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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 9 Sa 1166/03
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 67 Abs. 4
ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 1004
BGB § 622 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 242
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 9 Sa 1166/03

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Speiger als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Z und den ehrenamtlichen Richter Y als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 14.05.2003, Az.: 7 Ca 273/03 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.200,00 EUR festgesetzt.

II. Der Beklagte hat die Kosten des zweitinstanzlichen Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie um die Entfernung verschiedener Abmahnungen sowie einer Ermahnung aus der Personalakte des Arbeitnehmers.

Von der erneuten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Abstand genommen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 14.05.2003 (S. 2 bis 7 = Bl. 51 bis 56 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass durch die Kündigung des Beklagten vom 30.01.2003 das Arbeitsverhältnis nicht zum 28.02.2003 beendet werden wird,

2. den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 03.02.2001 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen,

3. den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 29.06.2002 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen,

4. den Beklagten zu verurteilen, die Ermahnung vom 27.10.2002 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen,

5. den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 26.11.2002 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen,

6. den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 28.01.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat mit Urteil vom 14.05.2003 (Bl. 50 ff. d.A.) festgestellt, dass durch die Kündigung des Beklagten vom 30.01.2003 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 28.02.2003 beendet worden ist. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, die Abmahnungen vom 03.02.2001, 29.06.2002 und 28.01.2003 sowie die Ermahnung vom 27.10.2002 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, die ordentliche Kündigung vom 30.01.2003 sei gemäß § 1 KSchG rechtsunwirksam, da ein verhaltensbedingter Grund, der die Kündigung sozial rechtfertigen würde, nicht vorliege. Allerdings habe der Kläger unstreitig am 29.01.2003 seine Arbeit mit einstündiger Verspätung aufgenommen. Des Weiteren sei er zuvor auch einschlägig abgemahnt gewesen, da in der schriftlichen Abmahnung vom 26.11.2002 zur Recht gerügt worden sei, dass der Kläger am 18.11. und 25.11.2002 zu spät zur Arbeit erschienen sei; dabei könne dahinstehen, ob Arbeitsbeginn um 21.45 Uhr oder 22.00 Uhr gewesen sei, zumal er im ersten Fall mit viertelstündiger und im zweiten mit halbstündiger Verspätung die Arbeit angetreten habe. Weitere einschlägige Abmahnungen wegen Verspätungen seien gegenüber dem Kläger nicht erfolgt. Die schriftlichen Abmahnungen vom 03.02.2001, 29.06.2002 und 27.10.2002 würden zwar Rügen über verspätete Arbeitsantritte des Klägers enthalten, jedoch sei diesen Schreiben nicht zu entnehmen, an welchen Tagen der Kläger konkret die Arbeit zu spät angetreten habe.

Soweit die Kündigung auf Fehler des Klägers beim Abladen von transportierter Ware gestützt werde, fehle es an einer rechtswirksamen vorausgegangenen Abmahnung. Gegenüber dem Vorwurf aus der Abmahnung vom 29.06.2002, eine Palette mit Ware aus der Nachtsprunglieferung X schuldhaft stehengelassen zu haben, habe sich der Kläger dahingehend gerechtfertigt, dass diese nicht mehr auf seinen LKW gepasst habe. Ob der Kläger verpflichtet gewesen sei, nach Beendigung seiner Tour vom 27.06.2002 eine zusätzliche Fahrt nach X wegen der Palette anzutreten, bleibe unklar. Zur Rüge, welche in der Ermahnung vom 27.10.2002 enthalten sei, habe der Kläger substantiiert ausgeführt, dass es für die Beladung des Fahrzeugs mit Paletten am Wochenende eine entsprechende Weisung nicht gegeben habe, sich diese lediglich auf Arbeitstage von montags bis freitags bezogen hätte. Der Beklagte habe demgegenüber eine entsprechende Weisung nicht substantiiert vorgetragen. Soweit in der Abmahnung vom 28.01.2003 gerügt werde, der Kläger habe in der Nacht vom 27./28.01.2003 eine Palette falsch abgeladen, habe dies nicht mehr zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht werden können, zumal es sich hierbei um einen Sachverhalt handele, der Gegenstand der Kündigung vom 30.01.2003 gewesen sei.

