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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 71/07
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG, ArbGG, BGB
Vorschriften:
ZPO § 138 | |
ZPO §§ 512 ff. | |
BetrVG § 102 | |
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3 | |
ArbGG §§ 64 ff. | |
BGB § 134 | |
BGB § 626 Abs. 1 |
Aktenzeichen: 7 Sa 71/07
Urteil vom 30.05.2007
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.12.2006, Az. 2 Ca 1066/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit von zwei außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung.
Der am 17.05.1953 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 16.06.1981 oder 01.03.1982 bei der Beklagten, die mit in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern technische Leistungen u. a. für das X. erbringt, zuletzt als Lagerangestellter gegen Zahlung eines durchschnittlichen monatlichen Arbeitentgeltes in Höhe von ca. 2.200,00 EUR brutto beschäftigt. Er arbeitete in einem Lager der Beklagten auf dem Gelände des X. in W-Stadt.
Am 12.05.2006 beabsichtigten der Leiter der Qualitätskontrolle der Beklagten, Herr V. und der Sicherheitsbeauftragte, Herr U. im Arbeitsbereich des Klägers eine T.-Überprüfung durchzuführen und baten ihn, sein Radio abzuschalten, um das so genannte S. durchführen zu können. Als der Kläger dieser Bitte nicht nachkam, holten sie dessen direkten Vorgesetzten Herrn R. hinzu, auf dessen Weisung der Kläger das Radio ausschaltete. Die Beklagte übersandte daraufhin dem Kläger das als Abmahnung bezeichnete Schreiben vom 20.07.2006 (Bl. 58 d. A.).
In der Zeit ab dem 10.07.2006 äußerte der Kläger u. a. gegenüber Herrn U. und Herrn R. Sicherheitsbedenken wegen der Lagerung eines Reinigungssprays der Marke Q. Herr U. erklärte daraufhin in einer an den Kläger gerichteten E-Mail vom 13.07.2007, es bestünden hinsichtlich der vorgenommenen Lagerung keine Bedenken; es sei lediglich sicherzustellen, dass die Sprühdose mit Kappe/Deckel in dem Feuerschutzschrank aufbewahrt werde. Daraufhin sandte der Kläger am 14.07.2007 eine E-Mail an Frau P., einer Sicherheitsbeauftragten des X. (vgl. Bl. 60 d. A.) und erklärte, er sei mit der Antwort des Herrn U. unzufrieden; des Weiteren fragte er an, ob jemand von dem Team der Frau P. käme, um eine Kontrolle durchzuführen.
Am 25.07.2006 sandte der Kläger eine E-Mail an elf verschiedene Mitarbeiter des X. und an das O. (vgl. Bl. 65 d. A.). Darin fragte er an, ob es rechtliche Vorschriften gebe, die einem Subunternehmer des X. vorschreiben würden, sich um langjährige Mitarbeiter zu kümmern, die gesundheitliche Probleme hätten.
Daraufhin hörte die Beklagte den bei ihr errichteten Betriebsrat mit zwei Schreiben vom 28.07.2006 (Bl. 108 ff. und 67 ff. d. A.) zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat bestätigte, die Anhörungsschreiben am 28.07.2006 empfangen zu haben (Bl. 112 und 71 d. A.) und stimmte beiden beabsichtigten Kündigungen mit Schreiben vom 31.07.2006 (Bl. 77 und 78 d. A.) zu. Anschließend kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 02.08.2006, das dem Kläger am gleichen Tag zuging, außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 31.03.2007.
Am 08.08.2006 ging eine gegen diese Kündigungen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers beim Arbeitsgericht Kaiserslautern ein.
Am 18.09.2007 übersandt der Kläger eine E-Mail in englischer Sprache an verschiedene Adressaten, darunter auch zwei Moderatoren einer Sendung des Radiosenders N., die sich "M." und "L." nennen (vgl. Bl. 66 d. A.). Diese E-Mail hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut, wobei der Kläger die Auffassung vertritt, das englische Verb "to cheat" müsse mit "mogeln" und nicht mit "betrügen" ins Deutsche übersetzt werden:
"Guten Tag,
Ich möchte eine unterzeichnete Stellungnahme abgeben. Wussten Sie, dass wir von einem K. Manager die Aussage bekamen, dass es Ihnen egal ist, wenn Sie von Mitarbeitern verklagt werden. Ich kann Ihnen verraten weshalb Sie (K.) das sagten, weil das X. und der Steuerzahler von J-Land für alle Gerichtsverfahren zahlen, gleich ob Sie gewinnen oder verlieren. Denken Sie, dass das in Ordnung ist?
