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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 29/06
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IX, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
SGB IX § 14
SGB IX § 69
SGB IX § 69 Abs. 1
SGB IX § 69 Abs. 1 S. 2
SGB IX § 69 Abs. 2
SGB IX § 85
SGB IX § 90 Abs. 2 a
ZPO §§ 512 ff.
BGB § 134
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 29/06

Entscheidung vom 26.04.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.12.2005, Az. 8 Ca 19/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.12.2005 (dort S. 2 - 7 = Bl. 179 - 184 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 16.12.2004 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat entsprechend seinem Beweisbeschluss vom 11.11.2005 (Bl. 171 ff. d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X. und W.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolles vom 11.11.2005 (Bl. 172 ff. d. A.) verwiesen.

Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 06.12.2005 (Bl. 178 ff. d. A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 16.12.2004 nicht beendet worden ist. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei unwirksam, da die nach § 85 SGB IX notwendige Zustimmung des Integrationsamtes zuvor nicht vorgelegen habe. Dem Schwerbehindertenausweis des Klägers vom 18.02.2005 sei zu entnehmen, dass der Grad der Behinderung von 50 bereits am 02.11.2004, mithin bereits vor der Kündigung gegeben gewesen sei.

Die Regelung des § 85 SGB IX sei auch nicht gem. § 90 Abs. 2 a SGB IX ausgeschlossen. Durch diese sprachlich missglückte Vorschrift solle ausgedrückt werden, dass der Sonderkündigungsschutz erst bestehe, wenn die Schwerbehinderung durch das Ergehen eines Bescheides nach § 69 SGB IX nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt eine Feststellung über die Schwerbehinderung innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht treffe, obwohl der Arbeitnehmer seine Mitwirkungspflichten erfüllt habe. Hinter dem nicht eindeutigen Wortlaut dieser gesetzlichen Regelung stehe der gesetzgeberische Wille, einem Missbrauch des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen entgegen zu wirken, da Anträge auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch in der Vergangenheit oftmals darauf beruht hätten, dass unmittelbar vor Zugang der Kündigung ein in der Regel aussichtsloses Anerkennungsverfahren betrieben worden sei. Die Vermeidung solcher Missbrauchsfälle werde aber schon dann erreicht, wenn nur jenem Arbeitnehmer, der das Anerkennungsverfahren zögerlich betreibe und die erforderliche Mitwirkung nicht erbringe, der besondere Kündigungsschutz versagt bleibe, falls das Versorgungsamt nicht innerhalb der Fristen der §§ 69, 14 SGB IX eine Entscheidung habe fällen können. Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 16.03.2005 (Az. 9 Sa 961/04) berufe, sei der dortige Fall mit dem streitgegenständlichen nicht vergleichbar, da dort nur die rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als gleichgestellter behinderter Mensch im Streit gewesen sei.

Die verspätete Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch beruhe im gegebenen Fall nicht auf der fehlenden Mitwirkung des Klägers; dies sei zwischen den Parteien unstreitig.

Darüber hinaus habe der Kläger die Beklagte auch innerhalb eines Monats nach Kündigungszugang über das Anerkennungs- bzw. Gleichstellungsverfahren unterrichtet. In seinem Schreiben vom 13.01.2005 habe er zwar nur darauf hingewiesen, dass er sich hinsichtlich der streitgegenständlichen Kündigung auf seine Rechte als gleichgestellter behinderter Mensch berufe, jedoch genüge diese Mitteilung - trotz der unterschiedlich ausgestalteten Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. auf Gleichstellung - den an die Mitteilung des Anerkennungsverfahrens als schwerbehinderter Mensch zu stellenden Anforderung. Aufgrund der Mitteilung sei nämlich der Beklagten bewusst gewesen, dass die von ihr ausgesprochene Kündigung möglicherweise wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des 4. Kapitels des SGB IX unwirksam sei und sie aufgrund dessen eine erneute (vorsorgliche) Kündigung nach Zustimmung des Integrationsamtes aussprechen müsse. Die Mitteilung habe es der Beklagten mithin ermöglicht, vorsorglich beim Integrationsamt einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 7 ff. des Urteiles vom 06.12.2005 (Bl. 184 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 13.12.2005 zugestellt worden ist, hat am 11.01.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 13.03.2006 ihr Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 13.03.2006 verlängert worden war.

Die Beklagte macht geltend,

es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits ab dem 02.11.2004 als schwerbehinderter Mensch anerkannt gewesen sei, zumal der Zustimmungsbescheid vom 11.02.2005 gerade keine Aussage zu einer rückwirkenden Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft enthalte.

