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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 566/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, VwGO


Vorschriften:

ArbGG § 62 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 3
VwGO § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12.7.2007, Az.: 10 Ca 720/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land eine Bewerbung des Klägers zu Unrecht abgelehnt hat und deshalb zu einer neuen Auswahlentscheidung oder zum Schadenersatz verpflichtet ist.

Das beklagte Land hat am 13.11.2006 die Stelle der Leiterin/des Leiters des Referates IT 3 - Zentrale Verfahrenssteuerung, Controlling in der Zentralstelle IT-Management, eGoverment, Multimedia- und Verwaltungsmodernisierung des Ministeriums des H ausgeschrieben. Bezüglich der Anforderungen an die Bewerber heißt es in der Ausschreibung u.a.:

"Gesucht wird eine qualifizierte Persönlichkeit mit abgeschlossenem Hochschul­studium, insbesondere in den Studiengängen Informatik oder Mathematik bzw. vergleichbarer Qualifikation sowie mehrjähriger einschlägiger Berufs- bzw. Projekterfahrung mit Führungs- und Budgetverantwortung. Wünschenswert sind zu­dem vertiefte Kenntnisse und praktische Erfahrungen in den Bereichen Projekt- und Qualitätsmanagement, strategische Planungstools, Personalführung- und Entwicklung, KLR und Controlling, Präsentations- und Moderationstechniken sowie Betriebswirtschaft. ..."

Der am 10.02.1960 geborene Kläger, der u.a. über eine abgeschlossene Fachhochschulausbildung im Fachbereich angewandte Informatik und Mathematik verfügt, bewarb sich am 23.11.2006 auf diese Stelle.

Nachdem im Ministerium insgesamt 47 Bewerbungen eingegangen waren, wurden - nach Würdigung der Bewerbungsunterlagen - sieben Bewerber zu einem Gespräch eingeladen. Der Kläger gehörte nicht zu diesem Personenkreis. Nachdem zwei Bewerber ihre Teilnahme an dem Gespräch abgesagt hatten, wurden Ende Januar/Anfang Februar 2007 insgesamt fünf Vorstellungsgespräche geführt. Nach dem Ergebnis dieser Gespräche erschien dem Ministerium ein Bewerber als uneingeschränkt geeignet. Dieser Bewerber nahm jedoch seine Bewerbung am 06.03.2007 wieder zurück. Ob das Ministerium das Auswahlverfahren vor diesem Hintergrund nicht weiter verfolgte, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 22.03.2007 teilte das Ministerium dem Kläger u.a. mit:

"Ich vermag Ihrer Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle ... leider nicht zu entsprechen.

Die Stelle soll zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit dem im hiesigen Ministerium tätigen Obervermessungsrat Dietmar I besetzt werden. Nähere Auskünfte hierzu werden Ihnen auf Anfrage gerne erteilt. ..."

Mit Schreiben vom 30.03.2007 wurde der Beamte Dietmar I unter Freistellung von seinen bisherigen Aufgaben im Referat IT 6 in das Referat IT 3 des Ministeriums umgesetzt. Gleichzeitig wurde er nach vorheriger Zustimmung des Personalrates zum kommissarischen Leiter bestellt.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2007 leitete der Kläger das vorliegende Hauptsacheverfahren ein und beantragte zugleich, dem beklagten Land im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, die ausgeschriebene Stelle nicht endgültig mit einer anderen Person außer ihm bis zum Abschluss einer neu zu treffenden Auswahlentscheidung zu besetzen. Im einstweiligen Verfügungsverfahren nahm der Kläger seinen Antrag zurück, nachdem das beklagte Land erklärt hatte, dem Beamten I sei die Leitung des Referats IT 3 nur kommissarisch übertragen worden und die Stelle werde bis zu einer Entscheidung erster Instanz nicht endgültig besetzt.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, er habe nach Art. 33 Abs. 2 GG Anspruch auf eine erneute Durchführung des Auswahlverfahrens, hilfsweise auf Schadenersatz. Die vom beklagten Land getroffene Auswahlentscheidung sei fehlerhaft. Die Entscheidung zugunsten des Beamten I überschreite den Beurteilungsspielraum des öffentlichen Arbeitgebers. Er halte es nämlich für ausgeschlossen, dass der bereits im Ministerium tätige Obervermessungsrat die in der Ausschreibung aufgelisteten Voraussetzungen erfülle. Es liege kein sachlicher Grund vor, das Stellenbesetzungsverfahren bzw. das Auswahlverfahren zu beenden. Vielmehr müsse die Stelle neu ausgeschrieben werden.