Sie betrügen das X. und den I.- Regierung plus den Steuerzahler.
Frau H., Herr G. und Herr F. wissen dies und tun es weiterhin.
Stellen Sie sich vor, dass Mitarbeiter E.. Karten erhalten haben die nicht im Besitz von einer E. Karte sein sollten, von 1980 bis 1982. Haben das X. und der Steuerzahler davon Kenntniss. Warum ist es K. gestattet Benzin des Militärs zu tanken?
Damit ihr Personal damit nichtstuend herumfahren kann oder weil es nichts kostet. Soweit mir bekannt ist, ist K. GmbH das einzige Unternehmen das andere Unternehmen aus dem Wettbewerb drängen kann und K.. Militärbenzin benutzen darf. Gibt es andere Unternehmen denen erlaubt ist Regierungs- und Steuerzahlergeld zu veruntreuen? Kurz bevor ich gefeuert wurde mir wurde gesagt mich nicht ausserhalb von K. zu äussern und um ehrlich zu sein, Ich lasse mir den Mund nicht verbieten weil es so nicht geht.
Vielen Dank und noch einen schönen Tag.
Gezeichnet
Mr. A.."
Die Beklagte hörte daraufhin den Betriebsrat mit Schreiben vom 20.09.2006 (Bl. 72 ff. d. A) erneut zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat bestätigte, das Anhörungsschreiben am 20.09.2006 empfangen zu haben (Bl. 76 d. A.) und stimmte der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 21.09.2006 (Bl. 79 d. A.) zu.
Sodann kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21.09.2006 (Bl. 29 d. A.) das Arbeitsverhältnis vorsorglich fristlos zum 21.09.2006. Der Kläger hat daraufhin am 27.09.2006 seine Kündigungsschutzklage erweitert und diese nunmehr auch gegen die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2006 gerichtet.
Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die zusammenfassende Darstellung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.12.2006 (dort Seite 4 f. = Bl. 130 f. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 02.08.2006, noch durch die Kündigung vom 21.09.2006 - sei es fristlos oder ordentlich - aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Urteil vom 07.12.2006 (Bl. 127 ff. d. A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 02.08.2006 nicht aufgelöst worden ist; im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung des klageabweisenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung vom 21.09.2006 sei rechtswirksam ausgesprochen worden, da der Kläger durch die Versendung der E-Mail vom 18.09.2006 in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe. Mit dieser E-Mail habe er einer Vielzahl von Adressaten mitgeteilt, sein Arbeitgeber betrüge das X., die I.- Regierung sowie die Steuerzahler. Frau H., Herr G. und Herr F., also Mitarbeiter der Beklagten, würden dies wissentlich weiterhin tun. Hieraus ergebe sich eine bewusste und gewollte Rufschädigung, wobei der Kläger am Ende der E-Mail vom 18.09.2006 selbst eingeräumt habe, bezüglich eines solchen Verhaltens gewarnt worden zu sein.
Die Versendung der E-Mail vom 18.09.2006 reiche bereits aus, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Darüber hinaus habe der Kläger die gleiche E-Mail auch am 19.09.2006 an die dort genannten zahlreichen Adressaten - unter anderem auch an die Presse - weitergeleitet. Soweit er dies mit dem Einwand bestritten habe, er könne sich hieran nicht erinnern, handele es sich nicht um ein zulässiges Bestreiten im Sinne von § 138 ZPO.
Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiege gegenüber dem Fortbestandinteresse des Klägers, da der Inhalt der E-Mail auf eine Schädigungsabsicht schließen lasse.
Das Bestreiten des Klägers bezüglich der Betriebsratsanhörung sei unerheblich, zumal sich der Zugang der vorliegenden Anhörungsschreiben aus der schriftlichen Zustimmung des Betriebsrates zu den Kündigungen ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 6 ff. (= Bl. 132 ff.) des Urteils vom 07.12.2006 verwiesen.
