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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 163/09
Rechtsgebiete: ArbGG, BUrlG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BUrlG § 7 Abs. 3
BUrlG § 7 Abs. 4
ZPO § 138 Abs. 2
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied- vom 28.01.2009, Az.: 6 Ca 1876/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Abgeltung von 24 Urlaubstagen in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.802,66 EUR brutto nebst Zinsen zusteht. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete mit Ablauf des 31. August 2008. Der Kläger war zuvor im Zeitraum vom 15.11.2007 bis 11.08.2008 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 12. bis 21.August 2008 arbeitete er. Vom 22. bis 31.August 2008 nahm der Kläger Urlaub. Der Urlaubsanspruch des Klägers belief sich auf 24 Tage pro Kalenderjahr. Im Jahre 2007 wurden dem Kläger hiervon vor Beginn seiner Erkrankung 15 Tage gewährt. Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Parteivorbringens erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 28.01.2009, AZ: 6 Ca 1876/08 (Bl. 23 ff. d. A.). Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.802,66 EUR brutto nebst Zinsten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. September 2008 zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt. Da der Kläger erst in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres 2008 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, stehe ihm der vollständige Jahresurlaubsanspruch für das Jahr 2008 zu. Hinzu komme ein Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2007. Dieser sei ungeachtet der bis zum 11.08.2008 fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen, da die Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Januar 2009 (AZ. C-350/06 - Schultz-Hoff, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Der Abgeltungsanspruch des Klägers entfalle auch nicht deshalb, weil der Kläger die geschuldete Arbeitsleistung in 2008 nicht mehr habe erbringen können und arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Dem stehe entgegen, dass der Kläger unstreitig im Zeitraum vom 12.08. - 22.08.2008 Arbeitsleistung erbracht habe und ihm anschließend auch von der Beklagten Urlaub bewilligt worden sei. Weshalb der Kläger dann nicht mehr arbeitsfähig gewesen sein solle, lasse sich dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen. Insoweit handele es sich um eine sog. Behauptung ins Blaue hinein. Das genannte Urteil ist der Beklagten am 27.02.2009 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 16.03.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 30.03.2009, auf den wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung Bezug genommen wird (Bl. 48 ff. d. A.), begründet. Zur Begründung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache S-H. stehe einer Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht entgegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung der genannten nationalen Bestimmung sei nicht möglich. Die der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Richtlinie RL 2003/78/EG fände aber auch keine unmittelbare Anwendung. Nationale Gerichte seien auch nicht berechtigt, § 7 Abs. 3, Abs. 4 BurlG unangewendet zu lassen, da der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub kein primärrechtlicher Grundsatz sei. Zugunsten der Beklagten greife zudem ein Vertrauensschutz, da sie sich auf die seit über 20 Jahren bestehende, gefestigte Rechtsprechung des BAG habe verlassen dürfen. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied -, AZ: 6 Ca 1876/08, vom 28.01.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger tritt der Berufung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 17. April 2009 (Bl. 69 ff. d. A.) entgegen. Er verweist auf das Urteil des BAG vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 - (DB 2009, 1018 - 1022). Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtfertige keine abweichende Beurteilung, da die Beklagte ein entsprechendes Vertrauen nicht in Anspruch genommen habe und vielmehr selbst erklärt habe, bei dem im August 2008 gewährten Urlaub handele es sich um den Resturlaub aus dem Jahre 2007. Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. 1. Die Berufungskammer schließt sich der neueren Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts gemäß Urteil vom 24.03.2009, AZ: 9 AZR 983/07 (DB 2009, 1018 ff.) an. Danach erlischt der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Voll- oder Teilurlaubs nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat dies im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 20. Januar 2009 (AZ: C-350/06 - Schultz-Hoff aaO) im genannten Urteil überzeugend begründet. Der 9. Senat hat sich dabei im Einzelnen auch mit den von der Berufung im hiesigen Verfahren vorgebrachten Argumenten auseinander gesetzt. Auf die Ausführungen im genannten Urteil (III der Gründe) wird voll inhaltlich Bezug genommen. Das Bundesarbeitsgericht ist aber auch auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingegangen und hat ausgeführt, dass ein Vertrauensschutz ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 02. August 2006 in der Sache Schutz-Hoff (12 Sa 486/06 -, veröffentlicht etwa in NZA RR 2006, 628 ff.) in Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Betracht kommt. 2. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich damit, dass soweit der gesetzliche Urlaubsanspruch des Klägers (20 Arbeitstage pro Jahr) betroffen ist, eine Abgeltung nicht wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahre 2007 und 2008 ausscheidet. Zunächst ausgehend von diesem gesetzlichen Urlaubsanspruch ist festzuhalten, dass dem Kläger für das Urlaubsjahr 2007 von vertraglich vereinbarten 24 Urlaubstagen noch ein Resturlaubsanspruch von 9 Tagen zustand. Ausgehend von diesem Resturlaubsanspruch ergibt sich, dass dem Kläger im Jahre 2007 insgesamt 15 Tage Urlaub gewährt wurden. Bezogen auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch verblieb für das Jahr 2007 damit noch ein Resturlaubsanspruch von 5 Tagen. Im Jahre 2008 wurden von 24 vertraglich vereinbarten Urlaubstagen 6 Urlaubstage gewährt, so dass bezogen auf den gesetzlichen Anspruch noch 14 Urlaubstage verblieben. Hinsichtlich dieser insgesamt 19 Tage besteht damit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Anwendung der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Für das Jahr 2008 ist aber auch von einer Verpflichtung der Beklagten zur Abgeltung des den gesetzlichen Urlaubs übersteigenden vertraglichen Urlaubs auszugehen, unabhängig von der Frage, ob die vom Bundesarbeitsgericht für den gesetzlichen Urlaub im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Grundsätze bei Fehlen ausdrücklicher abweichender Vereinbarungen auch für den den gesetzlichen Urlaub übersteigenden vertraglichen Urlaub gelten. Selbst wenn die Berufungskammer hinsichtlich des den gesetzlichen Urlaubsanspruchs übersteigenden Urlaubs des Jahres 2008 von der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeht, ergibt sich ein Abgeltungsanspruch des Klägers. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schied eine Abgeltung des Urlaubs aus, wenn bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr und im Übertragungszeitraum nicht erfüllbar gewesen wäre. Dabei trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er als Voraussetzung der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs jedenfalls für die Dauer seines Urlaubsanspruchs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können (vgl. etwa BAG 27.05.1997 - 9 AZR 337/95 - EzA § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 2). Ungeachtet dieser grundsätzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hat der Arbeitgeber auf entsprechenden Sachvortrag des Arbeitnehmers hin sich aber nach § 138 Abs. 2 ZPO konkret zum Sachvortrag des Arbeitnehmers zu erklären. Hieran fehlt es. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ihre Behauptung aufgezeigt hat, der Kläger hätte die geschuldete Arbeitsleistung im Jahre 2008 nicht mehr erbringen können. Hierzu hätte um so mehr Veranlassung bestanden, als der Kläger seine Arbeitsleistung im Zeitraum vom 12.08. bis 22.08.2008 unstreitig erbracht hat und ihm ebenso unstreitig seitens der Beklagten Urlaub bewilligt worden ist, was ebenfalls eine Arbeitsfähigkeit des Klägers voraussetzte. Aus welchen tatsächlichen Gründen die Beklagte davon ausgeht, dass ab dem 01.09.2008 für den Rest des Jahres 2008 der Kläger sodann nicht mehr arbeitsfähig gewesen sein soll, lässt sich dem Sachvortrag der Beklagten - auch im Berufungsverfahren - nicht entnehmen. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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