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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 8 TaBV 55/06
Rechtsgebiete: ArbGG, WO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 72
ArbGG § 87 Abs. 1
ArbGG § 91
WO § 6
WO § 7 Abs. 2
WO § 7 Abs. 2 Satz 2
BetrVG § 14
BetrVG § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 TaBV 55/06

Entscheidung vom 12.01.2007

Tenor:

1. Die Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligter zu 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.08.2006 - 5 BV 9/06 - wird zurückgewiesen.

2. Eine Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit am 27.03.2006 eingeleiteten Beschlussverfahren fechten drei Mitglieder einer Vorschlagsliste die am 14.03.2006 in Betrieb der Beteiligten zu 5. (Arbeitgeberin) durchgeführte Wahl zum neunköpfigen Betriebsrat an.

Dem Wahlvorstand gehörten an: V. als Vorsitzender, U., als stellvertretender Vorsitzender, T. als Schriftführerin, ferner S. und R.

Nach dem vom Wahlvorstand bekannt gegebenen "Wahlausschreiben für die Wahl des Betriebsrats" mussten Vorschlagslisten bis zum 09.02.2006, 16.30 Uhr beim Wahlvorstand eingereicht werden.

Die Listenvertreterin Q. reichte nach Rückfrage beim Wahlvorstandsmitglied T. wegen Veränderungen auf der Wahlvorschlagsliste - der Zeitpunkt der Nachfrage ist streitig - eine Liste mit 20 Stützungsunterschriften am 09.02.2006 um 13.45 Uhr beim Wahlvorstand ein.

Mit Schreiben vom 13.02.2006 wies der Wahlvorstand den eingereichten Wahlvorschlag mit der Begründung zurück, eine ohne Einverständnis der Unterzeichner vorgenommene Streichung einzelner oder mehrerer Kandidaten bedeute eine inhaltliche Änderung des Wahlvorschlages. Ein Wahlvorschlag würde durch die Streichung unrichtig und sei deshalb kein solcher im Sinne des BetrVG.

Den Widerspruch und Antrag auf Zulassung der Liste lehnte der Wahlvorstand am 14.02.2006 ab.

Am 14.03.2006 wurde die Wahl zum Betriebsrat durchgeführt. Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgte am 15.03.2006.

Zum weiteren erstinstanzlichen Vorbringen der Beteiligten wird auf die umfassenden Gründe I im Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.08.2006 - 5 BV 9/06 - (S. 5 bis 9 = 115 bis 119 d. A.) Bezug genommen.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben erstinstanzlich beantragt,

die am 14.03.2006 durchgeführte Wahl des Betriebsrats für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 4. (Betriebsrat) hat die

Zurückweisung des Antrags beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die durchgeführte Betriebsratswahl im vorerwähnten Beschluss für unwirksam erklärt, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststünde, dass die Stützungsunterschriften zur Vorschlagsliste "G.-E." erst geleistet worden seien, nachdem alle streitgegenständlichen Änderungen der Wahlliste vollständig vorgenommen gewesen seien. Die Änderungen in der Wahlliste seien deshalb von allen Unterzeichnern der Stützungsunterschriften getragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gründe wird auf den Beschluss II (S. 9 bis 16 = Bl. 119 bis 126) d. A: Bezug genommen.

Gegen den den Beteiligten zu 4. am 24.08.2006 zugestellten Beschluss richtet sich dessen am 20.09.2006 eingelegte und am 24.10.2006 begründete Beschwerde.

Der Betriebsrat beanstandet, dass das Arbeitsgericht die Aussage der Zeugin Q. bezüglich der Frage, wann die erste Stützungsunterschrift geleistet worden sei, zu Unrecht als glaubwürdig angesehen habe, da ein Telefonat mit Frau T. nach deren Aussagen erst am 08.02.2006 erfolgt sei, Herr P. erst am 08.02.2006 gegenüber Frau Q. auf seine Kandidatur verzichtet habe, Änderungen am Wahlvorschlag objektiv anders gewesen seien als von Frau Q. vorgetragen und die Zeugin O. ausgesagt habe, Herr P. habe nicht auf der Liste gestanden. Das Arbeitsgericht habe auch die Qualität der zweiten Unterschriftsliste nicht ermittelt. Unklar sei, ob der handschriftliche Vermerk auf der zweiten Liste gestanden habe, als die Unterschriften geleistet worden seien. Insgesamt sei eine Wiederholung der Beweisaufnahme nötig.

