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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 9 Sa 626/04
Rechtsgebiete: ArbGG, GmbHG, BGB, SGB IX, KSchG, ZPO
Vorschriften:
ArbGG §§ 64 ff. | |
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
GmbHG § 35 | |
BGB § 174 | |
BGB § 622 Abs. 2 Nr. 1 | |
SGB IX § 2 Abs. 2 | |
SGB IX § 85 | |
KSchG § 1 | |
KSchG § 1 Abs. 1 | |
KSchG § 1 Abs. 2 | |
ZPO §§ 512 ff. |
Aktenzeichen: 9 Sa 626/04
Entscheidung vom 01.12.2004
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.05.2004, Az.: 4 Ca 4704/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf Seite 2 bis 4 des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.05.2004 (= Bl. 58 - 60 d. A.) Bezug genommen. Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Kläger seit dem 01.03.2003 Altersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die unwirksame Kündigung der Beklagten vom 03.11.2003 nicht beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den 31.12.2003 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 26.05.2004 (Bl. 57 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, die Kündigungserklärung vom 03.11.2003 sei nicht, mangels Vollmacht der das Kündigungsschreiben unterzeichnenden Personen, formunwirksam, da auch Frau X das Kündigungsschreiben unterzeichnet habe und als Geschäftsführerin die Beklagte gemäß § 35 GmbHG nach außen vertrete. Die Genehmigung der Kündigungserklärung durch den zweiten Geschäftsführer ergebe sich aus der prozessualen Weiterverfolgung des mit der Kündigung verfolgten Zweckes. § 174 BGB sei im gegebenen Fall, also bei Vorliegen einer gesetzlichen Vertretungsmacht, nicht anwendbar.
Die von der Beklagten erklärte fristgemäße Kündigung sei auch nicht nach § 85 SGB IX rechtsunwirksam, da die notwendige Zustimmung des Integrationsamtes zu der beabsichtigten Kündigung mit Bescheid vom 28.10.2003 erteilt worden sei.
Schließlich sei die Kündigung auch nicht nach § 1 KSchG rechtsunwirksam, da sie aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Recht auf die langandauernde Erkrankung des Klägers und die hieraus resultierende negative Prognose für die Zukunft gestützt. Der Kläger sei nämlich unstreitig seit Juli 2001 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und nach dem vorliegenden ärztlichen Wiedereingliederungsplan sei seine Wiedergesundung nicht absehbar gewesen. Auch habe er gegenüber dem Integrationsamt im Rahmen des Zustimmungsverfahrens erklärt, er sei zur Vermeidung von Rückfällen noch nicht einmal in der Lage, teilschichtig seine Arbeitsleistung zu erbringen. Aufgrund dieser Gesamtumstände hätte er im vorliegenden Rechtsstreit konkret darlegen müssen, woraus sich eine Änderung seiner gesundheitlichen Konstitution und eine Wiedergesundung ergeben solle. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen gewesen, dass das Arbeitsverhältnis, angesichts der beim Kläger bestehenden Unmöglichkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung, inhaltsleer geworden sei. Zudem sei er durch die ihm gewährte Altersrente vollständig sozial abgesichert, so dass der Beklagten die Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zumutbar gewesen sei.
Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 14.07.2004 zugestellt worden ist, hat hiergegen am 02.08.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 23.08.2004 sein Rechtsmittel begründet.
Der Kläger macht geltend,
er bestreite die Alleinvertretungsberechtigung der die Kündigungserklärung unterzeichnenden Geschäftsführerin X. Deren Kündigungsbefugnis bleibe nach wie vor auch im Hinblick auf § 174 BGB bestritten. Eine Genehmigung der formunwirksamen Kündigung durch den Mitgeschäftsführer W sei von der Beklagten weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Der Kläger habe die streitgegenständliche Kündigung bereits mit Telefaxschreiben vom 13.11.2003 gegenüber der Beklagten zurückverweisen lassen und die Rüge nach § 174 BGB erhoben.
Desweiteren habe eine rechtskräftige Zustimmung des Integrationsamtes zu der ordentlichen Kündigung im Kündigungszeitpunkt nicht vorgelegen.
