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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 372/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.5.2008 - 10 Ca 2617/07 - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Nebenintervention zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen in der Folge eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist. Der Nebenintervenient ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten, nachdem dieser ihm zuvor den Streit verkündet hatte. Von einer (wiederholenden) Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und des Nebenintervenienten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.05.2008 (Bl. 124 - 128 d.A.). Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten ab dem 01.01.2007 ein Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des zwischen ihm und der Firma Friedrich Z KG zum 01.09.2001 begründeten Arbeitsvertrages besteht. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.05.2008 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seite 7 - 9 dieses Urteils (= Bl. 128 - 130 d.A.) verwiesen. Gegen das ihr am 04.06.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.07.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 08.07.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.09.2008 begründet. Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch einen Betriebsübergang auf sie, die Beklagte, übergegangen. Das Arbeitsgericht habe es versäumt, sich mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen, ob § 613 a BGB überhaupt einschlägig sei. Diesbezüglich sei nämlich völlig außer Acht gelassen worden, dass die Versetzung der ehemals in Andernach tätigen Schlossereimitarbeiter und Verlagerung von Produktionsteilen nach Koblenz von ein und demselben Rechtsträger, nämlich der Insolvenzschuldnerin selbst erfolgt sei und zwar lange vor dem Wechsel des Rechtsträgers. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass ebenfalls vor dem Wechsel des Rechtsträgers mehr als die Hälfte der in der Schlosserei tätigen Mitarbeiter infolge Eigenkündigung ausgeschieden seien. Unabhängig von der Frage, ob ein Betriebsteilübergang vorliege, fehle es jedoch jedenfalls an der Übernahme des Arbeitsverhältnisses des Klägers, da dieser nicht dem übernommenen Betriebsteil, d.h., der Produktionsstätte Koblenz zugeordnet gewesen sei. Im Betriebsteil Koblenz sei der Kläger nämlich - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - wegen seiner lang andauernden Arbeitsunfähigkeit nie beschäftigt worden. Er sei vielmehr ausschließlich in der Betriebsstätte Andernach beschäftigt und dort in der Schlosserei eingegliedert gewesen. Die Insolvenzschuldnerin habe anlässlich der Verlegung des Produktionsbetriebes von Andernach nach Koblenz den Kläger nicht versetzt. Dessen Arbeitsplatz sei daher am Arbeitsort Andernach verblieben, wo eine Betriebsstätte der Insolvenzschuldnerin in Form eines Verwaltungsbetriebes aufrechterhalten worden sei. Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 02.09.2008 (Bl. 174 - 177 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger und der Nebenintervenient beantragen,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger und der Nebenintervenient verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Zur Darstellung aller Einzelheiten ihres Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 15.02.2008 (Bl. 205 - 208 d.A.) und auf den Schriftsatz des Nebenintervenienten vom 10.10.2008 (Bl. 194 - 198 d.A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben. II. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.01.2007 ein Arbeitsverhältnis. Zu diesem Zeitpunkt ist nämlich das zwischen dem Kläger und der Friedrich-Z KG begründete Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen. Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe kann daher abgesehen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt: 1. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein (§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB). Die Vorschrift des § 613 a BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit eines Betriebs oder eines Betriebsteils bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfür zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der materiellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit. Dabei darf eine Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, der Arbeitsorganisation, ihren Arbeitsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Überganges maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG v. 24.08.2006 - 8 AZR 556/05 - AP Nr. 315 zu § 613 a BGB). Im