Auch im Hinblick auf den des Weiteren von der Beklagten angeführten Kündigungsgrund der unterlassenen Reinigung des vom Kläger gefahrenen Fahrzeugs könne nicht von vorausgegangenen einschlägigen Abmahnungen ausgegangen werden.

Angesichts des Gesamtbildes des Fehlverhaltens des Klägers sei die erkennende Kammer des Arbeitsgerichtes im Rahmen der Interessenabwägung zu der Überzeugung gelangt, dass eine Beendigung des bereits 2 1/3 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnisses noch nicht geboten sei; vielmehr hätte das letzte Fehlverhalten durch eine weitere Abmahnung angemessen sanktioniert werden können. Die schriftlichen Abmahnungen vom 03.02.2001, 29.06.2002 und 28.01.2003 sowie die Ermahnung vom 27.10.2002 seien aus der Personalakte des Klägers gemäß § 1004, 242 BGB zu entfernen.

Die Klage sei allerdings insoweit abzuweisen gewesen, als der Kläger darüber hinaus die Entfernung der schriftlichen Abmahnung vom 26.11.2002 aus seiner Personalakte verlange. Diese Abmahnung sei hinreichend bestimmt und hinsichtlich des gerügten Verhaltens auch gerechtfertigt, da der Kläger an den zwei konkret genannten Tagen verspätet, nämlich zumindest nicht vor 22.00 Uhr zur Arbeit erschienen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 7 ff. des Urteils vom 14.05.2003 = Bl. 56 ff. d.A.) verwiesen.

Der Beklagte hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, welches ihm am 14.08.2003 zugestellt worden ist, am 09.09.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter gleichzeitiger Begründung seines Rechtsmittels eingelegt.

Der Beklagte macht geltend,

die schriftliche Abmahnung vom 03.02.2001 enthalte - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes - eine hinreichend konkrete Rüge, zumal zumindest für den Kläger aus der Formulierung, dass dieser "auch heute die Tour nicht fahren konnte" klar erkennbar gewesen sei, dass dieser an dem Tag, an welchem die Abmahnung verfasst worden sei (Samstag, den 03.02.2001) entgegen den bestehenden Vereinbarungen nicht zur Arbeit erschienen sei, um seine Tour zu fahren.

Auch die schriftliche Abmahnung vom 27.06.2002 rüge in konkreter Weise ein Fehlverhalten des Klägers, da dieser Abmahnung klar zu entnehmen sei, dass der Kläger am Donnerstag, den 27.06.2002 - entgegen der schriftlichen Aufforderung vom 09.01.2002 abends um 21.30 Uhr im Lager zu sein - erst nach 22.00 Uhr die Arbeit aufgenommen habe.

Aus der schriftlichen Ermahnung vom 27.10.2001 ergebe sich, dass das Nichterscheinen des Klägers am Freitag, den 25.10.2002 ebenso wie die unterlassene Mitteilung des Nichtantritts dieser Freitagstour von dem Beklagten als Arbeitsverstoß gerügt werde.

Hinsichtlich der Abmahnung vom 28.01.2003 sei zwar zutreffend, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger zusammen mit dem Kündigungsschreiben zugesandt worden sei. Jedoch sei bereits am Morgen des 28.01.2003 um 07.30 Uhr vom Beklagten gegenüber dem Kläger mündlich eine Abmahnung erklärt worden mit dem gleichen Inhalt wie er dann Gegenstand des Abmahnungsschreibens vom 28.01.2003 gewesen sei In der Abmahnung werde gerügt, dass der Kläger in der Nachttour vom 27.01. auf den 28.01.2003 eine an die Firma Y & V in U adressierte Palette in der Niederlassung der Firma T in X abgeladen habe. Deshalb sei am 28.01.2003 eine Sonderfahrt von X nach U notwendig geworden, um die Ware bei der Firma Y & V abzuliefern, wodurch zusätzliche Kosten angefallen seien. Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass bei der Firma Y & V eine bestimmungsgemäße Auslieferung nicht möglich gewesen sei, weil ein Baugerüst das Tor versperrt habe, sei dieser Einwand nicht berechtigt. Wie in der schriftlichen Abmahnung ebenfalls ausgeführt, sei das Betriebsgelände der Firma Y & V nämlich durch zwei Tore zu befahren gewesen, wobei das zweite Tor nicht versperrt gewesen sei und durch den Kläger mit Hilfe des ihm überlassenen Torschlüssel hätte geöffnet werden können. Dies habe der Kläger noch nicht einmal versucht.

