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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 9 SaGa 1/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 362 Abs. 1
BGB § 389
BGB § 394
BGB § 394 S. 1
ZPO §§ 850 ff.
ZPO § 850 c
ZPO § 850 d
ZPO § 925 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 936
ZPO § 940
ArbGG § 62 Abs. 2
ArbGG § 72 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 SaGa 1/07

Entscheidung vom 24.04.2007

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 29.11.2006, Az.: 9 Ga 40/06, abgeändert:

Die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - gemäß Beschluss vom 24.10.2006, Az.: 9 Ga 38/06, wird bestätigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Verfügungsbeklagte verpflichtet ist, an den Verfügungskläger wegen dessen Vergütungsansprüche für den Monat September 2006 sog. Notbedarfsentgelt in Höhe von 1.171 EUR zu zahlen. Hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird im Übrigen Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied- vom 29.11.2006, Az. 9 Ga 40/06 (Bl. 101 ff. d.A.).

Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht die mit Beschluss vom 24.10.2006 im genannten Verfahren zu Gunsten des Verfügungsklägers erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und dessen Antrag auf Erlass einer auf Zahlung von 1.171 EUR gerichteten einstweiligen Verfügung abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, die Vergütungsansprüche des Verfügungsklägers seien per 1.9.2006 bereits mit 3.259 EUR überzahlt gewesen, weshalb die Verfügungsbeklagte zur Aufrechnung gegenüber den Vergütungsansprüchen für den Monat September 2006 berechtigt gewesen sei. Da insbesondere die Zahlungen ausweislich der vom Verfügungskläger unterschriebenen Quittungen vom 6.1., 10.1., 13.2., 6.3., 17.3., 8.5. und 18.6.2006 als Vorschusszahlungen ausgewiesen seien, greife kein Aufrechnungsverbot nach §§ 394 S. 1 BGB, 850 ff. ZPO. Auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils wird ergänzend verwiesen.

Gegen dieses ihm am 8.12.2006 zugestellte Urteil hat der Verfügungskläger mit einem am 8.1.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 6.2.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 8.2.2007, begründet.

Der Verfügungskläger macht im Wesentlichen geltend, es hätten keine aufrechenbaren Gegenansprüche bestanden, da die im Verfahren vorgelegten Quittungen blanko unterschrieben worden seien und er Barzahlungen nicht in der in den Quittungen ausgewiesenen Höhe erhalten hätte. Es fehle zudem an einer Aufrechnungserklärung. Eine Aufrechnung hätte nur erfolgen dürfen, wenn es eine Parteivereinbarung dahingehend gegeben hätte, dass geleistete Vorschüsse als vorweggenommene Tilgung für September 2006 anzusehen seien. Da es hieran fehle greife das aus § 394 BGB folgende Aufrechnungsverbot. In jedem Fall müsse auch ein Betrag zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs i.S.v. § 850 d ZPO verbleiben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Verfügungsklägers vom 6.2.2007 (Bll. 1137 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Verfügungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied- vom 29.111.2006, Az.: 9 Ga 40/06 abzuändern und die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied- gemäß Beschluss vom 24.10.2006, Az.: 9 Ga 38/06, zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 9.3.2007, auf den verwiesen wird (Bl. 151.ff. d.A.) als rechtlich zutreffend: Sämtliche Quittungen seien inhaltlich zutreffend und beweiskräftig. Vorschusszahlungen könnten auch nicht nur bei der nächsten Abrechnung, sondern auch später in Abzug gebracht werden.

Ergänzend wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Verfügungsbeklagte mit Beschluss vom 24.10.2006 zu Recht zur Zahlung eines Notbedarfsentgelts in Höhe von 1.171 EUR verurteilt, so dass auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten gegen den genannten Beschluss nach §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 936, 925 Abs. 2 ZPO die getroffene einstweilige Verfügung hätte bestätigt werden müssen.

1. Dem Verfügungskläger steht ein Verfügungsanspruch im Sinne der §§ 935, 940 ZPO zur Seite. Er hat nach den arbeitsvertraglich getroffenen Vereinbarungen für den Monat September 2006 einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.1.71,63 EUR netto, wie sich aus der von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Gehaltsabrechnung des Monats September 2006 ergibt.

2. Dieser Vergütungsanspruch ist bislang nicht durch Erfüllung erloschen.

a) Eine Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB durch Zahlung der (Netto-) Gehaltssumme ist nicht ersichtlich. Die Überweisungen vom 21.8. und 30.8.2006 beziehen sich nach den Anmerkungen der Verfügungsbeklagten auf den in Kopie vorgelegten Kontoauszügen (vgl. Bl, 51, 53 d.A., Auszug vom 9.9.2006) auf "Teilg. 08/6" bzw . "Restgh. 8/06" und damit in ihrer Leistungsbestimmung auf Vergütungsansprüche des Monats August 2006. Ebenso diente die behauptete Barzahlung vom 24.8.2006 nach dem Text der Quittung vom 24.8.06 einer "Abschlagszlg." und damit ebenfalls nicht der Tilgung der Vergütungsforderung des Klägers für den Monat September 2006. Abschlagszahlungen sind nämlich Zahlungen auf bereits fällige Ansprüche, deren Abrechnung hinausgeschoben wird (BAG 11.2.1987 EzA § 850 e ZPO Nr. 1). Andere Überweisungen oder Barzahlungen, die sich zeitlich oder dem ausdrücklich angegebenen Bestimmungszweck nach auf die Vergütungsforderung des Klägers für September 2006 beziehen, sind nicht ersichtlich.