Streitfall ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung dieser Kriterien, dass die Beklagte einen Betriebsteil der Insolvenzschuldnerin, nämlich deren von Andernach nach Koblenz verlegten Produktionsbetrieb nebst der dazu gehörigen Schlosserwerkstatt unter Wahrung seiner Identität übernommen hat. Die Beklagte betreibt ebenso wie die Insolvenzschuldnerin eine Mälzerei, d.h. sie produziert Malze und Malzprodukte. Aus dem unstreitigen Sachverhalt, den im erstinstanzlichen Urteil, von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht als falsch gerügten tatsächlichen Feststellungen sowie aus dem Inhalt der bereits erstinstanzlich vorgelegten notariellen Urkunden ergibt sich, dass die Beklagte vom Streitverkündeten den gesamten, in Koblenz gelegenen Produktionsbetrieb der Insolvenzschuldnerin unter Wahrung seiner Identität übernommen hat. Sie hat ausweislich ihres notariellen Angebots vom 17.11.2006 nebst der beigefügten Anlage 1 (Bl. 9 - 25 d.A.) sowohl das Betriebsgrundstück einschließlich Gebäude sowie die gesamte Betriebs- und Geschäftsausstattung nebst sämtlicher Betriebsvorrichtungen und Ersatzteile der Produktionsstätte Koblenz erworben. Hierzu gehörten, wie sich aus der Anlage 2 zum notariellen Angebot der Beklagten vom 17.11.2006 (Bl. 73 - 90 d.A.) ergibt, insbesondere auch die zur Produktion erforderlichen sowie die der Schlosserei zugehörigen Betriebsmittel. Die Beklagte hat somit sämtliche materiellen Betriebsmittel der betreffenden Produktionsstätte übernommen. Darüber hinaus hat sie, wie sich aus der in der Anlage 1 zum Angebot vom 17.11.2006 enthaltenen Arbeitsplatzklausel (Bl. 23 d.A.) ergibt, und was seitens der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird, sämtliche zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am Standort Koblenz beschäftigten Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin übernommen. Der Umstand, dass insgesamt drei der dort für die Insolvenzschuldnerin zuvor tätigen Arbeitnehmer vor dem Übergang der Produktionsstätte auf die Beklagte ihre Arbeitsverhältnisse durch Eigenkündigung beendet hatten, ist diesbezüglich ohne Belang. Da somit sowohl sämtliche materiellen Betriebsmittel auf die Beklagte übergegangen sind, die darüber hinaus dieselbe Betriebstätigkeit wie der bisherige Inhaber fortführt, ist die Identität des Produktionsbetriebes erhalten geblieben. Das Fehlen der Übernahme immaterieller Betriebsmittel, wie etwa von Kunden- und Lieferantenbeziehungen fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Der in Koblenz gelegene Produktionsbetrieb der Insolvenzschuldnerin stellt auch zweifellos einen Betriebsteil i.S.v. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB dar. Es handelte sich um eine organisatorische Untergliederung, mit der innerhalb des betriebstechnischen Gesamtzwecks ein Teilzweck, nämlich die Produktion von Malzen u.ä. verfolgt wurde und zu der auch die Schlosserei, in welcher der Kläger tätig war, gehörte. 2. Das Arbeitsverhältnis des Klägers war dem Produktionsbetrieb der Insolvenzschuldnerin zugeordnet. Die Zuordnung von Arbeitsverhältnissen bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Notwendig ist, dass der Arbeitnehmer in den übergegangenen Betrieb bzw. Betriebsteil tatsächlich eingegliedert war. Bei Arbeitsverhältnissen, bei denen keine Beschäftigungspflicht mehr besteht, hat die Zuordnung nach dem zuletzt inne gehabten Arbeitsplatz zu erfolgen (BAG v. 31.01.2008 - 8 AZR 27/07 - AP Nr. 340 zu § 613 a BGB). Nichts anderes kann dann gelten, wenn - wie vorliegend - ein Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits seit längerer Zeit nicht tatsächlich beschäftigt war. Der Arbeitsplatz des Klägers befand sich unstreitig in der dem Produktionsbetrieb der Insolvenzschuldnerin zugehörigen Schlosserei. Der Umstand, dass die Insolvenzschuldnerin den Produktionsbetrieb nebst Schlosserei von Andernach nach Koblenz verlagert und die Verwaltung in Andernach belassen hat, ändert nichts an der Zuordnung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu dem von der Beklagten übernommenen Produktionsbetrieb. Insbesondere ist diesbezüglich ohne Belang, dass die Insolvenzschuldnerin wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit des Klägers ihr Direktionsrecht ihm gegenüber nicht wie bei allen anderen in der Produktion tätigen Arbeitnehmer dahingehend ausgeübt hat, dass dieser fortan seine Tätigkeit nicht mehr in Andernach sondern im ca. 20 Kilometer entfernten Koblenz zu erbringen hat. III. Die Berufung des Beklagten war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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