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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 662/07
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 12.09.2007, Az.: 7 Ca 879/07, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 25.04.2007 zum 31.12.2007. Der 47 Jahre alte, drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete und in Scheidung lebende Kläger ist seit dem 01.09.1975 bei der Beklagten zuletzt als technischer Angestellter/Meister beschäftigt. Seine Bruttomonatsarbeitsvergütung beläuft sich auf 4.150,-- EUR. Er war ca. acht bis zehn Mitabeitern gegenüber weisungsbefugt. Die Beklagte beschäftigt weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer. Zusammen mit drei weiteren Kollegen, die ebenfalls Meister sind, führt der Kläger eine Kaffeekasse, in die die daran Beteiligten regelmäßig einen Betrag einzahlen. Diese Kasse wird in einer alten Blechdose aufbewahrt. Die Kaffeekasse wird von Herrn M. als Kassenwart verwaltet. Dieser verwahrt die Dose in einem Rollcontainer, wobei dieser Verwahrungsort nur dem Kläger und Herrn M. bekannt ist. Den Schlüssel des Rollcontainers bewahrt Herr M. in seiner verschlossenen Schreibtischschublade auf. Der Schreibtisch des Klägers befindet sich im gleichen Büro wie der Schreibtisch des Herrn M..

Am 04.04.2007 hatte der Kläger bis 17.30 Uhr noch allein Dienst. Er entnahm aus der Kaffeekasse 600,-- EUR; einen Restbetrag von 200,-- EUR beließ er in der Kasse. Den Container hatte er mit dem Schlüssel von Herrn M. geöffnet, den er unter zwischen den Parteien streitigen Umständen aus der Schreibtischschublade des Herrn M. genommen hatte. Der Kläger informierte erst an seinem nächsten Arbeitstag, dem 10.04.2007, zu Beginn der Arbeitszeit Herrn M. darüber, dass er aus der Kaffeekasse 600,-- EUR entnommen hatte. Am 13.04.2007 erstattete er einen Betrag in Höhe von 300,-- EUR. Herr M. hatte bereits am 05.04.2007 das Fehlen des Geldbetrages bemerkt und den betriebsinternen Ermittlungsdienst der Beklagten informiert. Der Kläger wurde vom Ermittlungsdienst der Beklagten aufgesucht und um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Es wurde ein Ermittlungsbericht des Werkschutzes mit Datum vom 11.04.2007 erstellt.

Die Beklagte hörte in der Folge den bei ihr gewählten Betriebsrat mit Anhörungsschreiben vom 20.04.2007, auf das Bezug genommen wird (Bl. 49 ff. d. A.), zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung zum 31.12.2007 an. Mit Schreiben vom 23.04.2007 (Bl. 47 f. d. A.) erhob der Betriebsrat gegen die beabsichtigten Kündigungen Bedenken, die er im Wesentlichen mit den sozialen Umständen des Klägers begründete. U. a. verwies der Betriebsrat darauf, dass der Kläger seit längerer Zeit massive finanzielle Probleme habe und mittlerweile Privatinsolvenz angemeldet habe. Er sei seit dem 11.04.2007 von seiner Frau aus der gemeinsamen Wohnung ausgesperrt worden. Am Tag der Geldentnahme habe er keine Lebensmittel mehr gehabt, der Tank seines Wagens sei leer und eine Stromrechnung überfällig gewesen. Es handele sich um eine Verzweiflungstat. Der Kläger habe beschlossen, sich das Geld zu borgen.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 23.04.2007, dem Kläger zugegangen am 25.04.2007, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2007.

Mit seiner am 04.05.2007 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung und begehrte gleichzeitig die Weiterbeschäftigung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG im Übrigen Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 12.09.2007, Az: 7 Ca 879/07.

Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 23.04.2007 zum 31.12.2007 nicht aufgelöst werden wird. Zugleich hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger gemäß seiner bisherigen Tätigkeit als technischer Angestellter/Meister bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag weiter zu beschäftigen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen und zusammen gefasst ausgeführt: Die Kündigung sei als verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 1, 2 Satz 1 KSchG sozial nicht gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den aus der Kaffeekasse entnommenen Geldbetrag unterschlagen bzw. sich endgültig habe zueignen wollen. Die Beklagte habe den Einwand des Klägers nicht zu widerlegen vermocht, dass dieser beabsichtigt habe, das Geld zurückzuzahlen. Der Kläger habe keinen Versuch unternommen, darüber zu täuschen, dass er das Geld entnommen habe. Da allein er und Herr M. von dem Aufbewahrungsort der Kaffeekasse und des Schlüssels für den Rollcontainer gewusst hätten, habe ein Verdacht unmittelbar auf den Kläger fallen müssen. Auch durch das Belassen eines Restbetrages von 200,-- EUR habe der Kläger den Verdacht unmittelbar auf sich gelenkt. Das Zurücklassen eines Teilbetrages stütze auch das Vorbringen des Klägers, dass er sich in einer aktuellen Geldnot befunden habe und das Geld - unabhängig davon, ob dieses Vorhaben realistisch war - habe zurückzahlen wollen. Für den Rückzahlungswillen spreche auch, die Information des Herrn M. am 10.04.2007. Zutreffend sei allerdings, dass der Kläger nichts unternommen habe, was die Entnahme des Geldes eindeutig ihm zugeordnet hätte. Der Kläger habe auch nichts unternommen, um seine Entdeckung zu verhindern. Der Vorwurf, der Kläger habe den Geldbetrag unterschlagen bzw. auf Dauer behalten wollen, ließe sich damit nicht aufrecht erhalten. Dem Kläger sei allerdings der Vorwurf zu machen, dass er sich bei der Entnahme des Geldbetrages nicht an seine Verpflichtungen gegenüber der kassenführenden Gemeinschaft gehalten und jedenfalls eine Vermögensgefährdung herbeigeführt habe. Hierdurch sei es auch zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen. Dieser Vorwurf reiche allerdings in Abwägung der Interessen der Parteien nicht aus, um die Kündigung zu rechtfertigen. Zugunsten des Klägers seien dessen fortgeschrittenes Lebensalter, die erhebliche Beschäftigungsdauer und die Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeute nicht nur für ihn, sondern auch für die Unterhaltsberechtigten eine dramatische Beeinträchtigung der sozialen Situation. Ebenso sei zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er sich zur Zeit wegen eines laufenden Ehescheidungsverfahrens in einer sehr nervenaufreibenden familiären Auseinandersetzung befände. Auf Seiten der Beklagten seien der eingetretene Vertrauensverlust, die erhebliche Störung des Betriebsfriedens und das daraus resultierende Sanktionsinteresse zu gewichten. Zu ihren Gunsten sei auch zu berücksichtigen, dass sie vom Ausspruch einer fristlosen Kündigung abgesehen habe. Insgesamt habe sich der Kläger aber in einer wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Ausnahmesituation nicht korrekt verhalten. Ein gesteigerter Unwertgehalt könne diesem Verhalten nicht unterlegt werden. Der Kläger bedaure den Vorfall, von einer Wiederholungsgefahr könne nicht ausgegangen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils verwiesen (Bl. 108 ff. d. A.).

Gegen dieses ihr am 24.09.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 19.10.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 20.11.2007 (Schriftsatz vom 19.11.2007, Bl. 139 ff. d. A.) im Wesentlichen und zusammengefasst wie folgt begründet, wobei wegen der Einzelheiten auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen wird:

Das Arbeitsverhältnis sei auch vor dem streitgegenständlichen Vorfall nicht immer beanstandungsfrei verlaufen. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger in einem Gespräch am 02.12.2002 ermahnt worden sei, getroffene Absprachen über Arbeitszeiten auch einzuhalten, mit Mitteilung vom 13.11.2006 darauf hingewiesen wurde, dass sein Gleitzeitsaldo mehr als 75 Negativstunden aufweise und ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 03.04.2007 eine Beanstandung festgehalten wurde, der zufolge der Kläger häufig ohne Voranmeldung während der Kernarbeitszeit abwesend sei. Ohne dass nähere Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung des Klägers vorgetragen werden könnten, sei es gleichwohl auffällig, dass während mehrerer Diebstähle im Arbeitsumfeld des Klägers dieser der einzige Mitarbeiter gewesen sei, der während sämtlicher fraglicher Tage oder Zeiträume anwesend gewesen sei. Soweit der Kläger darauf verwiesen habe, er habe von Anfang an das Geld mit der mit der Maiabrechnung zu erwartenden persönlichen Erfolgsbeteiligung zurückzahlen wollen, habe er redlicherweise aufgrund bestehender Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse keine Zahlung an sich erwarten dürfen. Eine vollständige Rückzahlung des entnommenen Betrages sei bislang nicht erfolgt; die geschädigten Kollegen hätten auch auf absehbare Zeit keine berechtigte Erwartung, das Geld zu erhalten. Einen von ihm zur Begründung seiner finanziellen Notlage u. a. angeführter Vollstreckungsbescheid der Stadtwerke, habe er nicht vorgelegt. Soweit der Kläger behauptet habe, Herr M. habe ihm erklärt, wenn er gewusst hätte, dass der Kläger das Geld genommen habe, hätte er von einer weiteren Ermittlung Abstand genommen, stehe dem entgegen, dass Herr M. den Kläger schon am 05.04.2007 gegenüber dem Ermittlungsdienst wegen der bestehenden finanziellen Probleme als potenziellen Tatverdächtigten bezeichnet habe.

