Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.12.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 581/06
Rechtsgebiete: ZPO, TzBfG, BGB, KSchG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
TzBfG § 15
TzBfG § 15 Abs. 3
BGB §§ 305 ff.
BGB § 305 c Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB § 307 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 4
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 581/06

Entscheidung vom 01.12.2006

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 29.05.2006 - 8 Ca 676/06 - wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer während einer vereinbarten Befristung ausgesprochenen Kündigung und die Gewährung einer Zulage von Mitte April bis 31. August 2006.

Der Kläger wurde aufgrund eines am 20.10.2005 unterzeichneten Arbeitsvertrages fest befristet vom 01.12.2005 bis 31.08.2006 als Marktleiter in Einarbeitung eingestellt. Der formularmäßige Arbeitsvertrag enthielt u. a. folgende Regelungen:

§ 6 Probezeit

Vom 01.12.2005 fest befristet bis: 28.02.2006

Während dieser Zeit sind beide Vertragspartner berechtigt, ohne Angabe von Gründen das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 2 Wochen aufzulösen. Zur Übernahme in ein festes Beschäftigungsverhältnis bedarf es der ausdrücklichen Bestätigung. Erfolgt sie nicht, so endet das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf der Probezeit.

§ 12 Befristung gem. TeilzBefrG

Beiden Arbeitsvertragsparteien bleibt es unbenommen, das Anstellungsverhältnis auch vor dem Ablauf der Befristung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen zu beenden.

Mit Schreiben vom 14.03.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.04.2006.

Hinsichtlich der dargestellten Rechtsauffassungen der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 29.05.2006 - 8 Ca 676/06 - (Bl. 87 bis 90 d. A.) gemäß § 540 ZPO Bezug genommen.

Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, hat das Arbeitsgericht bezogen auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung ausgeführt, dass diese erst nach Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten der sozialen Rechtfertigung und damit einer Begründung bedürfe. Dieser Zeitraum sei bei Zugang der Kündigung noch nicht ablaufen gewesen. Die vorliegend nicht in der zulässigen Höchstlänge vereinbarte Probezeit könne mangels weiterer Anhaltspunkte nicht als Abkürzung der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes gesehen werden. In der Kumulation von Befristungs-, Kündbarkeits - und Probezeitabrede läge keine Sittenwidrigkeit; denn die Vereinbarung einer Kündbarkeit trotz Befristung sei gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG ausdrücklich zulässig. Selbst bei Annahme von Sittenwidrigkeit würde nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen von der Wirksamkeit der Kündigung vom 14.03.2006 auszugehen sein. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (S. 4 bis 6 = Bl. 90, 91 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 28.06.2006 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 26.07.2006 eingelegte und mit gleichzeitiger Begründung versehene Berufung.

Der Kläger bringt zweitinstanzlich insbesondere vor,

Vorformulierte Arbeitsverträge erfüllten nicht die in § 15 Abs. 3 TzBfG verlangte einzelvertragliche Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit. Wenn dies nicht einmal durch eine Betriebsvereinbarung zulässig sei, so gelte dies erst recht für einen vorformulierten Arbeitsvertrag.

Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der vorformulierte Arbeitsvertrag eine Verkürzung der Wartezeit auf drei Monate vorsehe. Wenn vereinbart worden sei, dass das Arbeitsverhältnis während dieser Zeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden könne, ginge dies über das gesetzliche Leitbild einer Probezeitvereinbarung weit hinaus; denn die Probezeit habe mit den Kündigungsgründen nichts zu tun. Das LAG Köln stütze diese Auffassung mit seiner Entscheidung vom 15.02.2002 - 4 Sa 575/01 -. Im Übrigen sei § 305 c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Die Kombination von Befristung, Festlegung einer Probezeit von drei Monaten und die Vereinbarung der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit stelle eine unangemessene Benachteiligung dar. Das Arbeitsgericht hätte die getroffene Vereinbarung im Lichte des § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB prüfen müssen.