Am 29.01.2003 habe der Kläger unbestritten erneut Ware bei einer falschen Niederlassung abgeliefert. Es handele sich insoweit um Waren, die an die Niederlassung der Firma T in X adressiert gewesen sei, die der Kläger aber aus Unachtsamkeit bei der Niederlassung der Firma T in U abgeliefert habe.

Soweit mit der Abmahnung vom 28.01.2003 gerügt werde, der Kläger habe auch in der vorausgegangenen Woche bereits wegen seines unachtsamen Umgangs mit transportierender Ware abgemahnt werden müssen, betreffe dies eine beim Auflagen auseinander gebrochene Gitterbox, die der Kläger daraufhin einfach in der Niederlassung des Kunden in S liegengelassen habe. Die Behauptung des Klägers, er habe keine Zeit gehabt, diese Gitterbox zu reparieren, bilde eine reine Schutzbehauptung, weil regelmäßig eine Vielzahl leerer Gitterboxen in der Niederlassung stehe und der Kläger im Bedarfsfall ohne Weiteres sich einer solchen hätte bedienen können. Das Neubeladen der anderen Gitterbox hätte allenfalls 10 Minuten gedauert und nicht zu einer Zeitnot des Klägers geführt.

Gegenstand der schriftlichen Abmahnung vom 29.06.2002 sei gewesen, dass der Kläger am 27.06.2002 eine Palette mit Ware, die er nach X hätte transportieren sollen, einfach habe stehen lassen. Soweit er sich in diesem Zusammenhang darauf berufe, dass für diese Palette kein Platz auf der Ladefläche seines Fahrzeugs mehr vorhanden gewesen sei, rechtfertige dies sein Verhalten nicht. In diesem Zusammenhang habe der Kläger in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 01.07.2002 (Bl. 110 f. d.A.) ausgeführt: "In diesem Falle habe ich leider falsch entschieden, die Palette stehen zu lassen."

Aus einer weiteren schriftlichen Stellungnahme des Klägers vom 08.02.2001 (Bl. 108 f. d.A.) ergebe sich im Übrigen, dass der Kläger auch aus seiner Sicht in der Vergangenheit mehrfach verspätet zur Arbeit erschienen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 08.09.2003 (Bl. 66 ff. d.A.) und 10.11.2003 (Bl. 99 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter teilweiser Abänderung des ergangenen Urteils im vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus,

die Abmahnung vom 03.02.2001 sei aus der Personalakte zu entfernen, da sie dem Bestimmtheitsgebot in keinem Falle genüge. Soweit darin davon gesprochen werde, dass er, der Kläger auch heute, sprich 03.02.2001 die Tour nicht habe fahren können, ohne aber näher auszudrücken, dass er dadurch gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe, fehle es an der notwendigen Warnfunktion. Zu der Abmahnung vom 29.01.2002 sei zu sagen, dass er die Palette nicht habe verladen können, so dass ein Verschulden seinerseits nicht gesehen werden könne. Auch in diesem Abmahnungsschreiben fehle es an einem relevanten Hinweis des Beklagten. In der schriftlichen Ermahnung sei lediglich der Hinweis enthalten, dass der Kläger von montags bis donnerstags spätestens um 21.45 Uhr im Lager zu sein habe, ohne dass insoweit mit einem Wort gerügt werde, dass er in dem genannten Zeitraum nicht um diese Zeit im Lager erschienen sei. Zu der Abmahnung vom 26.11.2002 sei nicht viel zu sagen, da der Kläger die Berufung nicht eingelegt habe, sondern nur die Beklagte.

Letztlich sei auch die Abmahnung vom 28.01.2003 ohne Relevanz für die Kündigung, da der Beklagte sein Kündigungsrecht nicht mehr auf die abgemahnten Rügen stützen könne, zumal Abmahnung und Kündigung dem Kläger gleichzeitig zugegangen seien. Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichtes sei nicht zu beanstanden; auch zweitinstanzlich habe der Beklagte nicht konkret dargelegt, welche Störung im Betriebsablauf oder Betriebsfrieden durch das Fehlverhalten des Klägers verursacht worden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10.10.2003 (Bl. 94 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig; darüber hinaus ist die Berufung auch begrünet.