Das Arbeitsgericht sei bei seiner Entscheidung von überhöhten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers ausgegangen und habe eine einseitig an den Interessen des Klägers ausgerichtete und teilweise rechtlich unzutreffende Interessenabwägung vorgenommen. Die Absicht des Klägers, sich das entnommene Geld rechtswidrig zuzueignen, ergebe sich aus den objektiven Begleitumständen seines Vorgehens, so der nicht unverzüglichen Information des Herrn M., das Abwarten mit der Entnahme bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem seine Kollegen das Gebäude verlassen hatten, das Nichteinlegen eines Zettels in die Blechdose und den unterbliebenen Versuch, Herrn M. telefonisch von der Geldentnahme in Kenntnis zu setzen. Auch der Umstand, dass der Kläger am 10.04.2007 Herrn M. von der Geldentnahme informierte, entlaste den Kläger nicht, da er im Verlauf der Ostertage habe erkennen müssen, dass die Geldentnahme nicht über längere Zeit unentdeckt bleiben könne und ein Verdacht auf ihn fallen werde. Ein vom Arbeitsgericht zugrunde gelegter Erfahrungssatz, dass nur derjenige mit Zueignungsabsicht handele, der sein Diebstahlsopfer über seine Täterschaft täusche, existiere nicht. Auch scheitere eine Zueignungsabsicht nicht daran, dass ein Täter nicht die ganze Beute einsteckt, sondern Teile zurücklasse. Ebenso sei es nicht überzeugend, dass eine Zueignungsabsicht nach Ansicht des Arbeitsgerichts deshalb ausscheide, weil der Kläger nichts unternommen habe, die Entdeckung seiner Tat zu verhindern. Außer einer kurzfristigen unbemerkten Zurückführung des Geldes habe der Kläger tatsächlich keine Möglichkeit gehabt, eine Entdeckung durch Herrn M. zu verhindern.

Das Arbeitsgericht habe im Rahmen der Interessenabwägung Umstände zugunsten des Klägers berücksichtigt, die nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Die Interessenabwägung sei auch im Übrigen fehlerhaft. Die bestehenden Unterhaltspflichten seien mangels konkreten Bezugs zum Kündigungsgrund nicht zu berücksichtigen, da der Kläger den Betrag nicht zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichten, sondern zu Konsumzwecken entwendet habe. Zu Ihren Lasten dürfe auch nicht gewertet werden, dass sie von einer außerordentlichen Kündigung Abstand genommen habe. Aufgrund früherer Diebstähle im Einsatzbereich des Klägers hätten die Arbeitnehmer einen Anspruch auf wirksame Schutzmaßnahmen. Die Kollegen hätten ihm den Diebstahl auch nicht verziehen. Insgesamt überwiege danach das Beendigungsinteresse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 12.09.2007, Az: 7 Ca 879/07, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 18.12.2007, auf den Bezug genommen wird (Bl. 178 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend.

Soweit die Beklagte Tatsachen behaupte, die auf einen nicht störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses schließen lassen sollen, seien die Vorwürfe der Jahre 2002 und 2003 ohne relevanten Bezug auf den hier streitgegenständlichen Vorfall. Gravierende Störungen des Arbeitsverhältnisses während der mehr als 30 Jahre währenden Betriebszugehörigkeit habe es nicht gegeben. Der Vorwurf der Abwesenheit während der Kernarbeitszeit gemäß Gesprächsnotiz vom 03.04.2007 sei im Übrigen im Licht der privat außerordentlich schwierigen Situation zu sehen. Irrelevant sei auch der Hinweis der Beklagten auf weitere Diebstähle im Arbeitsbereich des Klägers. Unzutreffend sei, dass der Kläger der einzig Anwesende im Betrieb der Beklagten gewesen sei. Ihm habe auch fällig im Mai bzw. Juni eine Zahlung aus der persönlichen Erfolgsbeteiligung zugestanden, so dass damit der Restbetrag hätte zurückgeführt werden können. Zutreffend habe das Arbeitsgericht auch eine Zueignungsabsicht verneint. Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts sei nicht zu beanstanden.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg. Ihre Berufung ist zulässig und begründet.

