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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 9 Ta 1336/03
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 3
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 2
KSchG § 5 Abs. 4 Satz 2
ArbGG § 9 Abs. 5 Satz 4
ArbGG § 61 a Abs. 2
ArbGG § 78 Satz 1
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 148
ZPO §§ 567 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Ta 1336/03

Verkündet am: 08.01.2004

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.06.2003 - 4 Ca 927/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.600,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war seit dem 01.07.1995 bei der Beklagten, die mit cirka 50 Arbeitnehmern ein Güternah- und Fernverkehrsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 01.10.2002, das dem Kläger am 05.10.2002 zuging, kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis zum 01.11.2002. Mit Schriftsatz vom 30.01.2003, der am 31.01.2003 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen ist, hat der Kläger geltend gemacht, ein von seinem Anwalt am 25.10.2002 unterzeichneter Klageschriftsatz sei nach Auskunft der Hauptkartei des Arbeitsgerichtes dort nicht eingegangen. Die Klageschrift vom 25.10.2002 sei am frühen Nachmittag des gleichen Tages von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in den Postbriefkasten vor dem Amtsgericht Neukölln, der um 18.00 Uhr geleert werde, eingeworfen worden. Der Kläger habe daher davon ausgehen können, dass seine Klage fristgemäß beim Arbeitsgericht Berlin eingehe. Als keine Terminsanberaumung erfolgt sei, habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30.01.2002 bei der Hauptkartei des Arbeitsgerichts nach dem Aktenzeichen gefragt. Von der Hauptkartei sei jedoch kein anhängiges Verfahren festzustellen gewesen, so dass nunmehr eine zweite Ausfertigung der Klageschrift (Bl. 5 f. d.A.) eingereicht werde.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Richtigkeit des Inhaltes seines Schriftsatzes vom 30.01.2003 an Eides statt versichert.

Der Kläger hat beantragt,

ihm, soweit er sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung beruft, wegen Versäumung der Frist des § 4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen bzw. die beigefügte Klage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht Koblenz zu verweisen,

2. die Klage zurückzuweisen sowie den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

der Kläger habe die Antragsfrist im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG versäumt, da diese zweiwöchige Frist bereits dann zu laufen beginne, wenn der Arbeitnehmer, aufgrund konkreter Anhaltspunkte, bei gehöriger Sorgfalt erkennen müsse, dass die Frist möglicherweise versäumt sei. Im vorliegenden Fall hätte dementsprechend der Prozessvertreter des Klägers spätestens nach einer Frist von vier bis fünf Wochen nach Versendung der Klageschrift überprüfen müssen, ob diese beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen sei. Rechne man nach dem Klageeingang vom 25.10.2002 eine dementsprechende fünfwöchige Frist hinzu sowie weitere zwei Wochen für die ab dann laufende Antragsfrist aus § 5 Abs 3 Satz 1 KSchG, so sei festzustellen, dass der Zulassungsantrag verspätet eingereicht worden sei.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 07.03.2003 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Koblenz verwiesen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 25.06.2003 (Bl. 31 ff. d.A.) den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat sich das Arbeitsgericht im Wesentlichen die Ausführungen der Beklagten zu Eigen gemacht. In der Rechtsmittelbelehrung zu dem Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.06.2003 wird der Kläger darauf hingewiesen, dass er innerhalb von einer Frist von einem Monat sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen könne.

Der Kläger hat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts, welcher ihm am 13.08.2003 zugestellt worden ist, am Montag, den 15.09.2003 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

sein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei nicht verfristet, da die Antragsfrist erst mit der positiven Kenntnis vom fehlenden Eingang der Klageschrift begonnen habe; diese Kenntnis habe der Kläger am 30.01.2003 erlangt. Im Übrigen enthalte § 5 Abs. 3 KSchG eine sechsmonatige Ausschlussfrist, die nicht durch eine nicht spezifizierte Frist verkürzt werden könne. Die vom Arbeitsgericht ermittelte Antragsfrist sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Unabhängig hiervon werde angeregt, das Beschwerdeverfahren auszusetzen bis das Arbeitsgericht Koblenz insoweit über die Klage entschieden habe, als es nicht auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung ankomme.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend,

eine Verfahrensaussetzung bis zum Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens sei nicht notwendig, da das arbeitsgerichtliche Verfahren für das Beschwerdeverfahren nicht vorgreiflich sei. Die Beschwerde sei aus den vom Arbeitsgericht in seinem Beschluss vom 25.06.2003 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist nach §§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff. ZPO zulässig. Der Kläger hat zwar nicht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 78 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) seine sofortige Beschwerde eingereicht, dies führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde, da im vorliegenden Fall sich die Beschwerdefrist auf ein Jahr seit Zustellung der angefochtenen Entscheidung belief. Die in dem Beschluss des Arbeitsgerichtes enthaltene Rechtsmittelbelehrung war nämlich fehlerhaft, da hierin als Beschwerdefrist ein Monat angegeben worden ist. Im Falle einer unrichtigen Belehrung über das Rechtsmittel ist die Einlegung des Rechtsmittels gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig. Durch die am 15.09.2003 eingegangene Beschwerde des Klägers wurde mithin die einjährige Beschwerdefrist für den am 13.08.2003 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts gewahrt.

In der Sache ist jedoch die sofortige Beschwerde des Klägers nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat seinen Antrag, die verspätete Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen unter Beachtung von § 5 KSchG zu Recht zurückgewiesen.