Zur weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2006 (Bl. 104 bis 109 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat zweitinstanzlich zuletzt beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 29.05.2006 - 8 Ca 676/06 - wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14.03.2006 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 900,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Zurückweisung der Berufung und Klageabweisung.

Sie führt zur Abwehr der Berufung aus,

der Kläger verkenne, dass auch eine auf der Grundlage eines Formulararbeitsvertrages geschlossene Vereinbarung "einzelvertraglich" im Sinne von § 15 Abs. 3 TzBfG sei. Diese Norm stelle kein zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, sondern eine Gesetz gewordene Auslegungsregel dar. Bei einer Probezeitabrede würde ausdrücklich sogar auf eine stillschweigende Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit geschlossen. § 305 c Abs. 2 BGB sei nicht anwendbar, da sich keine Zweifel an der Auslegung des Formulararbeitsvertrages ergäben. Mit keinem Wort sei dort ein Verzicht auf die Frist des § 1 Abs. 1 KSchG vereinbart. Es läge auch keine Intransparenz der Klausel vor. Eine Anwendung von § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB scheide aus, da keine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung vorläge und demgemäß nicht von einer unangemessenen Benachteiligung ausgegangen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 01.09.2006 (Bl. 124 bis 128 d. A.) Bezug genommen.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 01.12.2006 (Bl. 148 - 151 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 4 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist somit auch insgesamt zulässig.

II.

In der Sache selbst zeitigt die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist in dem angefochtenen Erkenntnis vom 29.05.2006 zu Recht zur Auffassung gelangt, dass das vom 01.12.2005 bis 31.08.2006 befristete Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch die ordentliche Kündigung vom 14.03.2006 zum 15.04.2006 beendet wurde. Die in der Berufung nunmehr im Wege einer Leistungsklage verfolgten Zahlungsansprüche auf Zulage für die Zeit von Mitte April bis Ende August 2006 stehen dem Kläger nicht zu (hierzu unter 5.).

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer hinsichtlich der Ausführungen zur Rechtswirksamkeit der Kündigung gemäß § 540 ZPO Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils, stellt dies ausdrücklich fest und sieht unter Übernahme der Entscheidungsgründe hier von einer wiederholenden Darstellung ab.

Bezüglich der Angriffe der Berufung besteht - zunächst bezogen auf den Streitgegenstand der Kündigung - Veranlassung zu folgenden Ergänzungen:

1.

Soweit die Berufung der Auffassung ist, vorformulierte Arbeitsverträge erfüllten nicht die § 15 Abs. 3 TzBfG verlangte einzelvertragliche Vereinbarung, vermag dem die Berufungskammer nicht zu folgen. Das Merkmal "einzelvertraglich" im Sinne von § 15 Abs. 3 TzBfG ist nach seinem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass hier eine Individualvereinbarung gemeint ist (vgl. zur Auslegung von Gesetzen BVerf Beschluss vom 30.03.1993, 1 BvR 1045/89). Der Abschluss eines Arbeitsvertrages auf einem Formular stellt eine solche Individualvereinbarung dar und erfüllt das Merkmal "einzelvertraglich" im Sinne von § 15 Abs. 3 TzBfG. Maßgeblich ist allein, dass sich aus der Formulierung im Arbeitsvertrag hinreichend deutlich ergibt, dass eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit expressis verbis enthalten ist. Dies ist vorliegend der Fall, denn die Parteien haben ausdrücklich vereinbart: "Beiden Arbeitsvertragsparteien bleibt es unbenommen, das Anstellungsverhältnis auch vor dem Ablauf der Befristung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen zu beenden". Eine strengere Betrachtung ist hierzu nicht geboten, weil die Kündbarkeitsregel in Abs. 3 des § 15 TzBfG nach einer in der Kommentarliteratur vertretenen Meinung (vgl. Müller-Glöge, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Auflage, 605 TzBfG, § 15 Rz 13) kein zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, sondern nur eine Gesetz gewordene Auslegungsregel darstellt.

2.

Auch insoweit die Berufung der Auffassung ist, der vorformulierte Arbeitsvertrag enthielte eine Verkürzung der Wartezeit auf drei Monate und sie sich hierzu auf die Entscheidung des LAG Köln vom 15.02.2002 - 4 Sa 575/01 - stützt, vermag dem die Berufungskammer ebenfalls nicht zu folgen. Die vorzitierte Entscheidung des LAG Köln ist nicht einschlägig, da im dortigen Fall expressis verbis auf eine Probezeit ausdrücklich verzichtet worden ist, während im vorliegenden Fall eine solche von drei Monaten vereinbart wurde. Dass in der Probezeitvereinbarung von drei Monaten zugleich eine Verkürzung der Wartezeit des § 1 Abs. 2 KSchG liegt, kann der gewählten Regelung über die Dauer der Probezeit nicht ausdrücklich entnommen werden. Zutreffend ist zwar, dass vertragliche Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Verkürzung der Wartezeit zulässig sind (vgl. APS-Dörner, Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 1 KSchG, Rz 23); hierzu ist jedoch ein Vortrag zu verlangen, aus welchem sich ergibt, dass eine Einigung über einen vorzeitig einsetzenden Kündigungsschutz bei Abschluss der Vereinbarung erzielt war. Es müssen besondere Umstände gegeben sein, deren Berücksichtigung es im Einzelfall gestattet, ein auf Dauer angelegtes Arbeitsverhältnis mit einer solchen stillschweigenden Vereinbarung zu verbinden (APS-Dörner, aaO, § 1 KSchG, Rz 24 m. w. N. auf LAG Baden-Württemberg vom 05.06.1974 = BB 1974, 887). Solche sind vom Kläger nicht vorgetragen; hinzukommt, dass der Kläger mit einer Tätigkeit als Marktleiter in der Einarbeitung betraut war. Dies spricht dafür, dass sich der Kläger, der nach Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausgebildeter Gärtner ist, in das besondere Tätigkeitsfeld eines Marktleiters einfinden sollte. Gründe für einen vorzeitigen Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz sind damit nicht feststellbar.

3.

Soweit die Berufung meint, bei der verkürzten Probezeit handele es sich um eine mehrdeutige Klausel und insoweit sei § 305 c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, kann auch dem nicht gefolgt werden. Auch wenn man bei Formulararbeitsverträgen die Grundsätze der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne der § 305 ff. BGB heranzieht, würde § 305 c Abs. 2 BGB nur zum Zuge kommen, wenn Auslegungszweifel vorlägen. In der Probezeitvereinbarung vom 01.12.2005 bis zum 28.02.2006 liegt - insoweit ist auf das oben Stehende zu verweisen - keine ausdrückliche Vereinbarung eines Verzichtes auf die Frist des § 1 Abs. 1 KSchG. In Übereinstimmung mit der Beklagten ist eine Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift, die lediglich bei Zweifeln bei der Auslegung zum Zuge kommt, nicht gegeben.

4.

Soweit die Berufung meint, dass aus der Kombination von Befristung, sowie Festlegung einer Probezeit und der Vereinbarung der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit eine unangemessene Benachteiligung folge, ergibt eine nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB vorgenommene Inhaltskontrolle, dass mit der vorliegenden Vertragsgestaltung weder eine Abweichung vom Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung oder eine sonstige nicht vertretbare Benachteiligung feststellbar ist. Die Beklagte hat sich mit der gewählten arbeitsvertraglichen Gestaltung nämlich im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegt.

5.

Die in der Berufungsinstanz in der zutreffenden Klageart verfolgten Ansprüche auf eine vereinbarte Zulage für den Rest der Vertragslaufzeit bis 31.08.2006 ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 15.04.2006 beendet worden ist.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen und der weitergehende Antrag des Klägers abzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück