Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: 8 Ta 258/06
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 1
KSchG § 5 Abs. 4 S. 3
ArbGG § 78
ZPO §§ 567 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Ta 258/06

Entscheidung vom 15.01.2007

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 25.10.2006 - 4 Ca 390/06 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.827,32 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin, die seit 01.04.2003 mit schriftlichem Arbeitsvertrag als Ladenhilfe bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, mit einer Bruttovergütung vom 942,44 EUR tätig war, wendet sich mit ihrer am 21.06.2006 zum Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - erhobenen Klage gegen eine mit Schreiben vom 05.04.2006 zum 31.05.2006 ausgesprochene Änderungskündigung und beantragt zugleich die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

Nach der dem Antrag beigefügten eidesstattlichen Versicherung vom 20.06.2006 befand sich die Klägerin vom 19.04.2006 bis 25.04.2006 wegen einer Operation aufgrund eines Bänderrisses im Krankenhaus. Nach Rückkehr aus dem Krankenhaus habe sie in ihrem Briefkasten ein Benachrichtigungsschein vorgefunden, nach welchem ein Einschreiben innerhalb von sieben Werktagen abgeholt werden sollte. Dies sei nicht möglich gewesen, da sich die Klägerin in ihrer Wohnung nur mit zwei Unterarmgehstützen habe fortbewegen können.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 25.10.2006 - 4 Ca 390/06 - den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückgewiesen, weil sich die ab 19.04.2006 im Krankenhaus befindliche Klägerin so behandeln lassen müsse, als sei das Schreiben der Beklagten vom 05.04.2006 in ihren Machtbereich gelangt. Vorliegend seien gerade Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Klägerin mit einer rechtsgeschäftlichen Erklärung bzw. einer Kündigung des Arbeitgebers zu rechnen gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den vorbezeichneten Beschluss des Arbeitsgerichts (Bl. 70 - 74 d. A.) Bezug genommen.

Gegen den am 14.11.2006 zugestellte Beschluss richtet sich die am 15.11.2006 eingelegte und am 28.11.2006 begründete sofortige Beschwerde der Klägerin.

Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, sie - die Klägerin - habe unter keinerlei denkbaren Umständen damit rechnen können, dass Beklagte ihr gegenüber eine Änderungskündigung beabsichtige oder habe aussprechen wollen. In der ersten Hälfte des Monats April 2006 habe sie während ihrer arbeitsunfähigen Erkrankung zu Hause diverse Telefonanrufe aus der Filiale erhalten, in welchen sie aufgefordert worden sei, in der Filiale zu erscheinen und eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu treffen. Dies habe sie - die Klägerin - abgelehnt (Beweis: Zeugnis Y.). Als die Beklagte am 12. oder 13.04.2006 telefonisch bei ihr zu Hause die Vorlage eines Vertrages zur Unterschrift mitgeteilt habe, habe sie ihren Prozessbevollmächtigten mandatiert, der mit einem Schreiben vom 13.04.2006 u. a. ein entsprechendes Ansinnen der Beklagten ablehnte. Sie - die Klägerin - sei wegen einer zugleich durchgeführten Schultergelenks-Operation nicht in der Lage gewesen, für eine Dritte Person eine Vollmacht zur Abholung der von der Beklagten zwischenzeitlich übersandten Änderungskündigung zu schreiben. Darüber hinaus sei sie aufgrund der Operation am linken Fuß nicht gehfähig gewesen und habe sich nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus nur innerhalb ihrer Wohnung mittels zweier Gehstützen fortbewegen können. Entsprechend sei der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt und sich die Argumentation des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht.

Bezüglich der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.11.2006 (Bl. 81 - 83 d. A.), bezüglich der Beschwerdebeantwortung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.12.2006 (Bl. 92 - 93 d. A.) Bezug genommen.

Auf den weiteren Akteninhalt wird verwiesen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 5 Abs. 4 S. 3 KSchG, 78 ArbGG, 567 ff. ZPO statthaft. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden und damit insgesamt zulässig.

