweis von Schwester T, dass eine entgegenstehende chefärztliche Weisung vorliege, habe die Klägerin ausgeführt, diese gelte nur für Assistenzärzte. Auch dieses Verhalten betreffe, wie bereits das am 17.05.2006 abgemahnte Fehlverhalten, das Vertrauensverhältnis zwischen den Ärzten und dem Pflegepersonal einerseits und der Klägerin andererseits. Die Nichtaufnahme des Kindes I.K. habe zu erheblicher Verärgerung der Eltern geführt, die ihrerseits Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagte in den Raum gestellt hätten, wie durch das Schreiben des VMD vom 19.04.2007 (vgl. Bl. 150 d.A.) belegt sei. Darüber hinaus hätten die Eltern in einer Veröffentlichung im "Wochenblatt" wegen der Behandlung ihres Kindes im März 2006 nach Zeugen gesucht (vgl. Bl. 427 d.A.). Im Zusammenhang mit der Behandlung der Patientin Y habe die Klägerin in der Berufungsbegründung zu Recht darauf hingewiesen, dass das höchste Rechtsgut in unserem Rechtssystem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sei. Die Klägerin habe aber gerade darauf hinwirken wollen, dass für das Kind Y der Schutz des Lebens versagt werden solle, indem sie die Auffassung vertreten habe, das Kind sei nicht behandlungsfähig und -bedürftig. Sie haben ihren ärztlichen Kollegen der Abteilung Onkologie unterstellt, dieses Kind nur aus ökonomischen Gründen zu behandeln; einen schlimmeren Vorwurf als einem Arzt zu unterstellen, nicht die Heilung des Patienten sei beabsichtigt, sondern das Füllen des Geldbeutels, gebe es kaum. Im Übrigen sei die Klägerin von dem leitenden Oberarzt Dr. V darauf hingewiesen worden, dass die Verantwortung für die medizinische Behandlung der Patientin Y bei den Ärzten der KMT, hier insbesondere bei Dr. W liege. Trotzdem habe die Klägerin in der Patientendokumentation festhalten wollen, dass die vorgesehene Behandlung medizinisch nicht indiziert sei, obgleich ihr für solche Feststellungen jedwede Kompetenz fehle. Soweit die Klägerin wiederum auf Todesfälle in der Kinderklinik verweise, welche sie habe untersuchen müssen, sei festzuhalten, dass es keine Todesfälle gegeben habe, bei denen irgendein ärztliches Verschulden ursächlich oder mitursächlich gewesen sei oder es zu einer pflegerischen Fehlleistung gekommen sei. Der vorsorglich gestellte Auflösungsantrag sei begründet, da den Mitarbeitern der Beklagten eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr möglich sei. Dies zeige insbesondere das im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bestätigte Fehlverhalten gegenüber dem Oberarzt Dr. V. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16.01.2009 (vgl. Bl. 396 ff. d.A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.12.2006 rechtswirksam zum 31.03.2007 aufgelöst. Diese Kündigung ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht gemäß § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam, da sie aus verhaltensbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Die Klägerin hat arbeitsvertragswidrig den Betriebsfrieden bei der Beklagten gestört (A.), obwohl sie zuvor bereits einschlägig abgemahnt war (B.); bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten (C.). A. Die Klägerin hat den Betriebsfrieden durch ihr Verhalten gestört, das im Wesentlichen aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch nach Überzeugung der Berufungskammer nachgewiesen ist. Die hierzu erstinstanzlich vernommenen Zeugen haben allesamt - soweit sie konkrete Wahrnehmungen wiedergeben konnten - ins Einzelne gehende und widerspruchsfreie Angaben gemacht. Mithin ist von folgenden einzelnen Pflichtverletzungen der Klägerin auszugehen: 1. Die Klägerin hat am 05.12.2006 im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die medizinische Behandlung der Patientin Y dem leitenden Oberarzt der Kinderklinik, Dr. V in Anwesenheit zumindest einer weiteren Mitarbeiterin vorgeworfen, er kümmere sich nicht um die Kinder und er mache seine Arbeit nicht richtig. Diese Vorwürfe sind zumindest in der beleidigenden Weise, in der sie geäußert wurden, nicht gerechtfertigt. Dr. V vertrat, ohne in dem Gespräch mit der Klägerin aggressiv zu werden, die Auffassung, dass für die therapeutische Behandlung des Kindes die Ärzte der KMT zuständig seien und die dort beschlossenen Transplantationsmaßnahmen medizinisch indiziert seien. Unabhängig davon, ob dieser Standpunkt medizinisch zutreffend war, bestand kein Anlass für die Klägerin, diese Haltung in ehrkränkender Weise in Anwesenheit weiterer Mitarbeiter zu kritisieren. So hat die Kinderkrankenschwester P die erstinstanzlich als Zeugin vernommen worden ist, bekundet, die Äußerung der Klägerin, Dr. V kümmere sich nicht um die Kinder, gehört zu haben. 