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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 06.06.2005
Aktenzeichen: 7 TaBV 15/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, BRAO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 91
BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 103 Abs. 2
BRAO § 46
BRAO § 46 Abs. 2
BRAO § 46 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 134
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 TaBV 15/04

Entscheidung vom 06.06.2005

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.03.2004 8 BV 3324/03 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens streiten über die Verpflichtungen der Beteiligten zu 2), die Kosten für die Vertretung des Beteiligten zu 1) durch die Beteiligte zu 3) in der Beschwerdeinstanz im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG zu übernehmen. Die Beteiligte zu 3) ist Rechtssekretärin der C. GmbH und zugleich Rechtsanwältin.

Die Beteiligte zu 2) beantragte mit Schriftsatz vom 19.4.2002 gem. § 103 Abs. 2 BetrVG beim Arbeitsgericht Koblenz die Ersetzung der Zustimmung des Antragstellers zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds Herrn X. Mit Schriftsatz vom 06.05.2002 zeigte die C. GmbH die Vertretung des Herrn X. an. Im Gütetermin vom 14.5.2002 trat die Beteiligte zu 3) in ihrer Eigenschaft als Rechtssekretärin als Prozessbevollmächtigte des Herrn X. auf. Der Beteiligte zu 1) wurde in diesem Gütetermin durch seine Vorsitzende Frau W. vertreten. Mit Schriftsatz vom 29.05.2002 zeigte die C. GmbH an, dass sie nunmehr den Beteiligten zu 1) im Zustimmungsersetzungsverfahren vertrete. Mit Schriftsatz vom 10.02.2003 zeigte die Beteiligte zu 3) die Vertretung des Beteiligten zu 1) in der Beschwerdeinstanz als Rechtsanwältin an. Das Zustimmungsersetzungsverfahren wurde vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Anhörungstermin vom 23.05.2003, in dem die Beteiligte zu 3) als Rechtsanwältin für den Beteiligten zu 1) auftrat, durch Vergleich erledigt. Nach Abschluss des Verfahrens stellte die Beteiligte zu 3) über den Beteiligten zu 1) 1.840,11 € in Rechnung.

Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen,

bei der gleichzeitigen Vertretung des Betriebsrats und des betroffenen Betriebsratsmitglieds sei grundsätzlich kein Interessengegensatz erkennbar. Denn wenn der Betriebsrat einmal den Beschluss gefasst habe, dass die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Gründe nicht gegeben seien, führten der Betriebsrat und das betroffene Betriebsratsmitglied das Zustimmungsersetzungsverfahren mit derselben Zielrichtung, nämlich der Abwehr des Kündigungsbegehrens des Arbeitgebers. Auch ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 BRAO liege nicht vor. Mit dieser Regelung beabsichtige der Gesetzgeber, die Beeinflussung des Rechtsanwalts durch Konflikte mit der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Dienstherrn zu verhindern. Derartige Konflikte seien im vorliegenden Fall jedoch nicht zu erwarten gewesen. Denn die Beteiligte zu 3) habe ihn und Herrn X. zu keinem Zeitpunkt parallel vertreten. Eine Weisung der C. GmbH während der Vertretung des Herrn X. durch die Beteiligte zu 3) in ihrer Eigenschaft als Rechtssekretärin im Rahmen der ersten Instanz, die mit seiner Vertretung in der Beschwerdeinstanz durch die Beteiligte zu 3) in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin kollidiere, sei ausgeschlossen. Im Rahmen der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in derselben Angelegenheit" könne die Tätigkeit als Rechtsanwalt durch § 46 BRAO nur dann beschränkt werden, wenn sich diese Tätigkeit mit der Tätigkeit als sonstiger Rechtsberater zumindest insoweit überschneide, dass von einer gewissen Identität der Interessenwahrnehmung ausgegangen werden könne. Der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts stehe auch nicht entgegen, dass auch eine Vertretung durch einen Gewerkschaftssekretär möglich sei. Die Beteiligte zu 3) habe ihn in ihrer Eigenschaft als Rechtssekretärin ohnehin nicht vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vertreten können, da die Vertretung von Gewerkschaftsmitgliedern dort ausschließlich durch das Büro der C. GmbH in Mainz erfolge. Im Gegensatz zu einzelnen Mitgliedern habe der Betriebsrat als Gremium im Übrigen schon keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme durch die Gewerkschaft.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an die Beteiligte zu 3) € 1.840,11 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.7.2003 zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) hat vorgetragen,

der zwischen dem Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 3) geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen standesrechtliche Bestimmungen nichtig. In einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG würden der Betriebsrat und das von der Kündigung bedrohte Mitglied widerstreitende Interessen vertreten. Während das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unterliege, könne das von der Kündigung betroffene Betriebsratsmitglied im Rahmen seiner prozessualen Wahrheitspflicht ausschließlich seine eigenen individuellen Interessen verfolgen. Zudem habe die Beteiligte zu 3) gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO verstoßen, indem sie in demselben Rechtsstreit einerseits als Rechtssekretärin und andererseits als Rechtsanwältin aufgetreten sei. Darüber hinaus sei die Beauftragung der Beteiligten zu 3) als Rechtsanwältin vor dem Hintergrund, dass diese den Beteiligten zu 1) auch als Rechtssekretärin habe vertreten können, nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin den Antrag durch Beschluss vom 09.03.2004 - 8 BV 3324/03 - zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts der Gründe der Entscheidung wird auf Blatt 104 bis 109 der Akte Bezug genommen.

