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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.11.2005
Aktenzeichen: 9 Ta 257/05
Rechtsgebiete: KSchG, GKG, RVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 10
GKG § 42 Abs. 3 Satz 1
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1
GKG § 42 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz
RVG § 33 Abs. 2
ArbGG § 78 Satz 1
ZPO §§ 567 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Ta 257/05

Entscheidung vom 15.11.2005

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 08.08.2005, Az.: 5 Ca 610/05 abgeändert und der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin für Verfahren und Vergleich auf 9.610,00 EUR festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat 83/100 der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 637,00 EUR festgesetzt.

5. Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Gründe:

I.

Die Klägerin war seit dem 31.07.2000 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitsentgeltes in Höhe von durchschnittlich 3.203,33 EUR brutto mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - eingereichten Klage hat sie einen Anspruch auf Verringerung der Wochenarbeitszeit auf 23 Stunden für die Dauer einer Elternzeit geltend gemacht. Der Rechtsstreit ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 23.06.2005 beendet worden, in dem es unter anderem heißt:

"1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass ab 01.01.2005 bis zum 11.11.2007 ein Arbeitsverhältnis besteht auf der Grundlage einer vertraglichen Arbeitszeit der Klägerin von 23 Stunden wöchentlich und einer Vergütung von 1.700,00 EUR brutto nebst vertraglicher Sonderzahlungen (vermögenswirksame Leistung und anderes). Das Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 11.11.2007.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG zu zahlen in Höhe von 29.000,00 EUR brutto, fällig im Austrittsmonat. Der Anspruch entsteht sofort und ist vererblich.

3. Die Klägerin ist berechtigt, ihr Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung gegenüber der Beklagten vor dem 11.11.2007 zu beendigen. In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis mit dem Ende des Monats in dem die Klägerin die Beendigungserklärung abgegeben hat. Die bis zum 11.11.2007 offen stehenden Gehaltszahlungen werden kapitalisiert in Höhe von 1.700,00 EUR brutto pro Monat und der Abfindung die mit dem früheren Ausscheiden fällig wird, zugeschlagen.

4. ...

5. ...

6. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen dessen Leistungsbeurteilung lautet "stets zu unserer vollen Zufriedenheit".

7. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin auf der Basis des Zwischenzeugnisses mit dem Ausscheiden das Schlusszeugnis zu erteilen."

Auf Antrag der beiden Prozessbevollmächtigten hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beider Prozessvertreter mit Beschluss vom 08.08.2005 auf 5.100,00 EUR festgesetzt; dieser Wert entspricht einem Vierteljahresverdienst, wenn man von dem Arbeitsentgelt ausgeht, das der Klägerin nach der Reduzierung der Arbeitszeit auf 23 Stunden zustehen würde.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dem die Gegenstandswertentscheidung des Arbeitsgerichtes am 11.08.2005 zugestellt worden ist, hat am 16.08.2005 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Beschwerdeführer macht geltend,

im vorliegenden Fall sei der 36-fache Unterschiedsbetrag, welcher sich bei Berücksichtigung der beiden Wochenarbeitszeiten ergebe, zu berücksichtigen; wie bei einer Änderungskündigung finde dieser Unterschiedsbetrag allerdings seine Obergrenze in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes der Klägerin. Bei der Berechnung dieses Vierteljahresverdienstes sei aber der Arbeitsverdienst, den die Klägerin bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden verdient habe, zugrunde zu legen. So ergebe sich ein Verfahrenswert in Höhe von 9.610,25 EUR. Bei der Festsetzung des Vergleichswertes sei von einem Mehrwert von 31.957,00 EUR auszugehen. In dem Vergleich sei nämlich die Erteilung eines Zwischen- und Endzeugnisses mitgeregelt worden, so dass sich der Gegenstandswert allein hierfür bereits um ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.957,00 EUR erhöhe. Hinzu komme der Abfindungsbetrag; dies gelte auch in Ansehung von § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG, wonach eine Abfindung nicht hinzuzurechnen sei. Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht Gegenstand des Rechtsstreites gewesen, aber im Vergleich geregelt worden sei, müsse die hierfür gezahlte Abfindung berücksichtigt werden. Mithin sei ein Gegenstandswert für den Vergleich in Höhe von 41.567,25 EUR festzusetzen.

Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat mit Beschluss vom 24.10.2005 der sofortigen Beschwerde des Klägervertreters insoweit abgeholfen, als es den Streitwert für das Verfahren auf 5.100,00 EUR und für den Vergleich auf 9.610,00 EUR festgesetzt hat. Dabei hat das Arbeitsgericht für die im Vergleich geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Vierteljahresverdienst der Klägerin, ausgehend von ihrem Arbeitsentgelt bei Zugrundelegung einer 23-Stunden-Woche in Ansatz gebracht. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach §§ 33 Abs. 2 RVG, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nur teilweise begründet.

Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses war sowohl der Gegen-standswert für das Verfahren als auch für den Vergleich auf 9.610,25 EUR festzusetzen.

1.

Der Gegenstandswert für das Verfahren wurde durch das wirtschaftliche Interesse, das die Klägerin an dem verfolgten Klageziel hatte, bestimmt. Vorliegend wollte sie für die Dauer der Elternzeit eine Verringerung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 23 Stunden erreichen. Mithin betrieb sie einen Rechtsstreit über wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG, da die allwöchentlich abzuleistende Arbeitszeit im Streit stand. Bei einer Auseinandersetzung um wiederkehrende Leistungen ist nach der genannten gesetzlichen Regelung der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend. Der Wert des Unterschiedes zwischen bisheriger und angestrebter Arbeitszeit entspricht der hiermit verbundenen Entgeltreduzierung. Es ergibt sich vorliegend mithin ein dreifacher Jahresbetrag in Höhe von (3.203,33 EUR - 1.700,00 EUR = 1.503,33 EUR x 36 =) 54.120,00 EUR.

Angesichts der vergleichbaren Interessenlage gilt im vorliegenden Fall wie bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung der Vierteljahresverdienst aus § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG als Obergrenze (vgl. BAG, Beschl. vom 23.03.1998 - 7 AZR 527/85 (B) = AP Nr. 1 zu § 17 GKG 1975). Dabei errechnet sich der Vierteljahresverdienst aus der Vergütung, die vor der streitigen Änderung, bezahlt wurde. Auch insoweit gilt bei dem Prozess um eine Verringerung der Arbeitszeit das Gleiche wie beim Rechtsstreit um eine Änderungskündigung. Die Klägerin muss zwar bei der eingeklagten Verringerung ihrer Arbeitszeit als mittelbare Folge auch eine Vergütungsreduzierung hinnehmen; dies ist aber nicht das eigentliche Klageziel. Andererseits will die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit einer 40-Stunden-Woche aufrechterhalten, was mittelbar die Leistung der bisherigen Arbeitsvergütung nach sich zieht; auch ihr geht es aber ausschließlich um den Erhalt der Vollzeittätigkeit. Der wirtschaftliche Wert dessen, was ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit um die Verringerung der Arbeitszeit theoretisch geltendmachen könnte, wäre der gänzliche Wegfall von Arbeitszeit. Dann zöge dies den Verlust des gesamten Arbeitsentgeltes nach sich. Diese theoretische Betrachtung macht deutlich, dass für die Bestimmung der Obergrenze aus § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG die Höhe des bisherigen Arbeitsentgeltes maßgebend sein muss. Anderenfalls würde die Obergrenze umso höher werden, je geringer die erstrebte Verringerung der Arbeitszeit wäre. Hierdurch würde aber ein Wertungswiderspruch entstehen.

2.

Der Gegenstandswert für den Vergleich ist ebenso hoch wie der Verfahrenswert. Ein Vergleichsmehrwert war vorliegend nicht gegeben.

a) Soweit die Prozessparteien in dem gerichtlichen Vergleich vom 23.08.2005 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung vereinbart haben, ist die Einbeziehung des Abfindungsbetrages in die Wertberechnung nach § 42 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz GKG ausgeschlossen. Hiernach wird bei einem Rechtsstreit um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Vierteljahresverdienst des Arbeitnehmers als Wert festgesetzt, aber eine Abfindung nicht hinzugerechnet.

