Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 371/06
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 371/06

Entscheidung vom 01.09.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.11.2005 - 6 Ca 1588/06 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung.

Der am 08.10.1970 geborene Kläger war bei der im Bereich der Produktion von Hygieneartikeln, Reinigungstüchern etc. tätigen Beklagten mit ca. 150 Mitarbeitern seit 01.10.1996 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt belief sich auf ca. 2.050,00 EUR.

Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 27.06.2005 eine Kündigung zum 30.09.2005 aus. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den umfassenden Tatbestand im angefochtenen Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.11.2005 - 6 Ca 1588/05 - gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit dem vorerwähnten Urteil wurde die gegen die ordentliche Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht im Wesentlichen aus, die ordentliche Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren durch Vorlage ärztlicher Atteste nachgewiesene Fehlzeiten eine negative Prognose begründeten. Selbst wenn man den Sachvortrag des Klägers zum Ausgeheiltsein der Gastritis unterstelle, verbliebe es für 2003 noch bei 33 und für 2004 noch bei 43 krankheitsbedingten Fehltagen. Ungeachtet der von der Beklagten behaupteten Betriebsablaufstörung, lägen erhebliche wirtschaftliche Belastungen vor. Für 2005 betrügen diesen 5.493,96 EUR. Die Beklagte sei in allen drei Jahren mehr als 30 Arbeitstage ihrer Entgeltfortzahlungspflicht nachgekommen. Für die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Ursachen für die Erkrankungen reiche der Vortrag des Klägers zu einer 2004 und 2005 vorliegenden Migräneerkrankung ohne minutiöse Darstellung, wann welche konkreten Tatsachen ihm gegenüber passiert sein sollen, nicht aus. Der vom Kläger benannte Vorfall vom 06.04.2005 mit der behaupteten Entgleisung des Zeugen V. reiche nicht als Grund für eine lang anhaltende Depression des Klägers aus, zumal eine als Entschuldigung zu wertende Aussprache stattgefunden habe. Das noch jugendliche Alter des Klägers sei bei der auf unbestimmte Zeit zu erwartenden Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Seite 10 - 14 = 139 - 143 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 03.04.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.05.2006 eingegangene und am 28.06.2006 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Zur Begründung seiner Berufung bringt der Kläger weiter vor, der Prognosezeitraum von zweieinhalb Jahren, den das Arbeitsgericht zugrunde gelegt habe, entspräche nicht der Rechtsprechung des BAG, das stets einen Zeitraum von vier Jahren angenommen habe. Auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz habe eine negative Gesundheitsprognose in einem Fall verneint, in dem Fehlzeiten über insgesamt sechs Jahre dargelegt worden seien. Dies gelte um so mehr, als die Fehlzeiten teilweise auf einer ausgeheilten Gastritis beruhten. Berücksichtige man diesbezügliche Erkrankungen nicht, ergäben sich Fehlzeiten von 33 und 43 Arbeitstagen für 2003 und 2004. Die seit Oktober 2004 entstandenen Fehlzeiten beruhten auf Mobbing zurückzuführende Depressionen und Migräneschüben. Insoweit würde auf den Schriftsatz vom 21.10.2005 Bezug genommen. Nach Ablehnung eines verschlechternden Arbeitsvertrages sei er - der Kläger - systematisch ausgegrenzt worden. Die Beklagte habe drei Kündigungen am 27.09.2004, am 16.01.2005 und am 27.06.2005 ausgesprochen, wobei die beiden ersteren nach Klageerhebung zurückgenommen worden seien. Die Beklagte habe bezüglich der Jahre 2003 und 2004 keinerlei Angaben zur Entgeltfortzahlung gemacht. Die Annahme des Arbeitsgerichts, wonach in diesen Jahren Entgeltfortzahlung angefallen seien müsste, sei durch nichts gedeckt. Im Übrigen habe er - der Kläger - 2003 und 2004 mehrere Arbeitsunfälle erlitten, ohne dass für die Beklagte eine Lohnfortzahlungspflicht bestanden habe. Bei den für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.07.2005 angegebenen Beträgen habe sich die Beklagte allein auf Zeitraum von sieben Monaten gestützt, was für eine verlässliche Prognose künftiger Entgeltfortzahlungen unzureichend sei. Das Arbeitsgericht habe abwägungserhebliche Umstände nicht berücksichtigt. Trotz Vorlage ärztlicher Bescheinigungen habe es sich für kompetent erachtet, eine Kausalität betrieblicher Ursachen für die Erkrankung auszuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 27.06.2006 (Bl. 168 - 173 d. A.) und die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Der Kläger hat zweitinstanzlich beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.11.2005 - 6 Ca 1588/05 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.06.2006 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt

und erwidert, entgegen der Auffassung des Klägers habe das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - die Ansicht vertreten, dass es bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht auf einen starren Zeitraum der letzten drei Jahre ankäme, sondern ausreichend auch ein kürzerer und bei einzelnen Fehlzeiten auch ein längerer Zeitraum sein könne. Der Kläger sei 2003 nur an vier von insgesamt 37 Fehltagen und 2004 ebenfalls nur an vier von insgesamt 47 Fehltagen an Gastritis erkrankt gewesen. Zu den übrigen Erkrankungen habe er sich nicht geäußert. Die Behauptungen zum Mobbing seien nicht substantiiert. Im Übrigen sei dem Kläger im Gütetermin der Verfahren 6 Ca 388/05 und 6 Ca 387/05 am 06.04.2005 angeboten worden, künftig nicht mehr im Logistikbereich, sondern im Produktionsbereich zu arbeiten. Diesen Vorschlag habe der Kläger nicht aufgegriffen. Die angebliche Erkrankung der Migräne etc. wäre auf grobes Eigenverschulden zurückzuführen. In sämtlichen Jahren sei wegen der Kurzerkrankungen für mehr als 30 Tage Entgeltfortzahlung zu leisten gewesen. Der Vortrag zu Arbeitsunfällen sei unsubstantiiert und im Übrigen nicht mehr berücksichtigungsfähig.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20.07.2006 (= Bl. 181 - 185 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt, sämtliche vorgelegten Unterlagen und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 01.09.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Es ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Es somit zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch n i c h t begründet.

Das Arbeitsgericht ist im angefochtenen Urteil vom 09.11.2005 - 6 Ca 1588/05 - im Ergebnis und der Begründung zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die von der Beklagten unter dem 27.06.2005 zum 30.09.2005 ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt ist und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat.

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG, 540 Abs. 1 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

Die Angriffe der Berufung bieten zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:

1.

Soweit die Berufung der Auffassung ist, das Arbeitsgericht habe sich auf einen zu kurzen Prognosezeitraum von zweieinhalb Jahren gestützt, kann dem angesichts der mittlerweile vorliegenden und von der Berufungskammer geteilten Rechtssprechung des BAG (Urteil vom 10.11.2005, 2 AZR 44/05 = EzBAT § 53 BAT, 42 Krankheit) nicht gefolgt werden. Für hinreichend prognosefähige Fehlzeitenräume ist dort anerkannt, dass nicht auf einen "starren" Zeitraum abzustellen ist. Es können - so die Rechtssprechung - die letzten drei Jahre sein, müssen es aber nicht. Auch ein kürzerer Zeitraum kommt durchaus in Betracht. Die Beklagte hat für die beim Kläger angefallenen Fehlzeiten auf die Jahre 2003, 2004 und 2005 abgestellt und die Fehltage im Einzelnen dargelegt. Rechtlich maßgeblich bleibt, ob aufgrund dem Kündigungszeitpunkt vorliegenden objektiven Tatsachen die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang zu befürchten ist. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Im vorliegenden Fall reicht auch nach Meinung der Berufungskammer der Prognosezeitraum von zweieinhalb Jahren mit seinen mal kürzeren mal längeren Fehlzeiten aus, um die Besorgnis künftiger Erkrankung anzunehmen. Dem steht auch nicht die von der Berufung angeführte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.08.2004 - 7 Sa 447/04 = NZA RR 2005, 368 ff. entgegen, denn dort lag zwar ein Fall zugrunde, der einer Darstellung von Fehlzeiten über sechs Jahre auswies, jedoch wurden keine rechtlich bindenden Aussagen zu einem auf diesen Zeitrahmen fixierten Fehlzeitenraum getroffen. Der Schwerpunkt der dortigen Begründung lag auf der Unerheblichkeit der für diesen Zeitraum dargestellten Fehltage, die bis auf die letzten zwei Jahre vor der Kündigung teilweise deutlich unter dem Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen lagen.

