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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 9 Sa 2014/03
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 2014/03

Verkündet am: 14.04.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.07.2003, Az.: 10 Ca 1713/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, der Prozessgeschichte und des erstinstanzlichen Vorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.07.2003 (dort S. 3 bis 6 = Bl. 63 bis 66 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.04.2003 nicht aufgelöst werden wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.07.2003 (Bl. 61 ff. d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.04.2003 nicht aufgelöst werden wird. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, die Rechtsunwirksamkeit der vorliegenden Kündigung ergebe sich schon daraus, dass sie als Wiederholungskündigung auf die gleichen Gründe gestützt worden sei wie die Kündigung vom 28.01.2002. Bereits damals habe die Beklagte in dem Rechtsstreit um diese Kündigung beim Arbeitsgericht Koblenz sowie beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vorgetragen, sie habe die Entscheidung getroffen, keine Bauhelfer mehr zu beschäftigen und die vom Kläger bislang verrichteten Hilfs- und Abbrucharbeiten, soweit diese noch notwendig seien, von den Facharbeitern miterledigen zu lassen. Zur Begründung der streitgegenständlichen Kündigung nehme die Beklagte nunmehr eine inhaltlich gleichlautende Unternehmerentscheidung in Anspruch. Die streitgegenständliche Kündigung könne aber nicht mehr auf diese Kündigungsgründe gestützt werden, da durch das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 02.04.2003 (Az.: 9 Sa 11/03) rechtkräftig festgestellt worden sei, dass hiermit eine Kündigung nicht begründet werden könne.

Darüber hinaus sei die vorliegende Kündigung auch nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, da der von der Beklagten geltend gemachte, betriebsbedingte Kündigungsgrund nicht substantiiert dargelegt worden sei. Selbst wenn man unterstelle, dass der Kläger lediglich mit Hilfs- und Abbrucharbeiten befasst gewesen sei, müsse beachtet werden, dass die von der Beklagten behauptete Schließung des Bereiches für Hilfsarbeiten nahezu identisch sei mit der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen; der Kläger sei nämlich der einzige Arbeitnehmer gewesen, der bei der Beklagten in dem geschlossenen Bereich tätig gewesen sei. Die Beklagte habe es aber versäumt, die Umstände im Einzelnen vorzutragen, welche die behauptete Unternehmerentscheidung hinsichtlich organisatorischer Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit verdeutlichen könnten. So habe sie auch nicht dargelegt, in welchem konkreten Umfang Hilfs- und Abbrucharbeiten vor der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses angefallen und für die Zeit danach noch zu erwarten seien. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sei mithin nicht vom substantiierten Vortrag eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes auszugehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 6 ff. des Urteils vom 30.07.2003 (Bl. 66 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 23.10.2003 zugestellt worden ist, hat gegen dieses Urteil am 21.11.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 21.01.2004 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.01.2004 verlängert worden war.

Die Beklagte macht geltend,

es liege keine unzulässige Wiederholungskündigung vor. Anfang des Jahres 2002 habe die Beklagte den Entschluss gefasst, einen bestimmten Leistungsbereich, nämlich jenen für Hilfsarbeiten, in ihrem Betrieb zu schließen. Die anschließende Kündigung vom 28.01.2002 sei in dem nachfolgenden Rechtsstreit mit dieser Entscheidung und den zugrunde liegenden Umständen aus den Jahren 2000 und 2001 sowie der Aussicht auf das Jahr 2002 begründet worden. Nunmehr sei aber die Unternehmerentscheidung vollzogen; der Arbeitsplatz des Klägers sei seit 2002 entfallen. Die im Januar 2002 gegebenen Gründe für die Kündigung bestünden permanent fort und würden die Beklagte auch heute berechtigen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Würde man dem nicht folgen, liege ein generelles Kündigungsverbot vor.

Die streitgegenständliche Kündigung beruhe im Übrigen auch auf einem betriebsbedingten Grund. Der Leistungsbereich des Klägers sei im Betrieb der Beklagten ein zusätzlicher Leistungsbereich gewesen; es seien besondere Hilfsarbeiten in Auftrag genommen worden. Im Übrigen habe der Kläger Leistungen der Facharbeiter ausgeführt, die diese nicht gerne ausgeführt hätten. Seit Anfang 2002 habe die Beklagte keine zusätzlichen Abbrucharbeiten (Hilfsarbeiten) mehr übernommen. Die verbliebenen Facharbeiter hätten nichts von dem Leistungsbereich des Klägers übernommen, sondern ihre Arbeiten fortgeführt, die sie schon früher ausgeführt hätten, wobei sich der Leistungsumfang in Gänze aus dem Berufsbild des Fliesenlegers ergebe. Durch den Vollzug der Unternehmerentscheidung aus dem Jahr 2002 sei der Arbeitsplatz des Klägers auf Dauer weggefallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 21.01.2004 (Bl. 93 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.07.2003 - 10 Ca 1713/03 - abzuändern und die Klage vom 28.04.2003 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus,

die Beklagte habe in der Berufungsbegründung nunmehr unstreitig gestellt, dass auch die streitgegenständliche Kündigung auf einer Unternehmerentscheidung aus dem Jahr 2002 beruhe; mithin würden die frühere Kündigung vom 28.01.2002 wie auch die streitgegenständliche auf ein und dieselbe Unternehmerentscheidung zurückzuführen sein. Da über die frühere Kündigung rechtskräftig entschieden sei, könne die Beklagte sich aber nicht mehr auf die damalige Unternehmerentscheidung berufen.

Im Übrigen sei die Beklagte auch weiterhin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht gerecht geworden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 06.02.2004 (Bl. 100 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung vom 23.04.2003 nicht aufgelöst. Ob es sich bei dieser Kündigung um eine Wiederholungskündigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (Urt. v. 26.08.1993 - 2 AZR 159/93 = AP Nr. 113 zu § 626 BGB) handelt, bedarf letztlich nicht der Entscheidung. Nach dieser Rechtsprechung kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung auf dieselben betriebsbedingten Gründe stützen will, die schon im Zusammenhang mit der Kündigung vom 28.01.2002 vorgetragen worden sind und bereits Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung und des anschließenden Urteiles des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 02.04.2003 (Az.: 9 Sa 11/03) waren. Insbesondere steht zumindest im Rahmen des Berufungsverfahrens, entsprechend dem letzten Sachvortrag der Beklagten hierzu, fest, dass die unternehmerische Entscheidung, welche auch zu der streitgegenständlichen Kündigung geführt haben soll, identisch ist mit jener, die zur Kündigung vom 28.01.2002 führte. Ob hieraus letztlich ein identischer Kündigungsgrund resultiert, bedarf aber nicht der endgültigen Klärung, da die ordentliche Kündigung vom 23.04.2003 auch für den Fall, dass es sich nicht um eine Wiederholungskündigung handelt, rechtsunwirksam ist.

Diese Kündigung ist nämlich zumindest nach § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes unwirksam, da die darlegungspflichtige Beklagte den notwendigen betriebsbedingten Kündigungsgrund nicht hinreichend substantiiert darzulegen vermochte. Dies hat das Arbeitsgericht unter Ziffer II seiner Entscheidungsgründe (Bl. 68 ff. d.A.) rechtlich vollumfänglich zutreffend dargelegt, so dass sich die Berufungskammer diese Ausführungen zu Eigen macht und auf eine erneute Darstellung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verzichtet. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Berufungsführerin greifen nicht durch.

1.

Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe im Januar 2002 entschieden, den Bereich der betrieblichen Hilfsarbeiten zu schließen, ergibt sich allein aus diesem Vortrag kein hinreichender betrieblicher Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach dem Vortrag der Beklagten war der Kläger der einzige Arbeitnehmer, der bei ihr in dem geschlossenen Bereich zuvor tätig war. Die Entscheidung, diesen Bereich zu schließen, ist folglich identisch mit der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. Urt. v. 17.06.1999 - 2 AZR 522/89 = AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) muss ein Arbeitgeber in einem solchen Fall jene Umstände im Einzelnen vortragen, welche die behauptete Unternehmerentscheidung hinsichtlich Dauer und organisatorischer Durchführbarkeit verdeutlichen können. Hieran fehlt es hier. Dies ist im Einzelnen bereits im Zusammenhang mit der unwirksamen Kündigung vom 28.01.2002 in dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 02.04.2003 auf S. 9 ausgeführt worden. Hierauf wird verwiesen.

2.

Auch wenn die Beklagte in der Berufungsbegründung nochmals hervorhebt, dass es sich bei dem Bereich der Hilfsarbeiten um einen zusätzlichen Leistungsbereich im Betrieb gehandelt habe, für den sie seit Anfang 2002 keine zusätzlichen Aufträge mehr übernommen habe, so wird auch hieraus nicht deutlich, wie die behauptete Schließung des Hilfsarbeitsbereiches hinsichtlich Dauer und organisatorischer Durchführbarkeit machbar ist. Insbesondere ist aufgrund dieses Vortrages wiederum nicht überprüfbar, ob die Facharbeiter bei der Beklagten neben ihren bisherigen Arbeitsaufgaben die verbliebenen Arbeitsaufgaben des Klägers miterledigen können, ohne überobligatorische Leistungen erbringen zu müssen. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, ob die Tätigkeitsverlagerung auf Facharbeiter auf Dauer haltbar sein kann.

3.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Unternehmerentscheidung, den Hilfsarbeiterbereich zu schließen, sei nunmehr vollzogen, ist sie ihrer Darlegungslast, die im Einzelnen in den Entscheidungsgründen des Urteils des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 02.04.2003 (9 Sa 11/03), S. 8 f. nachvollziehbar beschrieben wurde, nicht gerecht geworden. Auf die dortigen Ausführungen wird ausdrücklich nochmals Bezug genommen.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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