Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 692/04
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 10
KSchG §§ 17 ff
KSchG § 17 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1
KSchG § 17 Abs. 2
KSchG § 17 Abs. 2 Ziffer 1
KSchG § 17 Abs. 2 Ziffer 2
KSchG § 17 Abs. 2 Ziffer 3
KSchG § 17 Abs. 2 Ziffer 4
KSchG § 17 Abs. 2 Ziffer 5
KSchG § 17 Abs. 3
KSchG § 18 Abs. 1
KSchG § 18 Abs. 4 a. F.
KSchG § 20 Abs. 1 S. 1
ArbGG §§ 64 ff
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff
BetrVG § 3
BetrVG § 3 Abs. 1
BetrVG § 3 Abs. 2
BetrVG § 3 Abs. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 692/04

Entscheidung vom 19.01.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 06.07.2004, Az: 6 Ca 1891/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung.

Der Kläger war seit dem 01.01.1990 bei der Firma X (Stiftung und Co.) einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, als Justitiar in der Rechtsabteilung am Standort L beschäftigt. Die Firma W GmbH, eine weitere Rechtsvorgängerin der Beklagten, die im Wesentlichen mit dem Handel von Reifen befasst ist, beschloss im Jahr 2003, den Standort L zu schließen, die dort ansässigen Abteilungen Einkauf und Break-Down-Service nach K zu verlagern und über die Rechtsabteilung - wie im Interessenausgleich vom 21.11.2003 vereinbart (vgl. Bl. 7 d.A.) - gesondert zu verhandeln.

Mit Schreiben vom 26.11.2003 (Bl. 4 d.A.), das dem Kläger am 28.11.2003 zuging, kündigte die Firma W GmbH das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.06.2004. Zum Kündigungszeitpunkt waren am Standort L zumindest 32, aber weniger als 60 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen zumindest 8 Arbeitnehmer Kündigungen durch die Beklagte zum 30.06.2004 erhielten. Die Beklagte erstattete gegenüber der Agentur für Arbeit keine Anzeige einer Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs. 3 KSchG.

Der Kläger hat am 18.12.2003 eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 26.11.2003, zugegangen am 28.11.2003, zum 30.06.2004 nicht aufgelöst wird,

2. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,

a) dem Kläger eine Sozialplanabfindung in Höhe von EUR 43.860,51 zu zahlen,

b) dem Kläger zuzüglich der Sozialplanabfindung eine Abfindung als Nachteilsausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlen, deren Höhe das Gericht gem. § 10 KSchG festsetzt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- hat mit Urteil vom 06.07.2004 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 26.11.2003, zugegangen am 28.11.2003, nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung dieser Feststellung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei rechtsunwirksam, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) und die Kündigung darüber hinaus nach § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sei.

Von der Darstellung der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Inhalt des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- (Bl. 137 ff d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die ihr am 19.07.2004 zugestellt worden ist, am 19.08.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und ihr Rechtsmittel am 04.10.2004 begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 04.10.2004 verlängert worden war.

Die Beklagte macht u. a. geltend, eine Massenentlassung liege nicht vor, da in ihrem Unternehmen über 1800 Mitarbeiter beschäftigt seien. Durch Betriebsvereinbarung vom 15.01.2002 sei die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG mit Zuständigkeit für alle Standorte der Beklagten vereinbart worden. Mithin liege ein Betrieb im Sinne des § 17 KSchG mit mehr als 500 Arbeitnehmern vor, so dass die Entlassung von 8 Arbeitnehmern keine Anzeigepflicht ausgelöst habe.

