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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: 9 Ta 179/06
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 707 Abs. 2 S. 2
ZPO § 708 Nrn. 4 - 11
ZPO § 711
ZPO § 712 Abs. 1 S. 1
ZPO § 767 Abs. 1
ZPO § 769 Abs. 1 S. 1
ZPO § 769 Abs. 1 S. 2
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 795
ArbGG § 85 Abs. 1
BGB §§ 372 ff.
BGB § 378
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Ta 179/06

Entscheidung vom 27.09.2006

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 14.08.2006 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 883,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - unter dem Aktenzeichen 7 Ca 260/05 am 18.05.2006 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, dessen Ziffer 1 wie folgt lautet:

"Die Beklagte zahlt an die Klägerin zur Abgeltung der Klageforderung einen Betrag von 3.375,60 EUR netto. Dieser Betrag wird sofort fällig. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieser Betrag dem abgerechneten Nettoentgelt aus 2.800,00 EUR brutto für die Monate Oktober und November 2004 entspricht."

Mit Schreiben vom 27.06.2006 (Bl. 7 d. A.) hat die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreites beim Amtsgericht A-Stadt beantragt, 3.375,60 EUR als hinterlegten Betrag anzunehmen. Das Amtsgericht hat daraufhin mit Schreiben vom 20.07.2006 (Bl. 8 d. A.) mitgeteilt, dass der entsprechende Betrag zur Hinterlegung angenommen worden sei. Die Klägerin hat des Weiteren mit Schreiben vom 08.08.2006 (Bl. 9 d. A.) gegenüber dem Amtsgericht A-Stadt klargestellt, dass die Hinterlegung unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme erfolgt sei.

Auf Antrag der Beklagten hat eine Gerichtsvollzieherin die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2006 (Bl. 10 d. A.) zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Amtsgericht A-Stadt geladen. Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Vollstreckungsabwehrklage beim Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - eingereicht und gleichzeitig beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 18.05.2006 bis zum Erlass eines Urteils in der Vollstreckungsabwehrsache einstweilen einzustellen.

Mit Beschluss vom 14.08.2006, der durch einen weiteren Beschluss vom 04.09.2006 berichtigt worden ist, hat das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin aus dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 18.05.2006 (7 Ca 260/05) bis zum Erlass des Urteils in der Vollstreckungsabwehrklage eingestellt. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe Tatsachen glaubhaft gemacht, die den entsprechenden Einstellungsantrag im Sinne von § 769 Abs. 1 S. 2 ZPO begründen würden. Denn sie habe den Betrag über 3.375,60 EUR am 27.06.2006 beim Amtsgericht A-Stadt unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt.

Die Beklagte, der diese Entscheidung des Arbeitsgerichts am 28.08.2006 zugestellt worden ist, hat am 08.09.2006 sofortige Beschwerde gegen die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung eingelegt.

Die Beklagte macht geltend,

die Einstellung der Zwangsvollstreckung sei offenkundig rechtswidrig, zumal nach § 85 Abs. 1 ArbGG die Vorschriften des Achten Buches der ZPO auf die Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Vergleichen anwendbar sei. Eine rechtlich zulässige Möglichkeit zur Abwendung der Vollstreckung durch Hinterlegung sei lediglich in § 711 i. V. m. § 708 Nr. 4 - 11 ZPO geregelt. Gerichtliche Vergleiche würden jedoch nicht unter diese Vorschrift fallen. Des Weiteren liege auch ein Schutzantrag der Klägerin nach § 712 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht vor.

Außerdem seien auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine Hinterlegung im Sinne der §§ 372 ff. BGB nicht erfüllt. Die Klägerin habe nämlich vorgetragen, dass mehrere Gläubiger eine Leistung aus verschiedenen Rechtsgründen verlangen würden. Auf einen solchen Fall sei aber die gesetzliche Regelung des § 372 BGB nicht anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 29.08.2006 (Bl. 26 f. d. A.), 08.09.2006 (Bl. 36 f. d. A.) und 12.09.2006 (Bl. 45 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist unzulässig, da in analoger Anwendung von § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO im vorliegenden Fall die sofortige Beschwerde grundsätzlich ausgeschlossen ist. Ein Ausnahmefall, bei dem vorinstanzlich die Grenzen des Ermessenspielraumes verkannt oder eine sonst greifbar gesetzwidrige Entscheidung getroffen worden wäre (h. M.; vgl. hierzu Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 769 Randnr. 13 m. w. N.) ist nicht gegeben.

1.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat bei der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung die Grenzen seines Ermessenspielraumes nicht verkannt. Wird eine Vollstreckungsabwehrklage eingereicht, die mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verbunden wird, kann gemäß § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO eine entsprechende Entscheidung erlassen werden. Diese Ausgangssituation war im vorliegenden Fall gegeben.

2.

Darüber hinaus ist die Entscheidung des Arbeitsgerichtes auch nicht greifbar gesetzeswidrig. Vielmehr ist bei der vorliegenden Fallgestaltung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon auszugehen, dass die Vollstreckungsabwehrklage Erfolg haben wird, zumal die Klägerin eine Einwendung im Sinne von §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1, 767 Abs. 1 ZPO geltend macht, die den im Vergleich geregelten Anspruch selbst betrifft. Zu einer in diesem Sinne anzuerkennenden Einwendung gehört auch die Hinterlegung nach §§ 372 ff. BGB. Denn nach § 378 BGB wird der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung an den Gläubiger geleistet hätte, falls die Rücknahme der hinterlegten Sache ausgeschlossen ist. Die Klägerin hat auf ein Rücknahmerecht ausdrücklich verzichtet, so dass eine schuldbefreiende Wirkung eintreten konnte.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Hinterlegung nach § 372 BGB seien nicht gegeben gewesen, ist dies nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vorgetragen hätte, dass mehrere Gläubiger eine Leistung aus verschieden Rechtsgründen verlangen würden. Vielmehr ergibt sich aus dem Hinterlegungsantrag vom 27.06.2006, dass mehrere Gläubiger gleichzeitig eine Auszahlung aus der Vergleichsforderung in Höhe von 3.375,60 EUR verlangen, wobei Abtretung, Pfändung und gesetzlicher Anspruchsübergang geltend gemacht werden. Insgesamt sind vier Personen benannt, welche die gleichzeitige Auszahlung an sich selbst verlangen, so dass eine Ungewissheit über die Person des Gläubigers für die Klägerin gegeben war.

Die von der Beklagten zitierte Regelung der §§ 711, 708 Nr. 4 - 11 ZPO ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar; es trifft insoweit zu, dass sich hieraus eine Hinterlegungsbefugnis für die Klägerin nicht ergeben hat. Allerdings schließt dies nicht aus, dass eine Hinterlegungsbefugnis nach §§ 372 ff. BGB bestand. Beide Regelungen haben unterschiedliche Voraussetzungen für eine Hinterlegung; im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die rechtliche Möglichkeit zu einer Hinterlegung nach §§ 372 ff. BGB der Klägerin offen stand und sie hiervon zu Recht Gebraucht gemacht hat.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 3 ff. ZPO in Höhe eines Drittels des Hauptsachestreitwertes festgesetzt, zumal in dem Beschwerdeverfahren nur um eine vorläufige Regelung gestritten wurde.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Beachtung von §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ZPO an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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