Gegen den ihm am 21.04.2004 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) durch am 18.05.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er hat die Beschwerde durch am 21.06.2004 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Beteiligte zu 1) wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO sei vorliegend nicht gegeben. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Vertretung des Betriebsrates in einem Zustimmungsersetzungsverfahren eine ganz andere Angelegenheit sei, als die Vertretung des Arbeitnehmers betreffend seiner Kündigung. Insbesondere sei zu keinem Zeitpunkt zu besorgen gewesen, dass die Beteiligte zu 3) bei der Wahrnehmung der Interessen des Beteiligten zu 1) der Beschwerdeinstanz auch nur abstrakt in Konflikt mit irgendwelchen Weisungen der GmbH beim C. habe geraten können.

Der Beschwerdeführer beantragt,

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.03.2004, Az.: 8 BV 3324/03, wird abgeändert.

2. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, an die Beteiligte zu 3) 1.840,11 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2003 zu zahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, es sei unerheblich, dass die Beteiligte zu 3) den Mitarbeiter X. nach dem Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren und insbesondere der Beschwerdeinstanz nicht mehr vertreten habe. Bei Übernahme des Mandats des Beteiligten zu 1) (Beschwerdeführers) sei sie in derselben Angelegenheit bereits vorbefasst gewesen. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beschwerdegegnerin wird auf ihren Schriftsatz vom 19.07.2004 (Bl. 135 145 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 27.09.2004, 31.01.2005, 25.04.2005 und 06.06.2005.

II.

Die Beschwerde ist form und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also statthaft, und erweist sich insgesamt als zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht hat sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch gegen die Beschwerdegegnerin auf Übernahme der Kosten für seine Vertretung in der Beschwerdeinstanz im Rahmen des streitgegenständlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG durch die Beteiligte zu 3) gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrates entstandenen Kosten zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten entstanden sind. Durch die Beauftragung der Beteiligten zu 3) in dem streitgegenständlichen Zustimmungsersetzungsverfahren sind dem Betriebsrat jedoch keine Kosten entstanden.

Denn entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Beauftragten der Beteiligten zu 3) zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO unwirksam. Gemäß § 134 BGB sind Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nichtig.

Vorliegend ist ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO gegeben. Danach darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er in derselben Angelegenheit als sonstiger Berater, der in einem ständigen Dienst oder ähnlichem Beschäftigungsverhältnis Rechtsrat erteilt, bereits tätig geworden ist. Diese Vorschrift soll den besonderen Verhältnissen Rechnung tragen, die zu beachten sind, wenn ein Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf für eine Organisation den Mitgliedern geschäftsmäßig Rechtsrat erteilt oder sogar für diese als Vertreter außergerichtlich oder gerichtlich tätig wird. Hat der Rechtsanwalt im Rahmen des Dienstverhältnisses als arbeitsrechtlich weisungsgebundener Angestellter in derselben Rechtsangelegenheit den Mitgliedern der Anstellungsorganisation Rechtsrat erteilt, war er als solcher für sie bereits tätig, dann darf er in derselben Angelegenheit nicht mehr als Rechtsanwalt tätig werden.

Die Beteiligte zu 3) ist in dem streitgegenständlichen Zustimmungsersetzungsverfahren in der Beschwerdeinstanz als Rechtsanwältin für den Betriebsrat tätig geworden, nachdem sie in erster Instanz bereits als Rechtssekretärin der C. GmbH im Gütetermin für das Betriebsratsmitglied aufgetreten war. Die Beteiligte zu 3) steht zu der C. GmbH in einem ständigen Dienstverhältnis. Sie ist in derselben Rechtssache und damit in derselben Angelegenheit tätig geworden. Bei dem gerichtlichen Auftreten handelt es sich auch um eine Rechtsbesorgung. Denn Rechtsangelegenheiten besorgt, wer eine Tätigkeit ausübt, die das Ziel verfolgt und geeignet ist, Rechte zu verwirklichen oder Rechtsverhältnisse zu gestalten. Dies ist bei der gerichtlichen Vertretung im Gütetermin der Fall. Das Verbot des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO greift auch schon dann ein, wenn wegen der Vorbefassung des Anwaltes die abstrakte Gefahr besteht, dass er nicht unabhängig ist. Weder ist erforderlich, dass der Rechtsanwalt gleichzeitig als solcher und als abhängig Beschäftigter mit derselben Sache befasst ist, noch ist entscheidend, ob er als Rechtsanwalt einen anderen Standpunkt hätte einnehmen müssen.

Der Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO führt zur Nichtigkeit des zwischen dem Beschwerdeführer und der Beteiligten zu 3) abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bedeutet die durch das Arbeitsgericht vorgenommene Rechtsanwendung, der die Kammer folgt, keine Überdehnung des Anwendungsbereichs des § 46 Abs. 2 BRAO. Es trifft zwar zu, dass es sich um einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) handelt. Das führt aber nicht dazu, dass die Interpretation dieser Regelung darauf zu beschränken ist, dass eine konkrete Gefahr für die unabhängige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs besteht. Angesichts des klaren Wortlaut der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung ist für eine Auslegung dahin, dass als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer konkreten Interessenkollission zu prüfen ist, nach Auffassung der Kammer kein Raum.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 1 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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