Für den Fall, dass das Gericht anderer Auffassung sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Entlassungen zum 30.06.2004 jedenfalls aus Vertrauensgesichtspunkten wirksam geworden seien. Frau V, die Assistentin des Personalleiters, habe am 01.12.2003 mit Herrn U von der Agentur für Arbeit besprochen, ob im Zuge der Schließung des Standortes L eine Massenentlassungsanzeige erforderlich werde. Im Rahmen dieses Gespräches habe Herr U bestätigt, dass eine Massenentlassungsanzeige nicht erforderlich sei. Allerdings habe Herr U gebeten, dass der Agentur für Arbeit die Zahl der geplanten Entlassungen, einschließlich der voraussichtlichen Beendigungsdaten, schriftlich mitgeteilt werde. Daraufhin seien der Agentur für Arbeit noch unter dem 01.12.2003 die gewünschten Angaben einschließlich einer Arbeitnehmerliste, die Name, Geburtsdatum, Familienstand, Wohnort, zuletzt ausgeübte Tätigkeit, Eintrittsdatum, Angaben zur Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung sowie das geplante Austrittsdatum der jeweiligen Mitarbeiter enthalten habe, übersandt worden. Die Beklagte habe berechtigterweise auf die telefonische Auskunft des Herrn U vertraut. Zudem habe sie davon ausgehen können, dass die Agentur für Arbeit ihr eine Mitteilung machen würde, sofern sich aus den übersandten Unterlagen doch das Erfordernis einer Massenentlassungsanzeige ergeben würde. Der Beklagten stehe daher wie im Fall eines ausdrücklich und schriftlich erteilten Negativattests Vertrauensschutz zu.

Ein etwaiger Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG führe im Übrigen, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 04.10.2004 (Bl. 196 ff d.A.) und 04.01.2005 (Bl. 311 ff d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Aktenzeichen 6 Ca 1891/03 vom 06.07.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, eine Massenentlassungsanzeige sei erforderlich gewesen, da es sich bei dem Standort L, an welchem 37 Mitarbeiter beschäftigt gewesen seien, um einen eigenständigen Betrieb der Beklagten gehandelt habe. Der dortige Geschäftsbereich habe Herrn T als alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer unterstanden. Herr T sei der zuständige Entscheidungsträger für alle personellen Maßnahmen (Einstellungen, Entlassungen, Überstunden, Bezahlung, Zeugnisse) gewesen. Aus diesen Tatsachen haben die Beklagte ihrerseits in dem ebenfalls bei dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz anhängigen Rechtsstreit des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden aus der Betriebsstätte L (W ./. Firma W GmbH, Aktenzeichen 5 Sa 823/04) in dem dortigen Schriftsatz vom 23.02.2004 (vgl. die Fotokopie auf Bl. 366 ff der vorliegenden Akte) den Rückschluss gezogen, dass es sich bei der Betriebsstätte in Landau um einen einheitlichen Betrieb handele. Er, der Kläger mache sich die Ausführungen der Gegenseite in dem genannten Parallelverfahren ausdrücklich zu Eigen.

Die Beklagte berufe sich auch zu Unrecht auf Vertrauensschutz. Nach der Rechtsprechung sei dieser nur gegeben, wenn das zuständige Entscheidungsgremium (§ 18 KSchG) einen Bescheid erlassen habe, wonach die Zustimmung nicht erforderlich sei. Erteile das Arbeitsamt auf eine Anfrage lediglich eine Auskunft, dürfe sich der Arbeitgeber nicht darauf verlassen, dass diese Auskunft zutreffend sei. Im Übrigen habe die Beklagte auch nicht vorgetragen, welchen Sachverhalt sie Herrn U vor der Frage nach der Notwendigkeit einer Massenentlassungsanzeige mitgeteilt habe.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 28.10.2004 (Bl. 260 ff d.A.), 29.12.2004 (Bl. 302 d.A.) und 10.01.2005 (Bl. 344 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung ist nach § 64 ff ArbGG, 512 ff ZPO zwar zulässig, in das Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 26.11.2003 nicht beendet worden ist. Diese Kündigung hatte nämlich keine Beendigungswirkung, da die nach §§ 17, 18 Abs. 1 KSchG notwendige Zustimmung der Agentur für Arbeit vor der durchgeführten Massenentlassung nicht vorlag.

1.

Die Entlassung von acht am Standort L beschäftigten Arbeitnehmern zum 30.06.2004 bildete eine anzeigenpflichtige Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 KSchG. Hiernach ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.

Bei der organisatorischen Einheit, welche die Beklagte in L unterhielt, handelte es sich um einen Betrieb im Sinne der zitierten gesetzlichen Regelung. Im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzgesetz gelten die allgemeinen Grundsätze zur Definition eines Betriebes. Hiernach versteht man unter einem Betrieb die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen. Dazu müssen die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet, gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (vgl. BAG, vom 18.03.1997 = AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG vom 14.05.1997 = AP Nr. 6 zu § 8 BetrAVG 1972).