Der Kläger, dem das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern am 09.01.2007 zugestellt worden ist, hat am 29.01.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 10.04.2007 sein Rechtsmittels begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 10.04.2007 verlängert worden war.
Der Kläger macht geltend,
die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2006 habe das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet, zumal es an einem wichtigen Grund fehle. Bei den Adressaten der E-Mail vom 18.09.2006 handele es sich ausschließlich um Freunde des Klägers bzw. Angestellte der Beklagten. Dass am 19.09.2006 ein neuerlicher Versand dieser E-Mail an weitere Adressaten erfolgt sei, sei dem Kläger nicht in Erinnerung. Die Beklagte habe daher die weitere Darlegungs- und Beweislast für den Versand vom 19.09.2006 zu tragen. Bei den Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger über einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg keinen Anlass für irgendwelche Beanstandungen gegeben habe; des Weiteren seien sein Lebensalter und die fehlende berufliche Ausbildung zu seinen Gunsten zu beachten. In der E-Mail vom 18.09.2006 habe der Kläger lediglich im Rahmen seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung zum Ausdruck gebracht, dass durch eine Vielzahl vermeidbarer gerichtlicher Verfahren sowie erhöhten Kraftstoffverbrauchs aufgrund nicht erforderlicher Fahrten bei der Beklagten unnötige Kosten verursacht und Steuergelder verschwendet würden. Der in der E-Mail verwendete Begriff "to cheat" dürfe nicht mit "betrügen" übersetzt werden.
Darüber hinaus sei von entscheidender Bedeutung, dass der Kläger im Zeitpunkt des Versandes der E-Mail unter einer schweren manischen Erkrankung gelitten habe, welche Ursache für das Verfassen und den Versand gewesen sei. Diese Erkrankung habe seit dem Frühjahr 2006 zu einer kontinuierlichen Persönlichkeitsveränderung des Klägers geführt. Da zwischenzeitlich auch eine Betreuung des Klägers in den Aufgabenbereichen Personen- und Gesundheitsfürsorge angeordnet worden sei könne dem Kläger im Zusammenhang mit dem Verfassen und Versand der E-Mail vom 18.09.2006 kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.
Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung im Sinne von § 102 BetrVG liege nicht vor, da dem Betriebsrat völlig unzureichende bzw. unzutreffende Informationen hinsichtlich des Sachverhaltes, welcher der beabsichtigten Kündigung zugrunde liegen solle, gemacht worden seien. Das Arbeitsgericht hätte in diesem Zusammenhang den zutreffenden Sachverhalt durch eine Beweisaufnahme aufklären müssen. Außerdem sei die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß gewesen, da sich der eigentliche Kündigungsgrund aus dem vorgelegten Schreiben vom 20.09.2006 gar nicht ergeben habe. Die Beklagte habe nämlich auf den fünf Seiten dieses Anhörungsschreibens versäumt, klarzustellen, auf welches vermeintlich arbeitvertragswidrige Verhalten die Kündigung gestützt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 10.04.2007 (Bl. 183 ff. d. A.) und 23.05.2007 (Bl. 219 ff. d. A.) sowie das während der Berufungsverhandlung vorgelegte ärztliche Arttest vom 07.02.2007 (Bl. 232 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.12.2006, Az. 2 Ca 1066/06 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mit Schreiben der Beklagten vom 02.08.2006 noch durch die mit Schreiben der Beklagten vom 21.09.2006 ausgesprochene Kündigung beendet wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus,
das tatsächliche Vorliegen einer manischen Erkrankung des Klägers seit Anfang des Jahres 2006 werde mit Nichtwissen bestritten.
Der Kläger sei bereits am 01.03.2006 von seinem direkten Vorgesetzten, Herrn R. mündlich ermahnt worden, da er sich grundlos bei dem Kunden der Beklagten, dem X. beschwert habe. Darüber hinaus sei dem Kläger eine schriftliche Ermahnung vom 19.04.2006 erteilt worden, zumal er damals erneut gegenüber dem X. wahrheitswidrig behauptet habe, dass Glasscheiben in seinem Arbeitsbereich nicht ordnungsgemäß gelagert worden seien.
