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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 9 Sa 516/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO, StVG


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
ZPO §§ 512 ff.
StVG § 7 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 516/04

Entscheidung vom 27.10.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 17.03.2004, Az.: 9 Ca 2221/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Leistung von Schadensersatz.

Von der erneuten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 17.03.2004 (S. 3 bis 5 = Bl. 86 bis 88 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 824,83 EUR nebst 10% Zinsen seit dem 07.04.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat zu dem vorweg mitgeteilten Beweisthema (vgl. Bl. 62 d.A.) die Zeuginnen X, W und V sowie den Zeugen C. vernommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 17.03.2004 (Bl. 74 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat sodann mit Urteil vom 17.03.2004 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 641,46 EUR zu zahlen nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2003; die weitergehende Klage ist abgewiesen worden. Zur Begründung des klagezusprechenden Teiles der Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz in Höhe von 641,46 EUR zuzüglich Verzugszinsen zu, da die Beklagte am 07.02.2003 das Eigentum der Klägerin an dem Kraftfahrzeug der Marke VW Polo fahrlässig verletzt habe und daher zum Ersatz des Schadens, der sich entsprechend der berücksichtigungsfähigen Einzelposten aus dem Kostenvoranschlag der Firma U vom 28.02.2003 auf 641,46 EUR belaufe, verpflichtet sei.

Die Beklagte habe fahrlässig gehandelt, unabhängig davon, ob sie sich an der dem Schadensereignis vorausgegangenen Schneeballschlacht aktiv oder passiv beteiligt habe oder gar von einem Arbeitskollegen dabei geschubst worden sei. Sie hätte sich nämlich darauf einstellen müssen, dass es unter den gegebenen Verhältnissen - schneeglatter Untergrund - zu unkontrollierten Bewegungsabläufen kommen könne. Solche Bewegungsabläufe seien dann auch erfolgt, als die Beklagte stolpernd und strauchelnd gegen das Fahrzeug der Klägerin gefallen sei.

Ein Mitverschulden der Klägerin sei ausgeschlossen, da sie nach den glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen im Schritttempo und in einer Entfernung von cirka 1,50 Meter zum Bürgersteig gefahren sei.

Nachdem Aufprall der Beklagten habe, nach den glaubhaften Aussagen der Zeuginnen X, W und T, der Außenspiegel heruntergehangen und des Weiteren seien auf der rechten Fahrzeugseite, entsprechend den Aussagen der Zeuginnen X und T sowie des Zeugen S Schrammen im Lack festzustellen gewesen.

Aus dem Kostenvoranschlag der Firma U vom 28.02.2003 (Bl. 6 d.A.) ergebe sich, nach Abzug der Mehrwertsteuer und der Position "Verbringung", ein Schaden der Klägerin in Höhe von 641,46 EUR. Ein weiterer Abzug "neu für alt" sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gerechtfertigt gewesen, da der ersetzte Außenspiegel und die teilweise Neulackierung nicht zu einer Werterhöhung des Kraftfahrzeuges der Klägerin im Falle des Wiederverkaufes geführt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 5 ff. des Urteils des Arbeitsgerichts (= Bl. 88 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, welche ihr am 28.05.2004 zugestellt worden ist, am 28.06.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 27.07.2004 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend,

sie sei nicht zum Schadensersatz verpflichtet, da ein Schaden an dem Kraftfahrzeug der Klägerin nicht durch ein bewusstes Verhalten der Beklagten hervorgerufen worden sei. Sie sei unverschuldet in eine Schneeballschlacht verwickelt worden, wobei sie geschubst worden sei, so dass sie in Folge dessen gegen das fahrende Fahrzeug der Klägerin geraten sei. Im Übrigen unterliege die Klägerin einer Mithaftung, da sie nicht abgewartet habe, bis die Schneeballschlacht vorüber gewesen sei. Auch aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr sei eine Mithaftung abzuleiten. Ein Lackschaden sei durch den Sturz der Beklagten an dem Fahrzeug nicht hervorgerufen worden, vielmehr sei der Außenspiegel während der Weiterfahrt gegen das Fahrzeug geschlagen. Im Rahmen der Schadensberechnung, seien der Rechnungsbetrag für den Ab- und Einbau der Türinnenverkleidung in Höhe von 52,20 EUR sowie der Rechnungsbetrag für die Lackierungskosten in Höhe von 360,00 EUR bei weitem überzogen und vollkommen unangemessen. Darüber hinaus müsse auch eine Wertverbesserung Berücksichtigung finden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27.07.2004 (Bl. 138 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil vom 17.03.2004 des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - zugestellt am 28.05.2004, Az.: 9 Ca 2221/03, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin führt aus,

die Beklagte sei nicht "unverschuldet" in eine Schneeballschlacht verwickelt worden, sondern habe sich an dieser, wie sich aus den Zeugenaussagen ergebe, beteiligt. Dabei habe sie fahrlässig gehandelt, da sie sich unmittelbar neben einer Zu- und Ausfahrt vom Firmengelände der Firma R auf die Schneeballschlacht eingelassen habe. Ein Mitverschulden der Klägerin scheide aus, insbesondere eine Wartepflicht bis zum Ende der Schneeballschlacht würde eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen bedeuten. Die Verursachung der Schrammen im Lack durch den Sturz der Klägerin ergebe sich aus den Aussagen der Zeuginnen X und T sowie des Zeugen S. Die noch streitgegenständlichen Positionen aus dem Kostenvoranschlag der Firma U seien angemessen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26.08.2004 (Bl. 152 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 641,46 EUR nebst Verzugszinsen zugesprochen. Die Berufungskammer macht sich die rechtlich vollumfänglich zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichtes in seinen Entscheidungsgründen zu Eigen und sieht von einer nochmaligen Darstellung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

Die von der Beklagten gegen die erstinstanzliche Entscheidung in der Berufungsbegründung erhobenen Einwendungen sind nicht gerechtfertigt.