b) Der Vergütungsanspruch des Klägers ist auch nicht durch Aufrechnung, § 389 BGB, erloschen. Es kann dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagten unter dem Gesichtspunkt der Gehaltsüberzahlung ein aufrechenbarer Gegenanspruch zusteht oder nicht, da einer Aufrechnung jedenfalls das Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB i.V.m. § 850 c ZPO entgegensteht. Der Kläger ist insgesamt 4 Personen zum Unterhalt verpflichtet, so dass ausgehend von einem Nettovergütungsanspruch von 1.171 EUR nach der Tabelle zu § 850 c ZPO kein pfändbarer Betrag verbleibt.

c) Soweit das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil davon ausgegangen ist, ungeachtet des Aufrechnungsverbots sei aber eine Verrechnung deshalb möglich, weil es sich bei den Beträgen gemäß der vorgelegten Quittungen um Vorschusszahlungen gehandelt habe, teilt die Berufungskammer diese Auffassung nicht.

Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuss, wenn sich beide Seiten bei der Auszahlung darüber einig waren, dass es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei Fälligkeit der Forderung verrechnet wird (BAG 13.12.2000, AP Nr. 31 zu § 394 BGB). Ein Vorschuss zeichnet sich durch seine inhaltliche Verbindung zum Entgeltanspruch aus: Der Zeitpunkt der nächsten Entgeltzahlung wird für kurze Zeit vorverlegt (vgl. Kittner/Zwanziger, Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 61 Rz. 13). Als vorweggenommene Lohntilgung kann ein Vorschuss bei der nächsten Lohnabrechnung deshalb ohne Aufrechnungserklärung und ohne die für eine Aufrechnung geltenden Einschränkungen in Abzug gebracht werden (ErfK/Preis, 7. Aufl., § 614 BGB Rz. 21).

Vorliegend kommen, wie auch das Arbeitsgericht erkannt hat, als Vorschusszahlungen nur die Zahlungen in Betracht, die der Kläger nach Maßgabe der Quittungen vom 6.1., 10.1., 13.2., 6.3., 17.3., 8.5. und 18.6.2006 erhalten haben soll. Nur diese weisen einen entsprechenden Zahlungszweck aus, während die anderen Belege keinen Anhaltspunkt für den Vorschusscharakter der Zahlungen bieten. Die Verfügungsbeklagte hat auch im Berufungsverfahren nicht näher substantiiert dargelegt, woraus sich ggfs. weitergehend und hinsichtlich welcher genauen Zahlungen ergeben soll, dass sich die Parteien einig waren, dass es sich um Vorschusszahlungen gehandelt hat.

Ebenso wenig lässt sich dem Sachvortrag der Verfügungsbeklagten entnehmen, dass die Parteien eine Verrechenbarkeit von Vorschusszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt als dem der jeweils nächsten Entgeltfälligkeit (zumindest stillschweigend konkludent) vereinbart hätten. Eine solche Vereinbarung ist zwar grundsätzlich rechtlich zulässig, muss aber im Prozess von demjenigen, der sich auf die für ihn damit verbundenen positiven rechtlichen Folgen beruft, im Einzelnen dargelegt werden. Hieran fehlt es. Eine Verrechnung der zeitlich letzten als Vorschusszahlung bezeichneten Zahlung (Quittung vom 18.6.2006) wäre daher ohne anderslautende, hier aber nicht ersichtliche Parteiabsprache nur im Rahmen der nächst folgenden Lohnabrechnung, also der des Monats Juni 2006 in Betracht gekommen.

d) Hinzu kommt, dass nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa ErfK/Preis, a.a.O.; Kittner/Zwanziger, a.a.O., § 62 Rz. 26) dem Arbeitnehmer stets ein Betrag zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs im Sinne des § 850 d ZPO zu belassen ist. Hierzu zählt neben dem eigenen notwendigen Unterhalt auch der Betrag, der zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten notwendig ist (vgl. § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO). Da der Kläger seiner Ehefrau und seinen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist ihm das geltend gemachte Nettoentgelt zu belassen.

3. Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Nach den durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Darlegungen des Verfügungsklägers verfügt dieser über kein weiteres Einkommen oder Vermögen, so dass er auf die Zahlung des Septembernettoentgelts zur Bestreitung seines eigenen notwendigen Unterhalts und des Unterhalts seiner Ehefrau und Kinder dringend angewiesen war.

4. Als unterlegene Partei hat die Verfügungsbeklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Über die Zulassung der Revision war nicht zu entscheiden; diese ist gem. § 72 Abs. 4 ArbGG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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