Der Kläger hat beantragt,

1. dem beklagte Land aufzugeben, über seine Bewerbung auf die aus­geschriebene Stelle des Leiters des Referats IT 3 "Zentrale Verfah­renssteuerung, Controlling" der Zentralstelle IT-Management, eGoverment, Multimedia und Verwaltungsmodernisierung des Ministeriums des H unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

2. hilfsweise festzustellen, dass ihm Schadensersatz wegen schuld­haften Verstoßes gegen die Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zusteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, nachdem der einzige uneingeschränkt geeignete Bewerber mit Schreiben vom 06.03.2007 seine Bewerbung zurückgenommen habe, sei beschlossen worden, das Auswahlverfahren nicht weiter zu verfolgen. Bei dieser Entscheidung sei zu vergegenwärtigen gewesen, dass die seit der Stellenausschreibung mit den Ministerien und der Staatskanzlei geführten Fachgespräche die Möglichkeit eröffnet hätten, die durch das Referat IT 3 zu erfüllenden Fachaufgaben und damit zugleich auch die Anforderungen an den Leiter dieses Referates zu konkretisieren. Eine wesentliche Aufgabe des Referats IT 3 sei nunmehr, die Einführung eines landesweiten Personalverwaltungssystems zu initiieren. Dieses Projekt werde im Hinblick auf seine Bedeutung und seinen Umfang die Arbeit des Referats in den kommenden Jahren wesentlich prägen. Im Hinblick auf diese Neu-Akzentuierung des Aufgabeninhaltes des Referates IT 3 sei der der Obervermessungsrat I in den Blick geraten. Der betreffende Beamte habe binnen kurzer Zeit seine herausragende Qualifikation unter Beweis gestellt. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit sei er mit der Einführung, dem Betrieb und der Pflege eines Personalverwaltungssystems vertraut. Angesichts der Herrn I zu attestierenden hohen Qualifikationen, die mit dem noch in der Stellenausschreibung geforderten Hochschulabschluss vergleichbar seien bzw. einen solchen entbehrlich machten sowie im Hinblick auf dessen einschlägigen Erfahrungen sei er zum kommissarischen Leiter des Referats bestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2007 abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 - 9 dieses Urteils (= Bl. 74 - 77 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 02.08.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.2007 Berufung eingelegt und diese am 28.09.2007 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das beklagte Land habe seine Qualifikation im Vergleich zur Qualifikation des Beamten I falsch bewertet. So habe das beklagte Land einzig und allein darauf abgestellt, dass er - der Kläger - kein abgeschlossenes Hochschulstudium, sondern nur ein Fachhochschulstudium vorzuweisen habe. Seine sonstigen Qualifikationen seien völlig außer acht gelassen worden. Es müsse daher schon bestritten werden, dass derjenige Bewerber, für den man sich ursprünglich entschieden habe, der geeignetere Bewerber gewesen sei. Es liege auch die Vermutung nahe, dass das beklagte Land von vorneherein beabsichtigt habe, dem Beamten I die betreffende Stelle endgültig zu übertragen. Dies ergebe sich auch daraus, dass das beklagte Land im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dazu bereit gewesen sei, die Stelle lediglich bis zur Entscheidung erster Instanz nicht endgültig zu besetzen. Von einem pflichtgemäßen Ermessen bei der Auswahlentscheidung könne keine Rede sein. Es müsse auch bestritten werden, dass sich das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle geändert habe. In diesem Fall wäre ohnehin eine neue Stellenausschreibung erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 12.07.2007, Az.: 10 Ca 720/07, dem beklagten Land aufzugeben, über die Bewerbung des Klägers auf die ausgeschriebene Stelle des Leiters des Referates IT 3 "Zentrale Verfahrenssteuerung, Controlling" der Zentralstelle IT - Management, e-Goverment, Multimedia und Verwaltungsmodernisierung des Ministeriums des H unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger Schadenersatz wegen schuldhaftem Verstoß gegen die Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 22 GG zusteht.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die am 13.11.2006 ausgeschriebene Stelle, auf welche sich der Kläger beworben hatte, ist zwischenzeitlich dem Obervermessungsrat I endgültig übertragen worden.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Die an sich statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht insgesamt abgewiesen.