2. Die Klägerin hat gegenüber Dr. V während des Gesprächs vom 05.12.2006 des Weiteren geäußert, die Transplantation bei dem Kind Y werde nur des Geldes wegen durchgeführt; Dr. W und Dr. X wollten oft um jeden Preis transplantieren. Diese wiederum für Dr. W und Dr. X ehrabschneidende Erklärung war durch nichts gerechtfertigt. Selbst wenn man - wie die Klägerin - unterstellt, die von den Ärzten der KMT beabsichtigte Behandlung sei medizinisch nicht indiziert gewesen, ist nicht ersichtlich, dass diese Ärzte bewusst allein mit dem Ziel der Profitoptimierung die Therapie vorgeschlagen haben. Die entsprechende Äußerung der Klägerin hat mithin verleumderischen Charakter und stellt eine massive Beeinträchtigung des Betriebsfriedens dar. 3. Die Klägerin führte am 05.12.2006 ein cirka halbstündiges Gespräch mit den Eltern der Patientin Y und weigerte sich anschließend, der Aufforderung des leitenden Oberarztes Dr. V nachzukommen, dieses Gespräch zu dokumentieren. Hierzu war sie jedoch verpflichtet, da die von dem Zeugen Dr. V glaubhaft bekundete Gesprächsdauer nicht mit der Einlassung der Klägerin vereinbar ist, sie habe sich den Eltern lediglich vorgestellt. Dass - wie von ihr des Weiteren eingewandt - kein Gespräch mit den Eltern von anderen Ärzten dokumentiert worden sei, steht der eigenen Dokumentationspflicht nicht entgegen. Denn sie selbst gehörte nicht zu der Gruppe von Ärzten der KMT, welche für die Behandlung des Kindes zuständig waren. Um diesen Ärzten ein vollständiges Bild über die Angaben der Eltern der Patientin zu verschaffen, war es mithin notwendig, den wesentlichen Inhalt des halbstündigen Gespräches zu dokumentieren. 4. Nach eigenem Sachvortrag der Klägerin hat sie in Anwesenheit der Assistenzärztin Dr. R geäußert, dass die Transplantationsentscheidung hinsichtlich der Patientin Y bereits getroffen gewesen sei, bevor die Diagnostik abgeschlossen gewesen sei, zumal der Behandlungsplan bereits am 04.12.2006 auf die zuständige Station gefaxt worden sei, obwohl zu diesem Zeitpunkt die diagnostischen Maßnahmen erst angelaufen wären. Durch die Äußerung dieses Verdachtes deutete die Klägerin zumindest gegenüber der Assistenzärztin eine ehrenrührige Handlung der diagnostizierenden Ärzte der KMT an. Dies war jedoch nicht gerechtfertigt, da die Transplantationsentscheidung auch aufgrund von Informationen, die bereits vor dem Eintreffen der Patientin vorlagen, getroffen worden sein konnte und im Übrigen auch nicht endgültig sein musste. Auch mit dieser Äußerung verschärfte die Klägerin das Verhältnis zu den Ärzten der KMT unter Einbeziehung einer Assistenzärztin. 5. Die Klägerin dokumentierte in einer Aktennotiz vom 08.12.2006 (vgl. Bl. 90 d. A.), trotz eines vorherigen Hinweises vom 07.12.2006 seitens des Verwaltungsdirektors der Beklagten auf die Zuständigkeitsverteilung, die Eltern der Patientin Y seien von russischen Kollegen darüber informiert worden, dass die Prognose "infaust" sei und eine palliative Versorgung des Kindes im Vordergrund stehe. Während des Rechtsstreits hat sie hierzu vorgetragen, ob dies stimme, wisse sie nicht, es handele sich um Informationen aus Gesprächen mit anderen Klinikmitarbeitern. Die Klägerin hat hier Tatsachen in einer Aktennotiz, die zum Verbleib in den Krankenakten der Patientin Y gestimmt war, als feststehend dargestellt, obwohl es an einer tatsächlichen Grundlage hierfür fehlte. Denn sie hat in keiner Weise kenntlich gemacht, dass diese Angaben aus Gesprächen mit anderen Klinikmitarbeitern stammen würden und auch nicht, dass sie selbst nicht wisse, ob sie stimmen würden. Sie hat hierdurch die Dokumentation in der Patientenakte bewusst unrichtig abgefasst, vermutlich um ihre eigene medizinische Auffassung in Abgrenzung zu jener der behandelnden Ärzte aus der KMT zu stützen. Die Klägerin hat mit der inhaltlich falschen Aktennotiz den Verdacht der Falschbehandlung durch die Ärzte der KMT manipulativ weiter genährt. 