Der Betriebsrat beantragt,

1. der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz, Außenstelle Neuwied, vom 09.08.2006, zugegangen am 24.08.2006, Az: 5 BV 9/06, wird aufgehoben,

2. der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie beziehen sich auf die Bewertung des Arbeitsgerichts. Zugleich wird unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 26.06.2006 und die dort angeführte Entscheidung des BAG vom 25.05.2005 beanstandet, dass es der Wahlvorstand unterlassen habe, die Listenvertreter über etwaige Mängel zu informieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Betriebsrats vom 24.10.2006 (Bl. 199 bis 202 d. A.) und wegen der Beschwerdebeantwortung auf den Schriftsatz der Beteiligten zu 1) bis 3) vom 04.12.2006 (Bl. 221 bis 224 d. A.) Bezug genommen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 12.01.2007 verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die am 14.03.2006 durchgeführte Wahl des Betriebsrats unwirksam ist. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist der Wahlvorstand seiner nach § 7 Abs. 2 Wahlordnung (WO) bestehende Prüfungspflicht der von der Listenführerin Q. am 09.02.2006 um 13.45 Uhr eingereichten Wahlvorschlagsliste nicht nachgekommen.

Bei der Wahl wurde, wie in der Anhörung vor der Kammer erörtert, gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen. Das Wahlergebnis beruht hierauf.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. "Unverzüglich" im Sinne der Bestimmung bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestimmt zwar, dass die Wahlvorschläge möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen zu prüfen sind, daraus folgt jedoch nicht, dass jede innerhalb dieser Frist vorgenommene Prüfung als unverzüglich anzusehen ist. Wie sich aus dem Wortlaut ("möglichst") ergibt, handelt es sich bei der Frist von zwei Arbeitstagen nicht um eine starre Höchstfrist, die unter keinen Umständen überschritten und in jedem Fall ausgeschöpft werden darf, sondern lediglich um eine Regelfrist. Ob der Wahlvorstand unverzüglich gehandelt hat, ist unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung zu beurteilen. Die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Listenvertreters über die Ungültigkeit der Liste dient dazu, es dem Einreicher in der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste zu unterbreiten (vgl. BAG Beschluss vom 25.05.2005 - 7 ABR 39/04 m.w.N., Fitting Betriebsverfassungsgesetz, 22. Auflage, § 7 WO 2001, Rn. 6; GK BetrVG Kreutz/Oetker, 7. Auflage, § 7 WO Rn. 10; DKK/Schneider BetrVG, 9. Auflage, § 7 WO, 2001, Rn. 7). Diese Möglichkeit darf dem Einreicher nicht nur durch eine verzögerte Behandlung durch den Wahlvorstand genommen werden. Der Wahlvorstand hat daher der ihm obliegenden Prüfungspflicht grundsätzlich rechtzeitig nachzukommen. Entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung insbesondere dann, wenn der Ablauf der Frist zur Erreichung der Wahlvorschlägen unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammenzutreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können (vgl. BAG Beschluss vom 25.05.2005, a.a.O.). Wird eine Vorschlagsliste erst kurz vor Ablauf der Frist beim Wahlvorstand eingereicht, tragen die Einreicher zwar grundsätzlich das Risiko, dass ein möglicherweise zur Ungültigkeit führender Mangel des Wahlvorschlages innerhalb der Frist nicht mehr behoben werden kann. Dies entbindet den Wahlvorstand jedoch nicht von der Pflicht, die Prüfung von Vorschlagslisten möglichst rasch durchzuführen, damit ggf. vorhandene Mängel rechtzeitig geheilt werden können.