Darüber hinaus habe der Kläger auch die Mitteilungsfrist von einem Monat nicht eingehalten, da er in dem Schreiben vom 13.01.2005 lediglich über seinen Antrag auf Gleichstellung, jedoch nicht über den Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch die Beklagte informiert habe. Zwischen beiden Anträgen müsse aber differenziert werden, da es im Hinblick auf die einem schwerbehinderten Menschen zusätzlich zu gewährenden fünf Urlaubstage Unterschiede gebe und auch nach den Bestimmungen des SGB IX zwischen der "eigentlichen Schwerbehinderung" (Grad der Behinderung über 50) und den Gleichgestellten differenziert werde.

Schließlich habe das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 16.03.2005 (Az. 9 Sa 961/04) zutreffende Aussagen zu der Auslegung des § 90 Abs. 2 a SGB IX gemacht, die auf das vorliegende Verfahren übertragbar seien. Das Landesarbeitsgericht sei nämlich bei dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter bzw. gleichgestellter behinderter Mensch zum Kündigungszeitpunkt dann nicht nachgewiesen sei, wenn der entsprechende Antrag zunächst abgelehnt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.03.2006 (Bl. 205 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.12.2005, Az. 8 Ca 19/05 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, aufgrund seines Schwerbehindertenausweises, der ab dem 02.11.2004 Gültigkeit habe, könne das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Frage gestellt werden. Im Übrigen verweise auch der Anerkennungsbescheids des Amtes für soziale Angelegenheiten vom 11.02.2005 im Eingangssatz auf den am 02.11.2004 eingegangen Antrag des Klägers.

Darüber hinaus habe der Kläger durch die Mitteilung an die Beklagte vom 13.01.2005 klargestellt, dass eine Kündigung gegebenenfalls, mangels Zustimmung des Integrationsamtes, unwirksam sei. Es sei hingegen nicht erforderlich gewesen, zusätzlich auch über den Verschlimmerungsantrag zu unterrichten, zumal die Beklagte, aufgrund des Schreibens vom 13.01.2005 bereits Kenntnis davon gehabt habe, dass die Zustimmung des Integrationsamtes vor einer Kündigung notwendig sein könnte.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz habe in seiner Entscheidung vom 16.03.2005 zu Recht eine Rückwirkung bei der Feststellung der Eigenschaft als gleichgestellter behinderter Mensch im Zusammenhang mit § 90 Abs. 2 a SGB IX verneint, zumal ein Gleichstellungsbescheid konstitutive Wirkung habe, während die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch kraft Gesetzes ohne behördliche Anerkennung gegeben sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 18.04.2006 (Bl. 214 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung vom 16.12.2004 nämlich nicht beendet, da diese Kündigung gem. §§ 85 SGB IX, 134 BGB nichtig ist. Diese Feststellung hat das Arbeitsgericht auf der Grundlage zutreffender rechtlicher Erwägungen getroffen; die Berufungskammer macht sich daher die Gründe der angefochtenen Entscheidung (S. 7 ff. des erstinstanzlichen Urteiles = Bl. 184 ff. d. A.) voll umfänglich zu eigen und sieht gem. § 69 Abs. 2 ArbGG von einer erneuten Darstellung ab. Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen eine Abänderung nicht.

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger zum Kündigungszeitpunkt, also am 16.12.2004, als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Arbeitsgerichtes ist er nämlich im Besitz eines Schwerbehindertenausweises, in welchem ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 und eine Gültigkeit des Ausweises ab dem 02.11.2004 dokumentiert sind. Auch in dem Bescheid vom 11.02.2005 (vgl. Bl. 71 d. A.) kommt - zumindest andeutungsweise - eine rückwirkende Anerkennung durch folgende Formulierung zum Ausdruck: "... auf Ihren am 02.11.2004 eingegangen Antrag ergeht ..." Da sowohl ein Schwerbehindertenausweis als auch ein Anerkennungsbescheid von derselben Behörde (vgl. § 69 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 SGB IX) erstellt werden, steht fest, dass der Kläger ab dem 02.11.2004 als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 50 anerkannt ist.

2.

Soweit die Beklagte des Weiteren vorträgt, der Kläger könne sich auf den Sonderkündigungsschutz nicht berufen, da er die Beklagte nicht über seinen Antrag auf Anerkennung als schwerbeinderter Mensch unterrichtet habe, folgt dem die Berufungskammer nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. Urteil v. 05.07.1990 - 2 AZR 8/90 = AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 1986) ist § 85 SGB IX anwendbar, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Arbeitnehmer einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft beim Integrationsamt gestellt hat und - bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Antragstellung - den Arbeitgeber innerhalb einer Regelfrist von einem Monat nach Zugang der Kündigung über seinen Antrag informiert hat.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger der Beklagten innerhalb dieser Frist nicht mitgeteilt, dass er am 02.11.2004 einen Verschlimmerungsantrag gestellt hatte. Jedoch hat er unstreitig mit Schreiben vom 13.01.2005, das der Beklagten noch am gleichen Tag per Telefax zuging, diese darüber unterrichtet, dass er bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit einen schwerbehinderten Menschen gestellt habe. Im Übrigen ist die Beklagte bereits vor der Kündigung von einem möglichen Sonderkündigungsschutz des Klägers ausgegangen, zumal sie bereits mit Schreiben vom 16.11.2004 (Bl. 70 d. A.) das zuständige Integrationsamt um Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses ersucht hatte.