Desweiteren werde die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist gerügt, zumal die Kündigung erst am 04.11.2003 zugegangen sei, so dass eine zweimonatige Kündigungsfrist einzuhalten gewesen sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes führe eine länger andauernde Erkrankung nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen, wenn - wie hier - eine günstige Gesundheitsprognose vorgelegen habe. Am 17.12.2002 sei der Kläger wieder voll arbeitsfähig gewesen und habe sich in der Lage gefühlt, die ihm arbeitsvertraglich zugewiesenen Tätigkeiten auszuführen. Obwohl er damals seine Arbeitskraft der Beklagten angeboten habe, habe diese ihn bis zum 06.01.2003 in Urlaub geschickt. Danach, also am 07.01.2003 habe er der Beklagten mitgeteilt, dass er keinesfalls nur einen Arbeitsversuch auf der Grundlage des nicht mehr geltenden Wiedereingliederungsplanes vollziehen wolle, sondern - nach Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt - die volle Arbeitsfähigkeit gegeben sei. Die Wiederherstellung seiner vollen Arbeitskraft sei zum Kündigungszeitpunkt absehbar gewesen. Die Anforderungen an die Darlegungs- und Substantiierungslast, welcher das Arbeitsgericht an den Vortrag des Klägers gestellt habe, seien ganz erheblich überspannt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.07.2004 (Bl. 82 ff. d. A.) und 23.09.2004 (Bl. 100 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.05.2004 - 4 Ca 4704/03 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die unwirksame Kündigung der Beklagten vom 03.11.2003 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus,
wie sich aus dem mit der Berufungserwiderung vorgelegten Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Montabaur (Bl. 98 d. A.) ergebe, sei die das Kündigungsschreiben unterzeichnende Geschäftsführerin der Beklagten alleinvertretungsberechtigt gewesen. § 174 BGB sei auf gesetzliche Vertreter nicht anzuwenden. Die Zustimmung des Integrationsamtes zu der ordentlichen Kündigung sei mit Bescheid vom 28.10.2003 erteilt worden.
Die vorliegende Kündigung sei unter anderem aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt, da der Kläger unstreitig seit Juli 2001 durchgängig erkrankt gewesen sei. Nach dem durch den Kläger vorgelegten Wiedereingliederungsplan sei die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht absehbar gewesen. Dies habe unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auf Seiten der Beklagten zu einer erheblichen und unzumutbaren Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen geführt. Die gesetzliche Kündigungsfrist belaufe sich auf einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, da das Arbeitsverhältnis im Kündigungszeitpunkt noch keine fünf Jahre bestanden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16.09.2004 (Bl. 92 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die ordentliche Kündigung vom 03.11.2003 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 03.11.2003 rechtswirksam beendet.
1.
Die vorliegende schriftliche Kündigungserklärung ist nicht wegen fehlender Vollmacht der unterzeichnenden Geschäftsführerin X, unwirksam. Denn Frau X war zum Kündigungszeitpunkt - wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Handelsregisterauszug des Amtsgerichtes Montabaur ergibt - einzelvertretungsberechtigte Mitgeschäftsführerin. Auf das Handeln eines gesetzlichen Vertreters ist § 174 BGB unanwendbar (vgl. RGZE 74, 265).
2.
Die ordentliche Kündigung bedurfte nach § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, da der Kläger mit einem Grad der Behinderung von 80 ein schwerbehinderter Mensch im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX ist. Die Zustimmung des Integrationsamtes wurde mit Bescheid vom 28.10.2003 erteilt (Bl. 42 ff. d. A.), welcher der Beklagten am 30.10.2003 vorlag. Das Bestreiten der Zustimmung des Integrationsamtes durch den Kläger ist daher in keiner Weise nachvollziehbar.
3.