6. Auch die weitere Feststellung in dem Aktenvermerk vom 08.12.2008, wonach die Kollegen der KMT (Dr. W) eine fachliche Diskussion über die Indikation zur Transplantation strikt ablehnen würden, ist - unter Zugrundelegung des weiteren Sachvortrages der Klägerin - inhaltlich falsch und geeignet, das Verhältnis zu den Arbeitskollegen der KMT weiter zu verschlechtern. Die Klägerin hat nämlich vorgetragen, während der Chefarztvisite (vom 05.12.2006) sei durch Dr. W behauptet worden, das Kind habe eine 20 prozentige Heilungschance und die Querschnittslähmung bestünde "noch nicht so lange" und sei reversibel. Er habe des Weiteren erklärt, die Schatten auf der Lunge seien möglicherweise keine Lungenmetastasen, sondern Pilzinfektionen. Weitere Erläuterungen seinerseits seien nicht erfolgt. Sie selbst habe darauf geantwortet, dass die Neurologie sich nicht bessern werde, da die Ausfallerscheinungen schon viel zu lange bestünden. Die als "Pilzinfektionen" bezeichneten Lungenmetastasen würden eindeutig gegen eine Transplantation sprechen, denn bei Pilzinfektionen müssten zunächst einmal diese über mindestens drei Wochen behandelt werden, bevor die Transplantation eingeleitet werden dürfe. Angesichts dieser Gesprächsdarstellung durch die Klägerin selbst war es nicht gerechtfertigt, in dem Aktenvermerk festzuhalten, dass Dr. W eine fachliche Diskussion verweigere. Vielmehr wurde diese nach Darstellung der Klägerin geführt, wenn auch nicht mit dem von ihr gewünschten Ergebnis. Die Klägerin hat durch die auch in diesem Punkt falsche Sachdarstellung in der Aktennotiz weiter den Anschein der Uneinsichtigkeit und fehlenden Diskussionsbereitschaft von Arbeitskollegen aus der KMT zu erwecken versucht. B. Die Klägerin ist wegen einer schwerwiegenden Störung des Betriebsfriedens bereits in der schriftlichen Abmahnung vom 17.05.2006 gerügt worden. Ihr wurde dabei vorgeworfen, sie habe das Vertrauensverhältnis zwischen ärztlichem Dienst und Pflegedienst dadurch gestört, dass sie eine Kinderkrankenschwester zu Unrecht der Lüge bezichtigt habe. Aufgrund der damaligen Abmahnung musste der Klägerin bewusst sein, dass ein weiteres Fehlverhalten, welches den Betriebsfrieden stört, zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann. C. Im Rahmen der Interessenabwägung war zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie nahezu vier Jahre bei der Beklagten beschäftigt war und die Pflichtverstöße teilweise auf uneigennützigen Motiven beruhen. Deshalb nur teilweise, weil angesichts des Vorgehens der Klägerin jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass sie sich in Abgrenzung zu vielen Arbeitskollegen als die "bessere Ärztin" darstellen wollte. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht jedoch nicht für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses, dass es sich bei ihren Pflichtverletzungen, wie sie meint, im Verhältnis zu Fehlleistungen von Arbeitskollegen, um "Lappalien" gehandelt habe. Zum einen waren die oben dargelegten Pflichtverstöße - vor allem in ihrer Gesamtheit gesehen - schwerwiegend und geeignet, den Betrieb der Klinik, insbesondere die Zusammenarbeit unter den Ärzten massiv zu stören. Dies muss die Beklagte allein schon im Interesse der indirekt auch mitbetroffenen Patienten nicht auf Dauer hinnehmen. Zum anderen vermag die Klägerin durch den pauschalen Hinweis auf Fehlleistungen von Arbeitskollegen, die sie z. B. im Zusammenhang mit der Erstellung einer sogenannten "Todesliste" aufgezeigt haben will, nichts an der Notwendigkeit des Einhaltens von Mindestnormen beim innerbetrieblichen Umgang zu ändern. Die Klägerin hat die innerbetriebliche Zusammenarbeit empfindlich gestört, indem sie mit teilweise beleidigenden, teilweise falschen Angaben versuchte, die von ihr als allein richtig angesehene Behandlungsmethode für die Patientin Y durchzusetzen. Diese Vorgehensweise ist nicht durch den Hinweis auf die ethische Verantwortung des Arztes zu rechtfertigen. Dieser Verantwortung kann ein Arzt auch gerecht werden, wenn er auf die von der Klägerin angewandte Vorgehensweise verzichtet. Da die Klägerin mithin wiederholt und massiv den Betriebsfrieden bei der Beklagten gestört hat, war dieser die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus nicht mehr zumutbar. Das Arbeitsverhältnis endete unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfrist (§§ 34 TVöD, 53 BAT) zum 31.03.2007; die maßgebliche Kündigungsfrist beläuft sich auf sechs Wochen zum Quartalsende. Da das Arbeitsgericht dies in seinen erstinstanzlichen Entscheidungsgründen bereits zutreffend ausgeführt hat, war Ziffer 1. des arbeitsgerichtlichen Urteilstenors entsprechend richtigzustellen. Über den mit der Anschlussberufung verfolgten Auflösungsantrag war nicht zu entscheiden, da dieser nur vorsorglich gestellt worden war und die Bedingung für die er gelten sollte, nicht eingetreten ist. Es wurde nämlich nicht festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2006 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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