II. Die Klage ist weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land weder einen Anspruch, über seine Bewerbung auf die am 13.11.2006 ausgeschriebene Stelle neu zu entscheiden, noch einen Schadensersatzanspruch.

1. Der Antrag des Klägers, über seine Bewerbung neu zu entscheiden, ist unbegründet. Nachdem das beklagte Land die betreffende Stelle unstreitig nunmehr endgültig besetzt hat, ist der Kläger nicht mehr berechtigt, eine erneute Auswahlentscheidung zu verlangen, denn er hat keinen Anspruch darauf, dass das beklagte Land die Stelle wieder frei macht. Ein derartiger Anspruch käme nur in Betracht, wenn dem Kläger die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes genommen worden wäre. Dies ist jedoch hier nicht geschehen.

Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach den genannten Kriterien beurteilt werden. Dies gilt für Einstellungen ebenso wie für Beförderungen innerhalb des öffentlichen Dienstes. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können. Die Festlegung auf die in Artikel 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gibt jedem Bewerber ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Sie dient nicht nur dem Interesse des einzelnen Bewerbers, sondern als Prinzip der sog. Bestenauslese auch dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Verwaltung. Der Kläger konnte mithin verlangen, dass eine Auswahlentscheidung nach dem Grundsatz der Chancengleichheit und dem Prinzip der Bestenauslese getroffen wird.

Artikel 33 Abs. 2 GG verpflichtet den öffentlichen Arbeitgeber jedoch nicht dazu, ein Amt mehrfach zu vergeben, wenn nach der Stellenbesetzung festgestellt wird, dass ein Bewerber benachteiligt worden ist.

Der Anspruch eines Bewerbers nach Art. 33 Abs. 2 GG setzt voraus, dass es ein öffentliches Amt gibt, welches noch nicht besetzt ist. Ist eine mit dem Amt verbundene Stelle rechtlich verbindlich anderweitig vergeben, so kann das Amt nicht mehr besetzt werden. Dann ist der subjektive Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG erschöpft (BAG v. 28.05.2002 - 9 AZR 751/00, AP Nr. 56 zu Art. 33 Abs. 2 GG, m.w.N.). Artikel 33 Abs. 2 GG liegt eine Abgrenzung zwischen den Zugangsrechten von Bewerbern um öffentliche Ämter einerseits und der Organisationsgewalt der öffentlichen Hand andererseits zugrunde. Es obliegt allein dem Haushaltsgesetzgeber, darüber zu bestimmen, wie viele Planstellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Die Verwaltung als vollziehende Gewalt hat dann zu entscheiden, ob und wie die Stellen besetzt werden sollen. Mit einer Doppelbesetzung der Stelle würde in die Organisationsgewalt der öffentlichen Hand unzulässig eingegriffen. Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich kein Recht auf Schaffung einer zusätzlichen Stelle, um einen vermeintlichen Auswahlfehler zu heilen. Das Recht auf gleichen Zugang zum Amt erfordert nicht, die Wirksamkeit der Besetzung eines Amtes mit dem auserwählten Bewerber davon abhängig zu machen, dass die Auswahlentscheidung fehlerfrei war. Dieses Recht wird auch gewährleistet, wenn für den abgelehnten Bewerber die Möglichkeit der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zur Sicherung seines Anspruchs auf Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung besteht. Weitergehenden Ansprüchen steht das öffentliche Interesse an einer effizienten Verwaltung entgegen. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass sich hoch qualifizierte Bewerber nicht auf die jahrelange Unsicherheit einlassen, die mit dem Abwarten eines über drei Instanzen laufenden Hauptsacheverfahrens verbunden wäre. Sie werden sich anderweitig beruflich orientieren. Im Ergebnis würde dann keine Auswahl zwischen den leistungsstärksten, sondern zwischen den prozessfreudigsten bestehen (so ausführlich: BAG v. 28.05.2002 a.a.O.).

Auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes fordert kein Freimachen der Stelle. Es genügt vielmehr, dass dem nicht ausgewählten Bewerber vor der Stellenbesetzung die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gewährt wird.

Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gilt auch für den Zugang zum öffentlichen Dienst. Das Gebot folgt sowohl aus Art. 19 Abs. 4 GG als auch aus dem Rechtsstaatprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Beide Vorschriften garantieren den Justizgewährleistungsanspruch. Dieser Anspruch ist erfüllt, wenn dem abgelehnten Bewerber die Möglichkeit, vor der Besetzung des Amtes vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, gewährt wird (BVerfG Beschluss v. 19.09.1989 - 2 BvR 1576/88, NJW 1990, 501). Das setzt voraus, dass die öffentliche Verwaltung dem abgelehnten Bewerber rechtzeitig mitteilt, er sei abgelehnt worden. Eine solche Verpflichtung ist für Arbeitsverhältnisse aus § 242 BGB herzuleiten (LAG Thüringen v. 13.01.1997 - 8 Sa 232/96, AP Nr. 10 zu § 62 ArbGG 1979). Damit besteht

- ebenso wie im Beamtenrecht mit dem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO - im Bereich des Arbeitsrechts mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 62 Abs. 2 ArbGG auch diese Möglichkeit der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes (BAG v. 02.12.1997 - 9 AZR 445/96, AP Nr. 41 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Unschädlich ist, dass im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes lediglich zwei und nicht - wie im Hauptsacheverfahren - drei Instanzen gegeben sind. Die Verfassung fordert keinen weiteren Instanzenzug (BVerfG Beschluss v. 08.02.1994 - 1 BvR 765/89).

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, bewirkt nicht, dass bei einer wirksamen und endgültigen Besetzung eines öffentlichen Amtes die Verletzung der in Art. 33 Abs. 2 GG bestimmten Auswahlkriterien folgenlos bleibt. Bei schuldhaftem Verstoß können dem zu Unrecht übergangenen Bewerber Schadensersatzansprüche zustehen, die sich auf Geldersatz richten. Der abgelehnte Bewerber ist auf eine Entschädigung in Geld beschränkt. (BAG v. 28.05.2002, a.a.O.).

Im Streitfall hat das beklagte Land, nachdem die vorliegende Klage erstinstanzlich abgewiesen worden war, die Stelle des Leiters des Referats IT 3 endgültig dem Beamten I übertragen. Der subjektive Anspruch des Klägers auf chancengleiche Berücksichtigung seiner Bewerbung in einem Auswahlverfahren ist damit erschöpft.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nach Besetzung des Amtes nur noch eine Entschädigung in Geld in Betracht kommt, ist nicht geboten. Einem zu Unrecht übergangenen Bewerber kann ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Wiederherstellung zustehen, wenn durch das Verhalten der Verwaltung ein effektiver Rechtsschutz verhindert worden ist oder wenn ein öffentlicher Arbeitgeber und ein eingestellter Bewerber kollusiv zusammenwirken. Keine dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall erfüllt.

Der Kläger hatte zweifellos die Möglichkeit der Inanspruchnahme effektiven vorläufigen Rechtsschutzes. Ihm war bereits mit Schreiben vom 22.03.2007 und damit lange Zeit vor der endgültigen Besetzung der betreffenden Stelle mitgeteilt worden, dass seine Bewerbung keinen Erfolg hat. Darüber hinaus hat die das beklagte Land die Entscheidung über die endgültige Besetzung der Stelle bis zu dem Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zurückgestellt. Damit hatte der Kläger ausreichend Zeit, vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

2. Auch der Hilfsantrag des Klägers ist unbegründet. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Ein Schadensersatzanspruch kommt vorliegend nur aus § 280 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung der Auswahlgrundsätze nach Art. 33 Abs. 2 GG in Betracht.

Dem Schadensersatzanspruch steht jedoch bereits entgegen, dass es der Kläger in zurechenbarer Weise unterlassen hat, durch den Gebrauch von Rechtsmitteln seinen Anspruch auf chancengleiche Berücksichtigung seiner Bewerbung durchzusetzen bzw. eine endgültige Besetzung der Stelle zu verhindern (§ 254 Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB analog).

Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht für rechtswidriges, staatliches Handeln nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden, wenn also für den Nichtgebrauch eines Rechtsmittels kein hinreichender Grund bestand. Dies gilt gleichermaßen für Schadensersatzansprüche, die ein Beamter wegen seiner Ansicht nach rechtswidrig unterbliebener Auswahl für einen Beförderungsdienstposten und Beförderung erhebt (BVerwG v. 28.05.1998 - 2 C 29/97 - NJW 1998, 3288). Der in § 839 Abs. 3 BGB niedergelegte Vorrang des primären Rechtsschutzes (vgl. BGH v. 15.11.1990 - III ZR 302/89 - NJW 1991, 1168) beansprucht entsprechende Geltung bei Schadensersatzansprüchen von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes. Jedenfalls ist die allgemeine Schadensabwendungsverpflichtung des übergangenen Bewerbers nach § 254 Abs. 2 BGB in ihrer Reichweite unter Heranziehung des Rechtsgedankens nach § 839 Abs. 3 BGB zu bestimmen. Kommen den Bewerbern auf ein öffentliches Amt - bereits aus verfassungsrechtlichen Erwägungen - effektive Mittel zur Durchsetzung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung zu, so ist ihnen auch grundsätzlich die vorrangige Inanspruchnahme der rechtlichen Möglichkeiten zur Abwendung einer übergangenen Bewerbung zuzumuten. Wird hiervon ohne hinreichenden Grund kein Gebrauch gemacht, so vermag der übergangene Bewerber keinen Schadensersatzanspruch durchzusetzen (BVerwG v. 28.05.1998, .a.a.O.). Eine endgültige Stellenbesetzung im Zusammenhang mit einem Konkurrentenstreit kann im Wege einer einstweiligen Verfügung verhindert werden. Es besteht - ebenso wie im Beamtenrecht mit dem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO - im Bereich des Arbeitsrechts mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 62 Abs. 2 ArbGG die Möglichkeit der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes (BAG v. 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - a.a.O.). Die Anforderungen an einen solchen, auf einstweilige Verhinderung der endgültigen Stellenbesetzung gerichteten Antrag sind nicht zu hoch anzusetzen (vgl. LAG Sachsen v. 21.03.2003 - 3 AZR 125/03 - NZA-RR 2004, 448). Ein Bewerber, der ohne hinreichenden Grund die ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten, eine endgültige Stellenbesetzung zu verhindern, nicht nutzt, kann nicht nach dem Grundsatz "dulde und liquidiere" einen Schadensersatzanspruch durchsetzen (vgl. LAG Brandenburg v. 03.11.2005 - 9 Sa 379/05).

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass er zunächst von der ihm zustehenden rechtlichen Möglichkeit zur Abwendung einer endgültigen Stellenbesetzung Gebrauch gemacht hat. Er hat bereits mit Schriftsatz vom 03.04.2007 und somit zeitnah an die Mitteilung des beklagten Landes, dass die betreffende Stelle anderweitig besetzt werde, im Wege einer einstweiligen Verfügung die vorläufige Untersagung der endgültigen Stellenbesetzung begehrt. Den einstweiligen Verfügungsantrag hat der Kläger jedoch am 10.04.2007 zurückgenommen. Die Rücknahme erfolgte auch keineswegs im Hinblick auf eine Zusicherung des beklagten Landes, keine endgültige Stellenbesetzung bis zum Abschluss des Konkurrentenverfahrens vorzunehmen. Das beklagte Land hat vielmehr lediglich erklärt, die dem Beamten I bislang nur kommissarisch übertragene Stelle bis zur Entscheidung erster Instanz nicht endgültig zu besetzen. Eine Verpflichtung zur Unterlassung der Stellenbesetzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens kann dieser Erklärung nicht entnommen werden. Spätestens nach Verkündung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils hätte der Kläger daher auf eine weitere Unterlassungserklärung des beklagten Landes drängen oder erneut einstweiligen Rechtsschutz beanspruchen müssen. Dadurch wäre eine endgültige Stellenbesetzung noch zu verhindern gewesen. Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass das beklagte Land die endgültige Stellenbesetzung für einen über den Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens hinausgehenden Zeitraum unterlässt. Die unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitete Verpflichtung des öffentlichen Dienstherrn, vor einer beabsichtigten endgültigen Stellenbesetzung den nicht berücksichtigten Mitbewerber in Kenntnis zu setzen, damit dieser gerichtlichen Rechtsschutz hiergegen überhaupt erlangen kann, gebietet im vorliegenden Fall keine andere Sichtweise. Das beklagte Land hat die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers nicht "vereitelt"; insbesondere hat das Beklagte Land keine der abgegebenen Erklärung ("bis zur Entscheidung erster Instanz") zuwiderlaufende Entscheidung getroffen.

Die Zurücknahme des einstweiligen Verfügungsantrages sowie die unterlassene Inanspruchnahme eines erneuten primären Rechtsschutzmittels steht daher einem Schadensanspruch des Klägers entgegen.

III. Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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