Nachdem der Kläger sich im Zusammenhang mit der Lagerung eines Reinigungssprays der Marke Q. an die Sicherheitsbeauftragte des X. Frau P. per E-Mail gewandt hatte, habe die Personalleiterin der Beklagten, Frau H. den Kläger deshalb in einem Gespräch vom 17.07.2006 abgemahnt. Während des gleichen Gespräches wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass zahlreiche Beschwerden von Mitarbeitern gegen ihn vorliegen würden, wegen seiner Unfreundlichkeit und seines aggressiven Verhaltens.
Darüber hinaus habe sich der Kläger am 20.07.2006 an drei Manager der Beklagten gewandt und behauptet, die Beklagte habe verhindert, dass er an Betriebsratswahlen habe teilnehmen können; außerdem verschwende sie Gelder.
Die E-Mail vom 18.09.2006 habe der Kläger nicht lediglich an Freunde versandt, zumal im Adressfeld dieser E-Mail auch ein sogenannter "Newsroom" sowie eine Adresse des Fernsehsenders "ZZ." genannt sei, darüber hinaus die E-Mailadressen von "YY." und "XX." bei "ZZ.". Auch hierbei handele es sich um Fernsehsender. Die gleiche E-Mail habe der Kläger sodann am 19.09.2006 erneut unter anderen an WW.- Fernsehsender sowie an die Adresse einer täglichen WW.- Talkshow von VV. versandt. Die in den E-Mails vom 18. und 19.09.2006 erhobenen Vorwürfe seien allesamt unbegründet.
Die Anhörung des Betriebsrates sei vor Ausspruch der Kündigung vom 21.09.2006 ordnungsgemäß erfolgt, zumal in dem Anhörungsschreiben die zur Kündigung führenden Umstände als zuletzt genannter Punkt dargestellt worden seien; des Weiteren sei der Kündigungsgrund auch dem als Anlage beigefügten E-Mail des Klägers zu entnehmen gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.05.2007 (Bl. 200 ff. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gem. §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Kündigungsschutzklage, soweit der Kläger damit die Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis sei durch die ordentliche Kündigung vom 02.08.2006 und die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2006 nicht, durch letztere Kündigung auch nicht ordentlich, beendet worden, zu Recht abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2006 beendete das Beschäftigungsverhältnis nämlich rechtswirksam zum 21.09.2006; mithin konnte auch die Klage hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 02.08.2006 zum 31.03.2007 und einer (nach Umdeutung gegebenen) ordentlichen Kündigung vom 21.09.2006, welche beide das Arbeitsverhältnis in der Zeit nach dem 21.09.2006 hätten beenden sollen, keinen Erfolg haben.
Die außerordentliche Kündigung vom 02.09.2006 ist wirksam, da entgegen der Auffassung des Klägers eine Nichtigkeit sich weder aus §§ 626 Abs. 1, 134 BGB noch aus § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ergibt.
1.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. DLW/Dörner D Randziffer 602).
a) Ein Sachverhalt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, kann sich bei einer geschäftsschädigenden Äußerung des Arbeitnehmers ergeben, wenn diese geeignet ist, das Ansehen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 28.08.2002 - 9 Sa 956/02 = NZA-RR 2003, 362).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger in der E-Mail vom 18.09.2006 unstreitig unter anderem die Frage gestellt, ob es außer der Beklagten noch ein anderes Unternehmen gebe, dem es erlaubt sei, Regierungs- und Steuerzahlergeld zu veruntreuen. Des Weiteren hat er darin zumindest erklärt, Frau H., Herr G., Herr F., also Mitarbeiter der Beklagten würden das X. und die I.- Regierung plus den Steuerzahler beschummeln oder betrügen. Nach "Langenscheidt Universal-Wörterbuch Englisch" ist "to cheat" mit "betrügen", familiär bzw. umgangssprachlich mit "beschummeln" ins Deutsche zu übersetzen. Ob die eine oder andere Bedeutung dem vom Kläger verwendeten Verb beizumessen ist, kann dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall hat sich der Kläger in dieser E-Mail mit massiven Beschuldigungen geschäftsschädigend über die Beklagte und drei namentlich benannte Mitarbeiter von ihr geäußert. Da er die E-Mail - was während der mündlichen Berufungsverhandlung unstreitig wurde - am 18.09.2006 an einen I.- Radiosender geschickt hat, war diese auch nicht ausschließlich an private Freunde und Bekannte des Klägers gerichtet, wie dies in der Berufungsbegründung noch dargelegt worden war. Vielmehr versuchte der Kläger die rufschädigenden Vorwürfe gegen die Beklagte in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und schädigte damit in erheblicher Weise das Ansehen der Beklagten. Denn es ist bei realistischer Betrachtungsweise zumindest davon auszugehen, dass Mitarbeiter des Radiosenders die E-Mail des Klägers gelesen haben.
b) Die auf der zweiten Prüfungsstufe durchzuführende Interessenabwägung führt vorliegend unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände zu einem Überwiegen des Interesses der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
Dabei waren zugunsten des Klägers seine lange Betriebszugehörigkeit von ca. 25 Jahren sowie sein Lebensalter von 53 Jahren (im Kündigungszeitpunkt) zu berücksichtigen. Angesichts dieses Lebensalters und des früher erlernten Berufes des Bürokaufmannes, den er aber lange Zeit nicht mehr ausübte, ist damit zu rechnen, dass er nicht ohne weiteres eine neue Beschäftigung finden wird. Des Weiteren ist bei Berücksichtigung der Beschäftigungszeit auch zu beachten, dass für den Zeitraum bis in das Jahr 2006 kein konkretes Fehlverhalten des Klägers durch die Beklagte substantiiert vorgetragen worden ist.
Nicht zu berücksichtigen war hingegen, dass der Kläger bei Verfassen und Versand der E-Mail vom 18.09.2006 von seinem durch Art. 5 GG geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben will. Das Recht der freien Meinungsäußerung findet nämlich gem. Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Das Recht der Beklagten, ihr Gewerbe frei zu betreiben, ist durch Art. 2 GG geschützt, wobei dieses Grundrecht zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG zu rechnen ist. Mithin konnte der Kläger seine Meinung nur insoweit frei äußern, als hierdurch nicht grundlos der Ruf und das geschäftliche Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit geschädigt worden ist. Vorliegend ging der Kläger durch die Versendung der E-Mail vom 18.09.2006 über die Grenze der freien Meinungsäußerung hinaus und beeinträchtigte, ohne rechtfertigenden Grund, das geschäftliche Ansehen der Beklagten.
Nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen war des Weiteren, dass der Kläger - wie er erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat - bei dem Versenden der E-Mail vom 18.09.2006 ohne Verschulden gehandelt haben will. Aufgrund des vorgelegten ärztlichen Attestes der Kreisverwaltung B-Stadt vom 07.02.2007 (Bl. 232 d. A.) ist zwar davon auszugehen, dass er zu den Gesprächs- und Untersuchungszeitpunkten (09.01. und 05.02.2007) an einer behandlungsbedürftigen manischen Erkrankung litt. Nach Angaben seiner Ehefrau (vgl. Seite 2 des Attestes = Bl. 233 d. A.) traten zwar erste Wesensveränderung ihres Mannes bereits seit Mai 2006 auf. In diesem Zusammenhang schilderte die Ehefrau dem behandelnden Arzt aber lediglich, der Kläger habe "seit ca. Mai 2006 Schwierigkeiten an der Arbeitsstelle". Dort habe er sich mit Vorgesetzen und Kollegen angelegt. Im August 2006 sei ihm deshalb die Arbeit gekündigt worden. Seitdem sei ihr Ehemann arbeitslos. Verhaltensänderungen in dieser Zeit habe sie deshalb zunächst den äußeren Verhältnissen zugeordnet. Etwa ab 2006 sei es vermehrt zu Verhaltensauffälligkeiten gekommen.