1.

Wenn die Beklagte in der Berufungsbegründung hervorhebt, der Schaden an dem Kraftfahrzeug der Klägerin beruhe nicht auf einem bewussten Verhalten der Beklagten, so ändert dies im konkreten Einzelfall nichts an dem Vorliegen einer fahrlässigen Eigentumsverletzung.

Zwar muss die Rechtsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf einem beherrschbaren menschlichen Verhalten beruhen; ausreichend ist aber auch, dass sich jemand schuldhaft in eine unbeherrschbare Lage manövriert (vgl. Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 823 Rdnr. 298).

Diese Situation war hier gegeben, da die Klägerin fahrlässiger Weise an einer Schneeballschlacht teilgenommen hat, die auf schneeglattem Untergrund und in unmittelbarer Nähe von einer mit Kraftfahrzeugen befahrenen Straße erfolgte. Dabei musste sie damit rechnen, dass sie - unabhängig davon, ob der Schubser eines Arbeitskollegen hinzukam - dass Gleichgewicht verlieren und in den Straßenbereich stürzen konnte.

Soweit die Beklagte weiter argumentiert, sie sei in die Schneeballschlacht "verwickelt" worden, ist es unerheblich, ob sie oder ein anderer diese Schneeballschlacht initiiert hat. Jedenfalls hat sie sich nach der detailreichen und daher glaubhaften Aussage der erstinstanzlich vernommenen Zeugin X an der Schneeballschlacht beteiligt und damit die Gefahrensituation mit hervorgerufen.

2.

Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft die Klägerin weder ein Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB noch ein Mithaftungsanteil aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr.

Im Rahmen der Prüfung des § 254 Abs. 1 BGB ist neben den vom Arbeitsgericht bereits getroffenen Feststellungen weiter auszuführen, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, anzuhalten und abzuwarten bis die Schneeballschlacht vorüber ist. Die dahingehende Argumentation der Beklagten verkennt die Funktion einer dem Straßenverkehr gewidmeten Fläche; es handelt sich hierbei nicht um einen Spielplatz, auf dem Kraftfahrzeugführer warten müssen, bis erwachsene Personen ein Spiel am Straßenrand beendet haben.

Der Gesichtspunkt der Betriebsgefahr greift schon deshalb nicht, weil es sich bei dem Sturz der Klägerin weit in die Fahrbahn hinein um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz für die langsam in der Fahrbahnmitte fahrende Klägerin handelte.

3.

Auch die Berufungsangriffe gegen den vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellten Schaden gehen fehl.

a) Ein Schaden in Höhe von 641,46 EUR stellt bei einem Kraftfahrzeug der Marke VW Polo, auch wenn es bereits 14 Jahre alt ist, keinen Totalschaden dar. Die dahingehende Behauptung der Beklagten wird nicht durch konkreten Vortrag zum wirtschaftlichen Wert des Fahrzeuges der Klägerin gestützt.

b) Dass der abgebrochene Spiegel und die Lackkratzer auf der rechten Fahrzeugseite auf den Aufprall der Beklagten zurückzuführen sind, folgt aus den ins Einzelne gehenden und damit glaubhaften Bekundungen der Zeugin X ("Ich konnte auch kurze Zeit später, als die Klägerin sich noch mit ihrem Fahrzeug auf dem Firmengelände befand, feststellen, dass auch einige Schrammen im Lack waren.") und der Zeugin T ("Ich konnte dann sehen, dass das Auto der Klägerin beschädigt war. Der Spiegel war abgerissen und das Fahrzeug hatte auch Lackkratzer".).

c) Wenn die Beklagte meint, die Kosten für den An- und Abbau der Türinnenverkleidung (52,20 EUR) sowie für die Lackierung (360,00 EUR) seien unangemessen und überzogen, handelt es sich um eine pauschale Behauptung mit welcher zwei Positionen aus dem Kostenvoranschlag der Firma U in nicht erheblicher Weise bestritten werden. Die Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens war daher nicht geboten. Dies gilt um so mehr, als der Ansatz von Arbeitsvergütung, die ein Unternehmer gegenüber einem Kunden in Rechnung stellt, in Höhe von nicht mal einer Gesellenstunde für den An- und Abbau der Türinnenverkleidung sowie der Ansatz von 360,00 EUR für die Neulackierung einer Seitentür - Lackkratzer von 20 cm Länge (vgl. die detailreiche und glaubhafte Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen S) können nur so fachmännisch beseitigt werden - der Berufungskammer keineswegs überhöht erscheinen.

d) Eine Wertverbesserung wäre an dem Fahrzeug der Klägerin nach Durchführung der Reparaturarbeiten, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, nicht eingetreten.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlt es unter Berücksichtigung von § 72 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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