Aufgrund des Sach- und Streitstandes, welcher sich zum Ende des zweitinstanzlichen Verfahrens ergab, war die zulässige Klage insgesamt abzuweisen.

A.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung vom 30.01.2003 rechtswirksam zum 28.02.2003 beendet.

1.

Diese Kündigung ist auch nach § 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes wirksam. Eine Rechtsunwirksamkeit kann sich gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nur ergeben, wenn eine ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist sie, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

Eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt, wenn ein in der Regel schuldhaftes Fehlverhaltens des Arbeitnehmers gegeben ist, dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat, in der Regel zumindest eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist und eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung das Überwiegen der Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt (vgl. DLW/Dörner, D/Rdnr 1256). Im vorliegenden Fall sind alle diese rechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

aa) Ein schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers liegt in zweierlei Hinsicht vor: Zum einen hat er die Arbeit in einem Fall verspätet aufgenommen und zum anderen hat er Ware nicht bei dem Adressaten, sondern bei einer anderen Niederlassung abgeliefert.

Zu dem verspäteten Arbeitsantritt kam es am 29.01.2003, als der Kläger unstreitig nicht - wie vom Beklagten angewiesen - die Arbeit um 21.45 Uhr, sondern erst eine Stunde später aufgenommen hat. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, vermag der Einwand des Klägers, er habe "lediglich verschlafen", den Vorwurf des schuldhaften Fehlverhaltens nicht zu entkräften.

Des Weiteren hat der Kläger am 29.01.2003 Ware, welche für die Firma T in X bestimmt war, bei der Firma T in U abgeliefert. Soweit er hierzu während der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt hat, er gehe davon aus, dass es zu dieser Verwechselung nicht gekommen sei, da er die Ware immer zu den Niederlassungen gebracht habe, welche auf dem Transportgut angegeben gewesen seien, vermochte sich der Kläger nicht an die konkrete Transportfahrt zu erinnern, sondern zog Schlussfolgerungen aus seinem allgemeinen Verhalten im Umgang mit der transportierten Ware. Dies reicht jedoch für ein erhebliches Bestreiten des vom Beklagten konkret vorgetragenen Fehlverhaltens nicht aus. Im Falle eines wirksamen Bestreitens, wäre im Übrigen der mündliche Sachvortrag während der Berufungsverhandlung gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG nicht mehr zulässig gewesen, da er in der Berufungsbeantwortung bereits hätte vorgebracht werden können und seine verspätete Beibringung zu einer Verzögerung des Rechtstreites geführt hätte, da sodann die von der Beklagten genannten Zeugen (Schriftsatz vom 08.09.2003 S. 15 = Bl. 80 d.A.) zu vernehmen gewesen wären.

bb) Das oben dargelegte Fehlverhalten des Klägers hatte auch betriebliche Auswirkungen. Der Beklagte hat nämlich vorgetragen, es sei aufgrund der Verspätungen des Klägers vom 18. und 25.11.2002 zu Störungen des Betriebsfriedens gekommen, weil Lagermitarbeiter dem Kläger wegen dessen Nichterscheinens um 21.30 Uhr notwendige Anweisungen nicht hätten mitteilen können. Dieser Vortrag wurde vom Kläger lediglich pauschal und damit in nicht erheblicher Weise bestritten. Wenn es aber schon am 18. und 25.11.2002 zu Verstimmungen bei den Lagermitarbeitern wegen des verspäteten Arbeitsantrittes des Klägers gekommen ist, muss dies erst Recht bei der nachfolgenden Verspätung vom 29.01.2003 der Fall gewesen sein. Unabhängig hiervon führt der um 1 Stunde verspätete Arbeitsantritt eines LKW-Fahrers schon deshalb in aller Regel zu Betriebsablaufstörungen, weil er dann oft die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen bei seiner Fahrtätigkeit nicht einhalten kann; dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, zumal der Kläger während der mündlichen Berufungsverhandlung Probleme in diesem Zusammenhang angedeutet hat. Soweit der Kläger am 29.01.2003 Ware, die für die Firma T in X bestimmt war, nicht abgeliefert hat, ist davon auszugehen, dass dies zu Unzufriedenheit bei dem Adressaten der Ware geführt hat und die Vertragsbeziehung zu dem Beklagten belastete.

cc) Dem verspäteten Arbeitsantritt vom 29.01.2003 sind zwei weitere verspätete Arbeitsantritte des Klägers, nämlich jene vom 18.11. und 25.11.2002 vorausgegangen, welche rechtswirksam in der schriftlichen Abmahnung vom 26.11.2002 vom Beklagten abgemahnt worden sind. Das Arbeitsgericht hat dies auf Seite 8 seines Urteils vom 14.05.2003 (Bl. 57 d.A.) im Einzelnen ausgeführt. Die erkennende Kammer macht sich diese Darlegungen zu Eigen und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer erneuten Darstellung ab. Der Kläger hat hiergegen keine Einwendungen im Rahmen des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens erhoben.

Der Kläger ist am Morgen den 28.01.2003 gegen 07.30 Uhr wegen zweier Fehler beim Abladen von transportierter Ware - im Hinblick auf die Falschlieferung vom 29.01.2003 in einschlägiger Weise - abgemahnt worden. Das es zu der mündlichen Abmahnung überhaupt gekommen ist, hat der Kläger erst während der mündlichen Berufungsverhandlung mit Nichtwissen bestritten. Dieses bestreiten ist jedoch unter Beachtung von § 138 Abs. 4 ZPO unerheblich. Hiernach ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Wenn nun der Beklagte behauptet, gegenüber dem Kläger am Morgen des 28.01.2003 mündlich eine Abmahnung erklärt zu haben, so wird ein Vorgang geltend gemacht, der Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Klägers war. Hierbei kann die Wahrnehmung dahingehen, dass die Abmahnungserklärung erfolgt ist oder dass sie nicht erfolgt ist. Hingegen scheidet ein Bestreiten mit Nichtwissen aus.

Nach dem im Übrigen unbestrittenen Sachvortrag des Beklagten wurde gegenüber dem Kläger in der mündlichen Abmahnung vom Morgen des 28.01.2003 das gleiche Fehlverhalten gerügt wie in der zusammen mit dem Kündigungsschreiben zugestellten schriftlichen Abmahnung vom 28.01.2003. Hierbei handelt es sich um zwei in der Sache begründete Rügen des Beklagten: Zum einen soll der Kläger eine umgefallene Palette mit Rückgabeware der R einfach in der Niederlassung S liegen gelassen haben und zum anderen soll er eine für die Firma Y & V bestimmte Palette dort nicht abgeliefert haben, weil er es versäumt hat, mit dem ihm zur Verfügung stehenden, passenden Schlüssel das zweite (unversperrte) Tor der Firma Y & V zu öffnen.

Gegenüber dem ersten Vorwurf hat der Kläger eingewandt, er habe die Palette in der Niederlassung S liegengelassen, weil er unter Zeitdruck gestanden habe und daher keine Zeit gehabt habe, die Gitterbox, welche auf der Palette stand und beschädigt gewesen sei, zu reparieren. Nach dem daraufhin der Beklagte demgegenüber ausgeführt hatte, es sei gar keine Reparatur der Gitterbox notwendig gewesen, zumal andere leere Gitterboxen zur Verfügung gestanden hätten, in welche der Kläger innerhalb von 10 Minuten die zu transportierende Ware hätte umräumen können, hat der Kläger hierzu nichts weiter ausgeführt. Sein mündlicher Hinweis aus der Berufungsverhandlung, auch dann hätte sich ein erheblicher Zeitdruck für ihn ergeben, ist nicht nachvollziehbar. Das Umräumen der Ware hätte, wie sich aus den vom Beklagten vorgelegten Fotos (Bl. 34 und 35 d.A.) ergibt, nur kurze Zeit in Anspruch genommen, so dass der Kläger im Einzelnen hätte ausführen müssen, weshalb konkret ihm dies nicht möglich gewesen sein soll.