Die ordentliche Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam, da sie aus personenbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Personenbedingt ist auch eine krankheitsbedingte Kündigung, wenn aufgrund objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer langanhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit zu rechnen ist (negative Gesundheitsprognose); wenn die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führt und wenn sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt. Ist der Arbeitnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig krank und ist im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss, so kann diese Ungewissheit wie eine feststehende dauernde Arbeitsunfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen (BAG, Urteil vom 21.05.1992 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 38). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingt dauernden Leistungsunfähigkeit aber nur dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 29.04.1999 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass alle Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung wegen langandauernder Erkrankung erfüllt sind.
a)
Die Gesundheitsprognose für den Kläger war zum Kündigungszeitpunkt negativ, da eine langandauernde Erkrankung des Klägers, nämlich seit Juli 2001 vorausgegangen und mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit zu rechnen war. Letzteres ergibt sich daraus, dass für den Kläger am 16.12.2002 von Dr. med. V ein Wiedereingliederungsplan (Bl. 41 d. A.) erstellt wurde, in welchem der Arzt angegeben hat, der Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit des Klägers sei zur Zeit nicht absehbar. Hinzu kommt, dass der Kläger durch seinen Bevollmächtigten gegenüber dem Integrationsamt erklären ließ, er stehe - auch nicht zuletzt zur Erhaltung seiner Gesundheit - selbst für eine stundenweise Beschäftigung bei der Beklagten nicht mehr zur Verfügung. Er wolle seine Gesundheit nicht gefährden und keinesfalls riskieren, einen Rückfall zu erleiden (vgl. Seite 4 des Bescheides des Integrationsamtes vom 28.10.2003 = Bl. 45 d. A.). Mithin ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung, welcher der Bescheid des Integrationsamtes unmittelbar vorausging, die Feststellung von Dr. V aus dem Wiedereingliederungsplan auch aus Sicht des Klägers noch gegolten hat.
Angesichts dieser Gesamtumstände hätte der Kläger substantiiert ausführen müssen, weshalb trotzdem zum Kündigungszeitpunkt nicht mit weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten in Zukunft zu rechnen gewesen sei; hierzu hat er aber keinerlei konkrete Angaben gemacht. Die entsprechenden Vortragsanforderungen sind, angesichts der dargelegten Umstände, auch keineswegs als überzogen zu bezeichnen, sondern resultieren aus einer stufenweisen Verteilung der Darlegungslast.
b)
Eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten musste von dieser nicht im Einzelnen dargelegt werden, da sich aus dem Wiedereingliederungsplan in Verbindung mit den Angaben des Klägers gegenüber dem Integrationsamt ergibt, dass im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss war. Es sind keinerlei Anzeichen dafür erkennbar, dass innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nach der Kündigung die Gesundheitsprognose für den Kläger hätte positiv werden können. Hiermit war, angesichts der Gesamtumstände, jedenfalls nicht zu rechnen.
c)
Die Interessenabwägung, welche im Rahmen des § 1 KSchG anzustellen ist, ging zu Lasten des Klägers. Dabei war allerdings nicht zu verkennen, dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch besonders schutzwürdig ist und die langandauernde Erkrankung nicht mit einem schuldhaften Verhalten des Klägers zusammenhängt. Da aber zum Kündigungszeitpunkt der Wiedereintritt seiner Arbeitsfähigkeit nicht abzusehen war, entbehrte das Beschäftigungsverhältnis - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - seines eigentlichen Inhaltes. Nimmt man hinzu, dass der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung durch die ihm seit dem 01.03.2003 gewährte Altersrente sozial abgesichert war, musste von einem Überwiegen des Beendigungsinteresses der Beklagten ausgegangen werden.
4.
Die Beklagte hat die gesetzliche Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB (ein Monat zum Ende eines Kalendermonats) eingehalten. Die vom Kläger geltend gemachte zweimonatige Kündigungsfrist war nicht einschlägig, da das Arbeitsverhältnis noch keine fünf Jahre (vgl. § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB) bestanden hatte. Das Beschäftigungsverhältnis wurde nämlich am 16.11.1998 begründet und die Kündigung der Beklagten ging dem Kläger bereits am 04.11.2003, also vor Ablauf von fünf Jahren, zu.
Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.
Ende der Entscheidung
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