Wenn der Beschwerdeführer vorliegend die Auffassung vertritt, die Abfindung sei hier deshalb zu berücksichtigen, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht Streitgegenstand des Verfahrens, sondern ausschließlich Regelungsgegen-stand des Vergleiches gewesen sei, ist dem nicht zu folgen. Wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Vergleich geregelt wird ohne vorher Streitgegenstand gewesen zu sein, gilt selbstverständlich auch der Vierteljahresverdienst als Obergrenze. Die Vergleichsregelung enthält nämlich ein gegenseitiges Nachgeben in einem Streit um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 779 BGB); dieser Streit muss nicht zwangsläufig Gegenstand des vorausgegangenen Rechtsstreites gewesen sei. Es genügt vielmehr, wenn er zum Beispiel im Rahmen eines Vergleichsgespräches ausgetragen wird. Die Berücksichtigung der Abfindung im vorliegenden Fall würde im Übrigen in krassem Widerspruch zu der Wertfestsetzung bei einem Vergleich im Kündigungsprozess stehen, zumal es dort nicht nur um die Verringerung der Arbeitszeit gegangen wäre, sondern das gesamte Arbeitsverhältnis von vornherein im Streit gestanden hätte.

b) Der Vergleichswert war gegenüber dem Verfahrenswert auch nicht um einen weiteren Vierteljahresverdienst der Klägerin gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG zu erhöhen. In dem geschlossenen Vergleich haben die Parteien zwar die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vereinbart. Diese Situation ist aber wertmäßig bereits in dem Verfahrenswert, dem § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG als Obergrenze zugrunde gelegt wurde, berücksichtigt. Letztlich haben die Prozessparteien im Vergleich die Reduzierung von Arbeitszeit und Vergütung auf null, die oben bereits angesprochen wurde, realisiert.

c) Die im Vergleich enthaltene Regelung über die Erteilung eines Zwischen- und Endzeugnisses führt ebenfalls nicht zu einem den Verfahrenswert überschießenden Vergleichswert. Ein Vergleichsmehrwert kann sich in diesem Zusammenhang allenfalls ergeben, wenn über die im Vergleich enthaltene Regelung zumindest außergerichtlich gestritten wurde oder sich der Arbeitgeber mit der Erfüllung von im Vergleich protokollierten Verpflichtungen zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses in Verzug befunden hat. Ein Vergleich setzt, bereits kraft gesetzlicher Definition (§ 779 Abs. 1 BGB), nämlich voraus, dass ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens bereinigt werden muss (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.10.2004 - 9 Ta 208/04 m.w.N.). Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, dass der Anspruch auf Erteilung eines Zwischen- bzw. Endzeugnisses vor dem Vergleichsabschluss ungewiss oder streitig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat hierzu, trotz des zutreffenden Hinweises des Arbeitsgerichtes in seinem Nichtabhilfebeschluss, nichts dargetan. Es ist daher davon auszugehen, dass die Zeugnisregelung in dem gerichtlichen Vergleich lediglich deklaratorischen Charakter hatte und hier lediglich die Gesetzeslage wiedergegeben wurde.

Nach alledem war die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichtes - wie geschehen - abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Dem Beschwerdeführer waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens insoweit aufzuerlegen, als seine Beschwerde ohne Erfolg blieb.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß §§ 3 ff. ZPO in Höhe der weitergehenden Anwaltsvergütung bei Festsetzung des mit der Beschwerde angestrebten Gegenstandswertes festgesetzt.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (vgl. BAG, Beschl. v. 17.03.2003 - 2 AZB 21/02 = AP Nr. 3 zu § 78 ArbGG 1979 n.F; Beschl. v. 04.08.2004 - 3 AZB 15/04 = Juris).

Ende der Entscheidung

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