Unter Beachtung dieser Rechtskriterien unterhielt die Beklagte in L einen Betrieb. Sie hat in der dortigen Betriebsstätte als arbeitstechnische Zwecke den Einkauf von Reifen und einen Pannendienst (Break down Service) mit einem angeschlossenen Call Center intern/extern sowie einer angeschlossenen Rechtsabteilung verfolgt. Nach dem unbestrittenen zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers oblag die organisatorische Leitung der Einheit dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer T, dem die zur Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke notwendigen Kompetenzen in personellen und sozialen Angelegenheiten eingeräumt waren. Er war es, der über Einstellungen, Entlassungen, Überstunden, die Bezahlung sowie den Inhalt von Arbeitszeugnissen entschied; zudem war er Ansprechpartner des Betriebsrates, mit dem er z. B. am 14.05.2002 eine Rahmenvereinbarung abschloss.

Soweit die Beklagte dem entgegenhält, durch Betriebsvereinbarung vom 15.01.2002 sei nach § 3 Abs. 1 und 2 BetrVG ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat mit Zuständigkeit für alle Standorte der Beklagten vereinbart worden, steht dies dem Vorliegen eines Betriebes in L im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidend entgegen. Denn nach den oben zitierten allgemeinen Grundsätzen zur Definition eines Betriebes kommt es nicht in erster Linie auf die Existenz eines Betriebsrates und dessen Zuständigkeitsbereich maßgeblich an, sondern auf einen einheitlichen Leitungsapparat, den der Arbeitgeber für Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten einsetzt. Den Leitungsapparat an der Betriebsstätte L verkörperte aber der dort eingesetzte, alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer T.

Die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates im Sinne von § 3 BetrVG steht dem Vorliegen eines eigenständigen Betriebes in L im Zusammenhang mit § 17 ff KSchG auch noch aus einem anderen Grund nicht entgegen. Nach § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG gelten die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nach Abs. 1 Nr. 1 bis 3 gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Das bedeutet letztlich, dass die gesetzliche Fiktion eines Betriebes lediglich im Zusammenhang mit dem BetrVG verbindlich ist. Dies schließt aber nicht aus, dass - außerhalb des Wirkungsbereiches der Fiktion im Sinne von § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG - auch kleinere Einheiten einen Betrieb bilden. Dies ist aus den oben genannten Gründen vorliegend der Fall.

Eine diesem Ergebnis entsprechende Auffassung hat die Beklagte im Übrigen in dem ebenfalls beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz anhängigen Rechtsstreit W ./. Firma A. (Aktenzeichen 5 Sa 823/04) selbst vertreten; das zeigen die vom Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren eingereichten Fotokopien des dortigen Schriftsatzes vom 23.02.2004 (= Bl. 366 ff d.A.). Wenn die Beklagte im vorliegenden Verfahren nunmehr das Vorliegen eines eigenständigen Betriebes in L bestreitet, ist dies widersprüchlich und unerheblich.

In dem Betrieb in L waren mindestens 32 Arbeitnehmer aber weniger als 60 Arbeitnehmer beschäftigt, so dass es sich bei der Entlassung von mindestens acht Arbeitnehmern um eine Massenentlassung handelte, da mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 KSchG entlassen wurden.

2.

Die Beklagte hat bei der Agentur für Arbeit unstreitig eine schriftliche Massenentlassungsanzeige im Sinne von § 17 Abs. 3 KSchG nicht erstattet.

Sie kann auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht verlangen, so gestellt zu werden, als sie hätte sie eine entsprechende Anzeige erstattet und die Agentur für Arbeit hätte ein schriftliches Negativattest erteilt.

Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, Frau V, die Assistentin des Personalleiters, habe am 01.12.2003 telefonisch mit Herrn U von der Agentur für Arbeit gesprochen, ob im Zuge der Schließung des Standortes L eine Massenentlassungsanzeige erforderlich sei. Herr U habe im Rahmen dieses Gespräches bestätigt, dass eine Massenentlassungsanzeige nicht erforderlich sei; des Weiteren habe er darum gebeten, dass der Agentur für Arbeit die Zahl der geplanten Entlassungen einschließlich der voraussichtlichen Beendigungsdaten schriftlich mitgeteilt werde. Die Beklagte habe daraufhin der Agentur für Arbeit noch am 01.12.2003 die gewünschten Angaben gemacht einschließlich einer Arbeitnehmerliste, aus der sich Name, Geburtsdatum, Familienstand, Wohnort, zuletzt ausgeübte Tätigkeit, Eintrittsdatum, Angaben zu Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung sowie das geplante Austrittsdatum der jeweiligen Mitarbeiter ergeben habe.