2.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die von der Klägerin am 21.06.2006 erhobene Kündigungsschutzklage nicht nachträglich zuzulassen war.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin, ihre Kündigungsschutzklage gegen die Änderungskündigung der Beklagten vom 05.04.2006 nachträglich zuzulassen, zu Recht zurückgewiesen, da die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 KSchG nicht feststellbar sind. Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage setzt voraus, dass der Arbeitnehmer sie trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt nicht fristgerecht erheben konnte. Den Arbeitnehmer darf mithin keinerlei Verschulden an der Versäumung der Drei-Wochen-Frist treffen, auch keine leichte Fahrlässigkeit (vgl. KR-Friedrich, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsschutzrechlichen Vorschriften, 6. Auflage, § 5 KSchG Rz 10 m. w. N. auf LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.09.1995 - 10 Ta 145/95 und Beschluss vom 23.07.2004 - 8 Ta 154/04). Für die Beurteilung ist einerseits besonderes Gewicht auf die individuellen Möglichkeiten der betreffenden Arbeitnehmers - subjektiver Maßstab - zu legen, andererseits, wie das Erfordernis der Anwendung aller "zumutbaren" Sorgfalt zeigt, gelten objektiv strenge Anforderungen. In jedem Fall ist die Schuldlosigkeit an der verspäteten Klageerhebung unter Berücksichtigung aller Umstände vom antragstellenden Arbeitnehmer schlüssig darzustellen (vgl. Ascheid, Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 5 KSchG Rz 69 m. w. N.). Insoweit trifft den Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast (vgl. Kittner/ Däubler/ Zwanziger, Kündigungsschutz-Kommentar, 4. Auflage § 5 Rd-Nr. 19).

Nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens ist es der Klägerin nicht gelungen ihre Schuldlosigkeit an der verspäteten Klageerhebung glaubhaft darzustellen.

Im vorliegenden Fall steht zunächst zwar fest, dass sich die Klägerin von Mittwoch den 19.04.2006 bis Dienstag den 25.04.2006 im Krankenhaus wegen einer Schultergelenks- und Bänderrissoperation befunden hat und nach ihrer Rückkehr einen Benachrichtigungszettel der Post in ihrem Briefkasten vorgefunden hat. Es wird unterstellt, dass sich die Klägerin nach ihrer Operation nur mit zwei Unterarm-Stützen bewegen konnte. Dies alles besagt jedoch nichts darüber, ob die Klägerin nicht jemand Drittes unter Mitgabe ihres Personalausweises mit Abholung des Einschreibens hätte beauftragen können (vgl. hierzu LAG Köln Beschluss vom 01.03.2006 - 3 Ta 23/06 m. w. N.). Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin allein im Haushalt lebt und sie sich in einer solch hilflosen Lage befunden hat, die die Beauftragung einer weiteren Person ausgeschlossen hat. Dass die Klägerin keine Unterschrift leisten konnte, ist dem vorgelegten ärztlichen Attest des XY-Krankenhauses nicht hinreichend zu entnehmen, weil dieses keine Aussage dazu enthält, ob der Zustand zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus angehalten hat. Dies gilt unabhängig davon, dass nur schwer nachzuvollziehen ist, dass sich die Klägerin mit Unterarmstützen nach ihrem Krankenhausaufenthalt und damit auch die Schulter belastend bewegen, aber - angeblich - nicht schreiben konnte. Im übrigen stellt die eidesstattliche Versicherung der Klägerin (Bl. 5 d. A.) auf den Aspekt der nicht möglichen Unterschriftsleistung nicht ab.

Ob die weiteren Gründe des Arbeitsgerichts, wonach die Klägerin aufgrund der Telefonate im April mit einer arbeitsrechtlich relevanten Reaktion der Beklagten rechnen konnte und sie sich auf eine Maßnahme dieser hätte einstellen müssen, dem Begehren auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entgegenstehen, kommt es nach Meinung der Beschwerdekammer nicht mehr entscheidend an. Hilfsweise wird jedoch auch auf diese Begründung abgestellt.

III.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Verfahren nach § 5 KSchG nicht statthaft (BAG Urteil vom 20.08.2002 = AP Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).

Ende der Entscheidung

Zurück