Jedenfalls genügte der Kläger seinen Mitteilungspflichten durch die Bekanntgabe seines Gleichstellungsantrages in dem Telefaxschreiben vom 13.01.2005. Das im nachhinein - zumindest zum Zeitpunkt der vorliegenden Berufungsentscheidung - der Sonderkündigungsschutz nicht auf einer Gleichstellung des Klägers, sondern dem erfolgreichen Verschlimmerungsantrag vom 02.11.2004 beruht, ändert nichts daran, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten genügt hat. Denn es machte für die Beklagte keinen Unterschied, ob sie nun wegen eines Gleichstellungs- oder Verschlimmerungsantrages von der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen musste. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang in der Berufungsbegründung darauf verwiesen hat, dass einem schwerbehinderten Menschen Sonderurlaub von fünf Tagen zustehe, welcher ein gleichgestellter behinderter Mensch nicht in Anspruch nehmen könne, ändert dies nichts. Diese Unterscheidung ist nämlich im Zusammenhang mit dem hier fraglichen Zustimmungserfordernis ohne Bedeutung.

3.

Schließlich ist das Arbeitsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Sonderkündigungsschutz des Klägers auch nicht nach § 90 Abs. 2 a SGB IX ausgeschlossen ist. Nach dieser gesetzlichen Regelung finden die Vorschriften des Kapitels über den Sonderkündigungsschutz keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

Die Unanwendbarkeit der Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz folgt zunächst einmal nicht aus der zweiten Alternative des § 90 Abs. 2 a SGB IX, da die Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX bei dem Anerkennungsverfahren unstreitig nicht wegen fehlender Mitwirkung des Klägers vom Integrationsamt nicht eingehalten wurde.

Aber auch die erste Alternative ist bei zutreffender Auslegung der Gesamtvorschrift im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat ist die sprachliche Fassung der Vorschrift gänzlich missglückt, zumal die beiden gesetzlichen Alternativen, bei denen kein Sonderkündigungsschutz bestehen soll, sich gegenseitig - wenn dem Wortlaut gefolgt wird - ausschließen. Denn die zweite Alternative geht letztlich davon aus, dass zum Kündigungszeitpunkt eine Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht getroffen ist und die erste Alternative lässt den Sonderkündigungsschutz just in diesen Fällen, wenn dem Wortlaut gefolgt wird, entfallen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich aber, dass dies eigentlich vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Die Gesetzesbegründung (13. Ausschuss zu Art. 3 Nr. 21 a BT-Drucks. 15/2357, S. 24) lautet: "Die Ergänzung stellt sicher, dass der Arbeitgeber zur Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, wenn zum Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist, also entweder offenkundig ist, so dass es eines durch ein Feststellungsverfahren zu führenden Nachweis nicht bedarf oder der Nachweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht durch einen Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 1 erbracht ist; diesem Bescheid stehen Feststellungen nach § 69 Abs. 2 gleich. Der Kündigungsschutz gilt daneben nur in den Fällen, in denen ein Verfahren auf Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zwar anhängig ist, das Versorgungsamt aber ohne ein Verschulden des Antragstellers noch keine Feststellung treffen konnte. Die Regelung schließt damit aus, dass ein besonderer Kündigungsschutz auch für den Zeitraum gilt, in dem ein in der Regel aussichtsloses Anerkennungsverfahen betrieben wird. Im Übrigen wird mit der Neufassung grundsätzlich einem Anliegen aus der Sachverständigenanhörung und des Bundesrates Rechnung getragen."

Insbesondere die Formulierung in den Gesetzesgründen "der Kündigungsschutz gilt daneben ..." zeigt, dass der Gesetzgeber von der Überlegung ausging, dass Sonderkündigungsschutz bestehen - und nicht wie im Wortlaut des Gesetzes festgehalten, keine Anwendung finden - soll, wenn zum Kündigungszeitpunkt entweder die Schwerbehinderteneigenschaft nachgewiesen ist oder ein Anerkennungsantrag gestellt wurde und es nicht auf eine fehlende Mitwirkung des Arbeitnehmers zurückzuführen ist, falls das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX noch keine Feststellung getroffen hat. Angesichts des sich so darstellenden Gesetzeszweckes hält die erkennende Kammer auch nicht an der im Urteil vom 16.03.2005 (Az. 9 Sa 961/04) vertretenen, ausschließlich am Wortlaut orientierten Gesetzesauffassung fest.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision wurde im Hinblick auf die Auslegung des § 90 Abs. 2 a SGB IX gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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