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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.05.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 989/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 989/04

Entscheidung vom 09.05.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 07.10.2004 - 7 Ca 3333/03 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten um Zahlungsansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug für den Zeitraum Juli 2001 bis einschließlich Dezember 2003 sowie um Schadensersatzansprüche bezogen auf den aus der Steuerprogression erwachsenen Schaden.

Die Klägerin war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 02.08.1999 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten wöchentlich 24 Stunden und zwar vormittags von 8 Uhr bis 13 Uhr. Sie erhielt hierfür eine Vergütung in Höhe von 1.124,84 EUR brutto zuzüglich 39,88 EUR vermögenswirksame Leistungen und 213,52 EUR Fahrgeld.

Mit Schreiben vom 31.05.2001 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 13.10.2003 (Az.: 7 Sa 704/03) rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.10.2001 nicht beendet worden ist. Im Verfahren vor dem Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - 7 Ca 3253/03 haben die Parteien im Wege des Vergleichs vereinbart, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis am 31.12.2003 beendet worden ist.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin ihre Vergütung für den Zeitraum Juli 2001 bis Dezember 2003 einschließlich Urlaubsabgeltung und Weihnachtsgeld geltend.

Die Klägerin war vom 19.06.2001 bis 14.08.2001 arbeitsunfähig erkrank und hat 596,85 EUR Übergangsgeld erhalten. Im Zeitraum vom 24.08.2001 bis 23.10.2001 hat die Klägerin 2.131,95 EUR Arbeitslosengeld bezogen. Ab dem 01.11.2001 hat die Klägerin eine geringfügige Aushilfstätigkeit am Nachmittag bzw. den frühen Arbeitsstunden ausgeübt, die mit 393,70 EUR monatlich entlohnt wird.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 33.077,76 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem jeweiligen Teilbetrag in Höhe von 1.378,24 EUR jeweils zum 30. eines Monats für die Zeit von November 2001 bis Oktober 2003 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.002,36 EUR brutto abzüglich übergeleiteter 596,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2001 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.345,90 EUR brutto abzüglich übergeleiteter 2.131,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 669,18 EUR seit dem 31.08.2001, aus 1.338,36 EUR seit dem 30.09.2001 und aus 1.338,36 EUR seit dem 31.10.2001 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.374,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.124,84 EUR seit dem 30.11.2001 und aus 1.124,84 EUR seit dem 30.11.2002 zu zahlen;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der Steuerprogression erwachsenden Schaden zu ersetzen;

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von den durch die Berechnung des Steuerprogressionsschadens entstehenden Steuerberatungskosten freizustellen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.756,48 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus 1.378,24 EUR seit dem 30.11.2003 und 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus 1.378,24 EUR seit dem 31.12.2003 zu zahlen;

8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.837,65 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu. Selbst nach dem Sachvortrag der Klägerin habe sie Arbeitslosengeld bezogen, so dass in dieser Höhe Zahlung an das Arbeitsamt verlangt werden müsse. Des Weiteren habe die Klägerin in dem Zeitraum, in dem sie Lohnfortzahlung verlange, sozialversicherungspflichtig gearbeitet und nicht nur - wie die Klägerin behaupte - aushilfsweise. Die Klägerin sei auf jeden Fall beweispflichtig für ihre Behauptung, dass sie in der Zeit, in der sie Lohnfortzahlung verlange, keine Einkünfte erzielt habe.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammer Neuwied - hat daraufhin durch Urteil vom 07.10.2004 der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 54 - 58 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 08.11.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 08.12.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Beklagte hat die Berufung durch am 24.01.2005 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem auf ihren begründeten Antrag hin zuvor durch Beschluss vom 11.01.2005 die Frist zur Einhaltung der Berufungsbegründung bis zum 24.01.2005 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Darstellung der Klägerin, sie sei keiner anrechenbaren Arbeitstätigkeit nachgegangen, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch. Es sei der Klägerin nicht möglich gewesen, die noch nicht benannte Nebentätigkeit nach der bei der Beklagten geschuldeten Arbeitszeit zu erbringen. Demgegenüber gebe es dringende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum vollschichtig berufstätig gewesen sei. Dies sei jedenfalls den Andeutungen der Mitarbeiterin des Arbeitsamtes Frau X, und der Mitarbeiterin der Betriebskrankenkasse W., Frau V. zu entnehmen. Es sei zwischenzeitlich (die Berufungsbegründungsschrift datiert vom 24.01.2005) ein Strafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet worden. Es werde deshalb gebeten, das Berufungsverfahren auszusetzen, bis die Ermittlungen abgeschlossen seien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.10.2003 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, zu einer Aussetzung des Verfahrens bestehe keine Veranlassung; das Urteil sei auch im Übrigen zutreffend. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt montags bis donnerstags von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr oder von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr anderweitig gearbeitet. Sie sei lediglich einer Tätigkeit bei der Spielbank B-Stadt nachgegangen und habe dort Aushilfslohn in Höhe von 393,70 EUR zuzüglich Urlaubsabgeltung in Höhe 39,20 EUR sowie Essenszuschläge in Höhe von 5,10 EUR erhalten. Das Gegenteil des Sachvortrags der Beklagten ergebe sich auch aus dem Arbeitslosengeldbescheid vom 06.02.2004, wonach die Klägerin auf einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 115,00 EUR Arbeitslosengeld erhalte (vgl. hinsichtlich des Inhalts des Bewilligungsbescheides Bl. 86, 87 d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.05.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin die ausgeurteilten Beträge zustehen; zu einer Aussetzung des Verfahrens bestand keine Veranlassung.