Angesichts dieser Ausgangslage ist die Behauptung des Klägers, sein Fehlverhalten in der E-Mail vom 18.09.2006 sei durch die damals schon vorliegende manische Erkrankung verursacht gewesen, nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Der Kläger hat nämlich versäumt, Tatsachen darzulegen, denen ein solcher Zusammenhang zu entnehmen wäre. Berücksichtigt man die Angaben seiner Ehefrau und die weitere Tatsache, dass das Gesundheitsamt durch den Hausarzt des Klägers dahingehend informiert wurde, dass sich der Kläger etwa ab Oktober 2006 in seinem Wesen und Verhalten auffällig verändert habe (vgl. Seite 1 des Attestes = Bl. 232 d. A.), so ist nicht nachvollziehbar, dass ärztliche Feststellungen aus der Zeit der Kündigung des Klägers vorliegen, welche einen Zusammenhang zwischen dem vorausgegangenen Fehlverhalten und der Anfang 2007 festgestellten manischen Erkrankung erkennen lassen würden. Mithin reicht es nicht aus, wenn der Kläger diesen Zusammenhang, ohne nähere Einzelheiten, pauschal behauptet und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Denn angesichts fehlender konkreter Umstände zu dem in der Vergangenheit liegenden kausalen Zusammenhang würde die Einholung eins Sachverständigengutachtens auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedurfte das Fehlverhalten des Klägers keiner vorausgegangenen einschlägigen Abmahnung, um die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Angesichts des Gewichts der Pflichtverletzung erscheint vielmehr eine Wiederherstellung des notwendigen Vertrauensverhältnisses von vornherein nicht mehr möglich, so dass auch eine frühere Abmahnung eines ähnlichen Verhaltens nicht notwendig ist. Der Kläger konnte nicht damit rechnen, dass die Beklagte es unter Umständen hinnimmt, wenn er einem Radiosender die Nachricht übermittelt, dass seine Arbeitgeberin Regierungs- und Steuerzahlergeld veruntreut. Hierdurch entstand die Möglichkeit, dass der Radiosender diese Nachricht aufgreift und hieraus eine "Story" macht. Das intensiv geschäftsschädigende Verhalten des Klägers verkörpert mithin einen groben Verstoß gegen die Loyalitätspflicht, bei der er sich bewusst sein musste, dass eine sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung, folgt.
Zu Lasten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass er kurz vor seinem Fehlverhalten wegen einer ähnlichen Pflichtwidrigkeit bereits eine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung erhalten hatte. Denn er hatte sich mit der E-Mail vom 25.07.2006 (Bl. 65 d. A.) unter anderem an elf Mitarbeiter des X., also eines Kunden der Beklagten gewandt und darin pauschal den Eindruck erweckt, die Beklagte weigere sich etwas zu unternehmen, obwohl sie von den Gesundheitsproblemen eines langjährig Beschäftigten wisse. Ob der Kläger diese E-Mail im Zusammenhang mit der Erkrankung seiner ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Ehefrau, die herzkrank ist, verfasste, ist - entgegen seiner Auffassung - nicht als Rechtfertigung geeignet. Denn für die Empfänger der E-Mail war dieser Zusammenhang nicht erkennbar; diese mussten vielmehr davon ausgehen, dass die Beklagte sich generell um langjährig Beschäftigte mit Gesundheitsproblemen nicht kümmert. Ein anderer Zusammenhang war für die Empfänger der E-Mail aus dem Inhalt, den der Kläger am 25.07.2006 versendet hatte, nicht erkennbar. Da es sich bei diesen Empfängern unter anderem um elf Mitarbeiter eines Kunden der Beklagten handelte, lag auch hierin bereits ein geschäftsschädigendes Verhalten des Klägers, welches das Ansehen der Beklagten bei einem Kunden schädigte.
Darüber hinaus hatte der Kläger sich bereits im Zusammenhang mit der Lagerung des Reinigungssprays Q. per E-Mail am 14.07.2007 an eine Mitarbeiterin des X., nämlich Frau P. gewandt und dieser gegenüber erklärt, er sei mit der Antwort des Sicherheitsbeauftragten der Beklagten Herrn U. unzufrieden und wünsche, dass jemand von dem Team der Frau P. vorbei komme, um eine Kontrolle durchzuführen. Auch hier hat der Kläger, ohne dass er einen nachvollziehbaren Grund für die Aufforderung an Frau P. vorgetragen hätte, gegenüber der Mitarbeiterin eines Kunden der Beklagten geäußert, dass diese unzureichende Sicherheitsmaßnahmen bei der Einlagerung des Reinigungssprays getroffen habe. Falls dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, hätte der Kläger seine Einwende betriebsintern weiterverfolgen müssen, sich aber jedenfalls nicht an die Mitarbeiterin eines Kunden wenden dürfen.