Hiernach ist der Wahlvorstand der ihm obliegenden Prüfungs- und Unterrichtungspflicht nicht unverzüglich im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nachgekommen. Im Streitfall lag zwischen der Abgabe der Wahlvorschlagsliste mit der Listenführerin Q. am 09.02.2006 um 13.45 Uhr und dem im Wahlausschreiben enthaltenen Abgabezeitpunkt um 16.30 Uhr des gleichen Tages nach Meinung der Beschwerdekammer ausreichend Zeit, um erkannte Defizite zu beheben. Der eingereichte Wahlvorschlag war nach Auffassung des Wahlvorstandes- so sein Schreiben vom 13.02.2006 - unrichtig, weil inhaltliche Änderungen der Liste nicht durch die Stützungsunterschriften gedeckt gewesen seien. Nach Bekundungen in der Anhörung vor der Beschwerdekammer waren für den Wahlvorschlag lediglich 14 Stützungsunterschriften nötig. Es ist für die Kammer kein Grund auszumachen, dass diese nach § 14 BetrVG beizubringende Anzahl von Stützungsunterschriften nach evtl. Neufassung der Wahlvorschlagsliste in 2 3/4 Stunden nicht hätte erreicht werden können. Der beschwerdeführende Betriebsrat kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Vorsitzende des Wahlvorstandes seit einigen Tagen krank gewesen ist, sich ein weiteres Mitglied - Herr R. - am 09.02.2006 um 10.30 Uhr krank gemeldet und das Mitglied S. nach Ende der Arbeitszeit um 14.00 Uhr entfernt habe, da nach der zitierten Rechtsprechung des BAG vom 25.05.2005 am Tag des Endes der Einreichungsfrist vom Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen waren, um kurzfristig zusammenzutreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können. Dies bedeutet, dass der Wahlvorstand im vorliegenden Fall bis zum Ende der Abgabefrist erreichbar sein müsste. Dem würde nach Meinung der Beschwerdekammer auch eine eingetretene Erkrankung eines Wahlvorstandsmitgliedes nicht entgegenstehen, sofern die Schwere einer solchen Erkrankung dessen Präsenz nicht ausschlösse. Hierzu waren der Beschwerdekammer keine Feststellungen möglich.

Im Übrigen entspricht die Erreichbarkeit eines Wahlvorstands auch der in § 18 BetrVG enthaltenen Pflicht, die Wahl durchzuführen. Der Wahlvorstand hat darauf zu achten, dass die Wahl rechtmäßig und ordnungsgemäß abgewickelt wird (vgl. Däubler/Kittner/Klebe BetrVG, 9. Auflage, § 18 Rz. 21). Daher kann ein Wahlvorstandsmitglied auch nicht einfach am letzten Tag der Abgabefrist für Wahlvorschläge nach Hause gehen, ohne seine unverzügliche Erreichbarkeit sicherzustellen. Die Notwendigkeit für den Wahlvorstand, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, war zudem erhöht, weil diesem bereits eine Rückfrage der Listenführerin Q. zu Änderungen auf der Wahlvorschlagsliste vorgelegen hat, auf die das Wahlvorstandsmitglied T. unter Hinweis auf § 6 WO reagiert hat.

Insgesamt liegt die Bedeutung der für zu treffend gehaltenen Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 25.05.2005, a.a.O.) zu den Pflichten eines Wahlvorstandes deutlich darin, den Arbeitgeber vor den Kosten zu bewahren, die zwangsläufig mit der Wiederholung der Betriebsratswahl verbunden sind. Dem muss der Betriebsrat bei der Bestellung des Wahlvorstandes ggf. durch Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder Rechnung tragen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Ob den Ausführungen des Arbeitsgerichts insbesondere zu seiner Beweiswürdigung zu folgen ist, kann offen bleiben. Insoweit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Gründen der Beschwerde.

III.

Die Rechtsbeschwerde zum BAG konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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