Die Klägerin hat für den Zeitraum November 2001 bis einschließlich Dezember 2001 Anspruch auf Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615, 293 ff. BGB). Hinsichtlich der inhaltlichen Begründung der Ansprüche im Einzelnen, die im Grunde nach zwischen den Parteien gar nicht streitig sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im streitgegenständlichen Urteil (S. 5 bis S. 7 = Bl. 56 bis 58 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin im Einzelnen dargestellt hat, dass sie lediglich die in der Klageschrift angegebene Tätigkeit ausgeübt hat; sie hat die Kopie einer Verdienstbescheinigung der Spielbank B-Stadt zu den Akten gereicht. Da sie nach ihren Angaben nachmittags und in den frühen Abendstunden, also außerhalb der mit der Beklagten bestehenden Arbeitszeit einen Nebenverdienst erzielt hat, erfolgt eben keine Anrechnung auf den Annahmeverzugslohn. Die Klägerin hat im Übrigen bei ihren Klageanträgen, auch insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht ausdrücklich, ansonsten erhaltene Zahlungen stets berücksichtigt

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten enthält keine neuen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten Tatsachenbehauptungen, auf die die Klägerin sich substantiiert hätte einlassen können. Mutmaßungen, die noch dazu jeder Lebenserfahrung widersprechen, rechtfertigen nicht die Abänderung einer sorgfältig begründeten arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Klägerin hat eine Verdienstbescheinigung der Spielbank vorgelegt. Wenn man unterstellt, dass die Klägerin bei der Beklagten montags bis donnerstags 24 Wochenstunden in der Zeit von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr gearbeitet hat, steht dies schon inhaltlich in keinerlei Widerspruch zu ihrer Nebentätigkeit bei der Spielbank B-Stadt. Es ist für die Kammer überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Angaben der Klägerin im Hinblick auf den normalen Spielbankbetrieb falsch sein könnten, sie habe am späten Nachmittag bzw. in den frühen Abendstunden gearbeitet. Auch der Hinweis, es gebe "dringende Anhaltspunkte" dafür, dass die Klägerin vollschichtig berufstätig gewesen sei, ist mangels näherer Tatsachenangaben nicht nachvollziehbar. Weder wird ein Arbeitgeber genannt, bei dem die Klägerin hätte gearbeitet haben sollen, noch dargelegt, dass die Spielbank Bad Neuenahr offensichtlich unzutreffende Gehaltsbescheinigungen zu Betrugszwecken erstellt. Auch was es mit "Andeutungen" von Mitarbeiterinnen des Arbeitsamtes, jetzt der Agentur für Arbeit und der Betriebskrankenkasse auf sich haben soll, ist mangels näherer Substantiierung nicht nachvollziehbar. Demgegenüber ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld eindeutig, dass die von ihr angegebene Gehaltshöhe zutrifft. Nichts hätte näher gelegen als das die Klägerin hier ein höheres Arbeitsentgelt angegeben hätte, um höhere Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Von daher erweckt das Vorbringen der Beklagten in besonderem Maße den Eindruck, dass es ihr allein darum geht, sich der Verpflichtung zur Zahlung der ausgeurteilten Beträge mit allen Mitteln zu entziehen.

Von daher sieht die Kammer auch keine Veranlassung, das vorliegende Berufungsverfahren bis zum Abschluss von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auszusetzen. Die Parteien streiten, beginnend mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung, bereits seit dem 31.05.2001. Das vorliegende Verfahren ist am 23.12.2003 beim Arbeitsgericht anhängig gemacht worden. Von daher hatte die Beklagte, wenn sie von einem betrügerischen Verhalten der Klägerin ausging, jede Zeit, jede Gelegenheit, aber auch jede Veranlassung, zeitnah eine entsprechende Anzeige zu erstatten. Das sie sich dazu im Januar 2005 entschlossen hat, spricht nach Auffassung der Kammer dafür, dass ihr allein darum geht, trotz einer entsprechenden zutreffenden arbeitsgerichtlichen Entscheidung möglichst lange die Zahlung der geschuldeten Beträge an die Klägerin zu vermeiden. Da die Kammer keinerlei vernünftige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Darstellung der Klägerin hat, sondern im Gegenteil alle vorgelegten Unterlagen dafür sprechen und lediglich vage Mutmaßungen keine abweichende Beurteilung rechtfertigen, hat die Kammer das ihr zustehende Ermessen darin ausgeübt, dass das Berufungsverfahren nicht ausgesetzt, sondern abgeschlossen wird. Sollte sich in einem etwaigen Strafverfahren was anderes ergeben, würden ohnehin Schadensersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin bestehen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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