Des Weiteren ist auch die zweite Rüge aus der Abmahnung vom 28.01.2003 berechtigt. Denn der Kläger vermochte nicht nachvollziehbar zu erklären, weshalb er nicht wenigstens versucht hat, das zweite Werkstor bei der Firma Y & V zu öffnen, um die transportierte Ware abzuladen.

b) Eine Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall nach Überzeugung der erkennenden Kammer dazu, dass das Interesse des Beklagten an einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses überwiegt. Der Kläger war zwar, wie das Arbeitsgericht zu Recht erwähnt, 2 1/3 Jahre bei dem Beklagten beschäftigt; er ist im Übrigen gegenüber einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Dem steht aber ein mehrfaches Fehlverhalten des Klägers gegenüber, das nicht nur auf verspätetem Arbeitsantritt beruht, sondern - wie sich aufgrund des Sachvortrages des Beklagten im zweitinstanzlichen Verfahren ergab - auch auf Fehlern beim Abladen von zu transportierender Ware. Dass diese Fehler betriebliche Auswirkungen hatten ist oben bereits ausgeführt; hinsichtlich des am 28.01.2003 abgemahnten Verhaltens ist dem noch hinzuzufügen, dass - wie in der schriftlichen Abmahnung unbestritten ausgeführt - bei der Spedition in S, in deren Betriebsräumen der Kläger die umgefallene Palette liegen ließ, Unmut darüber entstand, dass die Mitarbeiter früh morgens über einen Haufen Ware stolpern mussten. Hinzu kommt, dass sich aus den schriftlichen Stellungnahmen des Klägers vom 08.02.2001 und 01.07.2002 ergibt, dass er - auch nach eigener Auffassung - sich in der Vergangenheit nicht pflichtgemäß verhalten hat. Im Zusammenhang mit einem verspäteten Arbeitsantritt zum Wochenende hat er so in der schriftlichen Stellungnahme vom 08.02.2001 erklärt, in seiner bisherigen Beschäftigungszeit sei es bisher zweimal vorgekommen, dass sein Arbeitskollege montags nur verspätet habe losfahren können. Des Weiteren führt er in dem Stellungnahmeschreiben vom 01.07.2002 aus, dass er in einem Fall leider falsch entschieden habe, die Palette stehen zu lassen. Aus diesen Erklärungen des Klägers ergibt sich, dass er gerade im Zusammenhang mit dem rechtzeitigen Arbeitsantritt und ordnungsgemäßer Abwicklung der Ladevorgänge auch in der Vergangenheit sich nicht ordnungsgemäß verhalten hat. Nimmt man weiter hinzu, dass zwischen dem letzten Fehler beim Abladen von Ware und dem gleichartigen vorausgegangenen und abgemahnten Fehler lediglich ein Tag lag, so ist es dem Beklagten nicht weiter zuzumuten, den Kläger, dessen Unzuverlässigkeit durch die Vielzahl der aufgetretenen Pflichtwidrigkeiten belegt ist, weiter zu beschäftigen.

2.

Durch die schriftliche Kündigung vom 30.01.2003, welche dem Kläger am 31.01.2003 zugegangen ist, wurde die maßgebliche Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB gewahrt.

B.

Die zulässige Klage auf Entfernung der schriftlichen Abmahnungen vom 03.02.2001, 29.06.2002 und 28.01.2003 sowie der schriftlichen Ermahnung vom 27.10.2002 aus der Personalakte des Klägers ist unbegründet.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nämlich regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Es ist zwar anerkannt, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen kann (vgl. BAG, Urt. V. 17.01.1956 - 3 AZR 304/54 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Regelfall zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zusteht. Etwas anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG, Urt. v. 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 = AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze kann der Kläger einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen sowie der Ermahnung aus seiner Personalakte nicht mehr mit Erfolg geltend machen, da zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Berufungsverhandlung das Beschäftigungsverhältnis rechtswirksam beendet war. Objektive Anhaltspunke dafür, dass die Abmahnungen und die Ermahnung ihm auch noch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses schaden, hat der darlegungspflichtige Kläger nicht vorgetragen.

Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 2, 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Beklagten auferlegt, da er erst aufgrund neuen Vorbringens im zweitinstanzlichen Verfahren obsiegt hat und diesen Vortrag bereits in das erstinstanzliche Verfahren hätte einführen können.

Für die Zulassung der Revision fehlt es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich anerkannten Grund.

Ende der Entscheidung

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