1.

Eine rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt nicht vor, da durch den am 31.01.2003 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Schriftsatz die dreiwöchige Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG) durch den Kläger nicht gewahrt worden ist. Diese Frist begann mit dem Zugang der Kündigungserklärung also am 05.10.2002; sie endete am Montag, den 28.10.2002 (vgl. § 193 BGB).

2.

Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner verspäteten Kündigungsschutzklage ist unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG unzulässig. Hiernach ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Das Hindernis für die Erhebung der Kündigungsschutzklage war nicht erst mit der Erlangung der positiven Kenntnis von dem fehlenden Eingang seiner Klage beim Arbeitsgericht Berlin beseitigt, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Denn für den Beginn der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG kommt es nicht auf die positive Kenntnis des Arbeitnehmers von der Verspätung der Klage an, sondern darauf, wann er bei zumutbarer Sorgfalt Kenntnis von ihr hätte erlangen können (vgl. LAG Köln, Beschl. v. 08.11.1994 - 6 Ta 209/94 - = LAGE § 5 KSchG Nr. 70). Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten aus dem Mandatsverhältnis gehört es, bei naheliegenden Zweifeln an der Wahrung einer Klagefrist unverzüglich und im wohlverstandenen Interesse der vertretenen Partei Schritte einzuleiten, damit Risiken für den Mandanten vermieden werden. Dabei muss sich der Arbeitnehmer etwaige Versäumnisse seines Anwaltes gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Denn die Grundsätze, die im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Erhebung der Kündigungsschutzklage gelten (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.02.1982 = NJW 1982, 2461), müssen auch für die rechtzeitige Stellung des Zulassungsantrages als Prozesshandlung gelten.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze vermochte der Kläger im vorliegenden Fall die zweiwöchige Antragsfrist nicht zu wahren. Diese Frist war jedenfalls zum Zeitpunkt des Eingangs seines Zulassungsantrages, also am 31.01.2003 abgelaufen. Denn der Klägervertreter hätte, nachdem aus seiner Sicht bereits am 25.10.2002 die Klageschrift an das Arbeitsgericht abgesandt worden war, sich zumindest bis zum Ende des Jahres 2002 vergewissern müssen, ob ein Klageeingang beim Arbeitsgericht erfolgt ist. Es ist nämlich äußert ungewöhnlich, dass ein Arbeitsgericht nach Eingang einer Kündigungsschutzklage innerhalb von zwei Monaten keinen Gütetermin anberaumt. Dies gilt umso mehr, als nach § 61 a Abs. 2 ArbGG die Güteverhandlung innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden soll.

Der Klägervertreter hat vorliegend erstmals am 30.01.2003 beim Arbeitsgericht Berlin wegen seiner Klage vom 25.10.2002 nachgefragt. Diese Nachfrage erfolgte mithin sorgfaltswidrig nicht bis zum Ende des Jahres 2002, so dass die spätestens Mitte Januar 2003 endende Antragsfrist aus § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gewahrt ist. Zur Klarstellung weist die Beschwerdekammer darauf hin, dass der vorliegenden Fristberechnung nicht etwa ein Grundsatz dahingehend entnommen werden darf, dass der Anwalt acht Wochen zuwarten darf, um sich vom Eingang seiner Klage beim Arbeitsgericht zu überzeugen. Vielmehr soll durch diese Fristberechnung lediglich aufgezeigt werden, dass jedenfalls im vorliegenden Einzelfall ein sorgfaltswidriges Verhalten des Klägervertreters vorliegt.

Wenn er Kläger demgegenüber in seiner Beschwerdebegründung einwendet, dass es auf die positive Kenntnis des Klägervertreters vom fehlenden Eingang der Klageschrift ankomme, so ist dies der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht zu entnehmen. Vielmehr gebietet das Interesse an Rechtsklarheit und Beschleunigung des Kündigungsschutzverfahrens, welches in der Regelung des § 5 KSchG zum Ausdruck kommt, dass ein Hindernis zur Erhebung der Kündigungsschutzklage auch dann entfällt, wenn sich eine Partei sorgfaltswidrig keine Kenntnis von der Verspätung des Klageeingangs verschafft. Soweit das Gesetz in § 5 Satz 3 Satz 2 KSchG eine sechsmonatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung der nachträglichen Zulassung vorsieht, steht dies der hier vertretenen Auffassung zur Auslegung von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht entgegen. Denn die Sechsmonatsfrist soll vor allem den Fall abdecken, dass das Hindernis für die Erhebung der Klage sechs Monate nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG noch nicht behoben ist. Damit wird eine absolute Grenze für die Geltendmachung der nachträglichen Zulassung gezogen. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, dass das Hindernis für die Klageerhebung nicht entfallen ist, sondern darum, dass wegen einer Sorgfaltswidrigkeit vom Wegfall des Hindernisses ausgegangen werden muss. Die gesetzliche Ausschlussfrist aus § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG steht dem jedenfalls nicht entgegen.

Die vom Kläger beantragte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens konnte nicht erfolgen, da die Aussetzungsvoraussetzungen aus § 148 ZPO nicht erfüllt sind. Der Ausgang des noch beim Arbeitsgericht anhängigen restlichen Verfahrens ist nicht vorgreiflich für die Entscheidung über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde in Anlehnung an § 12 Abs. 7 ArbGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes des Klägers festgesetzt.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von § 78 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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