Obwohl er mithin in der Vergangenheit schon mehrfach sich geschäftsschädigend über die Beklagte geäußert und in diesem Zusammenhang die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 02.08.2006 erhalten hatte, erklärte er in der E-Mail vom 18.09.2006 unter Hinweis auf diese Kündigung, er lasse sich den Mund nicht verbieten. Dies zeigt, dass diese E-Mail nicht aus einer spontanen Anwandlung heraus geschrieben wurde, sondern bewusst und unter beharrlicher und eigensinniger Fortführung des früheren Fehlverhaltens. Da der Kläger zudem keinerlei sachlich begründete Veranlassung für die Vorwürfe gegen die Beklagte in der E-Mail vom 18.09.2007 in der Berufungsverhandlung anzugeben vermochte, kam es nicht darauf an, ob einer der Adressaten der E-Mail bereits zum Nachteil der Beklagten tätig geworden ist. Vielmehr hat der Kläger allein durch das Verbreiten des Inhaltes der E-Mail die Beklagte in ihrem geschäftlichen Ansehen dermaßen geschädigt, dass dieser die Einhaltung der tariflichen Kündigungsfirst von sechs Monaten nicht zumutbar war.
Nach alledem konnte dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Inhalt der E-Mail vom 18.09.2006 am 19.09.2006 gleichlautend an weitere Adressaten übermittelte.
2.
Nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung unwirksam. Gleiches gilt für eine fehlerhafte Anhörung. Eine solche liegt hier aber, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht vor.
Soweit der Kläger rügt, die Beklagte habe den Betriebsrat in dem Anhörungsschreiben vom 28.07.2006 unrichtig und unvollständig informiert, verkennt er, dass die Anhörung des Betriebsrates letztlich subjektiv determiniert ist. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsart nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind (vgl. BAG, Urteil vom 13.05.2004 - 2 AZR 329/03 = EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 7). Das ist auch dann der Fall, wenn er Kündigungsrechtlich objektiv erhebliche Tatsachen nicht mitteilt, weil er darauf die Kündigung zunächst nicht stützen will. Denn eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 536/02 = EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5).
Die Beklagte hat dem Betriebsrat in dem Anhörungsschreiben vom 31.07.2006 jenen Sachverhalt mitgeteilt, der aus ihrer subjektiven Sicht die beabsichtigte außerordentliche Kündigung vom 02.09.2006 begründet Ob dieser Sachverhalt in jeder Einzelheit objektiv zutreffend ist, bedurfte unter Beachtung der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht der weiteren Aufklärung, insbesondere nicht einer Beweisaufnahme. Dem Anhörungsschreiben war unstreitig als Anlage die E-Mail des Kläger vom 18.09.2006 in Fotokopie beigefügt, so dass der Betriebsrat jedenfalls über den wesentlichen Sachverhalt, welcher die außerordentliche Kündigung vom 21.09.2006 aus Sicht der Beklagten begründen sollte, bekannt war. Für eine bewusste Irreführung des Betriebsrates durch die Beklagte gibt es keine Anhaltspunkte.
Für den Betriebsrat bestand auch keine Ungewissheit darüber, was der ausschlaggebende Sachverhalt für diese Kündigung sein soll. Auch wenn die Beklagte dies nicht ausdrücklich hervorgehoben hat, ergab sich dies deutlich aus einer Gesamtschau der Anhörungsschreiben vom 28.07.2006 und 31.07.2006. Das letztgenannte Anhörungsschreiben enthält nämlich die Schilderung des gleichen Sachverhaltes wie das vorausgegangene Anhörungsschreiben, allerdings mit dem Zusatz, dass als neuer Kündigungssachverhalt die Vorgänge im Zusammenhang mit den E-Mails vom 18. und 19.09.2006 dargelegt wurden; wie bereits ausgeführt, waren die E-Mails dem Anhörungsschreiben vom 31.07.2006 auch beigefügt. Mithin war sich der Betriebsrat jenes Sachverhaltes bewusst, welcher gegenüber dem früheren Anhörungsschreiben neu und mithin aus Sicht der Arbeitgeberin kündigungsbegründend sein sollte.
Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.
Ende der Entscheidung
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