Nach der Rechsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entsteht kein Vertrauenstatbestand für einen Arbeitgeber, wenn das Arbeitsamt auf telefonische Rückfrage erklärt hat, eine Anzeigepflicht bestehe nicht. Nur für den Fall, dass der zuständige Ausschuss beim Landesarbeitsamt - ggf. der nach § 18 Abs. 4 KSchG a. F. zuständige Ausschuss vom Arbeitsamt - die Entscheidung über einen Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Entlassung vor Ablauf der Sperrfrist in dem Sinne bescheidet, dass diese Zustimmung nicht erforderlich ist, gilt der vorgenannte Vertrauensschutz. Wenn dagegen das Arbeitsamt auf Anfrage eine Auskunft erteilt, dann darf der Arbeitgeber sich nicht darauf verlassen, dass diese Auskunft zutreffend ist (vgl. BAG, Urteil vom 21.05.1970 - 2 AZR 294/69 = Betriebsberater 1970, 1302 f). Überträgt man diese Rechtsgrundsätze auf die heutige Gesetzeslage so hätte zu Gunsten der Beklagten nur dann ein Vertrauenstatbestand entstehen können, wenn eine Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur Entlassung vor Ablauf der Sperrfrist durch die nunmehr nach § 20 Abs. 1 S. 1 KSchG im vorliegenden Fall zuständige Geschäftsführung der Agentur für Arbeit getroffen worden wäre. Hierzu hat aber die Beklagte nichts vorgetragen.

Hinzu kommt, dass nach Auffassung der Berufungskammer ein Vertrauensschutztatbestand zu Gunsten der Beklagten nur dann hätte entstehen können, wenn sie sich ihrerseits entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 3 und 2 KSchG verhalten hätte. Hierzu hätte es nicht nur einer Massenentlassungsanzeige in Schriftform bedurft (vgl. § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG), sondern vor allem auch der Mitteilung der unter § 17 Abs. 2 Ziffer 1 bis 5 KSchG vorgeschriebenen Angaben (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG). Diese Angaben sind gesetzlich wie folgt festgelegt:

1. Die Gründe für die geplanten Entlassungen,

2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,

3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,

4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,

5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte lediglich eine Namensliste der zu entlassenden Arbeitnehmer mit weiteren Daten vorgelegt, welche aber nicht den gesetzlichen Vorgaben im Sinne der oben zitierten Ziffer 1.-3. und 5. entsprechen. Welche Angaben die Beklagte fernmündlich bei dem Telefongespräch mit Herrn U gemacht hat, wird von ihr ebenfalls nicht vorgetragen. Nach alledem liegt noch nicht mal in rudimentärer Form eine Massenentlassungsentlassungsanzeige im Sinne des Gesetzes vor. Eine Berufung der Beklagten auf Vertrauensschutz ist daher ausgeschlossen.

3.

Aus dem Fehlen einer Massenentlassungsanzeige folgt nach der hier zugrunde gelegten Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes zwar nicht die privatrechtliche Unwirksamkeit der Kündigungserklärung (vgl. insbesondere BAG, Urteil vom 08.09.2003 - AZR 79/02 = AP Nr. 14 zu § 17 KSchG 1969). Wurde aber - so wie im vorliegenden Fall - die erforderliche Massenentlassungsanzeige weder vor noch nach der Entlassung erstattet, bewirkt die Kündigungserklärung nicht, dass die Beklagte den Kläger zu dem in Aussicht genommenen Entlassungstermin bzw. zu einem späteren Termin entlassen kann. Daraus folgt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist (vgl. BAG Urteil vom 13.04.2000 - 2 AZR 215/99 = AP Nr. 13 zu § 17 KSchG 1969).

4.

Nach alledem bedurften die vom Arbeitsgericht erörterten Unwirksamkeitsgründe nicht der Prüfung durch die erkennende Kammer.

Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück