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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 31.01.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 740/04
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
BetrVG § 102 Abs. 3
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 5
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 518
ZPO § 519
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 740/04

Verkündet am: 31.01.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 20.07.2004 - 8 Ca 718/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat.

Der Kläger war seit 18.09.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der W, als Lagerist entsprechend dem in Bl. 7 ff. d. A. wiedergegebenen Arbeitsvertrag beschäftigt. Der Kläger wurde 1968 geboren, ist ledig und hat keine Kinder. Er erzielte zuletzt ein Bruttoeinkommen von 2.400,00 € monatlich.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.03.2004 ordentlich zum 30.09.2004 gekündigt. Sie hat zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ca. 80 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, jeweils am 23.03.2004, abgeschlossen. Hinsichtlich des Inhalts des Sozialplans wird auf Blatt 56 bis 62 der Akte Bezug genommen. Der Interessenausgleich enthält unter anderem folgende Regelung:

§ 1

Präambel

Die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung und die sich daraus ergebende Situation des Unternehmens hat - wie sich insbesondere aus den Prognosen der gesamten Auftragslage für das Geschäftsjahr 2004, verbunden mit den Umsatzeinbußen in 2003 (- 46,6 % bez. 1.170 T€ im Vergleich zu dem Vorjahr) bei unserem größten Abnehmer, der W AG ergibt - zu einer Existenzbedrohung des Unternehmens geführt. Geschäftsleitung und Betriebsrat haben gemeinsam diese eingetretene wirtschaftliche Situation und Lösungsmöglichkeiten dazu erörtert.

Daraus ergibt sich, dass

1. die Belegschaft im Laufe des Jahres 2004 durch betriebsbedingte Kündigungen um maximal 20 Mitarbeiter (von derzeit 85) zu verringern ist.

2. die Kapazitäten, die für die W AG freigehalten werden, mit dem Abbau der Mitarbeiter angepasst werden.

§ 2

Nachteilsausgleich

Zur Abschwächung der Nachteile, die den von dieser Maßnahme betroffenen Mitarbeitern entstehen, wird zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ein Sozialplan (Betriebsvereinbarung Nr. 29) vereinbart.

Den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeitern wird die Möglichkeit eröffnet an einer betrieblichen Betreuungs- und Beschäftigungsmaßnahme teilzunehmen.

Ohne Überprüfung der Betriebsparteien über diese Möglichkeit ist dieser Interessenausgleich unwirksam.

§ 3

Auswahl

Die Auswahl der aus betriebsbedingten Gründen zu kündigenden Mitarbeiter wird von der Geschäftsleitung festgelegt. Die Auswahl dieser Mitarbeiter wird vom Betriebsrat nach sozialen Gesichtspunkten geprüft. Dadurch entfällt nicht die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. ..."

Als Anlage zum Interessenausgleich vom 23.03.2004 haben die Geschäftsleitung und der Betriebsrat eine Liste unterzeichnet, die eine "Auswahl der Mitarbeiter nach sozialen Kriterien (Kündigung)" enthält, hinsichtlich deren Inhalt auf Blatt 55 der Akte Bezug genommen wird.

Die Beklagte hat den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 23.03.2004 angehört. Neben den Sozialdaten, die Kündigungsfrist, der derzeitigen Tätigkeit und dem Beendigungszeitpunkt enthält das Anhörungsschreiben, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Blatt 63 der Akte Bezug genommen wird, folgenden Inhalt:

"Kündigungsgrund:

wie in den Gesprächen zum Interessenausgleich ausführlich dargelegt.

Auswahl:

Die soziale Auswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmern ist nach allen dem Arbeitgeber bekannten sozialen Gesichtspunkten (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand, soziale Verpflichtungen) sowie unter Abwägung der betrieblich unbedingt notwendigen Belange erfolgt. ..."