2.

Auch soweit die Berufung der Auffassung ist, dass sich für 2003 und 2004 im Hinblick auf eine ausgeheilte Gastritis lediglich Fehlzeiten von 33 und 43 Arbeitstagen ergeben, führt dies nicht zur Annahme einer positiven Prognose - auch nicht unter Berücksichtigung der Behauptung, dass die seit Oktober 2004 entstandene Fehlzeiten auf Mobbing zurückzuführende Depressionen und Migräneschüben beruhten. Im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht ist der Arbeitnehmer nach § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, im Einzelnen darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist (vgl. BAG Urteile vom 12.12.1996 - 2 AZR 7/96 = EzA KschG § 1 Krankheit Nr. 41 und vom 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 = EzA Kündigungsschutzgesetz § 1 Krankheit Nr. 50). Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 21.10.2005 enthalten jedenfalls keine klaren Aussagen dazu, dass der behandelnde Arzt eine Ausheilung der beim Kläger nach seiner Behauptung vorliegenden Erkrankung konkret in Aussicht gestellt hat. Die Fehlzeiten erreichen insgesamt auch Werte, die gemessen am Entgeltfortzahlungszeitraum erheblich sind; denn sie liegen an bzw. deutlich über dieser Grenze; dies gilt insbesondere für den bis zum Ausspruch der Kündigung am 27.06.2005 liegenden Zeitraum für 2005.

3.

Soweit der Kläger anführt, die entstandenen Fehlzeiten beruhten auf Mobbing zurückzuführende Depressionen und Migräneschüben, kann mit der Vorinstanz keine für die Häufigkeit der Fehlzeiten bestimmende Kausalität angenommen werden. Die Beanstandungen des Arbeitsgerichts, wonach es an einer exakten Darstellung von Mobbingsituationen für die jeweilige vorliegenden Erkrankungen fehlt, sind auch im Berufungsverfahren keine weiteren Einzelheiten vorgebracht. Gleiches gilt im Wesentlichen soweit der Kläger vorbringt, er habe 2003 und 2004 mehrere Arbeitsunfälle erlitten, ohne dass diese eine Lohnfortzahlungspflicht für die Beklagte begründet hätten. Auch hier sind der Berufungskammer mangels entsprechenden Sachvortrages keinerlei Feststellungen ermöglicht worden.

4.

Soweit die Berufung schließlich der Auffassung ist, dass sich die Beklagte für die Höhe der Lohnfortzahlung lediglich auf einen Zeitraum von sieben Monaten gestützt habe und dies für eine verlässliche Prognose künftiger Entgeltfortzahlung unzureichend sei, ist zu sehen, dass es für das von der Rechtsprechung geforderte Merkmal der Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nicht nur auf eine Prognose ankommt, sondern auch darauf, dass durch die Fehlzeiten entweder betrieblicher Ablaufstörungen und/ oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers eingetreten sind und eintreten werden (vgl. BAG Urteile vom 29.09.1993 - 2 AZR 155/93 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 40, vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 = BAGE 93, 255 und vom 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 = EzA KschG § 1 Krankheit Nr. 50). Allein die vom Arbeitsgericht angenommene Feststellung der Belastungen für 2005 in Höhe von 5.493,96 EUR ergeben neben den organisatorischen Belastungen des Arbeitgebers aufgrund der kurzfristigen Fehltage im Produktionsbereich ohne Zweifel die rechtlich geforderten betrieblichen Belastungen und Ablaufstörungen.

5.

Auch mit den Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 21.10.2005 (Bl. 66 d. A. ff) verbleibt es bei dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Interessenabwägung. Insofern ist auch nicht unbeachtlich, dass dem Kläger im Gütetermin der Verfahren 6 Ca 388/05 und 6 Ca 387/05 am 06.04.2005 angeboten wurde, künftig nicht mehr im Logistik- , sondern im Produktionsbereich zu arbeiten und der Kläger diesen Vorschlag auch nicht aufgegriffen hat. Insofern können die vom Kläger angeführten betrieblichen Krankheitsursachen für seine Fehlzeiten, die zivilprozessual zudem nicht nachvollziehbar dargestellt sind, die soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung nicht ausschließen.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Notwendigkeit.

Ende der Entscheidung

Zurück