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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 28.07.2008
Aktenzeichen: 9 Ta 118/08
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII, ArbGG
Vorschriften:
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a) | |
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) | |
ZPO § 115 Abs. 2 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
SGB XII § 82 Abs. 2 Nr. 4 | |
ArbGG § 72 Abs. 2 | |
ArbGG § 78 Satz 2 |
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 30.05.2008, Az.: 2 Ca 570/08 dahingehend abgeändert, dass die Klägerin aus ihrem Einkommen monatliche Teilbeträge in Höhe von 60,-- € zu leisten hat.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Gründe:
I. Mit ihrer am 22.04.2008 beim Arbeitsgericht Trier im Ausgangsverfahren eingegangenen Klage wendete sich die Klägerin gegen die fristlose Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte gemäß Schreiben vom 01.04.2008, zugegangen am 04.04.2008. Zugleich beantragte sie ihr unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
In der arbeitsgerichtlichen Güteverhandlung vom 13.05.2008 schlossen die Parteien einen Vergleich, dem zufolge das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist zum 30.06.2008 sein Ende fand. Ziffer 2 des Vergleiches sieht vor, dass die Klägerin bis zum 30.06.2008 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung von Urlaubs- und Überstundenansprüchen freigestellt wird. Mit Beschluss vom 30.05.2008 hat das Arbeitsgericht der Klägerin unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass die Klägerin aus ihrem Einkommen monatliche Teilbeträge von 135,-- € zu leisten habe. Bei Berechnung des im Rahmen des § 115 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigenden Einkommens ließ das Arbeitsgericht hierbei den Freibetrag für Erwerbstätige nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO unberücksichtigt.
Mit ihrer am 16.06.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde erstrebt die Klägerin eine Herabsetzung der monatlichen Raten auf 60,-- €. Sie ist der Auffassung, der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO sei in Ansatz zu bringen, wenn Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt würden. Hieran ändere auch die im Vergleich vorgesehene Freistellung nichts. Auch sei sie nicht unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt worden, so dass der Beklagte jederzeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsleistung habe einfordern können. Unter Berücksichtigung des demnach in Ansatz zu bringenden Freibetrages ergebe sich lediglich eine monatliche Ratenbelastung in Höhe von 60,-- €.
Mit Beschluss vom 20.06.2008 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, im Hinblick auf die im Vergleich vorgesehene Freistellung der Klägerin sei ein Abzug eines Freibetrags für Erwerbstätige nicht gerechtfertigt.
Die im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht beteiligte Bezirksrevisorin hat für die Landeskasse angeregt, die Beschwerde deshalb zurückzuweisen, da die Klägerin durch den Vergleich vom 13.05.2008 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wurde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO an sich statthaft und wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist im Rahmen der Errechnung des nach § 115 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen Einkommens der Erwerbestätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO in Ansatz zu bringen. Es errechnet sich damit ein nach § 115 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähiges Einkommen der Klägerin in Höhe von 194,-- €, so dass die Festsetzung von monatlichen Teilzahlungen in Höhe von lediglich 60,-- € zu erfolgen hat.
Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO ist der dort genannte Freibetrag vom Einkommen für Parteien abzusetzen, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen. Erwerbseinkommen ist aber insbesondere auch ein Einkommen aus Arbeitsentgelt. Ein derartiges Einkommen hat die Klägerin ungeachtet ihrer Freistellung erzielt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Vergleiches, dem zufolge die Klägerin gerade unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt wurde. Bei dem demnach von der Klägerin während der Freistellung erzielten Einkommen handelt es sich damit um die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung und nicht etwa wie im Falle des Krankengeldes (vgl. dazu LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.06.2007 - 9 Ta 8/07; LAG R.-P. Beschluss vom 21.033.2006 - 2 Ta 25/06) um ein Einkommen, welches an die Stelle der Arbeitsvergütung tritt.
Der Berücksichtigung des Freibetrages steht nicht entgegen, dass die Klägerin in Folge der im Vergleich vorgesehenen Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen hatte und im Freistellungszeitraum möglicherweise keine konkreten, durch das Arbeitsverhältnis bedingten Aufwendungen mehr tätigen musste. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO trägt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 173 ff.) Rechnung, wonach zum Mindestbedarf des Lebensunterhalts ein Mehraufwand, der mit einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, gehört, der durch den Werbungskostenabzug nicht ausreichend berücksichtigt wird (vgl. LAG Baden-Württemberg, a. a. O.). Der Gesetzgeber hat sich hierzu einer Pauschalierung bedient, deren Zweck darin besteht, den mit einer Erwerbstätigkeit verbundenen Mehraufwand über die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a) ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII zu berücksichtigenden konkreten mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass berufsbezogene Aufwendungen nicht notwendiger Weise in zeitlicher Parallelität zur Ausübung der Erwerbstätigkeit und damit zeitabschnittsweise anfallen. Im Falle der Nichterbringung von Arbeitsleistung entfallen beispielsweise Fahrtkosten zwar häufig, aber nicht zwingend, weil beispielsweise eine einmal gekaufte Jahreskarte trotzdem zu zahlen ist (LAG Baden-Württemberg, a. a. O.).
Die Beschwerdekammer lässt offen, ob die vorstehenden Grundsätze auch dann gelten, wenn es sich um eine Freistellung mit damit verbundener Vergütungsfortzahlung von erheblicher Dauer handelt. So hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 21.03.2006, a. a. O.) etwa in einem Fall, in dem die Prozesskostenhilfe beantragende Partei schon seit langer Zeit ihre Arbeitsleistung nicht erbracht hat und auch keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, dass dies in absehbarer Zeit geschehe, Bedenken geäußert, ob in einem derartigen Fall der Erwerbstätigenfreibetrag in Ansatz zu bringen sei. Von einem in diesem Sinne langen Zeitraum kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - der Zeitraum der Freistellung nur auf die anwendbare Kündigungsfrist erstreckt.
Der angefochtene Beschluss war daher wie geschehen abzuändern. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 78 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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