Der Kläger hat vorgetragen, ein betriebsbedingter Kündigungsgrund sei von der Beklagten nicht ordnungsgemäß dargelegt worden. Sie könne sich vorliegend auch nicht auf § 1 Abs. 5 KSchG berufen, da sie nicht substantiiert vorgetragen habe, dass der Interessenausgleich zwischen ihr und dem Betriebsrat auf "gleicher Augenhöhe" verhandelt worden sei. Insofern habe die Beklagte darlegen müssen, dass und wie Interessenausgleichsverhandlungen geführt worden seien. Schließlich sei aus den Angaben der Beklagten nicht eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats feststellbar, sowie eine ordnungsgemäß durchgeführte Sozialauswahl.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 30.03.2004, zugegangen am 02.04.2004 nicht beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, das Auftragsvolumen sei von 4.721.000,00 € im Jahr 2002 auf 4.228.000,00 € im Jahr 2003 zurückgegangen. Außerdem habe es einen Umsatzrückgang von 5.726.000,00 € im Jahr 2002 auf 4.582.000,00 € im Jahr 2003 gegeben. Aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG sei vom Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes auszugehen. Aufgrund der eingereichten Listen der zu kündigenden Arbeitnehmer und aller anderen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer habe sie ausreichend zur Sozialauswahl vorgetragen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 20.07.2004 - 7 Ca 718/04 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die Kündigung vom 30.03.2004 zum 30.09.2004 aufgelöst werden wird. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 76 bis 81 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 06.08.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 02.09.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 06.10.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 23.03.2004 das Beteiligungsverfahren eingeleitet und den Betriebsrat um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Dieses beinhalte alle für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Sozialdaten des Klägers; hinsichtlich des Kündigungsgrundes und der Sozialauswahl werde auf die dem Betriebsrat aus den Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan bereits zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen verwiesen. Dieses Schreiben sei dem Betriebsrat unmittelbar nach Abschluss (Unterzeichnung) des Interessenausgleichs und des Sozialplans vom gleichen Tag zugeleitet worden. Der Unterzeichnung des Interessenausgleichs und des Sozialplans seien lange und intensive Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat vorausgegangen. In diesem Zusammenhang sei darum "gerungen" worden, wie viele und welche Arbeitnehmer gekündigt werden müssten. Ergebnis und Schlusspunkt der diesbezüglichen Verhandlungen sei der dann am 23.03.2004 unterzeichnete Interessenausgleich sowie der am gleichen Tag unterzeichnete Sozialplan, insbesondere jedoch die dem Interessenausgleich beigefügte Namensliste, in der die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich aufgeführt seien. Hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers und damit auch hinsichtlich des Klägers sei im Rahmen der Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan eingehend beraten und besprochen worden, welche konkrete Tätigkeit der betreffende Arbeitnehmer ausübe, inwieweit diese Tätigkeit aufgrund der massiven Auftragseinbrüche bereits entfallen sei, inwieweit auf diese Tätigkeit durch entsprechende organisatorische Maßnahmen künftighin verzichtet werden könne, ob die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich sei, mit welchen anderen Arbeitnehmern im Unternehmen der betreffende Arbeitnehmer vergleichbar sei, welche sozialen Gesichtspunkte dafür oder dagegen sprächen, den Arbeitnehmer in die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer aufzunehmen und welche Sozialpunkte - Anzahl der Arbeitnehmer nach Maßgabe des vereinbarten Punktechemas erreiche. Erst danach habe man sich auf die dem Interessenausgleich beigefügte Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer verständigt. Folglich wäre es eine überflüssige "Förmelei" gewesen, hätte die Beklagte im Rahmen des Schreibens vom 23.03.2004 nochmals näher dargelegt, warum auch der Arbeitsplatz des Klägers entfallen müsse. Gleiches gelte hinsichtlich der Sozialauswahl.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Kaiserslautern vom 20.07.2004 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Darstellung der Beklagten treffe nicht zu. Er bestreite, dass im Rahmen der Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan eingehend beraten und besprochen worden sei, was den Wegfall unter anderem auch seines Arbeitsplatzes betreffe, ob die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich sei, mit welchen anderen Arbeitnehmern im Unternehmen er vergleichbar sei u.s.w..

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 31.01.2005

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Kündigung vorliegend gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG rechtsunwirksam ist.

Ob die Kündigung darüber hinaus auch noch sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 KSchG), bedarf folglich keiner Entscheidung.

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist die ohne Beteiligung des Betriebsrates erfolgte Kündigung unwirksam (vgl. BAG 16.03.2000 EzA § 108 Bundespersonalvertretungsgesetz Nr. 2). Dies gilt aufgrund einer ausdehnenden Auslegung dieser Vorschrift auch dann, wenn das Anhörungsverfahren nicht wirksam eingeleitet oder durchgeführt und abgeschlossen worden ist (BAG 04.06.2003 EzA § 209 InsO Nr. 1; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht, 4. Auflage 2004 (DLW-Dörner), D Rz. 251 ff. = Seite 1048 ff.).

Inhaltlich müssen neben den persönlichen Angaben, der Art der Kündigung, der Kündigungsfrist und dem Kündigungstermin insbesondere die Kündigungsgründe angegeben werden (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Dabei ist zu beachten, dass die Substantiierungspflicht im Kündigungsschutzprozess nicht das Maß für die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 BetrVG ist. Der Umfang der Unterrichtungspflicht orientiert sich an dem vom Zweck des Kündigungsschutzprozesses zu unterscheidenden Zweck des Anhörungsverfahrens. Es zielt sich darauf ab, die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung zu gewähren. Der Betriebsrat ist kein "Gericht", das über die Anträge des Arbeitgebers entscheidet, sondern er soll Partner des Arbeitgebers in einem zwar institutionalisierten, aber vertrauensvoll zu führenden betrieblichen Gespräch sein (BAG 28.08.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 4). Mit Kündigungsgründen sind folglich nicht nur die wichtigsten Kündigungsgründe gemeint, vielmehr hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Tatsachen und subjektiven Vorstellungen zu unterrichten, die ihn zu der Kündigung veranlassen (BAG 24.11.1983 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 54). Denn § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, durch seine Stellungnahme auf den Willen des Arbeitgebers einzuwirken und ihn durch Darlegung von Gegengründen unter Umständen von seiner Planung, den Arbeitnehmer zu entlassen, abzubringen (vgl. BAG 28.02.1974 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 8).

Wenn dem Betriebsrat insoweit Gelegenheit gegeben werden soll, sich zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern, dann muss er die Wirksamkeit dieser Kündigung auch beurteilen können. Das ist aber nur möglich, wenn er alle Tatsachen kennt, auf die der Arbeitgeber seine Kündigung stützt. Dazu gehören auch dem Arbeitgeber bekannte, seinen Kündigungsgründen widerstreitende Umstände (LAG Sachsen-Anhalt 05.11.1996 NZA-RR 1997, 325), z. B. Entlastungszeugen für Fehlverhalten des Arbeitnehmers (LAG Köln 30.09.1993 LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 36) oder eine Gegendarstellung des Arbeitnehmers (BAG 31.08.1989 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 75).

Die insoweit maßgeblichen Tatsachen muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat substantiiert mitteilen. Die pauschale Angabe von Kündigungsgründen oder die Angabe eines Werturteils allein genügen nicht (vgl. BAG 27.06.1985 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 60). Angaben wie "Arbeitsverweigerung", "hohe Krankheitszeiten", "ungenügende Arbeitsleistung", "fehlende Führungsqualitäten", sind deshalb nicht ausreichend (LAG Schleswig-Holstein 30.10.2002 NZA-RR 2003, 310).

Folglich muss der Arbeitgeber die aus seiner Sicht die Kündigung begründenden Umstände so genau und umfassend darlegen, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigenen Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. BAG 13.07.1978 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 35).

Zu berücksichtigen ist andererseits, dass der Arbeitgeber im Rahmen des §§ 102 BetrVG nur die aus seiner Sicht tragenden Umstände mitteilen muss. Eine Verletzung der Mitteilungspflicht liegt deshalb nur dann vor, wenn er dem Betriebsrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss (mit)bestimmende Tatsachen vorenthält, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhaltes darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben, oder weitere eigenständige Kündigungsgründe beinhalten (vgl. DLW-Dörner, a.a.O., D Rz. 290). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber aus seiner Sicht unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (BAG 18.05.1994, 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 85, 86). Damit wird es dem Arbeitgeber insbesondere verwehrt, dem Betriebsrat den Sachverhalt irreführend zu schildern, "damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen" (Arbeitsgericht Berlin 25.01.2002 NZA-RR 2003, 85).

Die objektiv unvollständige Unterrichtung verwehrt es dem Arbeitgeber, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhaltes hinausgehen. Dies führt mittelbar zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der verwertbare Sachverhalt die Kündigung nicht trägt, d. h. wenn es der sachlichen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG oder 626 BGB bedarf und dazu der (zuvor dem Betriebsrat) mitgeteilte Kündigungssachverhalt nicht ausreicht (sogenannte subjektive Determinierung der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers; BAG 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86; LAG Schleswig-Holstein 30.10.2002 NZA-RR 2003, 310).

Andere Anforderungen an den Umfang der Mitteilungspflicht sind allerdings dann geboten, wenn der Betriebsrat bereits vor der erfolgten Anhörung über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um sich über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe ein Bild zu machen und um eine Stellungnahme dazu abgeben zu können und dies der Arbeitgeber weiß oder nach den gegebenen Umständen jedenfalls als sicher ansehen kann (vgl. DLW-Dörner a.a.O. D Rz. 299).

Für die Wirksamkeit der Anhörung ist es im Übrigen aber unerheblich, ob der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung widerspricht, ob ein erhobener Widerspruch des Betriebsrats erheblich im Sinne des § 102 Abs. 3 BetrVG ist oder nicht und ob der Betriebsrat, wenn er die gegebenen Informationen nicht für ausreichend gehalten hat, keine weiteren Angaben ausdrücklich angefordert hat. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt näher so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen oder Rückfragen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe überprüfen kann (vgl. BAG 27.06.1985 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 60).

Ist streitig, ob die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß erfolgt ist, so trägt der Arbeitgeber dafür die Darlegungs- und Beweislast (BAG 19.08.1975 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 15; Busemann NZA 1987, 581). Insoweit muss der Arbeitnehmer zunächst die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestreiten, damit die entsprechende Darlegungslast des Arbeitgebers ausgelöst wird. Danach hat der Arbeitgeber die Darlegungslast dafür, dass er die ihm gemäß § 102 BetrVG obliegenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt, insbesondere auch den Betriebsrat nicht bewusst irreführend informiert hat (BAG 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86).

Der Arbeitgeber erfüllt seine Darlegungspflicht nur dann, wenn er konkrete Tatsachen vorträgt, aus denen das Arbeitsgericht auf eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung schließen kann. Gegenstand des Beweises ist nicht der Rechtsbegriff "Anhörung", sondern die ihn ausfüllenden Tatsachen. Deshalb ist der pauschale Sachvortrag, der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß angehört, Beweis: Zeugen X, Y, ungenügend, weil nicht hinreichend bestimmt, so dass eine Beweisaufnahme nicht in Betracht kommt. Zwar richtet sich im Einzelfall der Umfang der Darlegungslast des Arbeitgebers auch nach der Einlassung des Arbeitnehmers. Gleichwohl muss der Arbeitgeber in der Regel darlegen, wann genau, durch wen, wemgegenüber und mit welchem genauen Inhalt dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht mitgeteilt wurde. Desweiteren ist darzulegen, ob die Fristen des § 102 Abs. 1 Satz 1, 3 BetrVG eingehalten wurden oder eine fristverkürzende abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorliegt. Unterlässt der Arbeitgeber ausreichenden Sachvortrag in tatsächlicher Hinsicht, dann ist die Kündigung als unwirksam anzusehen, da eine Wirksamkeitsvoraussetzung nicht dargelegt ist. Den hier zu stellenden Anforderungen genügt der Arbeitgeber allerdings zunächst dann, wenn er auf die in einen Schriftsatz an das Arbeitsgericht im Einzelnen dargestellten Umstände Bezug nimmt und pauschal vorträgt, dies alles habe er dem Betriebsrat mitgeteilt (LAG Nürnberg 04.02.2003 6 (5) Sa 981/01 - EzA - SD 7/03, Seite 12 Ls.).

Hat der Arbeitgeber insoweit die betriebsverfassungsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung des § 102 Abs. 1 BetrVG nach diesem Maßstab hinreichend dargelegt, dann muss sich der Arbeitnehmer zu dem diesbezüglichen Tatsachenvortrag des Arbeitgebers erklären (§ 138 Abs. 2 ZPO). Er muss nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast deutlich machen, welche der detaillierten Angaben des Arbeitgebers er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will. Soweit es um Tatsachen außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung geht, kann der Arbeitnehmer sich dabei gemäß § 138 Abs. 4 ZPO auf Nichtwissen berufen; ein pauschales Bestreiten des Arbeitnehmers ohne jede Begründung genügt dagegen nicht (BAG 16.03.2000 EzA § 626 BGB Neue Fassung Nr. 179). Je nachdem, wie substantiiert der Arbeitnehmer diesen Sachvortrag bestreitet, muss der Arbeitgeber seine Darstellung noch in weitere Einzelheiten zergliedern. Führt der Arbeitnehmer detailliert aus, bestimmte konkret genannte Punkte seien nicht mitgeteilt worden, muss der Arbeitgeber darauf eingehen. Macht er dies nicht, geht dies zu seinen Lasten (LAG Nürnberg 04.02.2003 a.a.O.).

Auch soweit der Arbeitgeber im Prozess geltend macht, der Betriebsrat habe die maßgeblichen Kündigungsgründe bereits gekannt, darf er sich nicht mit pauschalem Sachvortrag begnügen. Er muss vielmehr darlegen, wann dem Betriebsratsvorsitzenden oder einer sonstigen Person, deren Wissen sich der Betriebsrat zurechnen lassen muss, jeweils welche konkreten Sachverhalte mitgeteilt bzw. sonst bekannt geworden sind, die in ihrer Zusammenfassung die Kündigungsgründe bilden (vgl. Busemann NZA 1987, 581). Dem genügt der vom Arbeitgeber gemachte Sachvortrag "ALL diese Tatsachen sind dem Betriebsrat bereits bei Anhörung bekannt gewesen oder aber ihm von Frau S. im Zusammenhang mit der Anhörung mündlich mitgeteilt worden", nicht (LAG Köln 11.01.2002 ARST 2002, 233 Leitsatz; DLW-Dörner, a.a.O., D Rz. 321).