I. Die Berufung der Beklagte ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt. Auch aus sonstigen Gründen ist die Kündigung nicht rechtsunwirksam. Deshalb besteht auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

1. Es ist anerkannt, dass schon die Entwendung geringfügiger Gegenstände eine (auch fristlose) Kündigung an sich rechtfertigen kann. Dies ist für die Entwendung von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sachen anerkannt (vgl. etwa BAG 12.08.1999 - 2 AZR 923/98 -, EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Ebenso ist anerkannt, dass derartige Handlungen in der Regel eine (außerordentliche (Kündigung) auch ohne Abmahnung rechtfertigen (vgl. etwa KR-Kündigungsschutzgesetz/Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB, Rz. 445). Aber auch die Entwendung von im Eigentum von Arbeitskollegen stehenden Sachen stellt sich als erhebliche Pflichtverletzung dar, für die entsprechende rechtliche Grundsätze gelten (vgl. etwa LAG Köln 12.03.2002 - 1 Sa 1354/01 -, LAGE § 626 BGB Nr. 140). Zum einen hat der Arbeitgeber nämlich aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht andere Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sich Arbeitskollegen an den von ihnen eingebrachten Sachen in rechtswidriger Weise vergreifen (LAG Köln, a. a. O.). Zum anderen liegt in einem derartigen Verhalten regelmäßig auch eine erhebliche Störung der des betrieblichen Friedens, so dass dann, wenn durch eine strafbare Handlung Rechte oder Rechtsgüter anderer Arbeitnehmer verletzt oder konkret beeinträchtigt werden, eine außerordentliche Kündigung, in minder schweren Fällen eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann (vgl. KR-Kündigungsschutzgesetz/Griebeling, § 1 KSchG, Rz. 502 ff., m. w. N.).

2. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts geht die Berufungskammer unter Berücksichtigung des unstreitigen Geschehens davon aus, dass der Kläger sich in einer derartigen Weise verhalten hat, auch wenn es für die Beurteilung, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, nicht darauf ankommt, ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten strafbar gemacht hat (vgl. etwa BAG 29.01.1997, 2 AZR 292/96, EzA § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 27). Soweit das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, eine Zueignungsabsicht des Klägers lasse sich nicht feststellen, teilt die Berufungskammer diese Auffassung nicht. Das in der Kasse befindliche Geld stand nicht im alleinigen Eigentum des Klägers, sondern war vielmehr entsprechend der Zwecksetzung der Kaffeekasse zum gemeinschaftlichen Verbrauch aller an der Kasse beteiligten Arbeitnehmer vorgesehen; allenfalls wurde das dort befindliche Geld auch dazu verwendet, in Absprache mit dem Verwalter der Kasse, Herrn M. kleinere Beträge auszuleihen. Abgesehen davon, dass es sich bei dem entnommenen Betrag nicht um einen kleineren Bagatellbetrag handelte, fehlte unstreitig eine entsprechende Absprache mit dem Verwalter der Kasse oder auch nur dessen vorherige Information. Nach eigenem Sachvortrag des Klägers wäre eine (vollständige) Rückführung des entnommenen Betrages frühestens im Mai bzw. Juni möglich gewesen, da unabhängig von der Frage, ob der Kläger berechtigterweise eine Zahlung aus einer persönlichen Erfolgsbeteiligung erwarten konnte, diese jedenfalls nicht vor dem genannten Zeitpunkt zu erwarten war. Der Kläger ist damit selbst nicht von der Möglichkeit einer unverzüglichen, zeitnahen Rückführung des entnommenen Betrages ausgegangen. Der Kläger hat auch beabsichtigt, den entnommenen Betrag für eigene Zwecke zu verwenden. Der Kläger konnte ferner nicht von einem Einverständnis der weiteren, an der Kasse beteiligten Arbeitnehmer ausgehen und tat dies offensichtlich auch nicht. Zum einen spricht hiergegen die Tatsache, dass der Kläger das Geld gerade heimlich und ohne vorherige Information der an der Kasse ebenfalls beteiligten Arbeitnehmer entnommen hat und auch, dass Herr M. unter Nennung des Klägers als potenziellen Tatverdächtigten den Ermittlungsdienst über das Fehlen des Geldes unterrichtete. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Kläger am fraglichen Tag seine prekäre finanzielle Situation und die von ihm behauptete Notlage erst zu einem Zeitpunkt bewusst geworden sind, zu welchem die übrigen an der Kasse beteiligten Arbeitnehmer insbesondere auch Herr M. nicht mehr im Betrieb anwesend waren. Dies spricht dafür, dass dem Kläger bewusst war, dass er nicht mit einer Billigung seines Verhaltens bzw. mit einem stillschweigenden Einverständnis seiner Arbeitskollegen rechnen konnte und gerechnet hat und sich deshalb auch der Rechtswidrigkeit der Entnahme des Geldes bewusst war.

3. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Zwar ist eine Abmahnung bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht rechtswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (BAG 02.03.2006 - 2 AZR 53/05, EzA § 626 BGB 2002, Nr. 16). Vorliegend handelt es sich zwar um ein steuerbares Verhalten des Klägers. Die von ihm begangene Pflichtverletzung wiegt aber schwer. Wie ausgeführt, belegen die Umstände der Entwendung des Geldbetrages auch, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewusst war. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte dies, unmittelbar auch den Vertrauensbereich berührende Verhalten des Klägers tolerieren würde. Eine Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens ist nicht mehr zu erwarten. Hierin liegt zugleich eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses.

4. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Klägers aus. Zugunsten des Klägers spricht seine sehr lange Betriebszugehörigkeit seit dem 01.09.1975. Ebenso berücksichtigt die Berufungskammer zu seinen Gunsten sein Lebensalter von 47 Jahren im Hinblick auf die damit verbundenen geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ebenso hat die Berufungskammer die Unterhaltspflichten des Klägers berücksichtigt. Diese beeinflussen das Gewicht des Interesse des Klägers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und waren deshalb einzubeziehen. Selbst im Falle einer außerordentlichen Kündigung wegen eines vorsätzlichen Vermögensdeliktes ist eine Berücksichtigung von Unterhaltspflichten nicht generell ausgeschlossen (BAG 27.02.1997, 2 AZR 302/96, EzA § 1 Kündigungsschutzgesetz Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51). Allerdings ist insoweit auch in Rechnung zu stellen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass gerade die durch Unterhaltspflichten bedingte wirtschaftliche Notlage das Motiv für das Verhalten des Klägers gewesen ist (vgl. zum Zusammenhang zwischen Unterhaltspflichten und Pflichtverletzung: KR-Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB, Rz. 241; BAG 02.03.1989 - 2 AZR 280/88 -, EzA § 626 BGB n. F. Nr. 118). Schließlich hat die Kammer zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er sich ausgehend von seinem Sachvortrag in einer sehr angespannten wirtschaftlichen und persönlichen Situation befunden hat. Schließlich unterstellte die Kammer zugunsten des Klägers, dass dieser beabsichtigte, das Geld - wenn auch realistischerweise nicht zeitnah - erstatten wollte.

Diesen zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Gesichtspunkten stehen aber mit überwiegendem Gewicht erhebliche Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber: Zum einen wiegt das Fehlverhalten des Klägers schwer. Dieser hat vorsätzlich gehandelt. Der Kläger hat eine Situation abgewartet, in der eine sofortige Entdeckung oder Verhinderung der Tat ausgeschlossen war. Er hat nicht nur das in ihn gesetzte Vertrauen der Arbeitgeberin, sondern auch dass seiner Kollegen enttäuscht. Bei dem von ihm entnommenen Betrag handelt es sich auch nicht um einen reinen Bagatellbetrag. Ferner ist auch ein berechtigtes Interesse der Beklagten anzuerkennen, im Interesse der Wahrung des betrieblichen Friedens innerhalb der Arbeitnehmerschaft auf derartige Pflichtverletzungen zu Lasten anderer Arbeitnehmer auch zur Verhinderung gleichartiger Pflichtverletzungen hart zu reagieren. Es kommt hinzu, dass der Kläger als Meister, dem acht bis zehn Mitarbeiter unterstellt waren, eine leitende Funktion ausgeübt hat und in dieser eine gewisse Vorbildfunktion wahrzunehmen hatte.

5. Die Kündigung der Beklagten ist auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam. Insbesondere hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Die Beklagte hat dem Betriebsrat den der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalt umfassend und detailliert geschildert und dem Betriebsrat die relevanten persönlichen Daten des Klägers ebenso mitgeteilt, wie die Art der beabsichtigten Kündigungen. Der Betriebsrat verfügte damit über alle Informationen, um die Stichhaltigkeit der geltend gemachten Kündigungsgründe beurteilen und sich über eine abzugebende Stellungnahme im klaren werden zu können. Die Stellungnahme des Betriebsrats gemäß dessen Schreiben vom 23.04.2007 stellt eine abschließende Stellungnahme, auch zur beabsichtigten - vorliegend streitgegenständlichen - ordentlichen Kündigung dar.

III. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Grund, der nach Maßgabe der hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigt, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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