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Anhörung gemäß § 102 BetrVG nicht entbehrlich macht; die Anhörung unterliegt auch grundsätzlich keinen erleichterten Anforderungen (BAG 20.08.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 4).

Diesen Anforderungen genügt, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug nicht. Die Beklagte hat lediglich ausgeführt, dass der Betriebsrat am 23.03.2004 unter nochmaliger Angabe aller maßgeblichen Sozialdaten von der Geschäftsführung über die beabsichtigte Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses schriftlich unterrichtet worden sei und hat insofern auf ein Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 23.03.2004 verwiesen. Weder aus diesem Schreiben an den Betriebsrat, noch aus den pauschalen Angaben der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug konnte das Arbeitsgericht entnehmen, dass die zuvor dargestellten Anforderungen an die Darlegung einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats durch die Beklagte erfüllt worden sind.

Denn im Schreiben vom 23.03.2004 wird lediglich bezüglich des Kündigungsgrundes auf "Gespräche zum Interessenausgleich" verwiesen. Welchen Inhalt diese Gespräche hatten, was dem Betriebsrat in diesen Gesprächen konkret mitgeteilt worden ist, insbesondere bezüglich des Wegfalls einer Einsatzmöglichkeit des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz, ist nicht erkennbar, da nicht vorgetragen. Auch bezüglich der Sozialauswahl erschöpft sich das Schreiben vom 23.03.2004 darin, dass die Beklagte behauptet, alle ihr bekannten sozialen Gesichtspunkte (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand, soziale Verpflichtung) bei der Sozialauswahl berücksichtigt zu haben. Was sie dabei unter sozialen Verpflichtungen z. B. versteht, wird allerdings in diesem Schreiben nicht näher erläutert, ebenso wenig im weiteren schriftsätzlichen Vorbringen im erstinstanzlichen Rechtszug. Zudem ist nicht ersichtlich, welcher auswahlrelevante Personenkreis dem Betriebsrat aus Sicht der Beklagten bezüglich der Kündigung des Klägers mitgeteilt worden ist. Auch ist nicht mitgeteilt worden, was die Beklagte unter "betrieblich unbedingt notwendige Belange" in ihrem Anhörungsschreiben vom 23.03.2004 versteht und was sie diesbezüglich dem Betriebsrat mitgeteilt hat. Hinzu kommt, dass die Betriebspartner im Interessenausgleich vom 21.03.2004 in § 3 ausdrücklich vereinbart haben, dass allein aufgrund der Interessenausgleichsverhandlungen und des abgeschlossenen Sozialplans nicht eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG entfallen soll.

Auch das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

Denn auch das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift vom 04.10.2004 lässt nicht nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert erkennen, wer welche Informationen wem bezogen auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger mitgeteilt hat. Dem an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreiben lässt sich dies, was das Arbeitsgericht bereits zutreffend herausgestellt hat, gerade nicht entnehmen. Was genau Geschäftsleitung und Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen verhandelt haben, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen. Auch lässt sich dies nicht aus dem vorgelegten Interessenausgleich entnehmen, dessen Präambel lediglich den Hinweis auf Umsatzeinbußen enthält und den Abbau von Mitarbeitern (20 von 85) vorsieht. Irgendein konkreter Bezug zum Arbeitsverhältnis des Klägers besteht insoweit nicht. Hinzu kommt, dass § 3 des Interessenausgleichs zunächst vorsieht, dass die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter von der Geschäftsleitung festgelegt wird. Im Berufungsverfahren behauptet die Beklagte demgegenüber, dass darüber in den Interessenausgleichsverhandlungen eingehend mit dem Betriebsrat beraten und verhandelt worden sei. Nach § 3 des Interessenausgleichs soll demgegenüber sodann die Auswahl der Mitarbeiter vom Betriebsrat nach sozialen Gesichtspunkten geprüft werden, ohne dass die Anhörung des Betriebsrates entfällt; gleichzeitig haben die Betriebspartner jedoch eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer unterzeichnet, ohne, dass darauf im Interessenausgleich Bezug genommen wäre.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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